Der als „Puka“ bekannte Fritjof Eckardt hat seit seinem ersten Event vor 20 Jahren ein beeindruckendes Aktiven-Portfolio aufgebaut. Darunter diverse Orga-Tätigkeiten, die Betreuung von Ehrengästen und das Schreiben von Büchern über Cosplay. Im zweiten Teil widmen wir uns weiter seinen Erfahrungen und insbesondere dem Thema Cosplay.
Den ersten Teil des Interviews über die Unterschiede zu früher, die Betreuung von Ehrengästen und einen Abriss über seine Biographie findet ihr hier.
Inhaltsverzeichnis
Motivation
Teilzeithelden: Was ist deine Motivation, dich einzubringen und die verschiedenen Arbeiten zu machen?
Fritjof: Hauptsächlich weil es Spaß macht, besonders wenn man etwas aus dem Nichts aufbaut und einige Jahre später sieht, was daraus geworden ist. Und der Dank glücklicher Besucher, die sich über Angebote und Gäste freuen. Wenn man beispielsweise bei den Autogrammstunden steht und Besucher vor einem Künstler stehen und in Tränen ausbrechen, weil sie so glücklich sind, jemanden zu treffen.
Dazu kommt das Erlebnis, dass man etwas machen und schaffen kann. Was mussten wir uns immer anhören: „Das bekommt ihr eh nicht hin, das geht nicht, das kann man als Fan-Veranstaltung nicht“ – doch, man kann! Es hätte auch keiner geglaubt, wie vor 10 Jahren die erste DoKomi in einer Schule geplant wurde, dass wir jetzt 45.000 Besucher in mehreren Messehallen haben.
Man kann sich immer einreden, dass etwas nicht geht. Aber man sollte es nicht tun. Nur weil man Fan ist, heißt es nicht, dass etwas nicht geht und man es nicht versuchen sollte. Bestes Beispiel ist ein Projekt, an dem ich rund 3,5 Jahre gearbeitet habe – und zwar, Danny Choo, die treibende Kraft hinter Culture Japan, den Smart Dolls und Berater der japanischen Regierung bei popkulturellen Fragen, nach Deutschland zu holen. Das ist ein Gast, der sich immer wieder von Besuchern gewünscht wurde. Ich habe ihn jahrelang angemailt, ihn bei Veranstaltungen in Asien angesprochen, und irgendwann hat er mir dann geantwortet, er könne sich nun vorstellen, eine deutsche Convention zu besuchen. 2017 war er dann Gast auf der DoKomi!
Die Entwicklungen zu sehen, ist ebenfalls eine große Motivation. Vor 20 Jahren gab es fast nichts, und heute gibt es so viele Verbände, Clubs, Events und Möglichkeiten bis hin zu Cosplay-AGs in Schulen oder VHS-Kursen. Zu sehen, wie es wächst, macht einfach Freude.
Teilzeithelden: Warst du auch schon einmal an dem Punkt, dich zu fragen, warum Du es machst und zu überlegen, alles hinzuschmeißen?
Fritjof: Ja, nicht nur einmal. Zum einen aus gesundheitlichen Gründen, zum anderen wenn man mit seinem Team das Menschenmögliche versucht, um etwas zu erreichen und die Leute dann nur meckern. Wenn es nur Mimimi im Netz gibt, man fragt, was man denn verbessern könnte, aber nichts kommt. Kritik ist richtig und wichtig, aber wenn sie haltlos ist und man nur meckert, weil man gerne meckern will, dann ist es nur noch frustrierend. Wenn beispielsweise Leute sagen, die Gäste sind scheiße und klare Wünsche nennen – dann kann man damit arbeiten. Bei der DoKomi bestimmen wir zum Beispiel die Auswahl der Cosplay-Gäste über Umfragen (Rückmeldungen und auf dem Feedback, das wir vor Ort erhalten). Aber wenn die Leute dir nicht sagen können, warum ihnen etwas nicht gefällt, oder sagen die Veranstaltung war blöd, weil sie zuviel Geld im Händlerraum ausgegeben haben oder ihre Freunde nicht da waren – daran können wir nichts ändern.
Teilzeithelden: Zurück zum Positiven. Was war für dich das schönste Erlebnis in der langen Zeit?
Fritjof: Da gab es einige. Zum Beispiel, dass ein Musiker in seinem Konzert etwas extra für mich gespielt hat, was eigentlich nicht in der Playlist gewesen wäre.
Oder dass man die Möglichkeit hatte, Leute zu treffen, von denen man dachte, man würde sie nie treffen. In meinem Fall war das auf der Expo in Japan, wo ich plötzlich backstage vor Leiji Matsumoto (u.a. Captain Harlock) stand, diesem Urgestein der japanischen Animationskunst – ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte und hatte auch nichts dabei, was ich hätte signieren lassen können. Das war dennoch ein Wahnsinns-Moment.
Besonders schön ist es auch, wenn die Künstler zufrieden und glücklich sind und ein Kontakt bleibt, man sich nach Jahren bei Gelegenheit wieder trifft, und sie sich noch genau an damals erinnern können – und nicht nur als Worthülse, sondern der Musiker sich beispielsweise noch genau erinnern kann, was man wo gegessen hat, obwohl er teils 100 Auftritte im Jahr hat. Oder man trifft sich bei einem Besuch in Japan mit früheren Gästen zum mitternächtlichen Ramen essen. Das sind Momente, die man auch nicht mehr vergisst, und man weiß, dass man wohl einen guten Job gemacht hat.
World Cosplay Summit
Teilzeithelden: Du hast ja auch einige Jahre den deutschen Vorentscheid des World Cosplay Summits (WCS) organisiert und die Gewinner nach Japan begleitet – wie hat sich das ergeben, und wie läuft das Ganze im Hintergrund?
Fritjof: Es war so, als der erste WCS stattfand, war das alles sehr kurzfristig und der damalige Zuständige in Deutschland, Florian Schäfer, hatte mich gefragt, wen man dahin schicken könnte. Es war zu kurzfristig, um einen Vorentscheid für den Wettbewerb zu organisieren. Im zweiten Jahr war ich zufällig zu der Zeit in Japan, und Florian hatte mich gefragt ob ich da nicht vorbeikommen mag, einen Bericht schreibe und ihm etwas helfen könnte. Damals war das noch sehr klein und familiär mit vier Ländern mit jeweils zwei Cosplayern. Vor 2005 war das auch noch ein reines Treffen und kein Wettbewerb. 2005 war dann die Weltausstellung in der Nähe von Nagoya, wo der WCS stattfindet, und man wollte dazu etwas Größeres machen – mit mehr Ländern und einem großen Wettbewerb. Da war ich dann noch einmal als Pressevertreter und hatte in den folgenden Jahren auch weiter Kontakt zu den Leuten.
Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich das Ganze nicht übernehmen möchte, da ich ja auch die Leute schon kennen würde. Das habe ich dann getan und wir haben angefangen, die Vorentscheide hier größer, professioneller und transparenter zu machen. Das habe ich ein paar weitere Jahre gemacht, und ich denke wir haben damals eine ganz gute Basis für heute gelegt. Da ich irgendwann gesundheitlich kürzer treten musste, habe ich mich aus dem WCS und diversen Veranstaltungsaktivitäten weitestgehend zurückgezogen.
Das WCS selbst war immer Anfang August (außer im ersten Jahr). Zu der Zeit war allerdings parallel auch schon der Vorentscheid für das Folgejahr zu organisieren, der drei bis vier Wochen nach dem WCS auf der Connichi stattfand. Zum WCS ist man ja einige Tage in Japan, und man möchte vielleicht auch mal ein paar Tage Urlaub dazwischen machen. Daher habe ich davor immer besonders viele Überstunden gemacht (um Zeit zu haben), und irgendwann hat es mich dann auch mal umgeschmissen, und ich musste sagen: Es geht einfach nicht mehr.
Es ist aber auf jeden Fall eine tolle Sache, weil es auch bewusst macht, dass es überall Cosplay gibt und die Leute verbindet. Selbst wenn man keine gemeinsame Sprache spricht – man freut sich, wenn andere einen Charakter darstellen, den man mag. Was einmal in einem Hotel begann, bindet heutzutage die halbe Stadt Nagoya ein, weil auch zigtausende Leute dafür kommen.
Teilzeithelden: Du arbeitest ja auch zusammen mit Desi, einer früheren deutschen Vertreterin beim WCS – hat sich das daraus ergeben?
