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Deutschland 2078, Dortmunder Nordstadt: Ein junger Hacker sucht seinen Weg inmitten von familiärem Chaos, fremdartigen Begegnungen und purer Brutalität. Erst, als Iwan alles zu verlieren droht, lernt er, für das zu kämpfen, was wichtig ist. Eine Schlacht, die er gegen bewaffnete Feinde, Konzerninteressen und vor allem gegen sich selbst führt.

Iwans Weg ist der Auftakt einer deutschen Shadowrun-Romanreihe von Pegasus Spiele, die innerhalb der Allianz Deutscher Länder (ADL) spielt. Iwan ist primärer Protagonist der Handlung; sein Körper ist übersäht von Brandnarben. Eine Erinnerung an seine tote Mutter. „Artige Kinder schreien nicht“, hatte sie stets gesagt, ehe sie ihm eine weitere Wunde zufügte. Mittlerweile ist dies lange her und sie ist tot. Geblieben ist ein junger Mensch, der in einer korrumpierten und mitleidslosen Welt versucht, einen Schritt nach dem anderen zu gehen.

Story

Für Iwan Ogilvy ist der einzige Weg aus dem anarchischen Chaos der Dortmunder Nordstadt inmitten des Rhein-Ruhr-Megaplexes hinaus sein Stipendium an der Aetherlink-Schule. Nach dem Tod seiner gewalttätigen Mutter ist der junge Hacker mit seinem Vater, einem starken Alkoholiker, allein. Als ein Hack von ihm innerhalb des Systems des öffentlichen Nahverkehrsnetzes ans Licht kommt, schleudern die Konsequenzen Iwan nicht nur aus der Bahn, sondern in ein Gewirr aus Magie, Gewalt und Albträumen. Er trifft auf Mae, eine ihm mütterlich vertraute Fee auf der Flucht vor dem eigenen Vater. Doch auch weitere Häscher, sowohl aktive als auch aus dem Ruhestand wiederkehrende Shadowrunner, gehen Maes Fährte nach. Bald schon wird Iwan alles abverlangt, um Kontrolle über sich zu behalten und diejenigen, die ihm nahestehen, schützen zu können.

Neben den klassischen Elementen, die sich in verschiedenen Shadowrun-Romanen finden lassen, wie beispielsweise Machtkämpfe auf Konzernebene und Auftragserledigung durch Kleingruppen im Untergrund, stehen bei Iwans Weg familiäre Bindungen im Vordergrund. Die Rolle der Familie, egal ob dysfunktional oder intakt, findet sich als wiederkehrendes Element bei nahezu allen auftretenden Protagonisten wieder – sogar die Neugründung von Familien wird an mehreren Stellen thematisiert. Sehr zentral sind zudem Iwans Erinnerungen an seine Mutter, die ihm in jungen Jahren oft Gewalt antat und mit „Artige Kinder schreien nicht“ eine Art Mantra in seinen Kopf pflanzte.

Die lebendigen Charaktere, der auf diese angepasste Schreibstil bzw. die divergierende Ausdrucksweise je nach aktuellem Protagonisten und die jeweiligen persönlichen Motive verleihen den Geschehnissen in Iwans Weg Glaubwürdigkeit. Ihre Fehler und emotionalen Grenzen machen sie zu überzeugenden Protagonisten in einer Handlung, die inmitten des chaotischen Alltags der heruntergekommenen Nordstadt beginnt und nach und nach immer abstrusere Züge annimmt. Der Leser muss sich mehrfach orientieren, und ehe sowohl er als auch Iwan sich versehen, droht ein Wirbel aus Brutalität und Schreckensvisionen sie zu verschlingen.

Schreibstil

Iwans Weg wird stets aus der Sicht eines allwissenden Erzählers berichtet. Aus dieser Perspektive heraus werden unterschiedliche Protagonisten begleitet, etwa Iwan selbst, die Fee Rhoslyn und Sascha Sigge, Inhaber der Firma Sekuritas, die für die Sicherheit des Dortmunder Hafens verantwortlich ist. Alle Charaktere verfolgen eigene, ganz unterschiedliche Interessen; sie treffen  keinesfalls friedlich zusammen. Interessant sind die verschobenen zeitlichen Ebenen, auf denen Iwans Weg sich abspielt: Während die primäre Handlung im Jahr 2078 stattfindet, bewegt sich Iwan zu Beginn seiner Geschichte im Jahr 2077. Das Jahr, welches dazwischen liegt, wird in Iwans Kapiteln nach und nach mit Informationen über die vorgefallenen Geschehnisse aufgefüllt.

Der Schreibstil des Romans ist keinesfalls konstant. Angepasst an Situation und Charaktere variieren sowohl das sprachliche Niveau innerhalb von Dialogen als auch der Fließtext, der diese umfasst. Wird es hektisch, werden die Sätze kürzer. Findet hingegen ein innerer Monolog des Protagonisten statt, werden die Sätze in Anlehnung an die innere Konfliktsituation verschachtelter. Das Lesen bleibt somit abwechslungsreich und unterhaltsam. Gespickt ist der Text mit schönen Stilgriffen und Anlehnungen, etwa an Franz Kafkas Die Verwandlung.

Der Autor

David Grade, geboren 1980 in Dortmund, feiert mit Iwans Weg seinen Debütroman. Ungeübt mit der Feder ist der studierte Erziehungswissenschaftler jedoch nicht: Unter anderem veröffentlichte er im Envoyer, gehörte der LodlanD-Redaktion an und arbeitete mit André Wiesler am DSA4-Abenteuer Imuhar, erschienen in der Anthologie Karawanenspuren. Auf seiner Autorenseite davidgrade.com bietet er Lesern und interessierten Besuchern Informationen über sich und seine Werke an.

Erscheinungsbild

Der Roman ist aktuell ausschließlich als Taschenbuch erhältlich. Der Einschlag ist in hellem Grün gehalten, das Shadowrun-Logo und der Buchtitel verzieren das Deckblatt. Auf dem Cover ist ein junger Mann zu sehen, der den Beschreibungen von Iwan entspricht. Seine Art, sich im Kragen seines Mantels zu verstecken, sowie die Brandnarben bestätigen diese Korrelation: Es handelt sich hierbei um den Hauptcharakter der Handlung. Im Hintergrund zeichnen sich Gebäude, Leuchtreklamen und Firmenlogos ab. Viele erkennbare Begriffe sind innerhalb des Romans wiederzufinden.

Der Text ist übersichtlich gehalten. In den Kapiteln selbst werden Szenenwechsel mit einer Unterbrechung des Textes mit drei „x“en markiert. Die Kapitelenden sind ebenfalls mit einer Symbolik hervorgehoben. Die Textgröße und die Papierqualität ermöglichen ein angenehmes Lesen, sodass es an der Ausführung und der Gestaltung des Taschenbuches keine Mängel zu benennen gibt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autor: David Grade
  • Erscheinungsdatum: 1. April 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 344 Seiten
  • ISBN: 978-3-95789-172-3
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Die Taschenbuchausgabe von Iwans Weg beinhaltet ein umfangreiches Nachwort des Autoren, welchem sich einige Danksagungen anschließen. Darüber hinaus bietet der Roman seinen Lesern mit „Willkommen in der sechsten Welt“ eine im Fließtext zusammengefasste Übersicht der Geschehnisse und Hintergründe, die das Pen&Paper-Rollenspiel Shadowrun zu dem machen, was es ist. Dies ermöglicht auch Neulingen oder gar systemfremden Lesern einen Einstieg in den Roman sowie ein grundlegendes Verständnis der Welt, in welcher Iwan zu Hause ist. Ein Umstand, der mit dem ebenso enthaltenen Glossar nur verstärkt wird.

Fazit

Mit Iwans Weg veröffentlich Pegasus Spiele den ersten einer Reihe deutschsprachiger Shadowrun-Romane, die in der ADL spielen. Es handelt sich hierbei um den Debütroman von David Grade, der jedoch keinesfalls ein Neuling innerhalb der hiesigen Rollenspielszene ist. Hauptspielort des Romans ist die Dortmunder Nordstadt, in welcher Iwan nach dem Tod seiner Mutter allein mit seinem Vater lebt. Eine Verkettung unglücklicher wie seltsamer Zustände führen zu einer Begegnung mit der Fee Mae, und ehe Iwan sich versieht, lernt er einerseits eine neue Bedeutung von Familie kennen und begreift andererseits, dass er kämpfen muss, wenn er nicht alles verlieren will. Die Handlung ist spannend beschrieben und weist einen Stil auf, der je nach aktueller Situation und Erzählperspektive variiert. Interessant sind die emotionalen und familiären Schwerpunkte, die der Roman setzt – vor allem in ihrer Verbindung miteinander stellen sie ein oftmals unterrepräsentiertes Thema im Romankontext von Shadowrun dar. Das Taschenbuch ist gut lesbar und entwickelt bereits zu Beginn eine Spannung, die den Leser leicht in ihren Bann zieht. Handlungen und Charaktere sind realitätsnah und präsentieren sich glaubwürdig – ein Umstand, der gepaart mit der ungeschminkten Brutalität der Welt von 2078 durchaus für Gänsehautmomente sorgt, weshalb der Roman eine gute Investition darstellt.

Artikelbild: Pegasus Spiele, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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