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Wir sind ein Einsatzkommando, das in einer Zombieapokalypse um das eigene und das Leben aller anderen kämpfen. Die von Untoten überrannten Straßen sind nicht sicher und wir müssen den Zombies den Garaus machen. Locken wir nach einigen Tötungen den Boss der Horde hervor, heißt es endlich: Zombicide: Feuer frei.

Spiele mit abwischbaren Stiften werden immer populärer, da hat Just One einen fast totgeglaubten Trend wiederbelebt. Und neben den zwanglosen Partyspielen finden auch immer mehr Genre-Spiele gefallen am Ausmalen. Bei dem für das Kennerspiel des Jahres 2020 nominierten Der Kartograph waren es noch Einwegblöcke und Bleistifte, die das Flip-and-Write-Genre in die Phantastik holten. Nachdem nun auch strategische Schwergewichte wie Twilight Imperium mit dem Ableger Twilight Inscripton eine Roll-and-Write-Variante erhielten, dachte sich CMON, dass das auch eine gute Idee für das Zombicide-Franchise sein kann. Ob der abgespeckte kleine Bruder mit dem Prinzip des „Karten umdrehen und Dinge zeichnen“ punkten kann, haben wir uns einmal angesehen.

Triggerwarnungen

Gewalt, Verstümmelung

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Spielablauf

Anders als beim Szenario getriebenen „Original“-Miniaturenspiel hat Zombicide: Feuer frei in jeder Partie das identische Ziel: Tötet den Boss! Für gelungene Abwechslung hierbei sorgen die sechs verschiedenen Bosse und die vier verschiedenen Schwierigkeitsgrade. Auf dem Weg dorthin stellen sich uns die Zombiehorden in den Weg und wollen besiegt werden. Hierzu müssen wir auf deren Karten die vorgegebenen Formen mithilfe unserer Waffen ausmalen. Schaffen wir das vor dem 18. Zug beim Boss ist die Partie gewonnen. Schaffen wir es zeitlich nicht, oder stirbt auch nur ein Überlebender, ist das Spiel und die Welt sowieso verloren.

Die illustre Auswahl an Zombies.
Die illustre Auswahl an Zombies.

Jede Partie wird in zwei Runden mit je neun Zügen gespielt. Erst ab Runde 2 darf mit dem Boss interagiert werden, sodass Runde 1 mit Überleben und Vorbereitungen auf den Boss daherkommt. Der Übergang zwischen den Runden funktioniert absolut flüssig und mit sehr wenig Verwaltungsaufwand. Vor der ersten Runde werden neun Zugkarten und sieben Brutkarten ausgelegt. Nach dem Ende der ersten Runde werden die Zugkarten neu gemischt und statt der Brutkarten sieben Bosskarten ins Spiel gebracht. Das Tableau des Bosses kommt in den Spielbereich des Anführers, der zu Spielbeginn von allen Überlebenden auserkoren wird.

Das Aufdecken der Zugkarten startet dann jeden einzelnen Zug. Zunächst dürfen die Überlebenden die Waffe auf ihrem Charakterbogen benutzen, deren Farbe auf der Zugkarte aufgedeckt wurde. Jede der vier charakterspezifischen Waffen besitzt eine Trefferform, die exakt auf den Zombiekarten im eigenen Spielbereich (im weiteren Verlauf Straßenfelder genannt) eingetragen werden muss. Die Formen dürfen gedreht beziehungsweise gespiegelt werden, aber man darf keine Bestandteile auslassen, bereits durchgestrichene Felder noch einmal durchstreichen oder über den Rand hinausmalen. Sollte die Form nicht verwendet werden können, darf ein einzelnes Feld durchgestrichen werden. Beim Durchstreichen des sechszackigen Sternsymbols verringert man den Schaden, den diese Zombiekarte bei einem Durchbruch zufügen würde. Zusätzlich werden die Effekte der Waffe abgehandelt. Diese sind wie folgt:

  • Rückschlag schiebt den anvisierten Zombie auf das letzte Straßenfeld im Spielbereich zurück.

  • Mehrfachtreffer dürfen n-mal eingezeichnet werden, auch auf mehrere Zombies.

  • Die Effekte Plündern und Sichern und Laden funktionieren fast identisch und bringen Schilde oder Munition beim Durchstreichen von Sternen.

  • Ähnlich verhält es sich mit Aufrüsten. Hierbei erhält man für jedes durchgestrichene Schild oder jede Patrone ein zusätzliches, gleiches Symbol.

  • Um Zombies in den Straßenbereichen anderer Überlebender anzugreifen, bedarf es der Großen Reichweite.

  • Spaltung erlaubt es, eine Trefferform auf zwei Formen aufzuteilen, die auf dem gleichen Zombie eingezeichnet werden müssen.

  • Für etwas Risiko sorgt Adrenalin. Für einen eigenen Schaden darf die Waffe ein zweites Mal eingezeichnet werden.

