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Kriminelle Machenschaften, Morde, Prostitution – in einer solchen Welt findet sich der schüchterne Eiji Urashima wieder, ohne sich erinnern zu können, wie er dorthin geraten ist. The Killer Inside ist eine Geschichte über das Finden der Wahrheit-, einen Mord, den es aufzuklären gilt und die Bedeutung von Familie, Abstammung und Identität.

Die Manga-Serie mit dem Originaltitel Shin’ai naru boku he satsui wo komete ist ein Werk vom Autor Hajime Inoryu und Mangaka/Zeichner Shôta Ito, welches in Japan zwischen 2018 und 2019 bei Kodansha erschien. Die Reihe ist nach elf Bänden abgeschlossen. Aktuell sind die ersten vier beim Carlsen Verlag erhältlich; Band 5 ist für April und Band 6 für Juli 2022 angekündigt. Das Verhältnis zwischen dem Protagonisten Eiji und seinem Gegenspieler B1, der Unterschied zwischen ihren Persönlichkeiten und die Ungeschicktheit von Eiji sorgen für humorvolle Szenen, die stets in der Lage sind, die Leser*innenschaft zu fesseln und zum Weiterlesen zu motivieren.  

Handlung

Der 20-jährige Student Eiji Urashima wacht eines Morgens auf und findet die wunderschöne Kommilitonin Kyoka Yukimura neben ihm im Bett liegen. Sie erzählt ihm, dass sie zusammen seien, nachdem er ihr seine Gefühle offenbart habe. Doch Eiji kann sich nicht an die letzten paar Tage erinnern. Er akzeptiert die Situation und freut sich darüber, endlich eine Freundin zu haben – eine so hübsche noch dazu.

Ein paar Tage später wird das junge Paar von einem Reporter angesprochen, ja regelrecht belästigt, der scheinbar besessen von Eijis Vergangenheit ist. Er lässt sich von Eiji nicht abwimmeln und enthüllt eine schockierende Information: Eijis leiblicher Vater ist der Serienmörder Makoto Hachinoi aka LL, der vor 15 Jahren auf grauenvolle und bizarre Weise eine Reihe von Morden an Prostituierten beging.  Anstatt ihn wegzustoßen, hält Kyoka zu ihrem Freund und differenziert Eiji deutlich von seinem Vater; eine Güte, die Eiji nie zuteilwurde, da seine Kindheit geprägt war von Mobbing aufgrund seiner Abstammung.

Wieder vergehen einige Tage, an die sich Eiji nicht erinnern kann. Durch seine Freunde und Kommiliton*innen erfährt er, dass er sich sonderbar „draufgängerisch“ benommen hat, was ziemlich ungewöhnlich für den eher schüchternen jungen Mann ist. Eine rätselhafte Kommilitonin namens Rei Shinmyoji, die scheinbar aus dem Nichts auftaucht, deutet an, dass Eiji eine weitere Persönlichkeit zu haben scheint und er sich endlich seiner Vergangenheit stellen muss, um sein Leben in Ordnung zu bringen. Eiji versteht ihre kryptische Botschaft nicht, doch als er nach Hause kommt, findet er eine Tasche mit mehreren Millionen Yen und einen blutigen Metallschläger.

Gleichzeitig findet die Polizei die brutal entstellte Leiche der Studentin Yoko Hatanaka. Alle Zeichen deuten auf einen Nachahmungstäter, der die entsetzlichen Morde des Serienkillers LL nachstellt. LL selbst hat sich vor 15 Jahren das Leben genommen, gleichwohl er die Nachricht „Ich werde wieder töten“ hinterlassen hat.

Eiji muss herausfinden, wer seine zweite Persönlichkeit, die er B1 nennt, wirklich ist und ob er etwas mit dem Mord zu tun hat.

Die Handlung fällt mit der Tür ins Haus und die Leser*innen befinden sich sofort mitten im verwirrenden Leben des Protagonisten. Jedoch sorgen einige Zeitsprünge und Ereignisse in nicht-chronologischer Reihenfolge für Verwirrung, da sie scheinbar durcheinandergeraten, aber glücklicherweise wird alles im Laufe der Handlung erklärt.

Die Geschichte regt zum Rätseln an und sowohl Eiji als auch die Leser*innen sehen sich mit Fragen konfrontiert: Könnte er eine Gefahr für seine Freunde darstellen? Wie kann Eiji seinem anderen Ich auf die Spur kommen? Wem kann er trauen? Diese und weitere Fragen muss sich der Protagonist im Laufe der Geschichte stellen. Ob er Antworten findet und sie ihm gefallen? Das bleibt abzuwarten.

Charaktere

Zu Beginn der Serie lernen die Leser*innen drei Hauptcharaktere kennen: Eiji Ushimura, den Protagonisten der Geschichte, und seine beiden Kommilitoninnen Kyoka Yukimura und Rei Shinmyoji. Eiji, der eher als schüchtern und unauffällig charakterisiert wird, muss im Verlauf der Geschichte mutiger werden und über sich hinauswachsen. Er wird seiner zweiten Persönlichkeit immer ähnlicher.

Im Falle von seiner Freundin Kyoka sieht es ganz anders aus. Anfangs scheint sie die perfekte Frau und Freundin zu sein: hübsch, hilfsbereit und loyal.  Ihr Charakter wird zunehmend mysteriöser und die Leser*innen können sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr sicher sein, ob sie denn loyal oder gar vertrauenswürdig ist.

