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Die Erde ist tot. Lang lebe Planet B. In dem vor Sarkasmus und schwarzem Humor triefenden Spielgeschehen des Hans im Glück Verlags, geht es ums Planen. Genauer gesagt, um die effiziente Bewirtschaftung der eigenen Tasche. Die nächste Wahl zur Präsidentschaft kommt bestimmt und Planet B kann man später noch retten.

Planet B breitet sich auf dem Tisch aus.
Planet B breitet sich auf dem Tisch aus.

Die diesjährige Klimakonferenz COP27 endete am 18. November und Schlagzeilen wie „Der 27. Versuch die Welt zu retten“ (Tagesschau) oder „Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander“ (FAZ) zeugen nicht gerade von einer erfolgversprechenden und zukunftsweisenden Konferenz. Damit sind wir mitten in dem Thema des neuen Spiels Planet B vom Hans im Glück Verlag angekommen. Die Menschheit hat die gute alte Erde nieder gewirtschaftet. Mit viel Elan, Enthusiasmus und Forschergeist hat man einen neuen Planeten für die übrige Menschheit gefunden. Allerdings macht man dort weiter, wo man auf dem verwaisten blauen Planeten aufgehört hat. Die Spielenden schlüpfen in die Rolle von habgierigen Politiker*innen und bemühen, sich die Wahl zur Präsidentin (tatsächlich die weibliche Form!) zu gewinnen. Die Erhaltung der neuen Heimat steht im Hintergrund. Von grünen Blättern auf den Bäumen konnte sich schließlich noch niemand eine neue Yacht kaufen.

Spielablauf

In dem kompetitiven Eurogame versuchen bis zu vier Spielende, möglichst viel Geld in Form von Siegpunkten in die eigene Tasche zu wirtschaften. Wie üblich, entscheidet die Person mit den meisten Punkten am Ende das Spiel für sich.

Es gibt drei zentrale Spielelemente und eine ganze Reihe von Aktionsmöglichkeiten, die geschickt kombiniert zu einer langen Reihe von aufeinander aufbauenden Kettenreaktionen führen können. Dieser Engine-Building-Mechanismus ist das eigentliche Herzstück des Spieles.

Auf dem Hauptspielbrett befinden sich drei Konzernplättchen, von denen jedes unterschiedliche Aktionen anbietet. Im eigenen Zug entscheidet man zuerst, welches Plättchen und damit welche der abgebildeten Aktionen man ausführen möchte. Die Auswahl wird durch einen kleinen Koffer-Spielstein aus einem gemeinsamen Vorrat kenntlich gemacht.

Die Fraktionsleisten schalten sofort Boni frei.
Die Fraktionsleisten schalten sofort Boni frei.

Oberhalb des Spielbrettes befindet sich die Fraktionsleiste, auf der sich unterschiedliche Boni freischalten lassen – ähnlich der Unternehmensleiste bei Skymines. Es gibt drei unterschiedliche Fraktionen, die allesamt einen anderen Schwerpunkt haben. Verwendet man einen der Boni, um etwa vier Worker-Meeple oder 18 Siegpunkt zu erhalten, wird man auf der entsprechenden Leiste wieder auf den Start gesetzt.

Mittels des persönlichen Tableaus verwaltet man die eigenen Rohstoffe, das Stimmungsbarometer und die Gebäude, die man aus den eigenen Handkarten baut. Letztere werden durch die Konzernaktion ausgespielt. Im weiteren Ablauf lassen sich die Gebäude aktivieren und lösen dabei weitere Aktionen aus. Sie generieren Siegpunkte, gewähren das Voranschreiten auf der Fraktionsleiste oder beeinflussen das Stimmungsbarometer positiv. Die Gebäude haben dabei so klangvolle Namen wie Spielzeugfabrik, Versuchsreaktor, Organ-Farm oder Brettspielverlag. Der Brettspielverlag bietet etwa eine Aktion Carcassonne Neuauflage an. Damit schnellt nicht nur das Stimmungsbarometer in die Höhe, sondern es winkt noch eine Auszahlung von satten 30 Siegpunkten.

Das eigene Tableau möchte ausreichend bespielt werden.
Das eigene Tableau möchte ausreichend bespielt werden.

Jede Runde beginnt mit der Koffer-Entscheidung – also der Auswahl des Konzernplättchens. Sind vier Koffer (bei weniger als vier Spielenden sind es drei Koffer) neben einem Plättchen abgelegt worden, wird dies auf die rote Seite gedreht beziehungsweise bei der zweiten Drehung gegen einen neuen Konzern aus einem Nachziehstapel ersetzt. Wird das letzte Plättchen ausgelegt, endet nach dieser abschließenden Runde das Spiel.

