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Schwester Evangeline und Inquisitorin Ravara verbindet die Suche nach einem Mythos. Während die Sororitas nach einem verlorengeglaubten Artefakt sucht, jagt die Inquisitorin einer alten Prophezeiung hinterher. Ihre Reise durch den Großen Riss konfrontiert sie dabei nicht nur mit dem größten Feind der Menschheit, sondern auch mit ihren eigenen dunklen Wahrheiten.

Mit Der Schild der Heiligen erscheint bereits der dritte Roman im Warhammer-Universum, der seinen Fokus auf das Adepta Sororitas legt. Fehlte Feuer des Glaubens das gewisse Etwas, konnte Hammer des Glaubens mit einer temporeichen Geschichte und spannenden Charakteren überzeugen. James Swallow zeigte, besonders mit Hammer des Glaubens, dass Geschichten des Adepta Sororitas mehr sind als Beten und Töten. Entsprechend hoch ist die Erwartung an Rachel Harrison, die mit Severina Raine: In Treue und Glauben einen lesenswerten Erstlingsroman bei Black Library veröffentlichte.

Story

Schwester Evangeline überlebt als eine von wenigen ein entsetzliches Massaker des 13. Kreuzzuges auf ihrer Heimatwelt Ophelia VII. Schwer lebt sie mit der Bürde auf diese Weise zur Schwester Superior geworden zu sein, doch noch schwerer wiegt eine andere Bürde. Ihr Überleben verdankte sie nicht etwa dem eintreffenden Primarchen und Regenten Roboute Guilliman, sondern dem Imperator selbst. Statt im grausamen Feuer des Warps zu verbrennen, überlebte sie leicht verletzt, dafür mit einem Mal des Imperators in Form der Aquila in ihrem Gesicht. Derartig vom Imperator Gesegnete werden keinen Weg gehen wie jeder andere, und so wird Schwester Evangeline mit der Suche nach einem alten Artefakt betraut, welches in den Wirren des Krieges und des Großen Risses verloren ging. Dabei trifft sie auf die thorianische Inquisitorin Ahri Ravara, die wenig überraschend ihre ganz eigene Agenda verfolgt und sich dafür der Expedition durch den Großen Riss anschließt.

Schwester Evangeline ist die Überlebende eines schrecklichen Massakers.

Dass Rachel Harrison ein gutes Händchen für Charaktere hat, bewies sie bereits bei Severina Raine. Sowohl Evangeline als auch Ravara sind viel- und tiefschichtige Charaktere, die von nur allzu menschlichen Gedanken und Bedürfnissen gequält werden. Beide Protagonistinnen bleiben dabei stets glaubhaft und die inneren wie äußeren Konflikte mit ihren Teams wirken zu keiner Zeit konstruiert. Auch die Nebencharaktere sind ausgesprochen interessant und nachvollziehbar geschrieben, selbst jene, die als Plotvehikel dienen, wirken nie als solches, sondern stets als Person mit Geschichte und Tiefgang.

Schreibstil

Harrison lässt sich Zeit mit ihrer Erzählung und das tut der Geschichte gut, damit stellt sie sich sehr erfreulich gegen einen Trend in der Popkultur. Abwechselnd erleben Leserinnen und Leser das Abenteuer der beiden, gar nicht so ungleichen Frauen aus der Perspektive von Evangeline und Ravara. Dabei bekommt man tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der beiden Protagonistinnen und baut über diese auch eine Beziehung zu all den Nebencharakteren auf. Fein dosiert kommen warhammer-typische Passagen mit etwas Action dazu, diese dienen aber ausschließlich dazu, die Geschichte weiterzuerzählen und sind nie die Geschichte selbst. Damit spricht Harrison wohl nicht die/den klassische Actionleserin oder -leser an, selbst wenn auch diese Passagen wirklich gut und spannend geschrieben sind. Sie beschreiben auch eher das Grauen des Krieges, der Warhammer ausmacht, denn platte Heroik.

Christine Aharon legt als routinierte Warhammer-Übersetzerin wieder eine tadellose Arbeit ab, sie fängt Charaktere und besonders die Emotionen herausragend ein und macht das Buch auf Deutsch zu einem flüssig lesbaren Werk.

Die Autorin

Rachel Harrison ist derzeit die einzige aktive Autorin der Black Library und hatte ihr Romandebüt mit Severina Raine. Davor schrieb sie bereits einige Kurzgeschichten über die Kommissarin Rain und eine Kurzgeschichte auf der legendären Makropolwelt Necromunda. Mit den Warhammer-Romanen lebt sie ihre Liebe zu militarisierten Dystopien aus und ist auch bekennender Battlestar-Galactica-Fan. Wie viele ihrer Autoren-Kollegen der Black Library lebt sie in Nottingham.

Erscheinungsbild

Das Artwork ist in ganz klassischer Warhammer-Manier von überbordender Epik. Zentral steht Evangeline mit dem Schwert ihrer ehemaligen Schwester Superior und blickt geradezu verächtlich auf die nicht enden wollenden Horden abscheulicher, sich jeder Realität entziehender Dämonen. Flankiert wird sie von einer ihrer Schwestern, die in grimmigem Zorn mit einem Bolter durch die Kreaturen des Warps metzelt. Im Hintergrund hält eine weitere Schwester die Trupp-Standarte hoch. Die Zeichnung ist sehr gelungen und fängt Warhammer an sich gut ein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Black Library
  • Autor: Rachel Harrison
  • Erscheinungsdatum: 2020
  • Sprache: Deutsch (aus dem Englischen von Christine Aharon)
  • Format: gebundene Ausgabe/eBook
  • Seitenanzahl: 370
  • ISBN: 978-1781934401
  • Preis: 22,50 EUR (Hardcover)/12,99 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Amazon, Idealo, Fachhandel

 

Fazit

Wer Severina Raine: In Treue und Glauben gelesen hat, weiß bereits, dass Rachel Harrison einen ganz eigenen Stil hat. Ihr gelingt es, unglaublich tiefe Charaktere zu erschaffen, die durchaus nachfühlbar für Leserinnen und Leser sind. In Warhammer keine Selbstverständlichkeit. Erneut gelingt es ihr, eine Liebesgeschichte vollkommen passend in die Geschichte einzubauen. Wer nun meint, Warhammer vertrage oder brauche keine Liebesgeschichten, wird hier sehr sicher vom Gegenteil überzeugt. Liebe ist in diesem Roman ein wesentlicher Treiber für die Geschichten der beiden Protagonistinnen und auf eine Art und Weise geschrieben, die auch literarisch hohen Ansprüchen gerecht werden dürfte.

Allgemein ist Harrison eine herausragende Autorin der Black Library, nur wenige Autoren schaffen eine ähnliche Tiefe und Nachvollziehbarkeit der Charaktere und ihrer Handlungen. Wo man bei anderen Warhammer-Protagonisten öfter die Hand über den Kopf zusammenschlagen will, ob der offensichtlichen Dummheit ihrer Entscheidungen, sind diese bei Evangeline und Ravara zu jedem Zeitpunkt vollkommen nachvollziehbar, was die Geschichte zu einem wahren Genuss macht. Wer jedoch temporeiche Erzählungen und viel Bolterporn sucht, wird hier wohl kaum glücklich werden. Der Schild der Heiligen ist eine Geschichte über Geheimnisse, die tief in Menschen verborgen liegen: über Liebe, sich selbst belügen, blinde Vergeltung, Hass und Offenbarung.

An dieser Stelle seien auch ein paar sehr persönliche Worte erlaubt. Ich lese viel und vor allem Warhammer-Romane, oft fiebere ich mit, schüttele auch mal den Kopf oder muss beim Lesen kurz auflachen (Ciaphas Cain). Manchmal bin ich auch erstaunt, wie verblüffend ein Roman endet oder wie hochkarätig manch ein Warhammer-Roman geschrieben ist, doch noch nie hatte ich bei einem Warhammer-Roman Tränen in den Augen. Bis zu diesem Buch.

Artikelbild: Black Library
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare

  1. Ach! Tiefe und nachfühlbare Charaktere sind in der Tat alles andere als eine Selbstverständlichkeit in Warhammer. Severina Raine stand irgendwo ziemlich weit hinten auf meiner Leseliste, hat jetzt aber eine weiiiten Sprung nach vorne gemacht. Danke!

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