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Heitz, Hennen, Meyer – drei Namen, an denen niemand vorbeikommt, dessen Herz für Phantastik schlägt. Im Zuge des ersten Branchentreffens des Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN) fand am 21. April im Kölner Odysseum ein Gipfeltreffen der Phantastik-Größen statt. Teilnehmen durfte am Abend jeder, der wollte. Moderiert wurde die Lesung mit anschließender Diskussion von LovelyBooks-Redaktionsleiterin und ARD-Literaturexpertin Karla Paul; mit viel Ironie, Wortwitz und jeder Menge Situationskomik leitete sie die Gäste durch den Abend.

Für alles gibt’s ein erstes Mal­ ‒ Die Lesung

An Lesungen der Drei mangelt es nicht, was es bis dato jedoch noch nie gegeben hatte, war eine Lesung mit allen drei zusammen. Das „Gipfeltreffen“, wie es von den PAN-Gründerinnen genannt wurde, war also etwas ganz Besonderes. Den Impuls lieferte Kai Meyer, die Idee zu einer gemeinsamen Lesung kam ihm während einer Vorbesprechung des Branchentreffens und auch Hennen und Heitz waren begeistert.

Kai Meyer und Die Seiten der Welt

Kai Meyer
Kai Meyer

Gemäß dem Motto „Wer die Idee hat, darf auch anfangen“ eröffnete Kai Meyer den Leseabend. Aus Rücksicht auf seine Leser las er nicht aus seinem neuesten Buch, dem dritten Band von Die Seiten der Welt, sondern aus dem ersten Teil. Um eine umfassende Einleitungen in die Geschichte zu vermeiden, und um sich an die Vorgaben der Moderatorin zu halten, die Vorstellung der Bücher möglichst knapp zu halten, gab er das erste Kapitel seines Werkes zum Besten.

Meyer beschreibt Die Seiten der Welt selbst als Buch über Bücher. Es erzählt von der Magie, die jedem Buch innewohnt und ihrer daraus resultierenden Macht. Im Groben spielt die Geschichte in unserer heutigen Zeit und mit allem was wir heute kennen, jedoch mit einer Ausnahme: Es gibt Menschen, die die Magie der Bücher nutzen können, so genannte Bibliomanten. Genaueres ist in unserer Rezension nachzulesen.

Markus Heitz und Aera ‒ die Rückkehr der Götter

Während sich Kai Meyer an die Vorgaben hielt und seine Einführung kurzfasste, holte Markus Heitz bei der Vorstellung seines Romans Aera ‒ Die Rückkehr der Götter weiter aus. Die Geschichte spielt 2012, inspiriert durch Maja-Weltuntergangsszenarien. Doch anders als im Kino geht die Welt nicht durch Umweltkatastrophen zu Ende, sondern sie bekommt neue Bewohner. Die Götter kehren auf die Erde zurück ‒ alle. Knapp 3.000 Hindugötter, die Götter der Kelten, Griechen, Römer, jeder der irgendwann einmal angebetet wurde, mit Ausnahme des Christengotts, Allahs und Jahwe. Das Chaos ist groß und ausgerechnet der Protagonist ist eingefleischter Atheist. Begleitet wird er von einem unbekannten Kommentator, dessen Existenz sich immer schwieriger leugnen lässt. Heitz beschreibt seinen Roman als Krimi in einer phantastischer Welt und die Leseprobe verspricht gute Unterhaltung.

Bernhard Hennen und die Drachenelfen ‒ Himmel in Flammen

Anders als Heitz und Meyer, ließ Hennen das Publikum entscheiden, welche Stelle er vorlesen sollte. Zur Auswahl standen eine „richtig schmalzige Liebesgeschichte“ und eine „lustige, slapstickartige“ Passage. Das Publikum entschied sich, zum großen Bedauern von Markus und Kai, wie erwartet für die lustige Szene. Gelesen wurde aus Bernhards Roman Drachenelfen ‒ Himmel in Flammen, mit einer Stimme, die an eine Hörbuchvertonung erinnert. Das Buch ist der finale Band der Reihe und wird durch Intrigen, Liebe und die alles entscheidende Schlacht geleitet.

Von festen Freiern und der Bedeutung des Rollenspiels ‒ Die Diskussion

Diskussion ist vielleicht nicht der richtige Begriff, um zu beschreiben, was nach der Lesung geschah, Unterhaltung, Frage-Antwort-Stunde, Comedyabend sind in ihrer Summe dafür wahrscheinlich besser geeignet. Karla Paul moderierte und stellte selbst einige Fragen, doch schon nach kurzer Zeit war das Publikum komplett involviert.