Fritjof: Ich kannte Desi schon vorher von Conventions, aber nur vom sehen. Beim WCS-Finale 2010 in Nagoya betreute ich sie und Brigitte als deutscher Organisator. Sie sang dort live vor tausenden Zuschauern während des Auftrittes im Wettbewerb. Nach dem WCS war sie auch auf vielen Cons als Sängerin, wo ich dann teilweise die Technik gemacht oder sie regelmäßig unterstützt habe – so ist unsere Zusammenarbeit entstanden. 2016 wurde es dann intensiver, als ihre CDs in Japan erschienen. Wir haben uns darüber unterhalten und beschlossen, zusammen zu arbeiten. Das Musical-Projekt Inochi, mit dem sie auf Conventions auftritt, ist daraus entstanden.
Teilzeithelden: Hast du selbst auch an Cosplay-Wettbewerben teilgenommen?
Fritjof: Ja, aber ich habe mehr Spaß daran, zu organisieren. Auf einem Anime-Marathon vor vielen Jahren habe ich einmal den dritten, vierten oder fünften Platz gemacht, ich weiß es nicht einmal mehr. Es war einfach nicht so meine Welt.
Buch-Projekte
Teilzeithelden: Dass du mehr die Sachen im Hintergrund magst, merkt man auch an deinem Buch, oder?
Fritjof: Ja, schon. Das Buch basiert auf Rückmeldungen und Fragen von Angehörigen, Lehrern und Außenstehenden. Fragen wie „Was ist das eigentlich?“, „ist das schädlich?“, „warum gibt es einen Waffen-Check?“ oder „wie aufwändig ist so ein Wettbewerb?“ – so etwas geht nur richtig zu beantworten, wenn man Einblicke in den Hintergrund und es auch erlebt hat.
Teilzeithelden: Das Buch ist inzwischen drei Jahre im Handel – wie ist die Resonanz in der Zeit ausgefallen?
Fritjof: Sehr unterschiedlich. Am Anfang gingen ziemlich komische Gerüchte über dieses Buch herum, z. B. dass es eine Generalabrechnung mit allen anderen Orgas oder einigen Cosplayern sei. Fakt ist, das ist alles Quatsch, und es wird über niemanden hergezogen. Es wird aber auch auf Probleme hingewiesen, die es im Hobby beziehungsweise Fandom gibt.
Von den Cosplayern ist es ehrlich gesagt nicht so gut angenommen worden. Aber: Ein Großteil handelt davon, was Cosplay ist. Wenn man in dem Hobby etwas länger dabei ist und auch an Wettbewerben teilgenommen hat, kennt man 2/3 des Buches selbst. Da sind dann noch Themen wie Cosplay und Politik oder Sponsoren, oder woher die Waffenregeln kommen, interessant. Aber ich brauche einem Cosplayer nicht zu erklären, was Cosplay ist oder warum man es macht. Interessanter ist es da für Eltern oder Lehrer.
Was auch zuweilen angekreidet wurde, was ich aber bewusst so wollte: dass es kein wissenschaftliches Buch ist, sondern auf Erfahrungen beruht und man es lesen kann, ohne ein Psychologie-Wörterbuch daneben liegen zu haben. Es gibt einige gute Bücher über Cosplay, die aber auch sehr anspruchsvoll sind, und ich wollte es wirklich als Erfahrungsbuch haben, basierend auf den echten Fragen.
Ich weiß aus Rückmeldungen, dass es durchaus auch von Eltern, Lehrern und Außenstehenden gekauft wurde. Wenn ich Vorträge halte, bekomme ich ja auch direkte Rückmeldungen, und inzwischen war ich da auch schon im In- und Ausland, auch außerhalb von Conventions, beispielsweise auf Symposien oder in Universitäten.
Es ist auch gefragt worden, warum ich denn diese oder jene Cosplayerin interviewt habe, und nicht bekanntere. Ganz einfach: Ich habe verschiedene angefragt, und nicht alle haben sich zurückgemeldet oder sie hatten teils keine Lust oder Zeit. Und letztlich ist es für den Nicht-Cosplayer als Leser nicht wichtig, wie berühmt oder beliebt ein Cosplayer ist. Wichtig ist, dass die Person etwas erzählen kann. Und es war einfach so, dass es damals schwierig war, einige bekannte Personen dafür zu gewinnen. Heute ist es so, dass ich viele Jahre weiter bin und viel mehr Kontakte habe in dem Bereich und so viel einfacher an Interviewpartner komme.
Teilzeithelden: Hast du denn ein Projekt, wo du diese Kontakte für Interviews noch nutzen kannst?
Fritjof: Ja, ich arbeite an einem englischsprachigen Buch. Das wird einzelne Themen des deutschen Buches vertiefen und wesentlich internationaler aufgestellt sein. Das heißt aber nicht nur, dass mehr internationale Cosplayer und Organisatoren zu Wort kommen, sondern dass das Thema internationaler gesehen wird. Das vorliegende Buch fokussiert sich auf Cosplay in Deutschland, beispielsweise hinsichtlich des Waffenrechts oder des Ablaufs von Veranstaltungen. Das ist international aber nicht immer ganz so interessant.
Wir (ich habe mir Désirée Richter als Mitautorin ins Team geholt) wollen insbesondere die Geschichte und den Hintergrund von Cosplay vertiefen – seit wann gibt es etwas derartiges schon? Im deutschen Buch habe ich mich nur damit befasst, seit wann es diesen Begriff im Zusammenhang mit Kostümen aus japanischer Populärkultur gibt. Aber sich zu verkleiden und eine fiktive Person darzustellen, gibt es ja schon wesentlich länger und auch in anderen Kulturen. Auch die psychologischen Hintergründe, wieso man Cosplay macht, wollen wir intensiver behandeln, und dann vielleicht auch Forscher interviewen, die sich mit so etwas beschäftigen. Dazu werden wir auch den Themenkomplex Kommerz, Geld und Politik vertiefen. Generell wollen wir einfach tiefer gehen und es breiter aufstellen. Es soll dann auch nicht nur auf Erfahrungen und Interviews basieren, sondern auch wissenschaftliche Theorien beinhalten und entsprechend Interviews mit außenstehenden Experten, Firmen oder Politikern sowie quantifizierte Fakten beinhalten.
Erscheinen soll es gegen Ende des nächsten Jahres, und im Gegensatz zum deutschen Buch, in dem vor allem einzelne Texte zu Themen zu finden waren, soll es dabei auch einen roten Faden durch das gesamte Buch geben.
Die Zukunft
Teilzeithelden: Hast du abseits des Buches noch etwas für die Zukunft an Projekten geplant?
Fritjof: Das ist schwierig, da ich seit acht Monaten selbstständig bin. Ich weiß einfach noch nicht genau, wie es in Zukunft läuft, sowohl geschäftlich als auch mit dem kommenden Buch. Es ist leider eine schwierige Phase, weswegen ich mich auch etwas zurückziehen muss – aber ich habe nicht vor, dieses Fandom zu verlassen. Ich werde aber beispielsweise im nächsten Jahr nicht mehr auf der DoKomi die Cosplay-Gäste betreuen. Ich habe gemerkt, dass die immense Vorarbeit, die nötig ist, mit der Selbstständigkeit nur wahnsinnig schwierig unter einen Hut zu bringen war. Ich werde aber natürlich als Berater, Unterstützer, oder um besondere Gäste an Land zu ziehen, weiter zur Verfügung stehen.
Generell denke ich, dass ich allen Projekten in irgendeiner Form erhalten bleibe, aber es wird zunächst nichts mehr sein, was hunderte Stunden Arbeit mit sich bringt. Ebenso werde ich natürlich zumindest als Besucher noch auf vielen Events sein und auch Anfragen von Medien und anderen weiter beantworten.
Teilzeithelden: Möchtest du noch etwas zum Abschluss sagen?
Fritjof: Am ehesten aus eigener Erfahrung: Lasst euch nicht einreden, dass etwas nicht geht. Natürlich wird es immer Dinge geben, die nicht gehen, und es wird vielleicht Gründe geben, warum so etwas gesagt wird. Aber man sollte nicht aufgeben, seinen Weg suchen und daran glauben, auch wenn man einmal eine blutige Nase bekommt und eine Niederlage kassiert. Egal, ob es sich dabei um Con-Orga, Cosplay-Wettbewerbe oder das erste Kostüm handelt – man sollte an sich glauben, es einfach versuchen, wenn man etwas will, und sich nie einreden lassen, dass man etwas nicht schaffen könne.
Und man sollte vielleicht – und das ist möglicherweise das wichtigste – den Leuten auf Cons, die dort ehrenamtlich arbeiten und sich krumm machen, damit die Besucher eine schöne Zeit haben können, egal ob Orga oder einfacher Helfer, sagen, wenn es einem gefallen hat. Einfach nur „Danke“ oder „ich hab eine schöne Zeit gehabt“, darüber freuen sich die Leute ungemein.
Titelbild: Fritjof Eckardt
Fotografien: siehe Beschriftung