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Antihelden sind in Marvel-Comics gang und gäbe. Einer der bekanntesten ist der Ghost Rider, der seit kurzem der König der Hölle ist. Morbius versucht derweil seinen Vampirismus zu heilen. Zusätzlich besprechen wir die neue X-Force, welche als Geheimdienst der Mutanten-Nation agiert. Welche neue Reihe ist einen zweiten Blick wert?

Was macht einen Protagonisten zum Antihelden? Literaturwissenschaftler würden auch Spider-Man oder Daredevil als Antihelden bezeichnen, da ihre Schwächen wichtiger sind als ihre heldenhaften Eigenschaften. Doch für viele ist jemand ein Antiheld, wenn er seine Ziele mit fragwürdigen Methoden erreicht und die gesellschaftlichen Normen infrage stellt. Diesen Monat besprechen wir drei neue Marvel-Comics, bei denen die Protagonisten sich an der Grenze zum Schurken bewegen. Als König der Hölle begibt sich Johnny Blaze auf die Jagd nach entflohenen Dämonen, während Danny Ketch bemerkt, dass die Hölle immer mehr Besitz vom Ghost Rider übernimmt. Morbius kämpft erneut gegen seinen Blutdurst an und führt weitere Selbstexperimente an sich durch. Doch diese bewirken das Gegenteil von dem, was er erreichen wollte. So nehmen Spider-Man und eine Vampirjägerin seine blutige Spur auf. Auf der Mutanten-Nation Krakoa gibt es derweil einen Angriff eines Killerkommandos. Als Folge formiert sich eine neue X-Force, die verhindern soll, dass es noch einmal zu so einer Attacke kommen kann. Wenn es nötig ist, auch präventiv.

Ghost Rider #1: König der Hölle

Seit den Ereignissen von Doctor Strange: Verdammnis sitzt Johnny Blaze auf dem Thron der Hölle. Er hat Mephisto abgelöst, der wiederum von Wong in Las Vegas gefangen gehalten wird. Doch nicht alle Dämonen unterwerfen sich der neuen Herrschaft des Ghost Riders. Viele kommen auf die Erde und verbreiten dort Sünde. Also macht sich Blaze auf, die Dämonen zu vernichten oder in die Hölle zurück zu bringen.

Gleichzeitig hat der zweite Ghost Rider Danny Ketch eine Kneipe eröffnet und verweigert sich dem Geist der Rache, der in ihm wohnt. Doch als ihn seine tote Mutter warnt, dass mit Johnny etwas nicht stimmt, konfrontiert er seinen Bruder. Währenddessen sitzt Mephisto, der Meister der Manipulation, in seinem Gefängnis in Las Vegas und lächelt spitzbübisch daher.

Die Geschichte hat ihren ganz eigenen Drive. Die Handlungen von Johnny und Danny werden parallel erzählt. Als Leser fragt man sich unweigerlich, ob hier noch alles mit rechten Dingen zugeht. Wird einer der Hauptfiguren manipuliert und wenn ja von wem oder was? Auch wenn man bisher nicht viel mit dem Ghost Rider anfangen konnte, wird man in einen Strudel der Ereignisse gezogen. Ed Brisson hat hier eine Erzählung über die Ghost Rider gefunden, die man so bisher noch nicht kannte. Und auch wer noch keine Ahnung hat, wer die beiden Figuren sind, wird behutsam herangeführt.

Was ist besser als EIN Ghost Rider?

Die Sympathie des Lesers schwankt mehrfach zwischen den beiden Antihelden hin und her. Während Johnny der souveräne Herrscher der Hölle ist, ist Danny am Anfang noch der resignierte Abenteurer, der lieber trinkt, als seine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die ihn nichts angehen. Beide machen im Laufe der Geschichte eine Entwicklung durch, die nicht immer abzusehen ist. Zu gerne würde ich wissen, wie es danach weitergeht.

Optisch sind die Flammen allgegenwärtig. Das Design der Monster und Dämonen ist gruselig und teilweise ekelerregend. Doch das passt gut zum Ton der Geschichte. Die Action ist gut dosiert und wird stets passend eingefangen. Die Sequenzen sind nie unübersichtlich oder überladen, sondern harmonieren auch vorzüglich mit den ruhigeren Szenen.

Ich habe bisher noch keinen Ghost Rider Comic gelesen, der mir auf Anhieb so zugesagt hat, wie dieser Neustart. Hat man doch zu oft das Gefühl, dass diese Figur einem alten Metalcover entsprungen ist, ergibt sich hier eine stimmige Geschichte um einen Höllenfürsten, der alles besser machen möchte als sein Vorgänger, aber doch überall nur Sünde und Verderbnis sieht. Durch die Dualität der beiden Ghost Rider wird eine ganz eigene Dynamik erzeugt, die den Wunsch nach mehr hervorruft.

