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Erkennt ihr, welcher Bösewicht sich hinter welcher Figur versteckt?

Wer kennt es nicht: ob im Film oder Spiel, am Ende gewinnt immer das Gute – meistens jedenfalls. Bei Villainous ist das von vornherein ausgeschlossen. Hier lautet die alles entscheidende Frage: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Böseste im ganzen Land?

In Villainous übernimmt jeder Spieler die Rolle eines von insgesamt sechs Schurken aus der Welt von Disney und verfolgt ein individuelles Ziel, um am Ende der gefürchtetste aller Bösewichte zu werden. Auf dem Weg stellen sich jedem Schurken die ihm bekannten Helden aus den Disney-Märchen entgegen, die von den Mitspielern ausgespielt werden. Diese versuchen, die finsteren Pläne ihrer Gegner zu durchkreuzen, um selbst in den Olymp der Disney-Bösewichte aufzusteigen.

Spielablauf

Zu Beginn entscheidet sich jeder Spieler entweder für Käpt’n Hook, Dschafar, Malefiz, Prinz John, die Herzkönigin oder Ursula und nimmt sich das dazugehörige Spielmaterial. Dazu gehören allen voran die Spielertafel, die Schicksal- und Bösewicht-Karten, das Bösewicht-Handbuch sowie die Spielfigur. Daneben wird ein Kessel mit Machtchips als allgemeiner Vorrat bereitgehalten, aus dem der erste Spieler nach dem Startspieler bereits einen Machtchip erhält. Die nächsten beiden erhalten jeweils zwei dieser Chips, und sollten insgesamt fünf oder sechs Bösewichte teilnehmen, dann erhalten diese sogar drei Machtchips.

Vor der Partie sollte jeder sein Handbuch studieren, da dieses gegebenenfalls Besonderheiten beinhaltet, die bei der Spielvorbereitung berücksichtigt werden müssen. Daneben enthält es noch eine genauere Beschreibung des eigenen Spielziels sowie Erläuterungen zu Karten, die nur in den eigenen Decks vorkommen.

Das gesamte Spielmaterial ist ein echter Hingucker.

Die doppelseitige Spielhilfe enthält auf der einen Seite eine Übersicht über die möglichen Aktionen im Spiel und auf der anderen Seite einen Überblick über die Ziele aller Bösewichte, die man niemals aus dem Auge verlieren sollte.

Nachdem jeder seine Schicksal- und Bösewicht-Karten gemischt und vom Stapel der erstgenannten vier auf die Hand genommen hat, kann das eigentliche Spiel beginnen.

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Das Geschehen spielt sich fast ausschließlich auf den Spielertafeln ab. Jede dieser Tafeln zeigt vier Orte im Reich des jeweiligen Bösewichts, auf die man seine Spielfigur bewegen kann, und manche von ihnen sind zu Beginn des Spiels noch gesperrt, was durch ein Schlosssymbol gekennzeichnet ist. Jeder Ort zeigt die Aktionen, die man dort ausführen kann, und an jedem Ort können oben und unten Karten angelegt werden, die sich dann in dem jeweiligen Reich des Spielers befinden. Während im unteren Bereich eines Ortes nur eigene Bösewicht-Karten gelegt werden können, können die Mitspieler im oberen Bereich Schicksal-Karten platzieren, mit denen sie dann mögliche Aktionen des Spielers blockieren. Diese kann er dann so lange nicht mehr ausführen, wie sie von den Karten überdeckt sind.

Ist ein Spieler an der Reihe, muss er sich zunächst von einem Ort in seinem Reich auf einen anderen bewegen. Dann kann er alle an diesem Ort möglichen Aktionen in beliebiger Reihenfolge durchführen, aber jeweils nur genau einmal. Sind mögliche Aktionen durch eine Schicksal-Karte überdeckt und schafft der Spieler es, diese Karte loszuwerden, während er sich an diesem Ort befindet, dann darf er die nun frei gewordenen Aktionen auch noch im selben Zug nutzen. Als letztes zieht der Spieler Bösewicht-Karten nach, bis er wieder vier auf der Hand hat.

Die Spielhilfen machen ihrem Namen alle Ehre.

Insgesamt gibt es in Villainous acht verschiedene Aktionen, wobei nicht alle Aktionen auf allen Spielertafeln existieren. In jeder neuen Partie mit einem anderen Bösewicht muss man sich also komplett umstellen, was man aber ohnehin tun muss, da jeder Schurke ein individuelles Ziel verfolgt. Das steigert die Variabilität und damit den Wiederspielwert. Gerne möchte man ausprobieren, wie gut man mit den einzelnen Charakteren zurechtkommt. Denn Fakt ist: jeder Schurke spielt sich anders, wobei insbesondere Prinz John ein Bösewicht ist, der sich leicht spielen lässt und dessen möglicher Sieg sich irgendwann abzeichnet. Der Erfolg einiger anderer Schurken hängt wiederum von einem nicht zu unterschätzenden Glücksfaktor ab. Doch dazu später mehr.

Viele Aktionen gehen schnell, sodass die Downtime zumindest bei bis zu vier Spielern nicht sehr groß ist, auch wenn man meist bis zu vier Aktionen an einem Ort durchführen kann. Eine bestimmte Anzahl an Machtchips zu nehmen, Karten abzuwerfen, um unbrauchbare loszuwerden und an neue zu kommen oder Gegenstände, Handlanger und Helden an andere Orte in seinem Reich zu ziehen, ist meist eine Sache von wenigen Sekunden.

… wer ist der Böseste im ganzen Land?

Die vielleicht wichtigste Aktion ist die, dank der man Bösewicht-Karten in sein Reich ausspielen kann, die in der Regel Machtchips kosten. Unter diesen Karten können Handlanger, also Verbündete sein, die einen Stärkewert haben und eine Fähigkeit besitzen können, deren Aktivierung eine weitere der möglichen Aktionen im Spiel ist.

Daneben gibt es im Stapel der Bösewicht-Karten auch noch Gegenstände, die andere Karten oder Aktionen dauerhaft beeinflussen. Manche müssen einem Handlanger ausgerüstet werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Wandert ein mit einem Gegenstand ausgestatteter Handlanger (auf welche Weise auch immer) auf den Ablagestapel, dann tut dies auch der Gegenstand.

Bedingungen und Ereignisse runden die Typen im Stapel der Bösewicht-Karten ab. Während letztere einmalig ausgeführt werden, kann man erstere im Zug eines Mitspielers einsetzen, wenn er einen bestimmten Erfolg erreicht, um ihm dann Steine in den Weg zu legen, oder selbst einen Vorteil daraus zu gewinnen. So erlaubt es zum Beispiel die Karte Gerissenheit im Deck von Käpt’n Hook, einen Handlanger kostenlos auszuspielen, wenn ein Mitspieler einen Handlanger der Stärke vier oder mehr in seinem Reich angelegt hat.

Ein Überblick über das Spielmaterial von Malefiz.

Das Gegenstück zum Ausspielen einer eigenen Bösewicht-Karte ist die Aktion, mit der man Schicksal-Karten im Reich der Mitspieler platzieren kann. Hierzu wählt man einen Mitstreiter, zieht die beiden obersten Karten von dessen Schicksal-Kartenstapel und entscheidet sich für eine, die man oben an einem nicht gesperrten Ort in dessen Reich auslegt. Auch im Stapel der Schicksal-Karten gibt es neben Helden auch Gegenstände und Ereignisse, die genauso funktionieren wie ihre Pendants auf den Bösewicht-Karten.

Es gibt weder eine Beschränkung, mit wie vielen Gegenständen Helden oder Handlanger ausgerüstet sein können, noch eine Beschränkung, wie viele Bösewicht- und Schicksal-Karten überhaupt an einem Ort liegen können. So können also schon einmal drei oder vier Helden an ein- und demselben Ort liegen. Das macht natürlich nur Sinn, wenn man unbedingt verhindern will, dass ein Spieler die oberen Aktionen an diesem Ort ausführen kann – was uns zur letztmöglichen Aktion in Villainous bringt.

Die oberen Aktionen am ersten und letzten Ort sind durch Helden blockiert.

Denn diese lästigen Gutmenschen können auch besiegt werden. Wie die Handlanger haben auch Aladdin und Co. einen Stärkewert. Mit der Aktion „Einen Helden besiegen“ kann man einen beliebigen Helden an einem beliebigen Ort in seinem Reich eliminieren. Hierzu muss die Summe der Stärke der eigenen Handlanger am selben Ort mindestens der Stärke des Helden entsprechen. Dabei gilt es immer genau abzuwägen, ob man einen Handlanger tatsächlich opfert oder ihn vielleicht doch lieber behält, weil er zum Beispiel eine gute Fähigkeit besitzt. Denn werden Handlanger dazu benutzt, um einen Helden zu besiegen, dann wandern sie genauso wie der Held auf den Ablagestapel. Allerdings gibt es in Villainous auch noch andere Möglichkeiten, wie man sich der nervigen Helden entledigen kann.

Das Spiel geht so lange, bis entweder Prinz John zu Beginn seines Spielzugs 20 Machtchips besitzt, Malefiz es geschafft hat, dass in jedem Ort ihres Reiches eine Fluch-Karte liegt, Käpt’n Hook den Ort Teufelast entsperrt, Peter Pan gefunden und ihn zur Jolly Roger gezogen hat, um ihn dort zu besiegen, oder bis ein anderer der übrigen Schurken sein finsteres Ziel erreicht hat.

Ausstattung

Das Spielmaterial von Villainous ist ein echter Hingucker. Bereits die individuellen, leicht abstrakten Spielfiguren lassen das Herz nicht nur von Disney-Fans höherschlagen. Wirklich alles ist hier auf den jeweiligen Bösewicht abgestimmt, inklusive der Kartenrückseiten. Die Spielertafeln, die Handbücher, die Karten, überhaupt das gesamte Artwork ist ein ganz großes Plus bei diesem Spiel. Es macht allein schon Spaß, sich die insgesamt 270 einzelnen Karten anzusehen, von denen jeweils 45, davon 30 Bösewicht- und 15 Schicksal-Karten, auf die einzelnen Schurken entfallen. Die Handbücher bringen den Spielern die Bösewichte näher und tragen neben dem übrigen äußerst gelungenen Material ihren Teil dazu bei, dass man sich auf ihn einlässt und in seine Welt abtaucht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ravensburger, Wonder Forge
  • Autor: Prospero Hall
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 20 Minuten pro Spieler
  • Spieleranzahl: 2 3 4 5 6
  • Alter: 10+
  • Preis: 36,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel,Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Für Villainous existieren bereits die Erweiterungen Böse bis ins Mark (Wicked to the core), Evil comes prepared und Perfectly wretched, die jeweils drei neue Bösewichte, wie Dr. Facilier, Scar, Professor Rattenzahn oder Cruella de Vil mit entsprechendem Material mit sich bringen. Bislang gibt es nur die erstgenannte Erweiterung auf Deutsch. Das Besondere an allen drei Erweiterungen ist, dass ihnen auch genügend Machtchips beiliegen, sodass man sie auch ohne das Hauptspiel genießen kann, sofern man höchstens zu dritt ist.

Die deutsche Spielanleitung zum Download.

Die deutschen Regeln können auf der Homepage von Ravensburger heruntergeladen werden. Allerdings hat sich in der PDF-Datei der Fehlerteufel eingeschlichen, und die einzelnen Seiten der Spielanleitung sind dort durcheinandergeraten. Das gilt auch für die PDF-Datei mit den englischen Regeln, die auf der Homepage von Wonder Forge zu finden sind.

Fazit

Auch wenn Disney draufsteht und Disney drin ist, richtet sich Villainous eher an die erwachsenen Fans. Das wird bereits an der Aufmachung des Spiels deutlich. Das Spiel als solches hat heldenhafte Züge, aber auch schurkische Schattenseiten.

Der wohl größte Störfaktor ist der, dass das Spiel ziemlich unbalanciert sein kann. „Kann“ deswegen, weil einige Bösewichte auf dem Weg zu ihrem Ziel von bestimmten Karten abhängig sind. Käpt’n Hook zum Beispiel muss, um den Ort Teufelsast zu entsperren, die Karte von Nimmerland haben, die es genau nur ein einziges Mal in dem Deck der Bösewicht-Karten gibt. Welche Vor- bzw. Nachteile es hat, wenn die Karte relativ weit oben im Stapel ist oder sich ganz unten befindet, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Doch damit nicht genug. Käpt’n Hook muss nämlich auch Peter Pan finden, der sich genau einmal im Stapel der Schicksal-Karten befindet, auf den bekanntermaßen nur die Mitspieler Zugriff haben, wenn sie das über die Aktion „Schicksal“ überhaupt wollen. Es gibt zwar zwei Möglichkeiten, wie Hook selbst Peter Pan ins Spiel bringen kann, doch auch hierbei ist er auf Kartenglück angewiesen. Das ist ein extremes Beispiel, verdeutlicht aber ganz gut, wie eine Partie Villainous im schlimmsten Fall laufen kann. Nutzen die Mitspieler die Aktion „Schicksal“ nie bei dem Spieler, der Käpt’n Hook spielt, so können sie fast gänzlich verhindern, dass er die Partie gewinnt.

