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Alien – Blutlinien ist das erste Alien-Comic nach dem Marvel-Neustart. Die Ausgangslage ist klassisch: Aliens, eine Raumstation, ein skrupelloser Konzern und mittendrin Leute, die ums Überleben kämpfen. Kann der Band von Panini mit diesen Zutaten die Qualität des Films Alien erreichen… oder reicht es nur für Alien 3?

2009 Marvel, 2012 Star Wars, 2019 21st Century Fox: Der Disney-Konzern kaufte eines nach dem anderen auf. Im letzten Fall gewann Disney von 21st Century Fox unter anderem auch die Rechte an den beiden Kultreihen Alien und Predator. Zu beiden gab es jenseits der Filme zahlreiche Spin-Offs, vor allem als Comics. Was lag also näher, als die Comic-Lizenz der beiden Franchises an den eigenen Comic-Verlag Marvel zu geben? Das erste Produkt aus diesem Neustart der Alien-Comicreihe liegt mit Alien – Blutlinien von Panini jetzt vor. Nun wird sich zeigen, ob es an die Erfolge der alten Alien-Comics anknüpfen kann … oder eher an die Fehlschläge.

Übrigens: Es ist noch nicht klar, wie Marvel und Disney mit der alten Alien-Fiktion umgehen werden. Als Marvel aufgekauft wurde, liefen die Geschichten ungestört weiter, Star Wars andererseits wurde neugestartet und alle Ableger außer den Filmen für ungültig erklärt. Wie Disney mit Alien und Predator umgeht, wird sich noch zeigen.

Handlung

Alien – Blutlinien spielt im Jahr 2200, 21 Jahre nach den Ereignissen der Filme Aliens – Die Rückkehr und Alien 3. Abgesehen von grundlegenden Aspekten des Alien-Universums, wie natürlich den „Xenomorph“ genannten Aliens oder dem machtgierigen Weyland-Yutani-Konzern, erzählt Alien – Blutlinien aber eine komplett eigenständige Geschichte.

Gabriel Cruz hat als Sicherheitschef über 20 Jahre für Weyland-Yutani gearbeitet, ein harter, anspruchsvoller Job, der sich negativ auf die Beziehung zu seinem Sohn Danny auswirkte. Nun will Gabriel endlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen und sich mit seinem Sohn aussöhnen. Auf der Epsilon-Station, einem Weyland-Yutani-Labor im Erdorbit, kommt es jedoch zu einem Zwischenfall und Gabriel ist der einzige mit genug Erfahrung, um vielleicht eine Katastrophe zu verhindern.

© Panini Comics

Die Geschichte von Alien – Blutlinien hält sich an altbewährte Grundlagen des Franchise und zahlreicher Alien-Comics. Weyland-Yutani ist ein skrupelloser Konzern, der mit den „Xenomorph“-Aliens als biologische Waffen experimentieren will, bis etwas schiefgeht. Dann muss eine mehr oder weniger erfahrene Truppe versuchen, in den von Aliens überrannten Laboren, Raumstationen und wo immer sonst der Konzern Gott spielt, das Schlimmste zu verhindern.

Für Leser*innen ohne vorherige Alien-Comic Erfahrung ist das ein grundsätzlich spannender und unterhaltender Ansatz. Diejenigen, die schon einige der alten Aliens-Comics von Dark Horse kennen, werden sich dafür interessieren, wie sich Alien – Blutlinien von den älteren Comics absetzt. Das große Alleinstellungsmerkmal ist, dass die Geschichte aus der Sicht von Weyland-Yutani Angestellten erzählt wird. Sonst waren die „W-Y“-Mitarbeiter*innen üblicherweise die Schurk*innen und die Colonial Marines, eine Elitetruppe aus Aliens – Die Rückkehr, dienten meistens als Protagonist*innen. Der Perspektivwechsel ist in Grundzügen interessant, allzu viel darf man hier aber nicht erwarten. Alien – Blutlinien erzählt nun mal eine Action-Geschichte. Diese ist solide unterhaltsam, aber keine Revolution.

Charaktere

Der Hauptcharakter ist Gabriel Cruz. Der langjährige Weyland-Yutani Veteran und Sicherheitschef ist kein übermäßig komplexer Charakter, verfügt aber über für die Geschichte passende Eigenschaften. Zum einen haben die Jahre im paramilitärischen Sicherheitsdienst mental an ihm gezehrt und er ist bei einem Psychiater-Androiden in Behandlung. Zum anderen prägt ihn die Beziehung mit seinem Sohn Danny. Nach vielen Jahren, in denen Gabriel wegen der Arbeit keine Zeit für Danny hatte, sieht er die Rente als Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Wie gesagt, kein allzu tiefer Charakter. In der Geschichte funktioniert er aber gut, um der actionreichen Haupthandlung ein wenig Tiefe zu verleihen.

Gabriels Sohn Danny fühlt sich nicht nur von seinem Vater vernachlässigt. Er macht Weyland-Yutani für das Verhalten seines Vaters verantwortlich und trat mit seiner Freundin Iris einer Anti-Konzern-Bewegung bei. Das ist natürlich Zündstoff für den Konflikt mit seinem Vater, dem langjährigen und überzeugten Weyland-Yutani Angestellten.

© Panini Comics

Ein interessanter Nebencharakter ist Bishop, Gabriels Androiden-Psychiater. Er ist aus derselben Baureihe wie der Bishop-Androide aus Aliens – Die Rückkehr. Obwohl er eine andere Figur ist, sieht er aus wie der Bishop aus dem Film und teilt auch dessen moralische Qualitäten. Auch dieser Bishop liefert eine nichtmenschliche Sicht auf die Konfrontation von Mensch und Alien.

Zeichenstil

Salvadore Larroca bebildert Alien – Blutlinien und hinterlässt leider einen gespaltenen Eindruck. Panelnutzung, Perspektiven, Komposition, Farben sind alle technisch gut ausgeführt und sind sehr gut darin, Szenen passend darzustellen. Leider wirken Figuren und Objekte oft wie abgemalt. Die Gesichter sind im Positiven sehr markant und realistisch, im Negativen wirken sie aber wie von Fotos abgezeichnet. Offensichtlich hat Larroca für Gabriel Cruz sogar sein eigenes Gesicht verwendet. Körper, Objekte und Räume weisen den typischen Look davon auf, wenn Zeichner*innen erst mit 3-D-Computerprogrammen ihre Bilder modellieren und diese dann abpausen oder übermalen. Grundsätzlich ist das natürlich eine völlig legitime Zeichenmethode. Zu viel 3D-Modellierung erzeugt aber oft einen sehr technischen, steifen Eindruck. Leider auch hier: viele Posen sehen seltsam steif und ungelenk aus. Abgesehen von diesem Malus ist die zeichnerische Arbeit gut.

Erscheinungsbild

Alien – Blutlinien ist wieder mal in typischer Panini-Softcover Qualität produziert. Der Einband ist angemessen fest, das Papier fühlt sich angenehm an, die Verarbeitung ist insgesamt hochwertig, alles ist gut zu erkennen und zu lesen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in(nen): Phillip Kennedy Johnson
  • Zeichner*in(nen): Salvador Larroca
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 20 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Grob gesprochen unterteilen sich Alien-Spinoffs in zwei Kategorien. Die einen orientieren sich am ursprünglichen Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt: Horror, in dem sich fast wehrlose Menschen vor einzelnen, übermächtigen Aliens verstecken und fliehen, wie das Videospiel Alien Isolation. Die anderen orientieren sich an Aliens – Die Rückkehr: Action-Horror über eine Truppe schwerbewaffneter Elitesoldaten, die nach und nach von hinterhältigen und nie endenden Alienschwärmen aufgerieben wird, wie das Videospiel Aliens: Fireteam Elite.

Der Großteil der alten Aliens-Comics aus dem Dark Horse-Verlag folgte dem zweiten Konzept, und nun auch Alien – Blutlinien. Dafür, dass Alien – Blutlinien das erste Alien-Comic des neuen Verlags ist, ist es fast überraschend orthodox. Vielbelesenen Alien-Fans sollte die Handlung bekannt vorkommen, große Überraschungen gibt es hier nicht und auch ein grundsätzlich sympathischer Weyland-Yutani Mitarbeiter als Protagonist verändert am Gesamtergebnis nicht viel.

Alien – Blutlinien bietet keine großen Neuerungen. Für Alien-Fans, die Geschichten in der Manier von Aliens – Die Rückkehr mögen, gibt es hier ein solides Comic in der Art, die sie mögen. Leser*innen ohne Vorerfahrung finden hier ebenso ein solides Stück Unterhaltung zu einem angemessenen Preis. Für Alien-Fans, die mehr wollen als die übliche Colonial Marines-Action eignet sich Alien – Blutlinien leider nicht. Alien – Blutlinien ist einfach nur solide Unterhaltung, begeistern kann es aber nicht.

  • Solide Erzählung
 

  • Wenig Innovativ
  • Steife Zeichnungen

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Maximilian Düngen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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