Auf den weißen Konzernseiten gibt es immer drei, auf den roten Seiten vier Aktion, aber um diese nutzen zu können, muss man dafür das Stimmungsbarometer senken. Mit der Konzernauswahl darf man stets alle dort abgedruckten Aktionen einmal in beliebiger Reihenfolge nutzen. Zu den Standard-Aktionen gehören:

  1. Rohstoffe einnehmen

  2. Gebäude bauen – Auslegen einer der Handkarten

  3. Neue Arbeiter*innen nehmen oder diese auf die Gebäude verteilen

  4. Auf einer beliebigen Fraktionsleiste vorangehen und gegebenenfalls den Bonus mitnehmen

  5. Eine News nehmen, was weitere Aktionen erlaubt oder einen Einmalbonus gibt

  6. Den Wahlbeutel mit eigenen Stimmzetteln füllen

Die Konzernplättchen mit den dazugehörigen Aktionen.
Die Konzernplättchen mit den dazugehörigen Aktionen.

Durch die Wahl des Konzerns wird ein breites Feuerwerk an Aktionen losgetreten, die teilweise wiederum neue Aktionen erlauben. Diese Kombinationsmöglichkeiten können durchaus einiges an Spielzeit in Anspruch nehmen. Dies ist einer der größten Kritikpunkte an dem Spiel. Gerade im Spiel zu viert bleibt genügend Zeit für eine Folge der neusten Star Wars Serie. Leider ist die Interaktion zwischen den Aktionen der Spielenden dabei so gering, dass es nicht mal wichtig ist, was die Person vor einem selbst gemacht hat. Das Koffer-Setzen ist dabei auch kein Area-Control-Element, sondern dient vielmehr dazu, das Ende des Spiels einzuleiten.

Wer sich wohl hinter dem Gebäude Brettspiel-Verlag verbirgt?
Wer sich wohl hinter dem Gebäude Brettspiel-Verlag verbirgt?

Würde man das Spiel in Phasen aufteilen, gäbe es die Aktionsphasen der Spielenden und im Anschluss die Wahl. Wann immer ein Konzernplättchen gedreht oder getauscht wird, wird auf dem Haupttableau eine Wahlleiste um zwei Felder bewegt. Nach dem fünften Feld findet die Wahl statt. Vor der Wahl wird das eigene Stimmungsbarometer zu Rate gezogen. Ist der Wert im positiven Bereich können weitere Stimmzettel in den Wahlbeutel abgelegt werden. Nun wird der Beutel herumgereicht, der durch weitere Aktionen im Vorfeld hoffentlich mit ausreichend eigenen Stimmzettel gefüllt wurde. Alle ziehen reihum drei Stimmzettel heraus, bis der Beutel leer ist.

Eine neue Regierung hat sich auf dem Planet B gebildet.
Eine neue Regierung hat sich auf dem Planet B gebildet.

Am Ende wird geschaut, wer die meisten eigenen Stimmzettel vor sich liegen hat. Absteigend werden nun die Ämter der Präsidentin, des Vize, des L.A.M.A. (Leading Authority of Mischievous Actions / Führende Behörde für böswillige Handlungen) und des D.O.D.O. (Director of Diminutive Orders / Direktor für Kleinstaufträge) vergeben. Jeder Posten bringt wieder eigene Aktionen und bei den beiden vorderen Ränge eine dicke Einmalbelohnung in Form von Siegpunkten mit. Die Stimmzettel der Präsidentin kommen übrigens nicht zurück in den Beutel, die des D.O.D.O. werden von allen Spielenden wieder zurückgelegt. Dadurch steigt die Chance, in der nächsten Wahlperiode eine neue Präsidentin zu bekommen: gut gelöster Aufholmechanismus.

Am Ende wird so einiges zusammengerechnet und ausgewertet bis feststeht, wer gewonnen hat.
Am Ende wird so einiges zusammengerechnet und ausgewertet bis feststeht, wer gewonnen hat.

Am Ende des Spiels werden alle Vorräte zum aktuellen Marktwert verkauft, Geld wird im Verhältnis drei zu eins gegen Siegpunkte getauscht. Außerdem wird die Position auf den Fraktionsleisten und dem Stimmungsbarometer mit Punkten belohnt. Die Präsidentin erhält auch in der Endabrechnung einen Bonus, wie auch die beiden Spielenden mit den meisten Stimmzetteln im Beutel. Das alles und die bereits eingenommen Siegpunkte werden zusammengerechnet.

Ausstattung

Auf der Zelluloid-Verpackung fällt als erstes ein Komplexitäts-Barometer ins Auge. Hans im Glück stuft das Spiel als schwer ein. Im Vergleich zu den verlagseigenen Produkten wie Carcassonne oder Paleo ist das sicherlich richtig. Orientiert man sich dabei aber an der etwas geläufigeren Einteilung, die beispielsweise auch von Pegasus Spiele Anwendung findet und in Familie, Kenner und Experte unterscheidet, fällt es schon schwerer, Planet B auf Grund des Aufklebers richtig einzuordnen.

Schwer ist immer relativ. Auf jeden Fall ein Spiel für Vielspielende.
Schwer ist immer relativ. Auf jeden Fall ein Spiel für Vielspielende.