Bei Prinz John, der 20 Machtchips braucht, um zu gewinnen, ist es hingegen nur eine Frage der Zeit, bis er diese gesammelt hat. An einem Ort in seinem Reich erhält Prinz John allein drei Machtchips. Diese Aktion ist auch noch im unteren Bereich, sodass sie niemals durch Schicksal-Karten überdeckt werden kann. Theoretisch könnte Prinz John in jeder zweiten Runde an diesen Ort gehen, um die drei Machtchips zu nehmen, und zwischendrin an jeden der anderen drei Orte, die ihm, wenn auch im oberen Bereich, einen oder zwei Machtchips ermöglichen. Prinz John stellt damit den langweiligsten Bösewicht dar, wobei es natürlich an jedem selbst liegt, wie man ihn spielt.

Dass man Schicksal-Karten bei den Mitspielern platzieren kann, fördert zwar die Interaktion. Allerdings hatten wir das Gefühl, dass wir die meiste Zeit über mit unserer eigenen Spielertafel beschäftigt waren und erst dann von der Aktion „Schicksal“ Gebrauch gemacht wurde, wenn sich abgezeichnet hat, dass ein Spieler seinem Ziel immer näher kommt. Dann wurde es auch schon mal frustrierend, wenn gleich mehrere Mitspieler Schicksal-Karten bei einem angelegt haben. Zwar gibt es einen Schicksalschip, der verhindert, dass man zweimal in Folge das Ziel der Aktion „Schicksal“ wird, allerdings kommt dieser erst bei einer Partie mit mindestens fünf Spielern zum Einsatz.

Mit Schicksal-Karten kann man teilweise schon großen Schaden verursachen. Wenn sich jemand über längere Zeit mühevoll ein paar Schritte in Richtung Ziel gekämpft hat und dann binnen kurzer Zeit um mehrere zurückgeworfen wird und dann wieder auf bestimmte Karten angewiesen ist, dann kann der Frustfaktor in die Höhe steigen. Zudem verlängert sich dadurch auch nicht selten die Spielzeit. Ein einzelner Spielzug geht zwar in der Regel schnell von der Hand, doch gerade einem vermeintlichen Ende entgegen kann es zu Konstellationen kommen, bei denen man sich, leicht übertrieben gesagt, wieder am Anfang einer Partie wähnt.

Eine der verfügbaren Erweiterungen.

Man kann gewissen Punkten entgegenwirken, indem man sich zum Beispiel darauf einigt, dass keiner Prinz John auswählt oder hier und da noch eine andere kleine Hausregel einführt. Im Kern ist Villainous nämlich ein nicht nur optisch schönes Spiel, das auch Spaß macht. Die angesprochenen Punkte stören vielleicht auch nicht jeden. Disney-Fans dürften vielleicht noch eher drüber hinwegsehen. Wenn man es aber schafft, Konstellationen an Bösewichten zu finden, die ein weitestgehend ausgeglichenes Spiel ermöglichen, dann gibt es an Villainous nicht viel auszusetzen. Letztendlich spielt der Faktor Glück nämlich immer eine Rolle, wenn Karten im Spiel sind. Dabei hat ohnehin jeder ein etwas anderes Verständnis davon, was wie sehr unbalanciert ist. Und wenn Prinz John mit von der Partie ist, dann muss man ihm eben mit Schicksal-Karten das Leben schwer machen, sodass er mehr oder weniger gezwungen ist, Bösewicht-Karten einzusetzen, die ihn wiederum die für ihn wertvollen Machtchips kosten.

Mit den Erweiterungen, die natürlich zusätzlich kosten, kann man das Repertoire an Bösewichten um bis zu neun erweitern. So dürfte jede Gruppe mehrere gute und ausgeglichene Kombinationen an Schurken finden. Bis es vielleicht so weit ist, macht es Spaß, die einzelnen Charaktere auszuprobieren und in ihre Welt mit ihren finsteren Plänen abzutauchen.

mit Tendenz nach oben

 

Artikelbild: © Ravensburger, Fotografien: David Saller, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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