  • Ebenfalls eine zweite Waffenauslösung verursacht Schnelles Nachladen. Hier nimmt man aber keinen Schaden, sondern streicht eine Munition durch.

  • Und beim Kritischen Treffer wird die Form ein zweites Mal eingezeichnet, wenn ein Sternchenfeld ausgemalt wird. Der zweite Treffer muss aber auf einen anderen Zombie im eigenen Bereich eingezeichnet werden.

  • Hat eine Waffe die Eigenschaft Blutbad, wird die Form auf einen Zombie in jedem der drei Straßenfelder eingezeichnet und (falls möglich) auch auf dem Boss.

  • Das Gegenstück dazu bildet Sprengstoff. Hier erleiden alle Zombies auf einem Straßenfeld Schaden und (wenn möglich) zusätzlich der Boss.

  • Raserei ist etwas einzigartiger. Charaktere mit Raserei haben dafür eine eigene Leiste deren Felder bei jeder Auslösung nach und nach abgezeichnet werden. Man erhält dann alle Belohnungen auf den zu diesem Zeitpunkt abgezeichneten Feldern der Leiste.

In den auszumalenden Formen der Zombies finden sich auch drei verschiedene Symbole wieder, die Effekte beim Übermalen auslösen. Ein Schild versorgt den Überlebenden mit Rüstung, die im Spielverlauf einen Schaden verhindern kann. Das Patronensymbol ist Munition, die optional genutzt werden kann, um in seinem Zug zusätzliche Einzelfelder auf den Zombiekarten durchzustreichen.

Wurden alle Formen eingezeichnet und Effekte abgearbeitet, wird überprüft, ob Zombies im eigenen Spielbereich getötet wurden. Für jeden getöteten Zombie darf man eine Verbesserung bei einer eigenen Waffe freischalten und diese dadurch mit neuen Effekten ausstatten. Sind alle Verbesserungen bearbeitet, wandert der Blick wieder auf die aufgedeckte Zugkarte. Im gelben Bereich der Karte ist das Symbol für die Zombiebewegung. Alle Zombies mit korrespondierendem Symbol wandern ein Straßenfeld in den Spielbereichen der Überlebenden weiter. Liegt ein Zombie bereits am untersten der drei Straßenfelder, greift er an und verursacht so viel Schaden, wie es noch Sternsymbole auf seiner Karte gibt. Ist nach den Angriffen niemand gestorben, geht es weiter mit der Brut- beziehungsweise ab Runde 2 mit der Bossphase. Ab dem dritten Zug in beiden Runden wird die vorderste der sieben Brut- oder Boss-Karten aufgedeckt. Bei den Brut-Karten wird anhand der Bruthilfskarte ermittelt, wie viele Zombies neu hinzukommen.

Die zehn verschiedenen Rundenkarten
Die zehn verschiedenen Rundenkarten

Welche Bruthilfskarte verwendet wird, hängt von der Anzahl der Mitspielenden und des Schwierigkeitsgrades ab. Wurden die neuen Zombies zunächst in der Mitte ausgelegt, entscheiden nun alle gemeinsam, in welche Spielbereiche die Zombies gelegt werden. Dabei müssen die Untoten nicht gleichmäßig auf alle aufgeteilt werden. Es könnte also auch ein Charakter alle Neulinge in seinen obersten Straßenbereich legen. Es gibt keine Begrenzung wie viele Zombies eine Person maximal haben kann. In der zweiten der beiden Runden werden statt den Brutkarten die Karten der Bosse verwendet. Diese haben vier mögliche Symbole. Hier kann es sein, dass Sonderfertigkeiten der einzelnen Bosse aktiviert werden, dass neue Brut erscheint, oder dass der Boss einfachen (nur gelbe Sterne) oder schweren Schaden (gelbe und blaue Sterne) austeilt. Am Ende der Bossphase wandert der Boss in den Spielbereich des nächsten Charakters im Uhrzeigersinn. Der Boss kann nur von der Person angegriffen werden, die ihn im eigenen Spielbereich hat.

Welcher Boss darf es sein? Rot ist die schwierige Seite.
Welcher Boss darf es sein? Rot ist die schwierige Seite.

Dieser leicht verinnerlichte und gut abgestimmte Ablauf wiederholt sich insgesamt 18 Mal. Das Spiel wird gewonnen, wenn der Boss besiegt wurde. Sollte ein Charakter getötet werden oder der letzte Zug der zweiten Runde verstreichen und der Boss lebt noch, verlieren die Spielenden.

Solo-Modus

Für den Solo-Modus gibt es die Charaktere als Begleiter.
Für den Solo-Modus gibt es die Charaktere als Begleiter.

