Geschätzte Lesezeit: 16 Minuten

Seite 1

Solospiele sind der Notnagel, wenn man keine Mitspieler zum Brettspieleabend findet? Das ist längst nicht mehr so. Der Markt für Solospiele boomt! Worin liegt der Reiz, alleine zu spielen? Wir stellen euch den Trend vor und testen außerdem drei Solospiele auf Herz und Nieren.

„Hast du Lust auf einen Brettspielabend?“ – Brettspiele zu spielen geht für viele in der Vorstellung untrennbar damit einher, etwas mit anderen Leuten zu unternehmen. Zum gemütlichen Beisammensein bei Pizza, Chips und Schokolade. Und dennoch gibt es einen wachsenden Markt für Solospiele. Diese polarisieren jedoch noch immer. Nicht umsonst spricht man schließlich von Gesellschaftsspielen! Wo bleibt der Austausch mit anderen Ideen? Und den ganzen Aufwand mit dem Aufbau eines Brettspiels nur für mich alleine? Vorurteile gibt es noch immer, dennoch reizen interessante Solospiel-Ansätze immer mehr Spieler dazu, dem doch mal eine Chance zu geben. Warum soll das Alleinespielen, was etwa bei Computer- und Videospielen zur akzeptierten Normalität gehört, nicht auch bei analogen Brettspielen funktionieren?

Durchaus kommen auch Mehrspiel-Brettspieler immer öfter mit dem Solospiel-Trend in Berührung. Mittlerweile haben so einige Brettspiele zusätzlich zu den Spielmöglichkeiten für drei, vier oder noch mehr Spieler auch eine Solovariante. Und das sowohl analog als auch in ihren digitalen Apps, wie bei den Aufbausimulationen Agricola oder Through the Ages. Bei ersterem sind durchaus große Nummern zu nennen, wie Terraforming Mars oder Zombicide, oder auch Spiele wie das Kickstarter-finanzierte Everdell. Wie diese Variante gestaltet ist, unterscheidet sich selbstredend von Spiel zu Spiel und hierbei lohnt es sich durchaus genau hinzusehen.

Denn auch Solospiel ist nicht gleich Solospiel. Manchmal unterscheidet sich die Einzelspielervariante nur durch ein paar ergänzende Regeln, etwa andere Ziele, schwerere Ausgangsbedingungen, weniger oder mehr gespielte Runden oder man „spielt“ quasi für die nicht vorhandenen Mitspieler die spielbaren Charaktere mit. Auf diese Weise lassen sich kooperative Spiele recht einfach mit einem Solo-Modus versorgen, müssen hierbei jedoch beim Balancing aufpassen, dass sie insgesamt nicht zu leicht werden. Hingegen bei Spielen mit kompetitiver Mechanik fällt dies nicht ganz so leicht.

Manch ein Brettspiel bringt jedoch für die Solovariante eigenes Spielmaterial mit. Dies können Extramissionen sein, weitere Kartenteile, Marker oder auch Spielfiguren. Es ist durchaus ein Unterschied, ob bei einem für mehrere Spieler konzipierten Spiel schnell noch eine Solovariante „hinzugedichtet“ wurde, oder ob der Solomodus ein echtes Feature für das Gesamtspiel darstellt und Spaß macht, weil er sich durch eine eigene Herausforderung auszeichnet.

Apropos Herausforderung. Was kann denn nun die Motivation zum Spiel mit sich selber oder gegen das Spiel sein? Eine der Hauptmotivationen überhaupt zum Spielen ist durchaus auch der Reiz, sich selbst vor eine Herausforderung zu stellen. Sich selbst immer wieder zu übertreffen. Höher, schneller, weiter! Den eigenen Highscore (oder auch den befreundeter Spieler) mit noch mehr erreichten Siegpunkten als in der Vorrunde zu knacken, mit noch mehr Handicaps oder noch weniger Zügen den Sieg zu erringen.

Der virtuelle Gegner ist hier zwar oftmals das Spiel, aber in Wirklichkeit ist es ein Duell mit uns selbst. Menschen, die gerne ihren Intellekt vor neue Aufgaben stellen oder mit Begeisterung Escape-Rooms, Puzzles oder Knobelspiele lösen, werden auch schnell ihren Spaß an Solobrettspielen entdecken. 

Oftmals richten sich Solospiele daher also eher an Kenner als an Kinder und Jugendliche. Obwohl dies nicht gleichzeitig bedeutet, dass die Regeln komplex sein müssen. Oftmals liegt der schwierige Anteil eher bei der Wahl der Taktik, die man identifizieren und anwenden muss, um zum Ziel zu kommen. Es ist durchaus normal, dass man bei einem neuen Solospiel in den ersten Partien scheitert, bis man den Bogen raushat.

Zu viel Frust sorgt schnell für den Verlust des Spaßes am Spiel  © Balefire9
Zu viel Frust sorgt schnell für den Verlust des Spaßes am Spiel © Balefire9

Eine nicht zu niedrig angesetzte Frustrationsschwelle ist daher empfehlenswert für Solospiele. Und durchaus auch der Spaß daran sich selber die Ziele zu wählen, über angepasste Startbedingungen und einen höheren Schwierigkeitsgrad, damit es auch nach ein paar Partien mehr nicht langweilig wird.

Dennoch kann es andere Motivationen geben. Auch storygetriebene Spiele geben gute Solospiele ab. Hier steht weniger die Herausforderung im Vordergrund, sondern das Erleben einer interaktiven Geschichte und das Solospiel kann eher die Rolle eines Buchs oder Films einnehmen. Dann ist auch eine komplexe Spielmechanik oder großartige Taktik des Spiels nicht zwingend notwendig, es zählt die Fähigkeit, eine Story angenehm zu präsentieren.

Jeder Spielleiter von kleinen oder großen Spielrunden tut außerdem gut dran, sich auf neue Brettspiele vorzubereiten. Was eignet sich da besser, als die Solovariante eines Mehrspielerspiels? Durch fast nichts kann man das Spiel, die Regeln und Fallstricke so gut kennen lernen, wie durch einige Partien mit sich selbst. Manche Spiele, etwa Tainted Grail setzen hier an und bieten das Tutorial in Form eines expliziten Soloszenarios an, um die anderen Spieler anschließend besser anleiten zu können.

Umso besser, wenn dies möglich ist ohne die anderen Mitspieler „simulieren“ zu müssen und man dadurch in der Lage ist, das Spielprinzip in den Tiefen erfassen zu können. So kann man neuen Spielern nicht nur die Regeln erklären, sondern auch direkt erste taktische Hinweise mit an die Hand geben, auf dass sich die anfänglichen Partien direkt flüssiger und erfreulicher spielen, als wenn alle Spieler etwas „im Dunkeln“ tappen.

Aber ob nun der Spaß an der eigenen Herausforderung oder die Neugierorientierung die Motivation darstellt: Wie sehen Solospiele in der Praxis aus und wie funktionieren die Spielmechanismen? Wir haben die drei recht unterschiedlichen Solospiele Lux Aeterna, Arkham Noir und Feuer frei! getestet, auch im Hinblick auf die Unterschiede in der Solospielmechanik.

Weiter geht es auf Seite 2

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein