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Ein brandneuer Marvel-Comic von Kurt Busiek, den man leicht verwechseln kann. Im Gegensatz zu seinem Klassiker Marvels trägt der neue Comic ein The im Titel. Und anders als im gleichnamigen 2023 startenden Film, geht es hier nicht um Captain Marvel, sondern um ein paar der bekanntesten und unbekanntesten Marvel-Helden.

Im Klassiker Marvels ging es um den Fotografen Phil Sheldon, der den Anbeginn der Superhelden im Marvel-Universum fasziniert bestaunen konnte. Das, was diesen Comic auszeichnet, ist der Blick des Normalos auf das ganz Unglaubliche. Dadurch ergab es eine vollkommen andere Geschichte, als es sonst üblich war. Die Helden verkamen zu Nebenfiguren, welche den Rahmen vorgaben und gesellschaftliche Veränderungen wie den Mutantenhass einleiteten. Auch diesmal geht es wieder um einen Normalo: Kevin Schumer, einen jungen Mann, der Superhelden-Touren in New York anbietet. Kurt Busiek ist wieder der Autor, doch der großartige Alex Ross hat diesmal nur das Cover gezeichnet. Die Illustrationen im Comic stammen von Yıldıray Çınar, den man aus dem Iron-Man-Run von Tom Taylor kennt. Hat der neue Band auch das Potential zum Klassiker?

The Marvels #1 – Eine goldene Ära

Kevin Schumer ist kein Held. Er bietet Touren an, um Touristen die Superhelden-Hauptstadt New York zu zeigen. Dabei nutzt er ein altes Fantasti-Car der Fantastic Four oder einen ausrangierten Goblin-Gleiter. Dazu bietet er Fotos der Stars an, die bei ihren Kämpfen beobachtet wurden. Doch plötzlich wird er so in eine größere Geschichte verwickelt und findet sich plötzlich in einer Einsatzbesprechung wieder, bei der unter anderem Captain America, Iron Man, Black Cat und Spider-Man dabei sind.

Parallel dazu wird die Geschichte der Sin-Cong-Provinz erzählt. Eine Region, die von dauerhaften Kriegen geprägt ist und von Marvel oft als Sinnbild für Vietnam benutzt wurde. In dieser Region waren Reed Richards und Ben Grimm einer Angelegenheit auf der Spur, die sich um die Erschaffung von Monstern dreht. Auch zum Zeitpunkt der Handlung passieren dort wieder sehr außergewöhnliche Ereignisse, um die sich zuerst die asiatische Superheldin Aero kümmert.

Die Erzählstruktur ist recht komplex und beinhaltet viele unterschiedliche Stränge, die auch am Ende des Bandes noch nicht alle zusammengelaufen sind. Vor allem die Zwischeneinwürfe des allmächtigen Wesens Threadneedle wirken noch sehr befremdlich und geheimnisvoll, ohne dass die Verbindung zur eigentlichen Geschichte erkennbar wird. Es wird ein Nachfolgeband erscheinen, der auch nötig ist, denn der Comic endet in einem unbefriedigenden Cliffhanger.

The Marvels ist nicht Marvels

Schon bei der Handlungszusammenfassung wird deutlich, dass es sich hier um eine gänzlich andere Geschichte handelt als den Vorgängerband Marvels. Auch wenn die Hauptfigur ein Normalo ist, fühlt sich die Erzählung wie der Auftakt zu einer klassischen Superhelden-Saga an. Die Entwicklungen in Sin-Cong sind der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Handlung und nicht das Leben von Kevin Schumer. Für den typischen Comic-Leser mag das eine interessantere Geschichte sein, doch der Titel The Marvels lässt andere Erwartungshaltungen entstehen.

Auch optisch kann der Band nicht ganz mit dem Klassiker mithalten. Çınar arbeitet mit starken und klaren Linien und simplen Perspektiven. Von den gewaltigen Bildkompositionen und dem Fotorealismus von Alex Ross ist hier nichts zu spüren. Der Stil passt gut zum Inhalt des Bandes und man kann der Handlung gut folgen. Das gilt auch für die Action-Sequenzen. Doch auch hier erwecken der Titel und das Cover andere Erwartungen, die nicht erfüllt werden können. Insgesamt ist die Gestaltung durchschnittliche Marvel-Kost.

Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Werken ist der Autor Kurt Busiek. Sein Erzählstil ist dabei sehr zerfasert, aber spannend. Er schafft es, ganz alte Erzählungen mit der Handlung zu verbinden und einige vergessene Figuren ins Marvel-Universum zurückzuholen, wie den ersten Vision oder den ersten Doctor Strange. Dadurch erzeugt er eine gewisse Faszination, selbst wenn man noch keine Ahnung hat, wohin sich die Handlung entwickeln wird.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in: Kurt Busiek
  • Zeichner*in: Yıldıray Çınar
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 15 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit

Wenn man keinen Nachfolger zu Marvels erwartet, wird man nicht enttäuscht. Hier wird eine groß ausgedehnte Geschichte ersonnen, bei der unterschiedlichste Stränge zusammenlaufen. Daher erinnert dieser Band mehr an ein großes Superhelden-Crossover als an eine Erzählung über eine normale Person, die im selben Universum lebt, wie die großen Helden. Wirklich mitreißen kann die Handlung aber auch nicht, dazu ist sie zu zerfasert erzählt und noch zu unkonkret. Busiek legt viel Wert darauf, ein Mysterium zu erzeugen, gibt den Lesenden aber zu wenig an die Hand, um sich dem Mysterium zu nähern. Wer aber eine epische Erzählung sucht, die losgelöst von den neusten Entwicklungen funktioniert, hat hier einen spannenden Comic, der uns in die Welt der Superhelden eintauchen lässt.

  • Episch angelegte Erzählung
  • Superhelden-Geschichte aus der Perspektive einer halbwegs normalen Figur
  • Crossover zwischen bekannten Superhelden und eher unbekannten Figuren
 

  • Zerfaserte Erzählweise mit vielen Zeitsprüngen
  • Weitere Entwicklung der Geschichte ist noch nicht erkennbar
  • Optisch eher Durchschnitt.
  1.  

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Katrin Holst
Dieses Produkt wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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