Es gibt auch einen Solo-Modus, der im Zuge dieses Tests gespielt wurde. Als zusätzliche Vorbereitung dreht man den Charakterbogen des gewählten Überlebenden auf die Solo-Seite und nimmt sich drei Begleiterkarten, die die anderen spielbaren Charaktere repräsentieren. Alle Begleiter haben eine einzelne Trefferform und einen Waffeneffekt. Dieser wird angewandt, wenn auf der Zugkarte das Smiley-Symbol zu sehen ist, welche in einer Partie mit mehreren Spielenden keinen Effekt hat. Jeder der drei gewählten Begleiter darf nur einmal pro Runde aktiviert werden. Nach dem Rundenwechsel dürfen alle wieder spielbereit gemacht werden.

Außer diesen Änderungen bleibt der restliche Spielverlauf identisch und funktioniert ebenso flüssig wie das Mehrpersonen-Spiel.

Ausstattung

Zombicide: Feuer frei kommt mit qualitativ hochwertigem und gut designtem Material daher. Alle Karten sind mit den sechs beiliegenden Stiften beschreibbar und auch die Tableaus für Überlebende und Bosse bilden hier keine Ausnahme. Durch die dann abwischbare Beschichtung lassen sich vor allem die Zombiekarten hervorragend Mischen, ein Effekt, den man sonst nur bei gesleevten Karten kennt. Das Abwischen funktioniert mit den Schwämmchen auf den Stiftkappen ebenfalls sehr gut und ein grober Abnutzungseffekt ist aktuell nicht erkennbar.

Die Ikonografie des Spiels ist effizient simpel und die für die einzelnen Charaktere relevanten Fähigkeitssymbole der Waffen werden auf dem Charakterbogen beschrieben. Die Charakterbögen sind insgesamt sehr übersichtlich und auch Neulinge finden sich geschwind zurecht.

Das Insert lässt keine Wünsche übrig.
Das Insert lässt keine Wünsche übrig.

Dank der Übersichtskarte für den Anführer und die Bruthilfskarten ist die Skalierung des Schwierigkeitsgrades sehr einfach und fühlt sich natürlich an. Während es durch sechs verschiedene Bosse hier genügend Varianz gibt, fühlt es sich bei den Zombies mit je vier normalen und vier besonderen Varianten etwas dünn an. Aber auch das Mutterspiel glänzt hier ja eher weniger mit Auswahl.

Einen kleinen Wermutstropfen bildet das Regelheft, welches einen sehr spielrelevanten Fehler in der ersten Auflage enthält. Asmodee ist hiermit aber sehr offensiv umgegangen und hat noch vor der Auslieferung Abhilfe geschaffen. Dieser Fehler wäre ohne Aufklärung auch spielentscheidend gewesen. Denn in der Anleitung stand, das nur Zombies in der untersten Straßenebene angegriffen werden dürfen. Dies ist jedoch falsch und wurde auf die richtige Formulierung, dass man in jedem eigenen Straßenfeld angreifen darf, angepasst. Abseits dieses Fehlers ist das Regelheft sehr gut verständlich.

Das Inlay des Spiels ist für den Gebrauch perfekt und alles findet sofort seinen Platz ohne zu verrutschen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee / CMON
  • Autor*in(nen): Jordy Adan, Marco Portugal
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 20 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Asmodee-Webseite gibt es neben dem korrigierten Regelwerk auch einen Errungenschaftsbogen, der einlädt, verschiedene optionale Ziele in einem Spieldurchlauf zu erfüllen. Das Erfüllen der Errungenschaften ist rein kosmetisch.

Fazit

Hut ab, so muss ein Spin-Off sein. Ich war hoch skeptisch, ob ein Flip-and-Write den Charme des Trash-Gemetzels des Miniaturenkloppers einfangen kann. Und Zombicide: Feuer frei löst das bravourös. Selbst Nicht-Spielenden ist das Spiel in maximal zehn Minuten erklärt und man kann losspielen. Symbole sind entweder logisch selbsterklärend oder man findet die Beschreibung auf dem eigenen Charaktertableau. Das Spiel hat quasi keine existente Downtime, da alle gleichzeitig zeichnen dürfen, sich unterstützen und miteinander Pläne schmieden können. Und generell ist der Ablauf mit das Flüssigste, was ich bislang in dieser Mechanik spielen konnte. Zombicide: Feuer frei wird keine Preise für das komplexeste, genre-neu-definierende Kennerspiel des Jahrzehnts gewinnen. Aber das will es auch gar nicht. Es bringt mit einer ganz anderen Mechanik und stark reduziertem, aber hochwertigem Material das Zombicide-Gefühl perfekt auf den Tisch. Und das reicht an dieser Stelle aus, damit es fünf von fünf Zombifanten in der Wertung erhält.

 

  • Schnell erklärt, gelernt, gespielt

  • Sehr flüssiges Spielen

  • Bringt das Zombicide-Flair perfekt rüber

 

  • Fehlerhaftes Regelheft

  • Für manche möglicherweise zu simpel

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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