„Wenn man euch jetzt so ansieht, könnte man annehmen, ihr seid einem Nest entstiegen.“

Markus Heitz
Markus Heitz

Das schlussfolgerte Karla Paul, nachdem sie sich in der Dreierrunde einmal umsah. Um die Rederunde zu eröffnen, fragte sie nach ihrem Erfolgsrezept und ob ihre frühere Tätigkeit als Journalist dazu beigetragen habe. Kai Meyer bestätigte diese Annahme, schließlich lerne man als Journalist Texte zu produzieren und zu recherchieren. Allgemein sei die Journalismusbranche eine „gute Schule, was die Disziplin des Schreibens angeht“. Auch Markus Heitz meinte, dass der Journalismus gut fürs Handwerk sei. Man erfasse sehr schnell „was wirklich wichtig ist und lernt es schnell umzusetzen“. Bernhard Hennen empfand den Journalismus als Privileg, durch den man einen größeren Blick auf die Welt erhalte. Er erzählte allerdings auch, wie er während seiner Zeit als junger Journalist zum Ufer-Filmpreis durfte. Er war total aufgeregt, ein Teil dieses Ereignisses zu sein, aber letztlich sei er eben doch nur der Pressekerl gewesen, der nicht einmal berichten durfte, wie einer der ausgezeichneten Damen im betrunkenen Zustand bei ihrem Preis die Flügel abbrachen.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, fing Kai an zu erzählen, er habe es immer auch pragmatisch gesehen. Zu einem Zeitpunkt, wo sich seine damalige Freundin von ihm getrennt hatte, war er als „fester Freier“ für eine Zeitung tätig. Um die Trennung ein wenig auszunutzen, schrieb der schüchterne Kai einen Erfahrungsbericht über das Flirten in Krefelder Discos, inklusive  Selbststudie. Die Bezeichnung „fester Freier“ hätte Kai aber vielleicht besser nicht benutzen sollen. Das Gelächter war groß, als Markus ihn mit großen Augen ansah und die Komik der Situation in vollen Zügen ausnutzte.

Passend zu diesem sehr zweideutigen Thema erzählte Markus, dass für ihn das Rollenspiel die beste Vorbereitung fürs Geschichtenerzählen war. Aber das mit Stift und Papier, nicht das mit Peitsche und Handschellen … in Zeiten von Fifty Shades of Grey müsse man sowas ja immer extra betonen. Kai hingegen konnte kein Rollenspiel mehr spielen, sobald er mit dem Schreiben angefangen hatte. Anders als Markus und Bernhard war er aber auch meistens Spieler und nicht Spielleiter. Für Bernhard war Tischrollenspiel aber irgendwann einfach überholt. Das wirkliche Leben war ab einem gewissen Punkt interessanter. Vor kurzem hatte er jedoch ein Experiment mit seinen Kindern gestartet, welches allerdings beendet werden musste, als seine Tochter anfing dauernd davon zu träumen.

Doch so wirklich sind die Drei nicht vom Rollenspiel losgekommen. So lieferten sie sich eine wilde Unterhaltung mit dem Publikum über alte DSA-Abenteuer und deren zweideutig eindeutige Covergestaltung, insbesondere ein sehr altes Soloabenteuer ist Kai im Gedächtnis geblieben.

„Markus ist der mit den Zwergen, Bernhard ist der mit den Elfen und Kai ist der mit den … jungen Mädchen.“

Auch oder gerade etablierte Autoren haben es nicht immer leicht. Sie werden oft in Schubladen gesteckt und unter Umständen wird ihnen sogar die Fähigkeit abgesprochen, in einem anderen Genre zu schreiben. Während Markus gerade seinem Erfolg zuschreibt alles ausprobieren zu können, wozu er Lust hat, bemerkt er ebenfalls, dass Leser bei einem Genrewechsel meist skeptisch reagieren. Fans lesen es meist trotzdem, aber Leser, die ihn noch nicht kennen, würden häufig denken: „Ist das nicht der Zwergetyp? Der kann doch nie im Leben was anderes schreiben“. Bernhard stimmt ihm dabei vollkommen zu, wobei Kai anmerkt, bei ihm sei es weniger das Genre als mehr das Altersproblem „Plötzlich hieß es dann, der Meyer ist Jugendbuchautor“, dabei schreibt er zwar oft aus der Sicht von jungen Mädchen, aber nicht unbedingt für sie.

Durch neue Verlagsprogramme von Fischer Tor und Knaur Fantasy eröffnen sich aber ganz andere Möglichkeiten. Auf die Frage, ob sie den Markt verändern werden, antwortet Heitz, dass es zumindest eine gute Werbung sei, „Fantasy ist eine der tragenden Rollen beim Umsatz“. Und auch Newcomer hätten durch die neuen Verlagsprogramme eine größere Chance. Auch Kai ist der Ansicht, „dass es sich letztlich für alle positiv auswirkt, wenn neue Fantasyprogramme etabliert werden“. So käme das Genre in das Bewusstsein derer, die es noch nicht vor Augen haben. Er selbst macht sich die neuen Programme bereits zunutze, durch sie kann er im nächsten Jahr einen neuen Roman veröffentlichen, der dem selbsterfundenen Genre SpaceFantasy (in Anlehnung an Markus Heitz‘ Genre SpaceFiction) entspringt, eine Geschichte im Weltall.