Unterm Strich ist es recht leicht zu erlernen. Im Selbstversuch mit Vielspielenden gelang es sogar, in dem ersten eigenen Zug trotz der engen Verzahnungen alle Regeln zu erläutern. In Pegasus Spiele-Kategorien wäre es eher ein Spiel für Kenner*innen.

Das Spielbrett und insbesondere die Double-Layer-Tableaus sind hochwertig gearbeitet. Gleiches gilt für die Spielsteine und die Karten. Etwas gewöhnungsbedürftig waren die „echten“ Geldscheine (auf die Rückseite gedreht als Siegpunkte zu verwenden). Der leichte Monopoly-Charme und das ständige Umtauschen bei der Bank haben ein paar nostalgische Kindheitserinnerungen hervorgerufen. Tatsächlich kam es in den Spielrunden gut an, statt mit Metall- oder Pokerchips mal wieder „echtes“ Geld in der Hand zu halten.

Eine Auswahl an unterschiedlichen Karten.
Eine Auswahl an unterschiedlichen Karten.

Das ganze Spiel vom Regelheft über die Karten bis hin zu den Spielflächen lädt zum Entdecken ein. Es wimmelt von Gummienten, Dodos, Lamas und anderen Anspielungen. Der Humor auf den Karten muss einem wahrscheinlich liegen. Dem Autor dieser Zeilen geht bei der Lamasagne das Herz auf, da dort ein Logo prangt, dass dem einer bekannten Eismarke nicht unähnlich ist. Es gibt aber noch viele weitere Karten zu entdecken, wie beispielsweise die Spielzeugfabrik und die dazugehörige Blonde Puppen-Aktion oder den dicken Mittelfinger als Anti-Alles Demo. Großartig.

Das Spiel und die Kartentitel sind in deutscher Sprache und daher nicht sprachneutral. Die Symbolik ist stringent umgesetzt und nach einer Eingewöhnung gut zu verstehen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hans im Glück

  • Autor*in(nen): Johannes Natterer

  • Erscheinungsjahr: 2022

  • Sprache: Deutsch

  • Spieldauer: 30 bis 45 Minuten pro Person

  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4

  • Alter: ab 14 Jahren

  • Preis: ca. 60 EUR

  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Verlagsseite lassen sich über die Shopseite zu dem Spiel die deutschen und englischen Regeln herunterladen. Auf Boardgamegeek gibt es eine Regelzusammenfassung (2 Seiten) zum Download, die zum Nachschlagen ganz hilfreich sein kann.

Fazit

Das Spielmaterial
Das Spielmaterial ist hochwertig

Die Materialien sind hochwertig, das sarkastisches Thema über Machthunger und den Umgang mit dem Ersatzplaneten B ist durchweg mit einer guten Portion Humors umgesetzt.

Bei Planet B handelt es sich um ein klassisches Eurogame. Das Spiel ist Mechanik-verliebt, aber diese tragen das Thema leider nur bedingt. Je nach persönlichen Vorlieben ist es von Vorteil, dass kaum Glückselemente vorhanden sind.

Trotzdem leidet das Spiel an der mangelnden Interaktion. Ein vorausschauendes Planen ist insbesondere bei vier Spielenden nur bedingt möglich. Erst im eigenen Zug lässt sich wirklich eine Taktik festlegen. Dies und der Engine-Mechanismus führen zu sehr langen Downtimes. Da die Züge der anderen auch kaum einen direkten Einfluss auf die eigene Planung haben, sinkt die Konzentration währenddessen enorm.

Der Spielplan strotzt vor Aktionsmöglichkeiten.
Der Spielplan strotzt vor Aktionsmöglichkeiten.

Die eigenen Züge hingegen fühlen sich sehr belohnend an. Meist kann man ein Feuerwerk an Ereignissen lostreten. Je mehr Partien man spielt, desto vielfältigere und verschachteltere Kombinationen lassen sich herausfinden.

Bis auf die Downtime macht das Spiel nichts so richtig falsch. Trotzdem will es Planet B nicht gelingen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wahrscheinlich wird es gegenüber der Konkurrenz im Brettspielregal eher selten auf dem Tisch landen, da es vor allem für mehrere Spielende zu langatmig wird.

Eigentlich passt alles.
Eigentlich passt alles.

Im Anbetracht des Preises wird das Spiel vor allem Eurogame-Fans anziehen und Personen, die eine Prise Humor in anderen Produkten schmerzlich vermissen. Wer gerne zu zweit spielt und gute anderthalb Stunden mit einem Spiel auf Kenner*innen-Niveau verbringen möchte, kann der Bewertung definitiv einen Punkt dazu addieren!

 

 

  • Humoristisches Thema und Texte
  • Schönes Material und stimmiges Artwork
  • Belohnendes Engine-Building
 

  • Recht hohe Downtime
  • Wenig Interaktion

 

Artikelbilder: © Hans im Glück
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Horst Brückner
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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