Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Marvel Zombies ist eine spannende Ergänzung des Zombicide-Franchises, das seit seiner Einführung im Jahr 2012 durch Guillotine Games und später durch CMON Limited eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen hat. Ursprünglich als kooperatives Brettspiel gestartet, bei dem Spielende in einer postapokalyptischen Welt gegen Horden von Zombies überleben müssen, hat Zombicide das Genre mit innovativen Mechaniken und einem modularen Spielbrett bereichert. Das Franchise hat verschiedene Neuinterpretationen und Spin-off-Spiele gesehen, darunter moderne Szenarien und solche mit Fantasy– und Weltraumbezug, wobei jedes neue Spiel mal mehr, mal weniger innovative Mechaniken einführt, die dennoch innerhalb ihrer eigenen Reihe kombinierbar sind.

Marvel Zombies repräsentiert ein aufregendes Crossover, das die berühmten Charaktere des Marvel-Universums in die Welt von Zombicide bringt. Wie sich das Crossover spielerisch schlägt, haben wir für euch getestet.

Triggerwarnungen

Tod, Verstümmelung, Waffengewalt

[Einklappen]

Spielablauf

Tatsächlich gibt es beim Spielablauf etwas größere Änderungen im Vergleich zu den Spielen der Hauptreihe, auch wenn sich erfahrene Zombicide-Fans schnell zurechtfinden werden. Die Spielvorbereitung von Marvel Zombies beginnt wie gewohnt mit der Wahl einer Mission aus dem Missionsbuch. Anschließend wird alles gemäß der Missionsbeschreibung aufgebaut. Dies beinhaltet das Platzieren von Türen, Autos, Spawnpunkten für Zombies und anderen Spielelementen. Alle wählen dann einen Zombiecharakter und das Spiel kann beginnen.

In Marvel Zombies besteht jede Mission aus spezifischen Zielen, die die Charaktere erreichen müssen, um das Spiel zu gewinnen. Diese Ziele variieren und können Aufgaben wie das Finden bestimmter Gegenstände, das Besiegen von Gegnern oder das Erreichen bestimmter Orte auf dem Spielbrett beinhalten. Eine Niederlage tritt ein, wenn ein Zombie besiegt wird oder wenn eine missionsspezifische Niederlagebedingung ausgelöst wird.

Der Spielablauf gliedert sich in verschiedene Phasen: In der Spielerphase führen die Zombies Aktionen aus, wie Bewegen, Kämpfen, Gegenstände aufnehmen oder das Nutzen besonderer Fähigkeiten. In ihrem Tun gestoppt werden sie in der Gegnerphase, in der die S.H.I.E.L.D.-Agents und die nicht zombifizierten Held*innen agieren. In der Endphase werden verschiedene Verwaltungsaufgaben durchgeführt, wie das Aktualisieren des Spielstatus und das Vorbereiten für den nächsten Spielzug.

Der Aufbau des Tutorial-Szenarios

In der Spielerphase der Zombies stehen den hirnhungrigen Charakteren mehrere Aktionen zur Verfügung, jedoch muss zunächst die Hungeranzeige um eine Stufe erhöht werden. Dies ist ein zentrales Spielelement, durch das sich Marvel Zombies von den anderen Spielen des Franchises abhebt. Mit steigendem Hunger werden die Zombiecharaktere mächtiger, verlieren jedoch zunehmend die Kontrolle. Dies wird im Spiel dadurch gelöst, dass entsprechend des Hungerwertes zusätzliche Würfel geworfen werden müssen. Das erhöht zwar die Chance auf Erfolge, aber die Würfel besitzen auch Seiten, die das Hungersymbol zeigen und den Wert der Hungeranzeige damit ebenfalls steigern.

Wenn die Hungeranzeige den Maximalwert erreicht, wird ein Charakter heißhungrig. In diesem Zustand können sich die Charaktere nur noch Bewegen und einen Verschlingen-Angriff ausführen, um das Hungerlevel wieder auf null zu senken. Ist man am Ende des eigenen Zuges noch heißhungrig, erhält man eine Wunde. Im Unterschied zu dem ursprünglichen Zombicide-Spiel müssen die aktiven Spieler*innen hier ihre Aktivierungsplättchen umdrehen, denn die Spielenden dürfen sich die Reihenfolge, in denen ihre Charaktere handeln, aussuchen, statt reihum fortzuschreiten. Grundsätzlichen stehen allen bis zu drei Aktionen zur Verfügung.

Bei der Bewegung verschiebt man die eigene Miniatur in eine benachbarte Zone. Für jede gegnerische Miniatur in der Zone, aus der heraus die Bewegung erfolgt, muss eine zusätzliche Aktion ausgegeben werden. Des Weiteren kann ein Charakter eine Zombiemerkmal-Karte ziehen, wenn sich eine gegnerische Miniatur in seiner Zone befand. Diese Karte wird dann auf einem der beiden Zombiemerkmal-Karten-Slots des Charakter-Tableaus abgelegt. Diese Merkmale bieten einmalig starke Effekte.

Eine weitere Aktion ermöglicht es einem Charakter, eine Tür in seiner Zone aufzubrechen. Das zugehörige Türplättchen wird dann umgedreht und mit der offenen Seite nach oben positioniert, wobei offene Türen nicht wieder geschlossen werden können. Charaktere können auch Angriffe auf Gegner*innen oder Nebencharaktere ausführen, vorausgesetzt, diese befinden sich in geeigneter Reichweite und Sichtlinie. Jeder Zombiecharakter kann entweder seinen einzigartigen Angriff ausführen oder einen sogenannten Verschlingen-Angriff nutzen. Es müssen zusätzliche Würfel in Höhe des Hungerwerts des Zombiecharakters geworfen werden, was die Chancen auf einen erfolgreichen Angriff erhöht.

Ein*e Gegner*in wird besiegt, indem mit einer einzigen Angriffsaktion Treffer in Höhe des jeweiligen Zähigkeitswerts zugefügt werden. Dabei ist die Zielpriorität zu beachten, welche besagt, dass bestimmte Gegner*innentypen vorrangig angegriffen werden müssen. Die Zielpriorität funktioniert wie folgt: Treffer werden zunächst den Zielen mit der höchsten Priorität zugeordnet, bis alle in dieser Kategorie besiegt sind. Danach werden Treffer den Zielen mit der nächstniedrigeren Priorität zugeordnet, und so weiter. Dies bedeutet, dass zum Beispiel Superhelden zuerst und Spezialisten zuletzt angegriffen werden.

Wenn mehrere Ziele dieselbe Zielpriorität haben, können die Spielenden entscheiden, wer zuerst getroffen wird. Eine Besonderheit ist, dass Nebencharaktere nur durch Verschlingen-Angriffe Treffer erhalten können, während sie von anderen Angriffen verschont bleiben, da sie als wertvolle Nahrungsquelle für die Zombiecharaktere gelten. Ist eine Figur besiegt, erhält der entsprechende Zombiecharakter einen Erfahrungspunkt, außer bei besiegten Superheld*innen, bei denen die Belohnung deren Zähigkeitswert entspricht.

Zuletzt besteht die Möglichkeit, mit einem Ziel zu interagieren. Dies umfasst das Aufnehmen oder Aktivieren eines Zielplättchens in der Zone des Charakters, wobei die spezifischen Effekte und Anforderungen in den Missionsbeschreibungen detailliert beschrieben werden​​.

In der Gegnerphase von Marvel Zombies geschehen zwei Hauptaktionen: Beim Gegner Aktivieren werden alle Gegner*innen und Nebencharakter im Spiel aktiviert und führen mindestens eine Aktion aus. Diese Aktion hängt von der jeweiligen Situation ab und kann entweder ein Angriff oder eine Bewegung sein. Spezialisten und Superhelden führen sogar zwei Aktionen aus. Ein Angriff findet statt, wenn die aktivierte Figur sich in derselben Zone wie ein Zombiecharakter befindet und fügt eine Wunde zu. Gegner*innen, die nicht angegriffen haben, nutzen ihre Aktion, um sich eine Zone in Richtung des nächstgelegenen Zombiecharakters zu bewegen.

Beispiele für Spawnkarten

Neben der Aktivierung ist das Spawnen neuer Bedrohungen ein zentraler Bestandteil dieser Phase. Am Anfang werden für jedes Spawnplättchen auf dem Spielbrett Spawnkarten gezogen. Diese Karten bestimmen, welche Gegner*innen in der entsprechenden Zone erscheinen. Die Art und Anzahl der spawnenden Gegner wird durch die Gefahrenstufe des höchststufigen Zombiecharakters bestimmt.

Für Nebencharaktere gelten ebenfalls spezielle Regeln. Ein verschlungener Nebencharakter verleiht dem Charakter, der ihn verschlungen hat, seine Fähigkeit. Es gibt verschiedene Arten von Nebencharakteren: Kampf-Nebencharaktere, die wie Fußsoldaten aktiviert werden und angreifen können, zivile Nebencharaktere, die niemals angreifen und versuchen, zur nächstgelegenen Spawnzone zu fliehen, und eskortierte Nebencharaktere, die sich nur zusammen mit ihren Wachen bewegen und am Ende der Gegnerphase eine zusätzliche Wache für alleinstehende eskortierte Nebencharaktere spawnen​​.

Ein weiterer wichtiger Spawn-Aspekt der „Guten“ betrifft das Betreten von Gebäuden durch

Einige Nebencharaktere

Zombiecharaktere. Das erste Öffnen eines Gebäudes löst eine Art „Büchse der Pandora“ aus, indem es alle darin verborgenen Gegner*innen und Nebencharaktere aufdeckt. Diese Dynamik erhöht die Spannung und erfordert sorgfältige Planung und Vorsicht, um die Überraschungen zu überleben, die in den Schatten der verlassenen Gebäude lauern.

Ausstattung

CMON hat ganze Arbeit bei der Umsetzung der Lizenz geleistet. Marvel- und Zombicide-Fans kommen beide vollends auf ihre Kosten. Der Artstyle des Zombie-Franchises passt hervorragend zu den Comic-Ikonen. Das Cover wirkt etwas hektischer und brachialer, als man es gewohnt ist. Das mag aber daran liegen, dass man etwas mehr das Marvel-Narrativ bedienen und den Fokus auf die „vertauschten“ Rollen legen wollte.

Die durch das passende Tiefziehteil sehr gut geschützten Miniaturen weisen die gewohnte CMON-Qualität auf und laden begabte Maler*innen zum Verschönern ein. Die Darstellung der S.H.I.E.L.D.-Agents, die vermeintlich eher Kanonenfutter für die Charaktere sind, fördert die Immersion massiv, da sie nicht durchgehend das gleiche Modell haben und Varianz aufzeigen. Auch das restliche Spielmaterial ist thematisch passend, ohne Fans der „ersten Stunde“ durch zu stark abweichende Optik zu verprellen.

Dem Spiel liegt Spielmaterial für den Heldenmodus bei, bei dem die Rollen vertauscht werden. Ein sehr gemeiner, aber wirtschaftlich nachvollziehbarer Wermutstropfen ist, dass dieser Modus nur spielbar ist, wenn das eigenständige Grundspiel Marvel Zombies: X-Men Resistance erworben wird.

Leider nicht nutzbar …

Positiv sticht das Regelwerk heraus. Die Struktur ist sehr gelungen und leicht nachvollziehbar. Der Ansatz, sehr ausführlich Grundlagen-Begriffe zu erklären, bevor das Spielgeschehen erläutert wird, ist hilfreich und fördert das Verständnis. Die Missionen, die wieder mal nur lose zusammenhängen und keine Kampagne als solche darstellen, sind gut beschrieben und der Aufbau schnell erledigt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CMON / Asmodee
  • Autor*in(nen): Fabio Cury, Michael Shinall
  • Illustrator*in(nen): Marco Checchetto, Henning Ludvigsen
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: deutsch
  • Spieldauer: 60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 90 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die Anleitung und die hilfreichen FAQs gibt es auf der Produktseite bei Asmodee.

Fazit

Kopf aus, Trash an. Und das auf die bestmögliche Art und Weise. Nachdem wir bisher immer auf der Seite der Überlebenden standen und uns einer Armee aus Untoten erwehren mussten, schlüpfen wir nun in die andere, leicht verrottende Haut. Dass diese Haut auch noch einigen der mächtigsten Wesen des Marvel-Universums gehört, ist das i-Tüpfelchen. Die altbekannte Zombicide-Formel „Laufen – Kämpfen“ funktioniert auch in vertauschten Rollen sehr gut und wird durch thematisch passende neue Mechaniken wie den Heißhunger sinnvoll ergänzt.

Die Schwächen, wie das (ohne Erweiterungen) nutzlose Heldenmodus-Material oder die fehlende Kampagne, lassen sich hier wesentlich besser verschmerzen als bei anderen Varianten von Zombicide. Marvel Zombies löst bei uns fünf von fünf Heißhunger-Attacken aus.

  • Sehr zugänglich
  • Gute Evolution des Zombicide-Schemas
  • Lizenz gut verarbeitet

 

  • Im Basisspiel keine Kampagne
  • Kein Heldenmodus ohne Erweiterung

 

 

Artikelbilder: © Asmodee, depositphotos | © grandfailure
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Laura Pascharat
Fotografien: Tim Billen

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel enthält Affiliate-Links. Durch einen Einkauf unterstützt ihr Teilzeithelden, euer Preis steigt dadurch nicht.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein