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Welche sind die besten Spiele aller Zeiten? Jeder Brettspielfan sollte diese doch mal gespielt haben – oder kann man sich so manche davon auch sparen? Es ist Zeit für ein Update über die aktuell am höchsten bewerteten Spiele auf BoardGameGeek, der größten internationalen Plattform für Brettspiele.

Was hat sich getan an der Spitze der beliebtesten Brettspiele seit unserem Überblick im April 2018? Auf den ersten Blick sieht man doch etwas Stagnation. Die Top drei sind stabil und gerade Gloomhaven (als beliebtestes Spiel) scheint gekommen zu sein, um zu bleiben, wenn man sich die Bewertungen einmal ansieht. Nichtsdestoweniger gibt es jede Menge neuer Erweiterungen und Content für viele Spiele und somit lohnt sich eine Neubetrachtung allemal.

Spannend ist sicherlich, dass mit dem Neuzugang Gaia Project ausgerechnet dessen geistiger Vater Terra Mystica aus den Top 10 vertrieben wurde. Dieses Jahr zumindest erhält das Spiel von uns den Ehrenplatz und wird trotzdem betrachtet. Durch die vierte Edition von Twilight Imperium, erstmals auch auf Deutsch lokalisiert, ist ein zweiter SciFi-Titel neu in den Top 10.

Die Wertungsmechanik bei BGG

Zur zugrundeliegenden Mechanik: Damit man nicht mit ein paar Dutzend Fake-Accounts sein neues Spiel an die Spitze katapultieren kann, gibt es zwei Wertungen bei BGG. Zur durchschnittlichen Bewertung werden Dummies hinzugerechnet. Je mehr Bewertungen ein Spiel hat, umso weniger fallen diese durchschnittlich wertenden Dummies ins Gewicht. Die Top 10-Spiele wurden jeweils 10.000-30.000 Mal bewertet. Darunter hat man – selbst bei einer ausgezeichneten Bewertung – keine Chance, in die höchsten Sphären aufzusteigen. Daher sind Titel wie Kingdom Death Monster mit einer durchschnittlichen Bewertung von 8,81 (ein Zehntel Punkt hinter Gloomhaven) auf Platz 33, denn mit unter sechstausend Bewertungen hat das Spiel keine ausreichend große Fanbase um ganz oben mitzuspielen – bislang.

Aber der letzte Kickstarter dieses Giganten ist noch nicht ausgeliefert, also kann man hier sicher noch ein paar Plätze mehr erwarten. Auch Mythic Battles: Pantheon hat ein zweites Kickstarter-Projekt hinter sich und Middara wird diesen Sommer in eine zweite Kickstarterrunde gehen. Diese großen und entsprechend teuren Spiele haben eine sehr aktive Fanbase, die wohl geneigter ist ihr Fanprojekt zu benoten. So ist ein wahrscheinlicher Aspirant für die Top 10 2020 Brass: Birmingham – nach der Kickstarter-Kampagne von 2018 schnell ausgeliefert und zur Zeit der Veröffentlichung dieses Artikels auf Platz 16. Das kooperative Spirit Island ist ebenfalls aus dem Stand auf Platz 15 angelangt. Flügelschlag, der neue Überraschungs-Überflieger von Stonemaier Games über das Brutverhalten von amerikanischen Vögeln, würde sich mit mehr Stimmen auch nicht in den 70ern sondern zwischen fünf und sechs befinden – und die Fanbase wächst. Wir sind gespannt, was sich dieses Jahr noch alles so tun wird, aber schauen wir doch mal wer aktuell die Hitliste anführt:

11 (-3): Terra Mystica (2012)

Gerade durch den eigenen Sci-Fi-Nachfolger Gaia Project aus den Rängen verdrängt, soll das zweitälteste Spiel der Meisterriege hier dennoch Erwähnung finden.

Als eine von 14 (20 mit Erweiterung) phantastischen Rassen/Gruppierungen (Zwerge, Nixen, Chaosmagier etc.) möchte man sein Volk möglichst weit expandieren lassen. Aber leider fühlt man sich nur im eigenen Habitat so richtig wohl – bei den Meerjungfrauen vermutlich am leichtesten nachzuvollziehen. Also betreibt man Terraforming der einzelnen Landstriche/Felder. Die Spieler bauen dabei unterschiedliche Gebäude, die weitere Fähigkeiten freischalten. Hierzu benötigt man natürlich Geld, aber auch Macht, welche in einem interessanten Kreislaufmodell wächst. In drei „Schalen“ wird die Macht zunächst angereichert (von I in II und dann von II in III), und nur die Machtchips in Schale III können letztlich genutzt werden und landen dann wieder in Schale I – jedenfalls wenn sie nicht permanent verbrannt werden, was ermöglicht, schneller wieder alle Macht (wenn auch weniger) zur Verfügung zu haben. Zudem gibt es noch Siegpunkte durch vier verschiedene Kulte, Rundenbonuskarten, Gunstplättchen und Wertungsplättchen. Selbstverständlich spielt sich jede der Rassen ein wenig anders. Eine hohe Wiederspielbarkeit ist allein aufgrund dieser Vielzahl an Möglichkeiten garantiert.

Am ehesten vergleichbar (neben dem offensichtlichen Gaia Project) wären wohl Spiele wie Tzolk’in: Der Maya Kalender oder vielleicht Keyflower. Sonst gefällt Terra Mystica sicher jedem, der komplexe Aufbauspiele mag, die man beim ersten Mal gegen erfahrenere Spieler sicher nicht gewinnt und die bis tief in die Nacht dauern können, denn die angegebene Spielzeit von 30 Minuten pro Spieler kann auch schon mal um einiges überschritten werden.

  • Autor: Jens Drögemüller, Helge Ostertag
  • Verlag: Feuerland Spiele
  • Spieleranzahl: 2 3 4 5
  • Preis: ca. 66 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo
  • Erweiterung: Feuer & Eis, idealo (2014)

 

10 (neu): Twilight Imperium (Vierte Edition) (2017)

Seit 2017 ist die vierte Auflage des Spiels erhältlich, welches Fantasy Flight Games und deren Gründer Christian T. Petersen auf der Bildfläche erschienen lies. Mittlerweile in den Top 10 angekommen hält es weiter Kurs auf die Top 3.

Wer sechs Spieler und vier bis acht Stunden zur Verfügung hat, findet in Twilight Imperium (oder kurz TI) ein episches Brettspiel, welches seinesgleichen sucht. Dabei wirkt der Klassiker wie ein plastikbeladenes, kampflastiges 4X-Spiel, in dem jedoch ein Wettlauf auf 10 (oder epische 14) Siegpunkte und fehlendem vierten X (für Explore) steckt. Die 17, aus TI3 und seinen Erweiterungen bekannten, unterschiedlichen Rassen sind nun Bestandteil des Grundspiels, was eine breite Auswahl garantiert. Im Gegensatz dazu steht die vierte Edition ansonsten voll im Zeichen des Streamlining. Um den Kampf über die Vorherrschaft auf Mecatol Rex, dem galaktischen Zentralplaneten, herum wurden Technologie- und Politik-Systeme verbessert und an vielen weiteren Ecken gefeilt um ein runderes und zügigeres Spielerlebnis zu ermöglichen.

Die vierte Edition von TI gibt es seit Ende 2018 endlich auch in einer deutschen Edition. Wir bemühen uns hier noch um ein Testexemplar für eine ausführliche Review für euch. Eine Erweiterung für bis zu 8 Spieler und mehr Varianz in Zielen und Hex-Feldern würde uns nicht überraschen.

Die Mutter aller Witze à la „hey es ist erst drei Uhr morgens, noch Lust auf eine kurze Runde XY“ kann schon mal etwas länger dauern, auch wenn die dritte Auflage nun schon ein wenig gestreamelined wurde. Wer also gute Freunde hat, die keinen Ärger kriegen, wenn sie 3-4 Stunden später als geplant nach Hause kommen, und wer Spiele wie Rex (der kleine Bruder im gleichen Universum), Cosmic Encounter oder auch Der Eiserne Thron mag, ist hier sicher gut beraten.

  • Autor: Dane Beltrami, Corey Konieczka, Christian T. Petersen
  • Verlag: Fantasy Flight Games, Asmodee
  • Spieleranzahl: 3 4 5 6
  • Preis: ca. 120 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo (aktuell nur Englisch erhältlich)

 

9 (+-0): Great Western Trail (2016)

Wer sich vom Coverdesign (das auch auf einem Spieltisch in der Welt von Planet der Affen nicht weiter auffallen würde) nicht abschrecken lässt, kommt in den Genuss einer interessanten und komplexen Verquickung unterschiedlicher Spielmechanismen.

Als Rinderbaron muss man immer wieder seine Herde (bestehend aus 5 oder mehr Rinder-Handkarten) über verschiedene Aktionsfelder zum großen Markt nach Kansas City treiben, um sie dort für Geld zu verkaufen – damit sie… an einen besseren Ort kommen. Mehr Geld gibt es, je weiter das eigene Eisenbahnnetz ausgebaut ist, denn im fernen San Francisco lassen sich höhere Preise erzielen als im überlaufenen Kansas City. Geld zählt zu den Siegpunkten, man braucht es aber auch, um bessere Kühe und Mitarbeiter zu erwerben, oder Gebäude sowie Hindernisse zu bauen, die man dann wiederum auf den weiteren Wegen nach Kansas City nutzen kann oder sie anderen Spielern in den Weg legt.

Auf der Jagd nach Siegpunkten und Geld betreiben die Spieler also Hand-Management im Sinne eines Deckbuilders (durch die Veredelung der Rinderherde), es gibt Worker-Placement-Elemente, und im Kern entscheidet man selbst, wie schnell man die aktuelle Herde verkaufen oder wie viele Zusatzeffekte auf dem Weg man jeweils nutzen möchte.

Von der Komplexität her sicher nicht zu unterschätzen, kommt jeder Spieler immer weiter im eigenen Aufbau voran. Die Möglichkeiten, die anderen Spieler zu behindern sind dezent genug, um nicht zu frustrieren, aber gleichzeitig spannend genug, um die Konkurrenz immer im Auge behalten zu müssen.

Die 2018 erschienene Erweiterung Rails to the North führt das Spiel ins Industriezeitalter und nun müssen per Bahn auch Chicago und New York City beliefert werden. Die zusätzlichen Optionen und dadurch gewonnene Spieltiefe kommt bei den Fans hervorragend an.

Wer komplexere Handels- und Aufbauspiele wie Marco Polo oder Rajas of the Ganges mag, oder es bereits seit dem Kindergarten vermisst, mal wieder ein Cowboy zu sein, ist bei Great Western Trail genau richtig aufgehoben.

  • Autor: Alexander Pfister
  • Verlag: eggertspiele, Pegasus Spiele
  • Spieleranzahl: 2 3 4
  • Preis: ca. 35 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo
  • Erweiterung: Rails to the North (2018)

 

8 (-1): Scythe (2016)

In Scythe (gesprochen übrigens mit scharfem S, dann ein ei und am Ende noch ein englisches th) treten Supermächte nach dem ersten Weltkrieg in einer alternativen Zeitlinie voller Steampunk gegeneinander an, um möglichst schnell die meisten Siegpunkte zu erlangen – durch Beliebtheit oder schlicht durch Folgekriege. Auf dem Weg dahin werden Rohstoffe produziert, die Produktion effizienter gestaltet sowie riesige Transport- und Kampfroboter gebaut. In dem Rennen um das Erreichen von sechs Zielen mit recht schnellen individuellen Zügen gibt es viele Möglichkeiten, seine Fortentwicklung zu priorisieren und bei Ereignissen auch noch den ein oder anderen Vorteil abzugreifen. Hierzu bedient sich das Spiel der interessanten Mechanik zweier Spielbretter, die jeder erhält: eins für die Fraktion, die man spielt (nahe an damalige Nationen angelehnt) inklusive besonderer Eigenschaften, und dann eins, das die Kombination von Aktionsmöglichkeiten reguliert, denn man erhält in jedem Spielzug zwei Aktionen.

Das Spiel verfügt über epische Bebilderungen, hochwertiges Spielmaterial, eine interessante Welt, spannende Mechaniken und einen tollen Designer (der einen absurden, gefühlt 24-Stunden-Facebook-Instant-Support bietet). Vor allem wirkt es wie ein großes 4-5-Stunden-Spiel (für die man oft einfach nicht die Zeit hat), was sich jedoch teilweise in 1-2 Stunden spielen lässt.

Mit der Fenris-Erweiterung kam zudem eine Kampagne hinzu, welche ähnlich wie in Legacy-Spielen eine fortlaufende Geschichte erzählt. Dabei gibt es neue Mechaniken und sogar Fraktionen; anders als bei Legacy-Spielen ist die Kampagne allerdings wiederholbar zu spielen, da kein Spielmaterial verändert wird.

Das Balancing des Spiels hängt jedoch stark davon ab, dass alle Spieler wissen, welche Fraktion welche Stärken hat, um diese gezielt zu bekämpfen. Sonst kann es passieren, dass die „Preußen“ (die relevant schneller Ziele erreichen können) das Spiel beenden, und wenn sie nicht aufpassen, gewinnen die „Russen“ (die sich direkt Spielboni holen können, die andere erst in der Mitte des Spiels erkämpfen müssen) am Ende trotzdem. Viele entgegnen hier, dass man ja genau mit diesen Informationen arbeiten muss, und gerade dies den Reiz des asymmetrischen Spiels ausmacht.

Neben der Rezension des Grundspiels haben wir auf unserer Seite auch einen Überblick über alle Erweiterungen und Komponenten für euch.

Trotzdem lieben alle Scythe – wer also etwas ähnliches will, nur vielleicht etwas kürzer/weniger komplex, ist mit Viticulture vom gleichen Autor gut beraten, mit Winzige Weltreiche oder aber einfach mit der Mein-kleines-Pony-Edition von Scythe.

  • Autor: Jamey Stegmaier
  • Verlag: Stonemaier Games
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4 5
  • Preis: ca. 61 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo
  • Erweiterungen: Invasoren aus der Ferne (2016), Kolosse der Lüfte (2017), Aufstieg des Fenris (2018), Encounters (2018)

 

7 (neu): Gaia Project (2017)

Alter Wein in neuen Schläuchen oder doch ein neues oder zumindest verbessertes Spieleerlebnis? Das fragt sich so ziemlich jeder Terra-Mystica-Fan (jetzt auf Platz 11) wenn man sich Gaia Project ansieht. Vieles an den Mechaniken ist identisch. Auf den ersten Blick sieht man nur, dass Holz dem (vielleicht stimmigeren) Plastik weichen musste und zwischen den Planeten auf dem nun modularen Spielbrett natürlich leerer, freier Weltraum liegt, der die einzelnen zu terraformenden Planeten trennt. Dafür wurden die Fraktionsentwicklungsoptionen sowie einige der bei Terra Mystica gezogenen Plättchen auf Technologiebäume verteilt, die für alle Spieler zur Verfügung stehen. Einer dieser Tracks ist das namensgebende Gaia Project. Durch Entwicklungen hier, kann man Planeten bebauen, die sonst für alle Spieler unbewohnbar wären.

Auch an den Siegbedingungen und dem Macht-System wurde etwas rumgeschraubt und man hat somit mehr Möglichkeiten. Der Streit darüber, welches das mechanisch bessere Spiel sei, scheint nun basisdemokratisch entschieden – da es sich auch um eine Weiterentwicklung desselben Teams handelt, wohl auch kein Wunder. Wer sich thematisch allerdings doch lieber in Fantasy-Welten zu Hause fühlt, wird wohl doch weiter zum bewährten Terra Mystica greifen. 

  • Autor: Jens Drögemüller, Helge Ostertag
  • Verlag: Feuerland Spiele
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4
  • Preis: ca. 60 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo

 

6 (+-0): Star Wars Rebellion (2016)

Vorbei sind die Zeiten, in denen bei Franchise-Spielen durch die Lizenz nicht genug Geld für eine ordentliche Spieleentwicklung zu sein schien – dafür sorgt Fantasy Flight Games immer wieder. Neben diversen Spielen zu A Game of Thrones und Herr der Ringe gibt es auch bereits acht verschiedene Spiele im Star Wars-Universum – neben etlichem Rollenspielmaterial.

In diesem asymmetrischen Zweispieler-Spiel (bei dem man auch in Zweier-Teams spielen könnte) verkörpert einer das militärisch massiv überlegene Imperium, während der andere die Rebellen anführt, die mit politischen Manövern und Guerilla-Taktiken versuchen, die Galaxie zur Rebellion zu bewegen. Doch wenn die Imperialen einmal die geheime Basis des Widerstands entdeckt haben, ist es ein leichtes, diese zu vernichten – es sei denn, den Rebellen gelingt in letzter Minute eine Evakuierung und Verlagerung ihrer Zentrale. Mit über 150 Plastikminiaturen werden Raumschiffe sowie Bodentruppen auf den einzelnen Planeten aufeinander treffen. Die aus der klassischen Trilogie bekannten Helden und Bösewichte können hier durch Taktikkarten unterstützen, oder aber versuchen, die Loyalität eines Planeten zu kippen, auf Questen gehen, in Fallen tappen, gefangen genommen werden und natürlich von der dunklen Seite korrumpiert werden. Dabei wird man stets sehr immersiv an die großen Szenen der Filmgeschichte erinnert. Nach der Erweiterung von 2017, die das Kampfsystem und auch sonst einiges verbessert hat, kletterte das Spiel rasch in die Top 10. Wird es dem Widerstand gelingen, gegen die militärische Übermacht zu bestehen, oder wird der Rebellenabschaum ein für alle mal zerschlagen werden – in diesem Katz-und-Maus-Spiel bleibt es bis zuletzt immer spannend.

Wer bereits mit Hobbits und Elfen Spaß im Ringkrieg gegen die Schergen Saurons hatte, wird an diesem durchaus ähnlichen Spielprinzip (mit einigen relevanten Unterschieden) sicher Gefallen finden.

 

5 (-1): Twilight Struggle / Gleichgewicht des Schreckens (2005)

Der „Opa“ und langjährige erste Platz unter den Top 10-Spielen ist ebenfalls ein asymmetrisches Zweispieler-Spiel, in dem die Spieler entweder die US-Amerikaner oder die Russen im Kalten Krieg darstellen und in Ländern auf der ganzen Welt Einfluss sammeln. Dazu spielen sie jede Runde eine ihrer begrenzten Handkarten, die Bezug auf Ereignisse aus dem Kalten Krieg nehmen – insgesamt drei Kartensets werden ausgeteilt für drei Spielphasen. Hierbei gibt es klingende Ereignisse wie „Atomversuchungsverbot“ oder „Entstalinisierug“, aber auch „Salt Verhandlungen“. Die Ereignisse können neutral sein, die meisten sind jedoch einer Seite zugeordnet. Egal wer sie spielt, löst damit (meist positive) Ereignisse für diese Seite aus, es sei denn, er nutzt die Karte anderweitig.

Hierbei können die Spieler entweder neuen Einfluss setzen oder bestehenden verändern, zum Beispiel durch einen Putschversuch, bei dem dann allerdings Würfelglück ins Spiel kommt. Alternativ kann man sich auch vom tagespolitisch weltlichen Geschehen abwenden und die Aktion dazu nutzen, weiter am Wettlauf um die erste Mondlandung zu arbeiten. Ganz besonders wichtig sind Wertungskarten, denn eine davon muss in einer Phase gespielt werden, auch wenn es gerade für einen nachteilig ist – sonst gewinnt der andere Spieler.

Insgesamt ist es ein Tauziehen um 20 Siegpunkte, man muss folglich zum Sieg 20 Punkte mehr haben als der Gegner. Es gibt auf dem Weg allerdings jede Menge Möglichkeiten, das Spiel vorzeitig zu beenden, indem man zum Beispiel einen Kontinent komplett dominiert. Und auf dem Weg, dieses komplexe Spiel zu meistern, gibt es viele Fallstricke, wie dass man als Amerikaner den russischen Spieler bei Defcon (Sicherheitsstufe) 2 nicht zur Teilnahme an einer Olympiade nötigen sollte (die man natürlich gewonnen hätte), denn wenn er ablehnt, geht es auf Defcon 1 runter und der Ami hat verloren.

Es heißt, nach ca. 10 Partien habe man das Spiel grundlegend verstanden. Alternativ kann man sich im Netz teils 200-seitige Strategie-Guides durchlesen.

Wer seine Geschichtskenntnisse über wichtige Ereignisse der 40er bis 80er Jahre aufbessern möchte und ein komplexes Zweispieler-Spiel sucht, dessen Tiefe und Vielfalt man mit jedem Spiel mehr und mehr zu schätzen weiß, der sollte zugreifen. Das neuere The Expanse-Brettspiel zur Science-Fiction-Erfolgsserie wird oft als einfacheres Twilight Struggle für bis zu vier Spieler beschrieben.

  • Autor: Ananda Gupta, Jason Matthews
  • Verlag: GMT Games
  • Spieleranzahl: 2
  • Preis: ca. 70 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo

 

4 (+1): Terraforming Mars (2016)

In diesem Spiel verkörpert man Megakonzerne, die über Generationen hinweg das Ziel haben, den roten Planeten bewohnbar zu machen – und auf dem Weg dorthin den größten Beitrag zu leisten. Sobald es so warm ist wie im sibirischen Sommer, der Sauerstoffgehalt hoch genug und alle neun Ozeane angelegt wurden, endet das Spiel und die Siegpunkte werden gezählt. Jeder Konzern produziert in jeder Generation/Spielrunde die folgenden sechs Ressourcen: Stahl (zum Kauf von Gebäuden), Titan (für besondere Techniken oder Weltraumereignisse), Pflanzen (zum Anlegen von Wäldern, die den Sauerstoffgehalt erhöhen), Energie (um diverse Karten zu aktivieren) und deren ungenutzter Rest zu Abwärme wird, mit der man die Grundtemperatur steigert, sowie Megacredits (als Universalressource und um damit Eventkarten wie neue Wissenschaften zu erwerben). Wissenschaftliche Errungenschaften, errichtete Städte und Wälder und als erstes erreichte Meilensteine bringen dabei Siegpunkte. Das gleiche gilt auch für die eigenen Tiere, Pflanzen und Mikroben, die durch Handkarten ausgespielt werden und viele Synergieeffekte haben. Außerdem sollten einfach mehr Spiele über eine Haustiere-Karte verfügen, die als einzige sicher sind vor den bösen Fleischfressern der Mitspieler.

Die Erweiterungen bringen bislang die üblichen neuen Karten, vor allem aber auch neue Spielbretter. Besonders interessant wird wohl die aktuell in Entwicklung befindliche Legacy-Variante sein, die Anfang 2019 angekündigt wurde, von der allerdings bislang wenig bekannt ist. Ebensowenig Informationen gibt es aktuell zur Collector’s Edition, die Stephen Buonocore im April 2019 beim Podcast Board Game Insider angekündigt hat.

Das Spiel verbindet Elemente von Spielen wie Terra Mystica und Race for the Galaxy, aber auch Suburbia bis hin zu Evolution. Wer ein paar davon mag oder gern mal zusammen zu einem komplexen neuen Spiel verdichtet sehen möchte, sollte beim größten Gemeinschaftsprojekt der Menschheitsgeschichte teilnehmen.

  • Autor: Jacob Fryxelius
  • Verlag: FryxGames, Schwerkraft Verlag, Stronghold Games
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4 (5)
  • Preis: ca. 59 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo
  • Erweiterungen: Hellas & Elysium (2017), Nächster Halt: Venus (2017), Präludium (2018), Kolonien (2018), Turmoil (geplant für 2019), Legacy-Variante (geplant für 2020/21), idealo

 

3: (+-0) Through the Ages: Eine neue Geschichte der Zivilisation (2015)

