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Lady Mechanika ist zurück! In ihrem mittlerweile sechsten Abenteuer bekommt es die kämpferische Steampunk-Heldin mit einer besonderen Herausforderung zu tun: Schafft sie es, einen Freund aus dem dunklen Loch der Depression zu ziehen? Zusätzlich darf man als Leser gespannt sein, ob die Reihe ihre konstant hohe Qualität beibehalten kann.

In mittlerweile fünf Bänden der Steampunk-Serie Lady Mechanika dürfen wir die Abenteuer der gleichnamigen Heldin verfolgen. Die ersten drei Bände konnten bei uns allesamt gute bis sehr gute Bewertungen erzielen. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Reihe im vierten Band La Dama de la muerte. Dessen in Mexiko spielende Handlung ist bildgewaltig, fesselnd und emotional intensiv.

Der letzte Band Der Uhrwerk-Assassine kann nicht ganz an diese Qualität anknüpfen. Die Geschichte ist gut geschrieben und kurzweilig, doch fehlt ihr die intensive emotionale Wirkung des ersten und vierten Bandes. Dennoch gehört Lady Mechanika in der Gesamtheit immer noch zu den besten Serien der letzten Jahre.

Mit La Belle Dame sans Merci ist der mittlerweile sechste Teil um die Powerfrau mit den mechanischen Gliedmaßen erschienen. Die Erwartungen sind aufgrund der Vorgänger hoch. Kann die Geschichte um eine mysteriöse Schönheit überzeugen?

Handlung & Charaktere

Nach den Ereignissen des Vorgängers hat Lady Mechanika endlich eine Spur zu ihrer Vergangenheit. Allerdings wird sie bald mit einem anderen Problem konfrontiert: Ihr Freund, der Erfinder Lewis, verhält sich zunehmend aggressiv und unberechenbar. Leidet er unter den Auswirkungen des letzten Abenteuers? Die Antwort scheint jedoch eine komplett andere zu sein: Lewis hat eine schöne Witwe kennengelernt, die sein Verhalten in großem Maße diktiert.

Gleichzeitig befähigt sie den Erfinder zu kreativen Höchstleistungen. Unabhängig davon trauen Lady Mechanika und Lewis Nichte Winifred der seltsamen Schönheit nicht. Welche Schuld trägt sie wirklich an Lewis‘ verändertem Verhalten?

Die Action tritt in den Hintergrund und weicht Charakterinteraktionen.

Lady Mechanika Bd. 6: La Belle Dame sans Merci ist der mit Abstand ruhigste Band der Reihe. Die Action tritt in den Hintergrund und weicht Charakterinteraktionen. Im Fokus liegt das inzwischen angespannte Verhältnis zwischen Lady Mechanika und Lewis. Über den ganzen Band hinweg schwelt zwischen den beiden ein stetiger Konflikt. Selbst am Ende lässt sich nicht sagen, in welche Richtung sich die Beziehung der beiden (ehemaligen?) Freunde bewegt.

Ein weiterer Motivator ist die geheimnisvolle Liebschaft des Erfinders. Als Leser stellt man sich gar nicht erst die Frage, ob sie etwas Schändliches im Schilde führt. Vielmehr möchte man wissen, was genau ihr Plan ist. Umso erfrischender ist es, dass die Enthüllung kein simples Schwarz-Weiß-Bild erlaubt. Vielmehr stellt man sich die Frage, wer in diesem Band die wahre Dame ohne Gnade ist.

Leider kommt neben diesen zwischenmenschlichen Aspekten die Rahmenhandlung zu kurz. Die Suche nach Antworten zu Mechanikas Vergangenheit bewegt sich kaum nach vorne. Dadurch wirkt Lady Mechanika Bd. 6: La Belle Dame sans Merci wie ein (zugegeben unterhaltsames) Intermezzo der Haupthandlung. Allerdings wünscht man sich als Leser Fortschritte bei der Lüftung des großen Geheimnisses von Mechanikas Vergangenheit.

Zeichnungen & Kolorierung

Die visuelle Gestaltung muss wieder in höchsten Tönen gelobt werden. Benitez und Montiel gestalten wunderbare Szenerien, in denen Charaktere, Kostüme und Szenerien hervorragend zur Geltung kommen. Die Vielfalt der ersten Bände hat etwas abgenommen, da die Handlung von Lady Mechanika Bd. 6: La Belle Dame sans Merci fast ausschließlich an einem Ort stattfindet. Grau, Schwarz und Braun dominieren die zum Treiben einer industriellen Großstadt passende Kolorierung. Gerade nach dem farbenfrohen vierten Band ist das eine Umstellung, wenngleich es zurück zu den Wurzeln der Geschichten geht.

Passend zur emotionalen Handlung sticht die Mimik der Charaktere in vielen Panels hervor. Die Wut und Verzweiflung von Lady Mechanika und Lewis sind in ihren Streitereien deutlich auf den Gesichtern erkennbar. Darüber hinaus schafft es das Team, der unbekannten Schönheit in jeder ihrer Szenen eine geheimnisvolle Aura zu verleihen. In Kombination mit dem Spannungsaufbau der Handlung wächst dadurch die Neugier des Lesers.

Als Bonus finden sich am Ende des Bandes die Reinzeichnungen des ersten Kapitels von Lady Mechanika Bd. 6: La Belle Dame sans Merci. Am Schaffungsprozess einer Graphic Novel Interessierte gewinnen dadurch einen tieferen Einblick. Durch den Vergleich mit dem finalen Produkt wird abermals deutlich, welche Bedeutung Kolorierung und Beschriftung haben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Joe Benitez, M. M. Chen
  • Zeichner: Joe Benitez, Martin Montiel
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 112
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, Idealo

 

Fazit

Lady Mechanika Bd. 6: La Belle Dame sans Merci führt die hohe Qualität der Reihe fort, ist allerdings der bis jetzt schwächste Teil. Hauptgrund ist, dass sich dieser Band mehr wie ein Intermezzo als eine vollwertige Geschichte anfühlt. Die Rahmenhandlung um Lady Mechanikas Freund in Not verleiht den Charakteren zwar weitere Tiefe. Allerdings bestand in diesem Bereich bei Lady Mechanika nie Handlungsbedarf. Vielmehr ist man als Leser neugierig auf weitere Antworten zur Vergangenheit der Protagonisten. In dieser Hinsicht macht Band 6 kaum Fortschritte.

Dafür weiß er mit der gewohnt hohen visuellen Qualität zu überzeugen. Die Mimik aller Charaktere ist ausdrucksstark und die Steampunk-Welt verströmt Unmengen an Atmosphäre. So darf es in Zukunft weitergehen, wenngleich der nächste Band Sangre hoffentlich mehr Antworten liefert.

mit Tendenz nach unten

 

Artikelbilder: © Splitter, Berabeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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