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Eine orange Haarsichel, Muskeln, die einen Grobschmied vor Neid erblassen lassen und eine Augenklappe machen klar: der beliebte Warhammer-Zwerg Gotrek ist zurück und macht nun auch die Reiche der Sterblichen unsicher. Aber was treibt ihn ins Land des Todes? Wir finden es heraus, im Roman Im Reich der Unbegrabenen.

Mit ihrer herausstehenden Frisur, niedrigem Rüstungslevel und selbstmörderischen Tendenzen sind Slayer eine der markantesten Eigenkreationen der Firma Games Workshop. Nicht umsonst findet sich in so gut wie jedem Spiel, welches den Warhammer Fantasy-Hintergrund als Basis nimmt, auch der Slayer unter den Zwergen. Diese haben geschworen für alte Schande oder Verluste Buße zu tun, indem sie im Kampf gegen Monster ihr Leben lassen. Hierbei gilt der Grundsatz, je scheußlicher das Monster desto größer der Ruhm und damit die Buße. Unter diesen grimmigen Gestalten tritt einer besonders hervor. Gotrek Gurnisson, stets an seiner Seite sein treuer Begleiter und Geschichtenschreiber Felix Jäger.

Die Gotrek und Felix-Reihe nimmt schon seit nunmehr zwanzig Jahren einen besonderen Platz in den Herzen vieler Warhammer-Fans ein. Das Abenteurer-Duo aus dem grummeligen, missgelaunten Slayer und seinem menschlichen Kompagnon besticht durch eine unterhaltsame Mischung aus Humor, Gewalt und einem gesunden Maß der Gefühle. Durch diese anregende Mischung brachte es die Reihe mit Im Reich der Unbegrabenen nun auf den achtzehnten Band, ganz zu schweigen von Kurzgeschichten und Spin-Offs.

So sehr jedoch auch der muskulöse Zwerg mit der Augenklappe auf dem Cover zu sehen und es Teil der Abenteuer von Gotrek und Felix ist, so kommt man doch nicht umhin festzustellen, dass sich dieser Roman in neue Gefilde aufmacht. Neben einem Audiobook und einer Kurzgeschichte ist dies nämlich der erste Teil, welcher nicht mehr in der Welt-die-war angesiedelt ist, sondern in den neuen Sterblichen Reichen, in denen Age of Sigmar spielt.

Auch ist uns einer der titelgebenden Helden, Felix Jäger, verloren gegangen. Was aus diesem geworden ist, bleibt jedoch ein Mysterium, wird aber im Laufe der Zeit immer wieder leicht angedeutet. An seiner statt wird der je nach Blickwinkel erfolgreichste oder auch erfolgloseste Slayer aller Zeiten von zwei neuen Gefährten begleitet. Da ist zum einen die Dunkelelfen-Assassinin Maleneth, welche im Auftrag ihrer Königin an die Seite des Slayers tritt, um die in seiner Brust eingebettete Meisterrune zu erlangen. Der Dritte im Bunde ist Trachos, ein angeschlagener Lord Ordinator der Stormcast Eternals, welcher ebenfalls danach strebt, dieses Artefakt in seine Hände zu bekommen und so glorreich nach Azyr zurück zu kehren. Ihre widerstreitenden Missionen und der daraus resultierende Konflikt der drei Gefährten Gotreks kommt wiederholt zum Tragen.

Story

Nach einem kurzen Intro finden wir unser Dreigespann in der kleinen Stadt Klemp im Todesreich Shysh. Hier geht unser zwergischer Held seiner zweitliebsten Beschäftigung nach Kämpfen nach, Alkohol. Seine betrunkene Mischung aus Gutgläubigkeit und Aggression treiben ihn und seine beiden wenig begeisterten Begleiter jedoch in die Arme eines Zauberers, welcher ihnen das verspricht, was Gotrek in Shysh sucht:

Einen Weg zu dem großen Nekromanten und Gott des Todes selbst – Nagash. Mit diesem möchte der wütende Zwerg abrechnen, fühlt er sich doch von den Göttern um sein versprochenes Schicksal betrogen und hält sie für Eidbrecher. Daher beschließt er diese dafür zur Rechenschaft zu ziehen oder bei dem Versuch glorreich unter zu gehen.

Der Zauberer offenbart jedoch, dass der Weg der zu Nagash führt, kein leichter sei und dass Gotrek diesen nur erreichen könnte, indem er sich in die verloren geglaubte Unterwelt Morbium begibt.

Schreibstil

Oberflächlich betrachtet unterscheidet sich der neuste Teil der Gotrek und Felix-Reihe nicht übermäßig von seinen Vorgängern. Es ist wie in einer gesunden Mischung aus Humor, der teils recht derben Sorte, und Gewalt. Gotrek ist der gleiche missmutige Grummel, welcher er schon in vorherigen Teilen war, der sich durchgehend abfällig darüber herablässt, dass alles um ihn herum „armselig“ sei. Statt sich jedoch über die menschliche Gesellschaft – in der die meisten der Werke spielen – auszulassen, betrachtet Gotrek die gesamten sterblichen Reiche als ungenügend, während die Welt, aus der er selbst stammt, dieser weit überlegen sei.

