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Seit Doctor Dooms erstem Auftritt oder dem ersten Erscheinen von Kang in einem der ersten Avengers Comics sind Zeitreisen ein wichtiger Bestandteil sämtlicher Marvel-Erzählungen. Wir schauen uns ohne Spoiler für irgendwelche Filme an, wie Zeitreisen in den Comics eingesetzt werden und welche Handlungen dadurch möglich sind.

In Fantastic Four #5 trifft Marvels erste Familie auf ihren Erzfeind. Und er hat eine Zeitmaschine, eine Plattform, mit deren Hilfe alle Anwesenden in eine beliebige Zeit geschleudert werden können. Dies ist der frühe Startschuss zu einer ganzen Kaskade an Zeitreisegeschichten. Dabei ist das Reisen durch die Zeit niemals konsistent. Je nach Autor und Geschichte funktionieren die Mechanismen immer ein wenig anders: Ob neue Zeitlinien entstehen oder die Vergangenheit schon immer so war; ob Zeitvarianz-Offiziere eingreifen müssen, um den Zeitfluss zu korrigieren, oder die Helden selbst alles wieder so hinbiegen müssen, wie es früher war. Zeitreise ist ein schwammiges Thema und jede Beschäftigung damit kann unmöglich alles abdecken. Aber eben darum ist es auch so spannend. Also schnallt euch an, denn es geht nun in die unterschiedlichsten Zeiten der Marvel-Comics.

Wie funktionieren Zeitreisen?

Zeitreisen funktionieren immer ein wenig anders. Hier wollen wir aber die geläufigste Theorie erläutern, mit der die meisten Handlungen im Marvel-Universum erklärbar sind. Der Limbo ist ein Mikrouniversum, das außerhalb des Zeitstroms existiert. Da es im Marvel-Multiversum einzigartig und mit jedem Universum verbunden ist, ist es möglich, von hier aus sämtliche Zeitlinien zu erreichen. Egal ob durch Magie, Technologie oder andere Mächte: Alle Zeitreisenden gelangen über den Limbo in andere Dimensionen oder Zeitachsen. Meistens passiert dies aber ohne Kenntnisnahme des Zeitreisenden.

Immer, wenn es einen Eingriff in den Zeitstrom gibt, zum Beispiel durch einen Zeitreisenden, entsteht eine neue, alternative Realität. Das bedeutet, dass die Realität, aus der dieser Zeitreisende stammt, weiterhin existiert und gleichzeitig ein neuer Verlauf der Geschichte möglich ist. Wenn der Zeitreisende also ein weiteres Mal zum selben Punkt zurückreist, können mehrere parallele Realitäten existieren, in denen jeweils ein unterschiedlicher Verlauf der Geschichte möglich ist.

Wenn also die Erde in einer Zeitlinie vernichtet wurde und Helden versuchen, die Erde zu retten, existiert irgendwo da draußen immer noch ein Universum, in dem die Erde vernichtet ist. Dies wird in Marvel-Comics regelmäßig aufgegriffen, indem Helden aus verschiedensten Realitäten aufeinandertreffen. Das 616-Universum, das seit jeher die Haupthandlung der Marvel-Comics erzählt, ist somit nur das Resultat einer bestimmten Abfolge von Zeitreisen und Realitätsverschiebungen.

Kang, Immortus und Iron Lad

Rama-Tut © Marvel
Rama-Tut © Marvel

Kein Artikel über Zeitreisen im Marvel-Universum ist möglich ohne eine Erwähnung von Nathaniel Richards. Eine vollständige Auflistung all seiner Reinkarnationen wäre genug für einen eigenen Artikel, deshalb versuchen wir uns hier an einem vereinfachten Überblick. Geboren wird der Zeitreisende im 30. Jahrhundert einer friedfertigen Welt. In dieser Zeit findet er die Zeit-Plattform von Doctor Doom. Auf Basis dieser Technologie baut er sich eine Zeitmaschine in Form einer Sphinx und reist zurück ins alte Ägypten. Dort schwingt er sich mit Hilfe seiner Technologie auf zum Pharao Rama-Tut. Doch die Fantastic Four können seinen Machenschaften Einhalt gebieten.

Zurück im 30. Jahrhundert beginnt er, sich für die Zeitlinie der Fantastic Four zu interessieren. Als Scarlet Centurion kämpft er dann gegen die Avengers. Als er besiegt wird, flüchtet er ins 40. Jahrhundert und eignet sich dort verbesserte Technologie an, mit deren Hilfe er sich nun Kang, der Eroberer nennt und es sich zur Aufgabe macht, alle Zeitlinien für sich zu erobern. Dazu baut er sich eine eigene Basis, die vermutlich irgendwo im Limbo existiert. Allerdings scheitert er regelmäßig am Erobern der Hauptzeitlinie, die er während der Kang-Dynastie aber immerhin für kurze Zeit beherrscht, bis ihn die Avengers und sein eigener Sohn Marcus letztendlich doch besiegen.

Nachdem sich die Avengers aufgelöst haben, erscheint eine jugendliche Version von Nathaniel Richards in der Hauptzeitline des 616-Universums. Er nennt sich Iron Lad und imitiert das Aussehen von Iron Man, um ein junges Team von neuen Avengers zu sammeln, die sein zukünftiges Ich bekämpfen und damit verhindern sollen, dass er jemals zu Kang wird. Letztendlich muss aber auch diese Version zurück in zu Zukunft reisen.

Je mehr Welten Kang jedoch erobert, desto mehr wird er zu einem Herrscher über den Limbo und einem Wächter über die Zeitlinien. Diese Reinkarnation nennt sich Immortus. In der Geschichte Avengers Forever erfährt man, dass Immortus im Auftrag von Zeitwächtern arbeitet. Hier kämpft Kang auch gegen Immortus, um zu verhindern, dass er jemals zu Immortus wird. Ein Team von Avengers aller Zeiten gerät zwischen die Fronten und muss sich entscheiden, welche der beiden Inkarnationen sie unterstützen will.

X-Men

Die wohl wichtigste Zeitreisegeschichte im Marvel-Universum ist Days of Future Past, auf Deutsch Zukunft ist Vergangenheit (sowohl den Comic als auch die Verfilmung haben wir bereits besprochen). In dieser Zukunftsversion sind die Mutanten im Jahr 2013 gejagte Wesen und die Welt wird von Sentinels dominiert. Eine ältere Kitty Pryde kehrt durch Rachel Summers, einer zukünftigen Tochter von Jean und Scott, in ihr vergangenes Ich zurück und verhindert mit Hilfe der X-Men einen Anschlag von Mystique auf den Präsidentschaftskandidaten Robert Kelly. Ein Tod dieses Rassisten hätte ihn zum Märtyrer gemacht und härtere Mutanten-Gesetze bewirkt. Der Erfolg dieser Geschichte führte dazu, dass Rachel Summers zu einem festen Bestandteil der X-Men wurde und somit die erste wiederkehrende Heldin aus einer alternativen Zukunft.

Days of future past © Marvel
Days of future past © Marvel

Später kommen mit Cable und Bishop weitere Zeitreisende dazu, welche versuchen, ihre eigene Zukunft ungeschehen zu machen. Als Brian Michael Bendis die X-Men als Autor übernahm, ließ er Hank McCoy das erste X-Men-Team in die Gegenwart holen. Beast wollte damit bewirken, dass der inzwischen als Revolutions-Anführer aktive Cyclops durch die Konfrontation mit seinem jüngeren Ich von seinem schädlichen Handeln ablässt. Diese neuen X-Men sind in den deutschen Veröffentlichungen noch immer unterwegs, allerdings wird ihre Geschichte noch dieses Jahr in X-Men: Extermination zu einem Ende gebracht werden.

Eine andere wichtige Geschichte, welche bis heute Einfluss auf die Comics hat, ist Age of Apocalypse. Diese Realität basiert darauf, dass Legion, der Sohn von Charles Xavier, in die Vergangenheit reist, um Magneto zu töten. Dabei kommt aber sein Vater zu Tode. Das wiederum resultiert in einer dystopischen Welt, in der Apocalypse über die Welt herrscht und Magneto den Widerstand kontrolliert. Die normale Realität kann erst wiederhergestellt werden, indem Bishop in die Vergangenheit reist und verhindert, dass Legion seinen eigenen Vater ermordet. Doch die alternative Realität existiert weiterhin, und es ist nicht das letzte Mal, dass Figuren aus dieser Welt in die Hauptzeitline kommen oder die 616-Helden in diese Welt reisen.

Age of Ultron und Andere

Eine andere Zeitreisegeschichte hat leichte Ähnlichkeit mit Age of Apocalypse. Im Gegensatz zum gleichnamigen Film wird dieser Comic seinem Namen aber gerecht. Hier hat Ultron die Welt erobert und Wolverine reist mit Hilfe von Doctor Dooms Zeitmaschine zurück in die Vergangenheit und tötet Hank Pym, der in den Comics für die Erschaffung von Ultron verantwortlich ist. Dies resultiert in einer anderen, noch viel schlimmeren Realität, da auch die guten Taten von Hank Pym verhindert werden. Letztendlich besteht dieser Comic aus vielen Realitätssprüngen und einer praktischen Darbietung des Schmetterling-Effekts.

Maestro © Marvel
Maestro © Marvel

Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer interessanter Handlungen, wie etwa jene, in der She-Hulk als Anwältin die Verteidigung eines Mannes übernehmen muss, der behauptet, jemanden aus Notwehr getötet zu haben, da dieser ihn in der Zukunft umgebracht hätte. Oder die Geschichte, in der Squirrel Girl in den 60ern aufwacht und ihre Studentenfreunde verhindern müssen, dass sich die Erde in Planet Doom verwandelt. Das Besondere hier ist, dass sich auch Gegenstände verändern, wenn sie mit durch die Zeit gereist sind. Aber auch hierfür hat Squirrel Girl eine ganz klare Erklärung parat.

Nicht zu vergessen sind auch die Geschichten, in der ein zukünftiger Bruce Banner zu Maestro wird, oder die gemeinsame Reise von Spider-Man und Wolverine durch die Weltgeschichte. Abschließend kann man sagen, dass kaum eine Erzählung wie die andere ist, wenn auch bestimmte Muster immer wieder auftauchen. Der Reiz von Zeitreisen scheint nicht abzuflauen. Die Frage, ob im Marvel-Multiversum noch viele alternative Zeitlinien existieren, in denen alle Helden versagt haben, in denen das Böse gewonnen hat oder in denen nur winzige Veränderungen eine riesige Auswirkung haben, bleibt aber offen.

 

Artikelbilder: angsandrew | Depositphotos, Marvel; Bearbeitet von Verena Bach

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