Rei hingegen hat in den ersten Kapiteln eine mystische Aura. Sie taucht einfach auf, starrt Eiji an, spricht mysteriöse Sätze und verschwindet wieder. Tatsächlich stellt sie sich später als große Hilfe heraus.

Im Laufe der Handlung werden die Hintergründe der Charaktere häppchenweise an die Leser*innen vermittelt – gerade genug, um die Leser*innenschaft zu füttern und gleichzeitig den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Scheinbar ist jeder der Charaktere im Fall verstrickt und hat eigene Motive und Geheimnisse, die allmählich ans Licht kommen. Es bleibt gespannt abzuwarten, inwiefern alles miteinander verwickelt ist und was die Rolle jedes Einzelnen ist.

Zeichenstil und Erscheinungsbild

Ergänzend zur Erzählung hat der Zeichner Shôta Ito einen scharfen visuellen Stil, der sowohl den Horror als auch die Schönheit einfängt – besonders die weibliche. Für jeden Manga-Fan ist was dabei. Mal sind die Charaktere in einem Stil gezeichnet, der eher in Shonen-Manga zu finden ist: simpel und ohne viel Detail, aber dennoch ausdrucksstark.

Auch Shôjo-Manga-Liebhaber*innen kommen auf ihre Kosten. Meistens sind es die weiblichen Charaktere, die besonders detailreich und zart gezeichnet sind. Mit nicht weniger Detail geht der Zeichner bei der Darstellung der Leichen vor. Diese Ausgewogenheit von Schönheit, Ästhetik und Schrecken schafft einen starken Kontrast, der als Schlüsselkomponente dient, durch die die Geschichte Form und Gestalt annimmt.

Es wird nicht viel mit Rasterfolie gearbeitet: Der Hintergrund wird selten detailliert dargestellt und das ist auch meistens gar nicht notwendig. Es gibt viele Kreuzschraffuren und Verzerrungseffekte, die in den entsprechenden Panels für die nötige Dramatik sorgen. Einen kleinen Punktabzug gibt es für die explizite Darstellung der Sexszenen, die den Eindruck von Fanservice entstehen lassen und die Geschichte nicht voranbringen.

Die einzelnen Panels sind groß genug, dass man die Zeichnungen gut sehen und das Geschriebene gut lesen kann. Besonders wichtige Schlüsselszenen oder schockierende Momente werden in größeren Panels oder gar auf einer kompletten Seite veranschaulicht. Außerdem befinden sich auf den letzten Seiten eines jeden Bandes zusätzliche Inhalte wie Charakterbögen, Auszüge aus dem Storyboard oder Eindrücke aus den Leben des Autors und des Zeichners.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Carlsen Verlag
  • Autor: Hajime Inoryu
  • Zeichner: Shôta Ito
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch 180mm (Höhe) x 125mm (Breite)
  • Seitenanzahl: Band 1: 224; Band 2: 192; Band 3: 192; Band 4: 192
  • Preis: 7,50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonuscontent

In Band 3 und 4 ist jeweils ein doppelseitiges Poster von den Charakteren enthalten.

Fazit

Nichts ist so, wie es scheint. Alles, was man in diesem Manga liest, kann angezweifelt werden. In der einen Sekunde denken die Leser*innen, sie wüssten, was los ist und in der nächsten werden sie eines Besseren belehrt. Jeder Band endet entweder mit einem Cliffhanger oder einem Plot Twist und der Spannungsbogen ist kontinuierlich gespannt.

Oft drehen sich die Handlungen in solchen Mangas darum, dass die Hauptcharaktere die Nebencharaktere jagen. In The Killer Inside ist dies eine schwierige Angelegenheit, denn der Protagonist und der Antagonist haben denselben Körper. Eiji gerät dank B1 in verschiedene und oftmals gefährliche Situationen und es ist spannend zu sehen, ob und wie er sich aus diesen Situationen befreien kann.

Trotz Schock und Spannung greift der Manga auch tiefgründige Themen auf. Die Außenseiter-Thematik, die sowohl in vielen Manga als auch in der japanischen Literatur verankert ist und vor allem auch gesellschaftliches Problem innerhalb der japanischen Kultur darstellt, ist auch hier wieder zu finden. Die Leser*innen werden angeregt, die Charaktere unvoreingenommen wahrzunehmen. Das Leitmotiv der Identität und der Bindung von Eltern und Kind zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Obwohl Eiji der Sohn eines grausamen Serienmörders ist, ist er selbst hilfsbereit, aufopfernd und bereit, nahezu alles für seine Lieben zu tun. Sein Charakter hat sich scheinbar losgelöst von seinem Vater entwickelt.

Von den ersten Seiten an werden die Leser*innen in die Geschichte hineingesogen. Am liebsten würde man den Manga nicht mehr aus der Hand legen: The Killer Inside ist ein düsterer Page-turner, der sich nichts aus Zensur macht und sein Geld allemal wert ist. Ein Muss für jeden Fan von Psychothrillern und spannenden Horrorgeschichten, die nicht nur durch Grausamkeit und explizite Inhalte Aufmerksamkeit erregen.

 

  • Spannende Handlung
  • Ästhetischer Zeichenstil
  • Sympathische Charaktere
 

  • Explizite Sexszenen
  • Verwirrende zeitliche Abfolge

 

Artikelbilder: © Carlsen Verlag
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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