  • Die harten Fakten
  • Autoren: Ed Brisson
  • Zeichner: Aaron Kuder, Juan Frigeri
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 14 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon, idealo

 

Morbius #1: Blutdurst

Der Morbius-Film wurde auf März 2021 verschoben. Der Comic erscheint trotzdem. Michael Morbius wurde als Antagonist in den Spider-Man-Comics eingeführt. Seine seltene Blutkrankheit wollte er mit einem experimentellen Serum behandeln, das ihn aber in eine Art Vampir verwandelte. Seitdem quält ihn ein nicht enden wollender Blutdurst. Er ist weiterhin ein brillanter Wissenschaftler und macht oft Jagd auf Verbrecher, um an sein Blut zu kommen.

Der neuste Band funktioniert vollkommen ohne Hintergrundwissen. Das wichtigste wird in Rückblenden erklärt. Morbius überfällt das Labor des neuen Melters. Dort gelangt er an ein neues Serum, das den Anschein macht, es könnte ihn heilen. Er macht denselben Fehler wie einst und spitzt es sich in einem Selbstversuch. Dieses Serum macht ihn noch monströser. So wachsen ihm langsam Fledermausflügel. Der Drang nach Blut wird so stark, dass er die Aufmerksamkeit von Spider-Man auf sich zieht. Bei der Auseinandersetzung erkennen sie, dass Spider-Mans Blut die Symptome abmildern kann. Also beginnen sie, gemeinsam zu forschen, bis plötzlich eine Vampirjägerin aus Morbius Vergangenheit auftaucht.

Die grundsätzliche Handlung ist solide. Es wirkt ein wenig, als ob seine Originstory ein zweites Mal erzählt wird. Dies ist aber der Tatsache geschuldet, dass dieser Comic im Rahmen der Filmveröffentlichung erscheinen sollte. Es gibt einige Wendungen in der Geschichte. Doch leider sind diese allzu konstruiert. Ohne Begründung ist es zufällig Spider-Mans Blut, das eine Linderung verschafft. Die freundliche Spinne ist dann auch gleich bereit, ihm zu helfen. Überhaupt wechseln die Figuren zu schnell ihre Positionen, ohne dass hier eine logische Charakterentwicklung stattfindet. Die Motivationen der einzelnen Figuren werden nur sehr schwach herausgearbeitet. Und natürlich gibt es am Ende noch einen großen gemeinsamen Kampf gegen einen wahren Bösewicht.

Macht keine Lust auf den Film

Es ist gut, dass Spider-Man im Comic auftaucht, denn Morbius funktioniert als Protagonist leider nicht. Sein Typus ist mit Figuren wie Doctor Jekyll, Bruce Banner (Hulk), Kirk Langstrom (Man-Bat) oder Curt Connors (die Echse) schon oft bedient wurden. Im Gegensatz zu den genannten Figuren fehlt ihm aber die tragische Komponente. Wenn er „Ich bin krank“ ruft, sieht er kurz gequält aus, nur um in der nächsten Szene voll Wut all seine Forschungsergebnisse vom Tisch zu werfen. Hier wären ruhige Momente nötig gewesen, so dass eine Sympathie für die Figur aufgebaut werden könnte. Man sieht nur das Monster, aber nicht den Menschen dahinter.

Das spiegelt sich auch in den Zeichnungen wieder. Morbius wird mit großen schwarzen Flächen dargestellt, die Schatten darstellen sollen. Es sind aber viel zu viele Schatten für eine logische Anatomie. Dadurch wirkt er noch monströser, als es nötig ist. Die Zeichnungen sind nicht schlecht, aber vermutlich hätten sie in Schwarz-Weiß besser funktioniert. Die Kolorierung ist sehr eintönig und trägt nicht viel zur Erzählung bei. Es scheint, als ob es ihr einziger Zweck ist, Rückblenden durch Sepia-Töne von aktuellen Ereignissen unterscheidbar zu machen. Dazu kommt, dass Actionsequenzen sehr unübersichtlich aussehen.

Der Comic wirkt sehr bemüht, konnte mich aber zu keinem Zeitpunkt wirklich überzeugen. Nichts davon ist wirklich originell und erweckt den Eindruck, als ob diese Geschichte noch einmal hätte erzählt werden müssen. Bestenfalls dient sie als Einführung in den Charakter, doch scheitert daran, die Figur für den Leser greifbar zu machen.

Die optische Gestaltung erfüllt ihren Zweck, ragt aber nicht aus der Masse heraus. Der Comic ist schnell durchgelesen, ohne wirklich unterhaltsam zu sein. Es gibt wesentlich bessere Alternativen, um eine Geschichte eines gequälten Wissenschaftlers zu erleben, der durch Hybris zu einem Monster wird.