Neun Jahre nach Erscheinen der ersten Version kam 2015 die neue Edition heraus, in neuem Gewand sowie mit verschlankten und ausbalancierten Regeln – und hat sofort eingeschlagen. Startend mit einer kurzen Phase in der Antike, spielt man über drei Zeitalter (das Mittelalter, die Renaissance und die Moderne), indem man mit begrenzten Aktionspunkten Karten von einer stetig erweiterten Kartenauslage kauft und diese verbaut. Dabei gibt es vor allem Gebäude, mit denen die eigenen Arbeiter Ressourcen wie Nahrung, Rohstoffe und Wissenschaft generieren, welche für den Fortschritt benötigt werden, aber auch Kultur, also Siegpunkte. Daneben gibt es in der Auslage auch Anführer und zu errichtende Wunder, die besondere Boni gewähren, wie auch Eventkarten für Einmaleffekte. Parallel dazu kann man seine Arbeiter auch ins Militär schicken, und Überlegenheit hier gewährt oft Boni und ermöglicht es, durch Überfälle und Kriege den anderen Mitspielern Ressourcen oder gar Kultur/Siegpunkte zu klauen.

Ungewöhnlich ist hierbei nicht nur, dass das Spiel ganz ohne Weltkarten-Spielbrett auskommt, sondern auch das Ressourcen-Management, denn nicht nur stirbt die Bevölkerung bei Unterernährung (inklusive Kulturverlust); wenn man zu viele Rohstoffe rumliegen hat, steigt auch die Korruption und das eigene Volk lässt das mühsam angesammelte Baumaterial verschwinden. Das macht jeden einzelnen Spielzug mit anfänglich vier, am Ende auch gern mal an die 15 Aktionspunkten zu einem kleinen, spannenden und taktischen Puzzle, welches allerdings auch recht zeitaufwendig ist.

Wer Aufbauspiele wie Civilization in seinen unterschiedlichen Ausformungen mag, ist hier goldrichtig. Besonderer Tipp: Durch die langen Spielzüge eignet sich ein Blick in die sehr gute App-Umsetzung (mit amüsantem Tutorial), da hier jeder im Spiel gegen andere bis zu 24 Stunden für seinen Zug Zeit hat.

  • Autor: Vlaada Chvátil
  • Verlag: Czech Games Edition, Heidelberger, Asmodee
  • Spieleranzahl: 2 3 4
  • Preis: ca. 48 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo

 

2 (+-0): Pandemic Legacy Season 1 (2015)

Auch wenn Risiko Evolution das erste Legacy-Spiel war, so richtig gewann der Trend durch Pandemic Legacy Season 1 an Aufwind. Die zweite Season hat die Spielemesse Essen 2017 beherrscht, hier könnt ihr unseren ausgiebigen Bericht zum zweiten Teil lesen.

Aber um sich nicht zu spoilern, sollte man natürlich mit Season 1 starten. Wie im Originalspiel Pandemie gibt es vier verschiedene Krankheiten, die sich über die 48 Städte der Weltkarte verteilen. Nach jedem Spielerzug werden vom Infektionsstapel zwei oder mehr der Orte infiziert. Die Spieler verkörpern Spezialisten, die versuchen, die Krankheiten einzudämmen, denn bei der vierten Infektion kommt es zur Pandemie und alle verbundenen Städte werden ebenfalls infiziert. Um jedoch das Spiel zu gewinnen reicht es nicht, die akuten Brennpunkte immer wieder zu versorgen – Heilmittel müssen her. Hierzu sammelt und tauscht man Spielerkartensets in den entsprechenden Virus-Farben. Aber in genau diesem Kartenstapel verstecken sich auch Epidemie-Karten, die dafür sorgen, dass man alle infizierten Orte wieder neu gemischt auf das Infektionsdeck legt. Die Brandherde bleiben also die gleichen und die Lage spitzt sich zu.

In der Legacy-Variante spielt man nun ein wichtiges Jahr der Menschheitsgeschichte, in dem eine der Krankheiten mutiert. Jeden Monat hat man zwei Versuche, das aktuelle Spielziel zu erreichen – das Spiel kommt also 12-24 Mal auf den Tisch, und währenddessen erlebt man eine fortlaufende Geschichte und sich weiterentwickelnde Spielmechaniken. Dabei werden Kisten geöffnet, Karten beklebt, Charaktere benannt, aber auch Spielmaterial für immer zerstört.

Wer das Grundspiel Pandemie mit seinen vielen Ablegern mag, kann hier nichts verkehrt machen. Ebenso wie Freunde von Legacy-Spielen und/oder kooperativen Spielen.

  • Autor: Alexander Pfister
  • Verlag: eggertspiele, Pegasus Spiele
  • Spieleranzahl: 2 3 4
  • Preis: ca. 48 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo

 

1 (+-0): Gloomhaven (2017)

Der aktuelle Throninhaber ist mit 9 kg und jeder Menge Spielmaterial ein wahres Schwergewicht. Ein Hybrid aus einem kooperativen Dungeon-Crawler, der aber mit dem verbreiteten Bewegung-und-Kampfwürfel-Prinzip seiner Artverwandten bricht und stattdessen eine Eurogame-Mechanik nutzt. Jede der anfangs sechs (später 17) Klassen hat ein eigenes Handkartenset, von dem man immer zwei Karten auswählt, die jeweils eine Aktion oben und unten besitzen. Sobald alle ihre Wahl getroffen haben, wird offenbart, was die Gegner in der aktuellen Runde tun werden, und erst dann entscheidet man, welche der beiden Kombinationen (oben auf der einen und unten auf der anderen Karte – oder andersherum) man spielen möchte. Ist der Kartenstapel aufgebraucht, muss man rasten, um seine Handkarten wiederzuerhalten – jedoch immer eine weniger. Bis einem also die Karten ausgehen, werden Dutzende verschiedene Gegner verdroschen, aber auch Schätze entdeckt, Gegenstände gekauft, gelevelt, neue Szenarien (insgesamt 99 im Grundspiel allein) und auch Charaktere freigespielt. Viele Elemente sind also auch einem Legacy-Spiel entlehnt, denn neben den Charakteren gibt es noch Umschläge mit Rätseln und Stadt- und Wegeevents, die man vor jeder Runde zieht und jeweils eine Entscheidung treffen muss, wie in einem Choose-your-own-Adventure-Buch.

Das Spiel, dessen deutsche Version von Feuerland aktuell wieder vergriffen ist, ist nicht ganz günstig, aber wenn man bedenkt, wie viel Material und Content drinsteckt, kommt man schnell auf einen günstigen Pro-Spiel-Preis – denn es macht süchtig. Wen die 24.000 Stimmen auf BGG für den ersten Platz noch nicht überzeugen, der kann bei uns einen ausführlichen Artikel zum Spiel lesen.

Die Erweiterung Forgotten Circles sollte schon etwas länger erhältlich sein, ist nun aber auf Containerschiffen und wird wohl im Mai 2019 bei den Vorbestellern und im Handel eintreffen. Enthalten sind ein neuer Charakter, der Diviner, der viel mit den unterschiedlichen Decks spielen soll. Er sieht sich die obersten Karten unterschiedlicher Decks an und beeinflusst sie. Eine eigene Storyline mit komplett neuen Mechaniken sowie sieben neue Monster runden das Paket ab. Wer mit den 99 Grund- und 17 Soloszenarien schon durch ist, der kann sich indes aber auch mit drei eher linearen jeweils zehnteiligen Storylines von Isaac Childres die Zeit vertreiben.

Wer noch in Erinnerungen an HeroQuest feuchte Träume bekommt oder einen der vielen aktuellen Dungeon-Crawler (Descent, Sword & Sorcery etc.) schätzt, aber einfach noch etwas mehr will; wer eine innovative Welt entdecken möchte und es genießt, wenn jede Kampfrunde einem kleinen Puzzle gleicht, der sollte dringend zugreifen.

  • Autor: Isaac Childres
  • Verlag: Cephalofair Games, Feuerland
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4
  • Preis: ca. 140 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo (Englische Version)
  • Erweiterung: Forgotten Circles (Mai 2019)

Artikelbilder: die jeweiligen Verlage, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

1 Kommentar

  1. Das BGG-Ranking zeigt die *beliebtesten* Spiele – nicht die *besten*. Aber das werde ich wohl bis an mein Lebensende matra-artig herunter beten… :)

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