Hierbei erhalten wir jedoch einen Einblick in die loyale Seite Gotreks. Eines seiner vormals liebsten Ziele der Herablassung war nämlich sein Gefährte Felix Jäger. Sei es sein schlechtes Augenlicht im Dunkeln, eine tollpatschige Handlung oder sein Unvermögen nach einer durchzechten Nacht keinen Kater zu verspüren, Gotrek hatte stets einen gegrummelten Kommentar dazu parat. Dies ist nun anders. Mehrfach vergleicht Gotrek seine neuen Gefährten mit dem verschwundenen Felix und wie dieser es doch besser gemacht hätte. Auch zeigt eine recht rührende Szene früh im Buch, wo Gotrek bereit ist einem Hexer zu vertrauen, undenkbar zuvor, nur um mit Felix sprechen zu können.

Auch macht sich der Mangel von Felix an anderer Stelle deutlich bemerkbar und dies in etwas ungünstigerer Form. Der Geschichtenschreiber diente in vorherigen Erzählungen nämlich als Stand-in für den Leser in ähnlicher Weise wie es Watson für Sherlock Holmes tut. Er ist der menschlichere des Duos, im wahrsten Sinne des Wortes und kämpft daher mit denselben Schwächen und Ängsten die der Menschheit eigen sind. Dies soll nicht heißen, dass er keine heroischen Taten vollbringt, verblassen diese jedoch im Vergleich zu den übermenschlichen Taten seines Kameraden. Dies geht sogar so weit, dass einige Protagonisten die heroischen Züge Felix bemerken, dieser aber völlig unwissend über diese bleibt. Bei jedem Kampf fürchtet der Dichter um sein Leben und das seiner Gefährten. Jeder Kampf ist mit der Sorge unterstrichen, dass, sollte der Slayer seinen Wunsch erfüllt bekommen und fallen, Felix ihm vermutlich kurz danach ins Grab folgen würde.

Dieser menschliche und sympathische Zug geht Gotreks neuen Gefährten leider abhanden. Beide sind auf ihre eigene Art übermenschliche Helden und schlagen sich nicht mit Kleinigkeiten wie dem Ekel ob des Geruchs der Kanalisation oder der Sorge um das eigene Leben herum. Sie sind beide selbstbewusst und zielstrebig, fest ihrer eigenen Mission verhaftet. Dadurch wirken sie zwar kompatibler mit Gotreks unnachgiebigem Voranschreiten, geben jedoch wenig Kontrast zu ihm ab.

Die Sprache innerhalb des Romans ist gewohnt derb. Gotrek flucht in blumiger Art und Weise, Gewalttaten werden in sehr genauem Detail beschrieben und die Beschreibung der Welt ist abwechslungsreich und erfüllend. Insbesondere hier profitiert die Geschichte vom neuen Setting. Während zuvor Nischen gefunden werden mussten und die Problematik von Abweichungen oder Ungereimtheiten gegenüber dem Warhammer-Kanon bestand, kann sich im Age of Sigmar-Hintergrund, dank der Offenheit desselben, der Autor frei entfalten.

Der Autor

Der in Nottinghamshire lebende Daris Hinks schrieb für die Black Library als ersten Roman Warrior Priest und hat seit dessen Veröffentlichung fast zwei Dutzend weitere Werke im Warhammer-Hintergrund veröffentlicht. Diese sind meist alleinstehende Romane über einen der namenhaften Charaktere, wie Sigvald oder Orion.

Erscheinungsbild

In der gewohnten Gotrek und Felix-Manier zeigt das Cover den berühmten Slayer inmitten des Kampfes. Die namensgebenden Unbegrabenen, wie Ghoul etwas sperrig übersetzt wird, strömen auf ihn und seine Gefährtin ein, umgeben von der schaurigen Kulisse des Reiches des Todes.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Black Library
  • Autor: Daris Hinks
  • Erscheinungsdatum: 2019
  • Sprache: Deutsch (aus dem Englischen übersetzt von Horus W. Odenthal)
  • Format: Softcover und eBook
  • Seitenzahl: 320
  • ISBN: 9781789990553
  • Preis: 13,99 EUR (Softcover)/9,99 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Im Reich der Unbegrabenen beschreitet ungetestete Pfade und traut sich mit der gewohnten Sicherheit seiner Vorgänger zu brechen. Es fühlt sich gleich an und ist doch anders und neu. Jedoch schaffen es diese Versuche nur zum Teil zu überzeugen. Das Fehlen von Felix und die daraus resultierende Abwesenheit der besonderen Charakter-Dynamik macht sich durch den ganzen Roman bemerkbar und kann auch von Gotreks neue Gefährten nicht wieder hervorgeholt werden. Wer sich durch diese Dynamik an die Reihe gebunden fühlt wird leider nicht in vollen Zügen genießen können. Wer dagegen mehr von Gotrek als Held, Kampfmaschine und ungewollt humorvollen Scherzkeks wünscht wird hier voll auf seine Kosten kommen.

 

Artikelbild: Black Library, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Über den Autor

Thomas Olli studiert Geschichte im Master an einer der Landeshauptstädte. Er ist seit über 20 Jahren begeisterter Warhammer-Fan und insbesondere hat es ihm der Hintergrund angetan. Daher ist es wenig überraschend, dass die Anzahl der Warhammer-Romane in seinem Schrank in die dreistellige Stückzahl gehen. Neben dem Lesen findet man ihn auch beim Bemalen von Miniaturen und auf LARPs.

1 Kommentar

  1. Seufz – das einzig „Gute“ an End Times waren die Abschlussromane für einige der Reihen. Slayer und Kinslayer waren ein absolut würdiger Abschluss für Gotrek. Ihn jetzt in die Sterblichen Reiche zu zerren schickt mir einen Schauer über den Rücken…

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