Die harten Fakten

  • Autor: Vita Ayala
  • Zeichner: Marcelo Ferreira
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 14 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon, idealo

 

X-Force #1: Im Geheimdienst Krakoas

Domino hat sich in ein Treffen einer Geheimorganisation geschlichen. Doch es stellt sich heraus, dass dies eine Falle ist. Kurz darauf gibt es einen Angriff auf Krakoa, die neue Heimat der Mutanten im Marvel-Universum. Bei diesem Angriff stirbt eine Person, die wichtig ist, um Leute wieder ins Leben zu rufen. So begeben sich Wolverine und Kid Omega auf die Suche nach Domino, während ein Team um Beast, Jean Grey und Sage versucht, mehr über die Angreifer herauszufinden.

Es ist spannend zu sehen, wie der Grundaufbau neuer X-Men-Abenteuer, den Jonathan Hickman mit House of X & Powers of X gemacht hat, von einem anderen Autor aufgegriffen wird. So finden sich hier auch immer wieder die weißen Übersichtsseiten, die auf einzelne Aspekte genauer eingehen. Sind diese am Anfang noch sehr interessant, wenn es beispielsweise darum geht, wie das Abwehrsystem der Insel funktioniert und was Tom Cassidy damit zu tun hat, so wandeln sich diese Seiten später immer mehr zu Kurzgeschichten. Beispielsweise beschreibt eine Seite mit der Überschrift „Die Ungewissheit von Black Tom Cassidy“, was in dessen Kopf vor sich geht. Das ist zwar nett, wirkt aber eher wie ein Fremdkörper in dem Comic.

Die Handlung zieht sich über zwei Stränge. Zum einen die actionreiche Mission des Einsatzteams um Wolverine und zum anderen die Agententätigkeiten, bei denen Beast im Mittelpunkt steht. Beast selbst wird im Laufe des Bandes zu einer Art Geheimdienstchef, der die Fäden der neuen X-Force führt. Dabei handelt er im Grenzbereich zu dem, was noch moralisch vertretbar ist. Er erinnert mich dabei viel zu sehr an Dark Beast, der längst ein Schurke ist.

Mit den freundlichen X-Men ist es vorbei

Die X-Force war stets die militantere Alternative zu den heldenhaften X-Men. So passten auch Figuren wie Forge oder Wolverine immer gut in diese Truppe. Beast oder Jean Grey verwundern in dieser Inkarnation der Schattenkrieger ein wenig. Die Frage nach Moral wird hier selten gestellt. Es wird gehandelt und jeder Einsatz damit begründet, dass es notwendig war, um die Mutanten-Nation zu schützen. Eine stärkere moralische Auseinandersetzung mit den Konsequenzen hätte dem Band gut getan und würde Folgebände aufwerten.

Optisch macht dieser Comic einiges her. Die Charakterzeichnungen geben dem Leser ein Gefühl für die Figuren und immer wieder sind ein paar brillante Bilder dabei. Dann und wann sind mir einige Zeichnungen zu klein, um möglichst viele Informationen auf eine Seite zu stopfen. Hier wäre durch ein geschickteres Paneldesign mehr möglich gewesen. Die Kolorierung sorgt für die nötige Atmosphäre und unterstreicht den phantastischen zugleich aber realistischen Stil. Teilweise sind die Zeichnungen sehr brutal, aber dies erwartet man auch, wenn X-Force auf dem Titel steht.

Die X-Force als Geheimdienst Krakoas aufzubauen, ist eine gute Idee. Auch, dass sich diese aus einem Einsatzteam und einem Forschungsteam zusammensetzt, ergibt ein gutes Verhältnis von Action und Thrill. So ganz will dieses Konstrukt zusammen aber noch nicht funktionieren. Der zu lösende Fall ist recht gradlinig und die Einsätze wirken sehr unüberlegt. Auch kann ich nur schwer akzeptieren, dass die X-Force mutwillig mit den Erinnerungen anderer Menschen herumspielt, diese tötet oder anderweitig aus dem Weg räumt, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Mir ist die Truppe nicht sympathisch.

Wer sich aber gewünscht hat, härtere Mutanten-Abenteuer zu konsumieren, bei welchen die Mutanten eher Antiheld als Held sind, wird hier möglicherweise genau den Band finden, den er gesucht hat.

Die harten Fakten

  • Autor: Benjamin Percy
  • Zeichner: Joshua Cassara, Stephen Segovia
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 19 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon, idealo

 

Artikelbild: Panini Comics
Lektorat: Katrin Holst17
Layout und Satz: Verena Bach
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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