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Wenn die Vergangenheit bereits erobert wurde, richtet sich der Blick von Zeitreisenden auf die Zukunft. Chrononauts: Zukunftsschock ist die Fortsetzung zu Mark Millars spaßiger Actiongeschichte Chrononauts: Die Zeitreisenden. Dessen Stil treu bleibend ist diese Graphic Novel ein typisches Werk des schottischen Starautors – mit all seinen guten und schlechten Seiten.

Zeitreisen gehören zu den großen Menschheitsträumen und sind regelmäßiger Bestandteil in Romanen, Comics sowie Film und Fernsehen. In Mark Millars Chrononauts: Die Zeitreisenden wird dieser Traum für Corbin Quinn und Danny Reilly Wirklichkeit. In ihren turbulenten Abenteuern besuchen sie die Vergangenheit und stellen dabei allerlei Unsinn an. Am Ende können sie alle Widrigkeiten überwinden und heil nach Haus zurückkehren.

Mark Millar, der Schöpfer bekannter Marken wie Wanted, Kingsman und Kick-Ass, spaltet die Comic-Gemeinde wie kaum ein anderer Autor. Als „Michael Bay der Comic-Branche“ verschrien, werden ihm oberflächliche und uninspirierte Geschichten vorgeworfen. Diese Kritik hat zugenommen, seitdem seine als Millarverse beschriebenen Werke von Netflix aufgekauft wurden und der Autor seine Ideen exklusiv für den Streaming-Giganten entwickelt. Tatsächlich leiden einige seiner Werke im Laufe der Kooperation, beispielsweise Prodigy: Die böse Erde oder Sharkey the Bounty Hunter: Krawall im All unter den vorgeworfenen Schwächen.

Dem gegenüber stehen jedoch unterhaltsame Geschichten wie The Magic Order oder Space Bandits sowie Millars Erfolge der Jahre zuvor. Chrononauts: Die Zeitreisenden aus dem Jahre 2016 gehört zu meinen persönlichen Graphic-Novel-Favoriten und ist eine unterhaltsame Erzählung über die Chancen und Risiken von Zeitreisen. Umso gespannter war ich auf einen Nachfolger, der mit Chrononauts: Zukunftsschock endlich das Licht der Welt erblickt hat.

Handlung & Charaktere

Nach ihren erfolgreichen Zeitreisen sind die beiden besten Freunde Corbin Quinn und Danny Reilly gefeierte Rockstars der modernen Wissenschaft. Glücklicherweise läuft es auch privat zu ihrer Zufriedenheit: Corbin hat mit seiner Frau Rachel und der gemeinsamen Tochter sein Familienglück gefunden, während dem Frauenheld Danny seine Berühmtheit zugutekommt.

Doch die beiden Genies suchen nach einer neuen Herausforderung und bleiben dabei den Zeitreisen treu. Nachdem ihre letzte Erfindung sie in die Vergangenheit führte, soll es in ihrem neuen Projekt in die andere Richtung gehen. Die ersten Misserfolge entmutigen die beiden Wissenschaftler nicht, sondern spornen sie vielmehr an, denn hatten sie nicht bereits zuvor das Unmögliche erreicht?

Nach einem erneuten Fehlschlag kommt in Corbin allmählich der Verdacht auf, dass ihre Anstrengungen sabotiert werden. Tatsächlich stoßen sie alsbald auf einen alten Bekannten, der Zeitreisen vor den beiden gemeistert hat und aus der Zukunft heraus seine eigene Utopie aufbaut. Corbin und Danny müssen sich entscheiden, ob sie sich diesem verlockenden Vorhaben anschließen möchten und erkennen, dass eine perfekte Welt Opfer fordert.

Wie sein Vorgänger überzeugt Chrononauts: Zukunftsschock mit schneller und energiegeladener Action. Corbin und Danny rasen von einer verrückten Situation in die nächste, denn die Zukunft wartet mit völlig neuen Herausforderungen auf die beiden. Im Vergleich zu Chrononauts: Die Zeitreisenden findet der Großteil der Handlung in einer Epoche statt, wodurch die Vielfalt des Vorgängers verloren geht. Das 23. Jahrhundert ist jedoch faszinierend gestaltet, sodass keinerlei Langeweile aufkommt.

Die Handlung ist unterhaltsam, aber vorhersehbar. Kritiker von Mark Millar werden sich in ihren Vorwürfen an den Autor bestätigt sehen, da die Wendung von Chrononauts: Zukunftsschock nicht überrascht. Der Weg dorthin ist jedoch ein spaßiger, geprägt von überdrehten Momenten, imposanten Szenerien und einem sympathischen Protagonisten-Duo.

Corbin und Danny werden in diesem Band von ihrer menschlichen Seite gezeigt, nachdem sie im Vorgänger als egoistische und verantwortungslose Rüpel agiert haben. Die Bedeutung von Corbins Familie tritt in den Vordergrund, während Dannys eigene Familiengeschichte in Chrononauts: Zukunftsschock näher beleuchtet wird. Gegen Ende beweist der scheinbar oberflächliche Frauenheld ein Herz aus Gold und ist für den berührendsten Moment des Bandes verantwortlich.

Zeichnungen & Kolorierung

Den Vorgänger Chrononauts: Die Zeitreisenden hat Mark Millar noch gemeinsam mit Sean Murphy ins Leben gerufen, der aber mittlerweile selbst als Autor (Batman: White Knight) erfolgreich ist. Chrononauts: Zukunftsschock wird von Eric Canete umgesetzt, der in der Vergangenheit an verschiedenen Animationsserien und -filmen gearbeitet hat.

Zum Großteil kann Canete den visuellen Charme der Serie, die durch detaillierte Panels und intensive Strichführung überzeugt, fortführen. Gerade am Ende der Graphic Novel machen sich jedoch Unstimmigkeiten bemerkbar und Szenen wirken detailärmer und verwaschener. Am deutlichsten erkennt man dies bei Nahaufnahmen von Gesichtern.

Abseits dieser Schönheitsfehler zaubert der Künstler faszinierende Szenen auf die Seiten. Besonders die visuelle Gestaltung der Zukunft des 23. Jahrhunderts verleiht der Handlung von Chrononauts: Zukunftsschock einen individuellen Charme. Die Action wird dynamisch inszeniert und die Anordnung der Panels sorgt für einen angenehmen Lesefluss.

Die Kolorierung von Giovanna Niro rundet das optische Bild ab. Chrononauts: Zukunftsschock ist farbenfroh, ohne übertrieben bunt zu wirken. Die Kontraste zwischen Gegenwart und Zukunft, sowie Actionszenen und Dialogen werden durch die Farbgebung wundervoll eingefangen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor: Mark Millar
  • Zeichner: Eric Canete, Giovanna Niro
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 100
  • Preis: 17,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Kritiker von Mark Millar werden ihre Meinung aufgrund von Chrononauts: Zukunftsschock nicht ändern. Die Graphic Novel ist ein turbulentes Actionspektakel voller irrer Momente, aber ohne erzählerischen Tiefgang und geplagt von einer vorhersehbaren Wendung. Wer in der Vergangenheit Spaß an Millars Werken, besonders dem Vorgänger Chrononauts: Die Zeitreisenden hatte, wird bei diesem Band nichts falsch machen. Wenngleich in seiner Wirkung schwächer als der erste Teil, unterhält diese Zeitreisegeschichte durch ihren kurzweiligen Spannungsbogen.

Die beiden Protagonisten Corbin und Danny gewinnen in dieser Graphic Novel an Tiefe und können als sympathisches Duo überzeugen. Gerade Dannys Charakter wird in Chrononauts: Zukunftsschock weiterentwickelt und überkommt das eintönige Klischee des Frauenhelden, wobei er es sich aber nicht nehmen lässt, in der Vergangenheit die Schwester eines Papstes zu verführen.

Die visuelle Gestaltung von Eric Canete kann zumeist den detaillierten Stil und die intensive Strichführung der Reihe fortführen. Einzelne Ausnahmen bestätigen die Regel und stören das Lesevergnügen kaum. Eine farbenfrohe Kolorierung rundet das visuelle Bild positiv ab.

Chrononauts: Zukunftsschock ist kein solches Spektakel wie sein Vorgänger, doch unterhaltsam ist die Graphic Novel allemal. Ich sehe Mark Millars Werke als Graphic-Novel-Äquivalent zum Popcorn-Kino und kann die Bände auch als solche genießen. Chrononauts: Zukunftsschock ist meiner Ansicht nach die beste von Mark Millar geschriebene Graphic Novel seit The Magic Order.

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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