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Das Finale von Game of Thrones als enttäuschend zu bezeichnen, wäre noch zu viel des Guten. Nun kommt eine Spin-Off-Serie: Ohne D.B. Weiss und Dan Benioff, dafür wieder mit George R. R. Martin. Kann House of the Dragon überzeugen?

Spätestens mit dem Aufbrauchen des Buchmaterials hatte Game of Thrones in seiner 6. Staffel seinen Zenit überschritten, für viele waren die letzten beiden Staffeln kaum mehr auszuhalten. Mit House of the Dragon kommt nun ein Prequel, das knapp zwei Jahrhunderte vor unserem ersten Besuch in Westeros spielt. Das Buch, welches als Quellenmaterial dient – Fire & Blood – ist vollständig geschrieben. Mit George R.R. Martin als fester Teil des Schreibteams besteht diesmal nicht das Risiko, dass den Produzent*innen mitten in der Serie das Material ausgeht und sie sich an veralteten Notizen orientieren müssen.

Die Serie kann wieder mit den Stärken spielen, die uns alle ursprünglich in das große Universum des Lieds von Eis und Feuer gezogen hatten. Martin schreibt mit großer Liebe zum Detail verzwickte Großfamilien und ihre Intrigen: sowohl untereinander als auch gegen andere Adelsgeschlechter. Er bettet das in eine bunte, abwechslungsreich gestaltete Low-Fantasy-Welt (House of the Dragon ist dabei weniger Low-Fantasy als Game of Thrones, denn es gibt mehr Drachen). Wir haben es somit erneut mit einer Soap-Opera zu tun, die sich vor einem fantastischen Hintergrund abspielt.

Story

Gleich vorab: Diese Review wird innerhalb des Story-Teils Spoiler enthalten. Einerseits Spoiler für Game of Thrones, andererseits Spoiler für den wahrscheinlichen Verlauf der Show. Denn während bei Game of Thrones ab Staffel 6 nur noch Reddit wusste, wer am Ende den Eisernen Thron besteigen wird, und wer den (extra für die Serie geschriebenen) Nachtkönig tötet, kennen wir diesmal zumindest die groben Verläufe von House of the Dragon auch ohne das Buch gelesen zu haben.

Wer also absolut spoilerfrei schauen möchte, überspringt die nächsten Absätze und liest direkt bei den Darsteller*innen weiter. Dann gilt es sich nur zu merken: Noch sitzen die Targaryens auf dem Thron in Westeros, noch haben sie Drachen, und zu Beginn der Show hat König Viserys der Erste (Paddy Considine) noch keinen Erben.

Wie die Geschichte beginnt

Die Show startet mit einem langsamen Setup für den Dance of Dragons, einem Targaryen-internen aber Westeros-weiten Bürgerkrieg, an dessen Ende (nahezu) alle Drachen und sehr viele unserer Protagonist*innen tot sein werden. In der ersten Folge, die wie ein Prolog geschrieben ist, und sich auch so anfühlt, werden uns die Hauptfiguren vorgestellt: König Viserys, ein halbwegs fähiger Herrscher sitzt im friedlichen Westeros seit neun Jahren auf dem Thron. Zuvor gab es eine größtenteils friedliche Nachfolgestreitigkeit, in der er sich gegen seine Nichte Rhaenys (Eve Best) – „The Queen who never was“ – durchsetzen konnte, vor allem, weil er keine Frau war. Seine Tochter, Rhaenyra (Milly Alcock, in späteren Folgen dann Emma D’Arcy) träumt vom Leben als Ritterin, und rebelliert in einer ähnlichen Art und Weise gegen die patriarchale Ordnung des Hoflebens, wie es 200 Jahre später Arya Stark tun wird. Viserys jüngerer Bruder Daemon (Matt Smith) hat die eher düstere, wahnsinnige und vor allem hitzköpfige Seite der Targaryens geerbt und möchte am liebsten selbst den Thron besteigen. Otto Hightower (Rhys Ifans), die „Hand des Königs“ möchte das allerdings verhindern, und strebt selbst nach mehr Macht, was er durch seine Tochter Alicent (Emily Carey, in späteren Folgen dann Olivia Cooke) erreichen will. Diese ist, zu Beginn der Show, die beste Freundin von Rhaenyra. Weitere wichtigen Rollen im kommenden Konflikt spielen zudem Ser Christon Cole (Fabien Frankel), Lord Corlys Velaryon (Steve Toussaint) und Daemons Gespielin Myaria (Sonoya Mizuno).

Während die Show nach und nach in häufig für Game of Thrones-Fans gewohnt brutalen und freizügigen Szenen ihre Hauptfiguren einführt, entfaltet sich der zugrundeliegende Plot, der den Dance of the Dragons in der Zukunft auslösen wird: Viserys ernennt seine Tochter Rhaenyra anstatt seines Bruder Daemon zur Prinzessin von Dragonstone und damit Kronprinzessin von Westeros.

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Darsteller*innen

Zumindest in der ersten Episode lässt sich nur Gutes über die Leistung der Darsteller*innen sagen. Gerade die eher unbekannte Milly Alcock kann in vielen Szenen ein breites Repertoire an Tiefgang zeigen, und muss sich eigentlich nur von Paddy Considine und Matt Smith überspielen lassen. Letzterer nimmt seine Paraderolle des charismatischen, arroganten Hitzkopfs ein, die er als Philip in The Crown eigentlich bereits perfektioniert hatte, und dreht den manischen Part daran auf 180. Matt Smith regiert jede Szene, in der er sich bewegt.

Inszenierung

House of the Dragon fühlt sich an, wie eine Episode der goldenen Game of Thrones-Ära (circa Staffel 2 bis 4). Die Musik, komponiert von Westworld- und Game of Thrones-Hauskomponist Ramin Djawadi schließt direkt an die Vorgängershow an, einige Motive wurden wiederverwertet und das Hauptmotiv spielt kurz zu Beginn und Ende der Episode. Den Showrunnern gelingt es, eine lebendige Fantasy-Welt zum Leben zu erwecken, was in allererster Linie dem Kostüm- und Setdesign zu verdanken ist, und nur in zweiter Linie den Visual Effects. Während Szenen in kleineren Sets exzellent funktionieren, ist der Greenscreen in einigen weiteren Shots durchaus zu bemerken, und vor allem die Drachen wirken in den zwei Szenen, in denen sie vorkommen, noch merkwürdig unfertig. Das Turnier, um das sich ein Großteil der Handlung der ersten Episode herumstaffiert, wirkt aber tausendmal besser, prachtvoller und schöner als das Turnier in der ersten Staffel von Game of Thrones.

Miguel Sapochnik, der Showrunner und Regisseur dieser Episode, war für einige der besten Folgen von „Late-Thrones“ verantwortlich, unter anderem für das sechsfach mit einem Emmy ausgezeichnete „Battle of the Bastards“. Er scheint ein grundlegend gutes Händchen für die Inszenierung komplexer Strukturen zu haben. So gelingt es ihm, die durchaus unübersichtliche Prämisse der Show verständlich und nachvollziehbar in einer einzigen Episode herunterzubrechen. Jetzt gilt es zu schauen, ob die Show einhalten kann, was sie verspricht.

Erzählstil

Wie gewohnt begleiten wir im Laufe der Episode verschiedene Charaktere in einer angenehm langsam inszenierten und aufgebauten, komplexen Geschichte. Da die Folge als Prolog fungiert, werden wir die Gesichter zweier Schauspielerinnen später vielleicht nur noch in Rückblenden sehen, aber das gilt es abzuwarten.

Auch House of the Dragon scheut nicht vor der teils extremen Darstellung von Sex und Gewalt zurück, für die Game of Thrones auch berühmt geworden ist. Kritisch muss dabei erwähnt bleiben, dass die Serie hier wohl auch einer ihrer schlechteren Traditionen treu bleibt: explizite Gewalt vor allem gegen Frauen zu zeigen, um damit vermeintlich einen Wandlungsprozess in Gang zu setzen. Während uns eingangs eine Kastration nur angedeutet wird

CW - körperliche Gewalt / Tötungsakt

– das schreiende Opfer steht mit dem nackten Rücken zur Kamera, im Folgeshot werden die abgeschnittenen Hoden kurz gezeigt; bleibt die Kamera sehr nahe dabei wenn  Königin Aemma mit einem Kaiserschnitt gegen vehementen Protest mehr oder weniger eindeutig ermordet wird, und sich dabei von ihrem Ehemann „I love you“ sagen lassen darf.

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Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Szene sehr bewusst geschrieben wurde, um möglicherweise auch einen kleinen Aufschrei zu generieren, aber ähnlich wie bei der Vergewaltigung Sansas in Game of Thrones ist es fraglich, ob zum einen die Kamera ausgerechnet hier so explizit draufhalten muss, und ob es zum anderen wirklich notwendig war, diese Szene exakt in dieser Art zu schreiben. Schon bei Sansa wurde diese erlebte Gewalt in späteren Episoden selbst als „Entwicklungsmoment“ dargestellt.

CW - Tötungsakt

 Es wäre nicht wirklich überraschend, sollte Rhaenyra in einer späteren Episode ihrem Vater vorwerfen, ihre Mutter ermordet zu haben, weil er unbedingt einen Sohn wollte.

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Schon bei Sansa war diese Art des Erzählens, die weibliches Leid instrumentalisiert, mehr als fragwürdig.

Gerade im Kontext der aktuellen politischen Debatte um Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung hinterlässt dies einen sehr unschönen Nachgeschmack.

Die harten Fakten:

  • Regie: Miguel Sapochnik
  • Darsteller*in(nen): Paddy Considine, Olivia Cooke, Emma D’Arcy, Matt Smith, Steve Toussaint, Eve Best, Rhys Ifans,
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch/Englisch, angeschaut wurde die erste Folge in Englisch
  • Format: Serie
  • Preis: im Abonnement enthalten
  • Bezugsquelle: Sky-Abonnement

 

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Fazit

House of the Dragon gibt einen soliden Ersteindruck, mit herausragendem Kostüm- und Szenenbild, erwartbar gutem Script und exzellenten schauspielerischen Leistungen ab, der nur ein wenig durch das eher mittelmäßige Visual Effects gemindert wird. Allerdings haben sich vielleicht auch erneut Stereotype eingeschlichen, die bereits bei Game of Thrones kritisch waren.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die gesamte erste Staffel macht, die erste Episode macht aber eindeutig Lust auf mehr.

Vorläufig und mit Vorbehalt

  • Kostüm- und Szenenbild, GoT-Nostalgie
  • Matt Smith als Daemon
  • Gutes Script
 

  • Greenscreens
  • Aus GoT bekannte Stereotype

 

Artikelbilder: © HBO / Warner Media
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

Über der*die Autor*in

Te Gold liest und schaut Phantastik, seit sie*r lesen und schauen kann. Das Medium ist dabei meist egal, in den letzten Jahren fokussiert allerdings häufig Pen-and-Paper und Serienformate. Studiert hat sie*r Philosophie.

 

1 Kommentar

  1. Herrgott nochmal, was soll den diese pseudoelitäre Attitüde in einem deutschsprachigen Magazin mit den englischen Namen und Bezeichnungen wichtig zu tun, wo es doch eine geeignete Übersetzung dazu bereits gibt, an der sich Sky sicherlich ebenso wie zuvor bei der „Mutterserie“ orientieren wird?
    Und wer jetzt wieder daherkommen mag mit „das ist das Echte, das einzig wahre“, dem werfe ich gerne nochmal Munich, Nuremberg, Charlemagne vor die Füße um aufzuzeigen, daß das in die jeweilige Muttersprache übersetzen etwas völlig natürliches ist.

    Dann frage ich mich auch, welche explizite Szene mit Sansa der/die/das Gastautorin bitte gesehen haben möchte; gerdade diese Szene fiel durch die Tat abseits der Kamera auf – etwas, mit dem es erneut gelang, die Zuschauer zu überraschen, weil es unerwartet war.

    Also bitte: künftig wieder etwas mehr bei dem bleiben, was war und nicht, was man gerne gesehen hätte, sei es zum Vergnügen oder um sich darüber zu echauffieren.

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