Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

H. P. Lovecraft ist der anerkannte Meister des kosmischen Grauens und Schöpfer des Cthulhu-Mythos. Seine verstörenden Albtraumwelten laden seit Jahrzehnten Rollen- und Brettspieler zu Entdeckungsreisen am Rande des Wahnsinns ein. In Mythos Tales werden die Spieler zu Ermittlern in Arkham, wo das Übernatürliche aus dem Schlaf erwacht und auszubrechen droht.

Mythos Tales ist in vielerlei Hinsicht nicht neuartig. Es gibt bereits großartige Spiele, die sich in den wahnsinnigen Visionen des H. P. Lovecraft bewegen. Dazu zählt Villen des Wahnsinns genauso wie Arkham Horror oder das seit über dreißig Jahren sehr beliebte Rollenspiel Auch Regelwerk und Spielkonzept von Mythos Tales sind nicht neu.

Wer im den 1980er-Jahren im Besitz des großartigen Ermittlungsspiels Sherlock Holmes: Tatort London war, wird mehr als nur ein paar Elemente wiedererkennen. Warum sollte man also Mythos Tales dennoch spielen? Weil es genau die oben genannten Elemente verbindet und etwas Spannendes daraus erschafft.

Spielablauf

Wie bereits gesagt: Kennt man Sherlock Holmes: Tatort London, dann kennt man auch Mythos Tales. Die Spieler übernehmen die Rolle von Investigatoren des Übernatürlichen, die in der kleinen, in Neuengland gelegenen Stadt Arkham versuchen, rätselhafte Vorkommnisse aufzuklären. Ihr Auftraggeber ist dabei in der Regel niemand geringerer als Professor Armitage von der Miskatonic University, der Lovecraft-Fans ein Begriff sein dürfte.

Das Ausgangsszenario wird aus dem Buch der Ermittlungen sorgfältig und sehr genau vorgelesen. Die Geschichten sind recht ansprechend geschrieben und ziehen die Spieler in das Geschehen. Außerdem beinhaltet das Ausgangsszenario natürlich alle wichtigen Informationen über Schauplätze und Akteure, die man im Laufe der Ermittlungen aufsuchen kann und sollte. Es empfiehlt sich also, Notizen zu machen.

Ermittlungsarbeit

Ein "Cover" aus dem Buch der Ermittlungen
Ein „Cover“ aus dem Buch der Ermittlungen

Sind die Fakten geklärt, machen sich die Ermittler an die Arbeit. Bewaffnet mit der Zeitung der vergangenen Tage – dem „Arkham Advertiser“ –, dem Adressbuch der Stadt Arkham und einem farbigen Stadtplan geht es auf die Suche nach Hinweisen und Lösungen. Dabei bedarf es keines Spielbrettes, der Ablauf erinnert eher an ein Abenteuer-Spielbuch. Jedem Ort auf dem Stadtplan und jeder Figur im Adressbuch ist ein Buchstaben-Zahlen-Code zugeordnet.

Diese Kombination entspricht Abschnitten im Buch der Ermittlungen, die beim Aufsuchen der Lokalität oder der Person aufgeschlagen und vorgelesen werden. Mal führt dies zu hilfreichen Informationen, mal endet der Pfad in einer Sackgasse, ganz, wie man es von detektivischen Ermittlungen kennt. Die Zeitung berichtet hingegen von aktuellen oder vergangenen Geschehnissen, die weitere Hinweise auf mögliche Indizien geben.

Spiel gegen die Zeit und Punktewertung.

Bei Mythos Tales gibt es einen unerbittlichen Gegner der Spieler: die Zeit. Jeder Ermittlungsfall muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelöst sein, sonst gilt er als verloren. Folgt man dieser Zeitregel, so begrenzt dies die Anzahl der Ermittlungsversuche, die den Spielern zur Verfügung stehen, und legt den spätesten Endzeitpunkt des Spiels fest. Will man ganz in Ruhe alle Einzelheiten des Plots genießen, kann man diese Regel genau wie die Punktewertung einfach beiseitelassen.