„Nach dem ganzen Harry-Potter-Boom haben einfach viele Frauen angefangen zu schreiben.“

Bernhard Hennen
Bernhard Hennen

Karla Paul brachte schließlich das Thema „Männerüberschuss in der Fantasy“ auf den Tisch. Nach kurzem, amüsiertem Augenrollen aller meinte Bernhard: „Wir sind die zweite Liga, die hier heute antritt“. So erfolgreich wie z. B. Cornelia Funke seien sie nicht. Kai fügte hinzu: „Sehr viele Fantasyautorinnen haben erst nach 2000 angefangen zu veröffentlichen. Da waren wir drei schon etabliert […] wir hatten einfach schon zehn Jahre Vorlauf“. Er hatte festgestellt, dass „nach dem ganzen Harry-Potter-Boom“ viele Frauen zu schreiben angefangen hatten. Doch wie das Publikum anmerkte, musste auch die große Rowling unter dem Namen J. K. Rowling schreiben, da dieses Pseudonym sie nicht als Frau auswies, dabei hat sie gar keinen zweiten Vornamen. Ein anderer Zuhörer warf ein, dass das Problem in den Köpfen der Leser stecke. Bernhard fügte dem hinzu, dass die Buchbranche gerüchtemäßig „zu den alten Zeiten“ zurückkehre. Jungautoren würde wieder geraten werden, englische Pseudonyme anzunehmen, da sich diese besser verkauften.

Wer Empfehlungen in der Pseudonymwahl bekommt, erhält mit Sicherheit auch inhaltliche Anweisungen. Während einer Atempause fragte Karla Paul nach, ob die drei schon einmal Trendanweisungen ihrer Verleger bekommen hätten. Während Kai und Markus verneinten, erzählte Bernhard, dass ihm einmal reingeredet wurde. Er war ausnahmsweise mal einen Monat früher mit einem Roman fertig und traf sich wenig später mit seiner Lektorin zum Besprechungsdinner. Sie fand das Buch großartig, aber ihr fehlte eine Liebesgeschichte. Da er ja aber bereits einen Monat früher fertig sei, könne er noch eine einbauen. Gesagt, getan. Nach den Korrekturen traf er sich wieder zum Besprechungsdinner, diesmal mit einer anderen Lektorin. Auch sie sagte, wie großartig sie das Buch findet, aber dann fragte sie, was denn diese unmögliche Liebesgeschichte in der Story zu suchen hätte. Dies war das erste und letzte Mal, dass Bernhard eine Geschichte im Nachhinein verändert hatte.

„Das Hardcover ist die Königsdisziplin des Schreibens.“

Das Publikum interessierte schließlich die Frage, wie die Autoren zu E-Book-Veröffentlichungen stehen. Kai hat dazu eine ganz klare Meinung: „Das Hardcover ist die Königsdisziplin des Schreibens“. Als Autor sei es ihm zwar prinzipiell egal, ob er als E-Book oder richtiges Buch veröffentlich werde, nur E-Book fände er „aber eher scheiße“. Markus merkte dabei an, dass der E-Book-Markt sehr klein sei, er mache gerade einmal 8 Prozent des gesamten Buchmarktes aus. In Amerika hingegen, so Bernhard, entspräche er 49 Prozent.

Die meisten E-Books werden natürlich von Amazon verkauft, so dass das Thema Rezensionen schnell Teil der Diskussion wurde, jedoch nicht ohne eine gewisse Resignation in den Blicken der Autoren. Alle drei sind sich einig: Rezensionen bei Amazon sind ein leidiges Thema. Es gibt gute, die durchaus semiprofessionell verfasst werden, aber eben auch wieder die typische Lieferung-dauerte-lange-0-Sterne-Rezension. Markus wirft ein, bereits ein paar Rezensionen abschießen lassen zu haben, wenn sie nicht den Kriterien entsprachen oder falsche Sachverhalte enthielten. Er steht dazu „Ich muss mir als Autor nicht alles gefallen lassen“. Während sich aber natürlich alle über positive Bewertungen freuen, ist für Bernhard und Kai klar, negative Rezensionen beschäftigen einen länger und intensiver als gute.

Der Abend verging wie im Flug und war der krönende Abschluss eines gelungenen und informativen Tages. Wer gerne mehr über PAN und die Inhalte des ersten Branchentreffens erfahren möchte, der kann sich einen Videozusammenschnitt des Treffens anschauen.

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Artikelbilder:  phantastik-autoren.net

 

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