Diese Punktewertung vergleicht die Ergebnisse von Professor Armitage mit denen der Spieler. Die Spieler müssen den Fall unter bestimmten Bedingungen lösen oder am Besten weniger Schauplätze bis zur Lösung aufgesucht haben als Armitage selbst. Da Armitage ein wahrer Holmes im Ermitteln ist und manchmal Schlüsse zieht, die er mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen noch gar nicht ziehen könnte, ist es mehr als schwierig, ihm gleichzuziehen. Das war bei Tatort London bereits ähnlich, und auch damals war gut beraten, wer die Wertung außer Acht ließ.

Dem Spielspaß ist das nur förderlich.

Ausstattung

Mythos Tales ist schon von außen als typisches Lovecraft-Spiel erkennbar. Die Titelillustration zeigt ein von Kultisten beschworenes Tentakelwesen, dem sich die Investigatoren nähern. Was außen bunt und poppig wirkt, glänzt im inneren durch schlichte Sachlichkeit. Adressbuch und Notizbuch sind in klassischem Braun gehalten und wirken dem Jahr 1929, in dem die Fälle spielen, angemessen. Insbesondere Adressbuch und Stadtplan würden sich sogar als Requisiten für ein Rollenspielabenteuer mit Cthulhu eignen, sofern man nicht auf das Arkham-Quellenbuch zurückgreifen kann.

Die acht Titelseiten des Arkham Advertiser sind zwar sehr schön gestaltet, es sind aber nur Titelseiten. Bei Tatort London stand dem Spieler eine ganze Zeitung zur Verfügung. Dennoch tut das der Qualität des Materials keinen Abbruch und ist der Notwendigkeit geschuldet, denn alle Titelblätter entstammen natürlich anderen Daten und beziehen sich auf unterschiedliche Fälle. Die Spielanleitung ist klar, kurz und griffig.

Das enthaltene Material von Mythos Tales

Lediglich das Buch der Ermittlungen lässt mich etwas stocken. Das Layout und einige der Illustrationen erinnern deutlich an die 1980er- bis 1990er-Jahre, und das farbige Papier erweckt Erinnerungen an altes Schulmaterial. Zwar sollen die Farben der besseren Übersicht dienen, aber dies funktioniert nur begrenzt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autor(en): Hal Eccles & Will Kenyon
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 90–120 min
  • Spieleranzahl: 1–10
  • Alter: 12+
  • Preis: 44,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Gut abgekupfert ist manchmal besser als schlecht selbstgemacht. Wobei von „abkupfern“ hier nicht die Rede sein kann, denn die Autoren des Spiels bekennen sich offen zur Wurzel ihrer Ideen. Dankend ziehen sie vor den Machern von Sherlock Holmes: Tatort London ihren Hut. Die Umsetzung des preisgekrönten Spielkonzepts ist hervorragend gelungen. Die acht Fälle, die bisher vorliegen (Erweiterungen sind im Regelheft bereits angekündigt) reichen von einfach bis komplex und machen viel Spaß. Das Spielmaterial überzeugt durch gutes Design und ein Gespür für Atmosphäre.

Egal ob allein oder mit Mitstreitern: Es macht Spaß, sich in Lovecrafts Horrorwelt zu versenken und einmal ohne Spielleiter auf Ermittlungszug zu gehen. Denn so fühlt es sich tatsächlich an: Man spielt Cthulhu, ohne einen Spielleiter zu brauchen. Durch die einfachen Einstiegsfälle wird es aber auch Neulingen im Lovecraft-Universum, die nicht über Erfahrungen mit dem Cthulhu-Mythos verfügen, leicht gemacht.

Leider haben die Autoren an dem nicht so gelungenen Punkteprinzip festgehalten, welches meiner Spielgruppe nicht so gut gefällt. Aber das kann man ja in den Abgrund des Vergessens stoßen.

Artikelbild: Pegasus Spiele, Fotografien: Johannes Kröger, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein