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Der als „Puka“ bekannte Fritjof Eckardt hat seit seinem ersten Event vor 20 Jahren ein beeindruckendes Portfolio an Aktivitäten aufgebaut. Darunter fallen diverse Orga-Tätigkeiten, die Betreuung von Ehrengästen und das Schreiben eines Buches über Cosplay. Im ersten Teil widmen wir uns insbesondere seinen Erfahrungen, Unterschieden zu früher und der Ehrengast-Betreuung.

Der 42-jährige begann 1995 mit seinem bewussten Fanleben, besuchte wenige Jahre später erste kleine Events und ab 1999 auch größere Conventions – damals noch nur in Deutschland, inzwischen weltweit. Ab 2002 begann er sich aktiv einzubringen als Con-Helfer, um bereits ab 2003 (bis 2005) auf der AnimagiC den großen Saal zu verantworten und als Orga-Assistent mitzuwirken. Im weiteren Verlauf war er auf diversen Cons tätig, etwa als Pressevertreter, als Berater oder in der Organisation von Cosplay-Wettbewerben – darunter Folgendes:

Von 2007 bis 2012 war er zuständig für die Betreuung der musikalischen Ehrengäste auf der Connichi und bereits ab 2009 (bis 2012) organisierte er den Popkultur-Bereich auf dem Düsseldorfer Japantag, den man in dieser Form auch heute noch so kennt und es zuvor so noch nicht gegeben hatte. Ebenfalls ab 2008 (bis 2011) organisierte er den deutschen Vorentscheid des World Cosplay Summits.

Ab 2012 begann er mit intensiveren Recherchen für sein Buch „Was ist Cosplay?“, für welches er verstärkt internationale Conventions besuchte. Das fertige Buch erschien 2015. Zuvor, ab 2013, wurde er in verschiedenen Tätigkeiten im Team der DoKomi aktiv – darunter als Berater, als Betreuer für (musikalische) Ehrengäste, für diverse Sonderprojekte und zuletzt, seit 2016, als Betreuer der Cosplay-Ehrengäste.

Zudem ist er Manager für die Sängerin Desi und Ansprechpartner und Berater für Medien, Firmen und Politik zum Thema Cosplay sowie Gast auf Symposien und auch Vortragender, unter anderem in Universitäten und auf diversen Conventions.

Die Anfangszeit

Teilzeithelden: In deiner Anfangszeit als Fan gab es hierzulande nahezu nichts an Vereinen, Clubs oder Events und auch das Internet war nicht weit verbreitet: Wie hat es sich ergeben, dass Du in die Szene gekommen bist und aktiv wurdest?

Fritjof: Internet gab es schon, aber es war anders als heute. Es gab Mailboxen und Message-Boards, wo man sich informieren und verabreden konnte – die Technik hatte aber noch kaum jemand. Ich habe Informatik studiert und an den Universitäten gab es, vor allem in diesen Fachbereichen, auch Zugriff auf das Internet, an manchen Universitäten zudem Filmclubs, die zusammen in Hörsälen Filme schauten. Aus diesen gründeten sich teilweise kleinere Clubs, die sich dann nur mit Manga und Anime beschäftigt haben.

Es gab aber auch schon recht früh (1998) vom Bookstore Nippon in Düsseldorf einen Fanclub, der alle paar Monate eine Art Mini-Convention beziehungsweise Clubtreffen veranstaltet hat. Das waren für mich die ersten Convention-Erlebnisse. Die erste AnimagiC (1999) habe ich damals noch knapp verpasst, weil ich erst zwei Tage danach davon erfahren habe. Bei der zweiten war ich dabei und 2002 begann auch meine aktive Tätigkeit, da mich auf der AnimagiC sehr störte, dass das Programm damals so unendlich verspätet war. Ich habe dann das getan, was junge Fans heute auch noch gerne tun – ich habe mich beschwert. Zurück kam eine E-Mail nach dem Motto „Wenn Du es besser kannst, hilf doch mit.“. Ich wusste nicht, ob ich es besser könnte, aber fand die Idee gut und dachte mir, machst Du halt mal Helfer und schaust dir das Ganze hinter den Kulissen an.

Relativ schnell bin ich dort dann aufgestiegen und habe mehr gemacht, als nur Helfer zu sein, und bin auch bei vielen anderen Veranstaltungen eingestiegen. Damals war das noch kein Problem für mich, da ich einen festen Job und wenige Kosten hatte und nicht selbstständig war wie heute. Wenn man dann auf vielen Cons ist, lernt man automatisch viele Leute kennen und ist dann irgendwann einfach richtig drin. So ging es dann los und auch schnell weiter mit Cosplay-Wettbewerben, der Betreuung von Ehrengästen, Beratung und dem Aufbau neuer Bereiche.

Teilzeithelden: Wie hat sich aus deiner Sicht die Szene in dieser Zeit verändert?

Alle Cons werden größer. Das ist gut, aber das Familiäre verschwindet.

Fritjof: Es ist alles größer geworden, keine Frage. Heute gibt es nicht nur viel mehr, sondern auch derart große Veranstaltungen, dass man dort teilweise keinen kennt. Früher waren die Events noch viel übersichtlicher, und auch die ersten AnimagiCs waren trotz mehrerer tausend Besucher noch ganz anders. Man ging wohin und kannte schon Leute oder lernte sehr schnell welche kennen. Heute ist es oft so, dass man durch die schiere Größe gar keine neuen Leute mehr kennenlernt. Man quatscht vielleicht mal kurz mit wem, aber das war es auch. Und da es nicht viele Veranstaltungen gab, war man einfach viel dankbarer für alles, was es gab. Man ging hin und beschäftige sich viel mehr mit den anderen Besuchern. Heute ist es öfter so, dass Besucher sich eine Karte holen, erwarten unterhalten zu werden und es gar nicht mehr wichtig ist, neue Leute kennenzulernen. Es heißt ja oft, dass das Familiäre verschwindet ab einer bestimmten Größe und das ist leider wirklich etwas so. Man geht auf einige Veranstaltungen, alle mögen das Gleiche, aber man bleibt sich trotzdem fremd. Die meisten Besucher kennen es aber auch gar nicht mehr anders und sind glücklich, und das ist auch nicht unbedingt schlecht – es ist vor allem anders.

Teilzeithelden: Also würdest Du sagen, dass sich die Mentalität der Besucher verändert hat?

Fritjof: Ja, zwangsläufig. Wir hatten damals kaum Veranstaltungen und sind zu denen, die es gab, gefahren. Es gab ja keine Alternativen und wir waren froh über das, was uns geboten wurde. Heute ist es so: Wenn ich dieses Wochenende nicht auf eine Con gehe, dann gehe ich halt nächste Woche. Und dank des Internets kann ich mich umfassend informieren, Neues erfahren, mich austauschen und so viel Anime sehen, wie es früher unvorstellbar gewesen wäre. Damals sind Leute für Treffen mit 100 Leuten teilweise 600 km weit gefahren, das würde heute keiner mehr machen. Heute jammern einige Leute, dass sie 50 km weit fahren müssen zur DoKomi. Ich glaube, man hat das Wenige, was es damals gab, einfach mehr geschätzt. Das ist aber völlig normal, denn wenn es etwas immer und überall gibt, wird es nun mal selbstverständlich.

Teilzeithelden: Wie siehst Du es in diesem Zusammenhang, dass nun Cons aufgrund des zu geringen Vorverkaufs abgesagt werden mussten?

Fritjof: Das ist natürlich schade für die Besucher, aber ganz ehrlich, aus wirtschaftlicher Sicht das einzig Vernünftige. Wenn ich ein paar Wochen vor der Veranstaltung nicht einmal ansatzweise weiß, wovon ich alle Kosten bezahlen soll und dann hoffen muss, dass die Tageskasse gut läuft, kann das kein Geschäftsmodell sein. Es ist ja auch nicht so, dass Conventions auf riesigen Geldbergen sitzen würden, sondern im besten Fall eine kleine Rücklage haben, denn die meisten Conventions in Deutschland werden von Fans oder Vereinen veranstaltet. Wenn das Ding dann in die Hose geht, ist es vorbei. Stand da ein Verein hinter – schlimm genug. Ist es eine Privatperson, kann die schnell Insolvenz anmelden gehen. Hallenbetreibern und anderen ist es dabei egal, ob du eine Firma oder eine Privatperson bist, die wollen ihr Geld sehen. Meistens hat man dabei noch bestimmte Kündigungsfristen, wo man zu bestimmten Konditionen absagen kann und manchmal muss man dann einfach die Reißleine ziehen.

Aber natürlich ist sowas immer schade, besonders auch bei solchen Veranstaltungen wie der Nippon Con, die seit Jahren etabliert ist und in die Leute viel Herzblut reingesteckt haben. Die werden sich das sicher nicht leicht gemacht und lange überlegt und abgewogen haben, bevor sie die Entscheidung trafen. Für die Veranstalter wird die Absage auch schlimm genug sein, da muss man als Fan nicht noch zusätzlich draufhauen, wie es einige getan haben.

Ehrengäste

Teilzeithelden: Nachdem Du schwerpunktmäßig Bühnen-Orga warst, verlagert sich dein Schwerpunkt mehr in Richtung Betreuung der Ehrengäste. Wie kam es dazu?

Fritjof: Das kam wohl auch etwas durch meinen regulären Job in einer Werbeagentur, wo ich öfter Veranstaltungen mitbetreut beziehungsweise auch Strategieplanung gelernt habe. Es ist dann wohl aufgefallen, dass ich da ganz fit drin bin und in gewissen Zügen Ahnung von Musik habe. Ich hatte zuvor angefangen mit der Planung und Organisation von Cosplay-Wettbewerben, und das wohl ganz gut gemacht. So kam eines zum anderen, ich war mit in Meetings und verantwortete irgendwann den großen Saal der AnimagiC. Freunde von mir betreuten damals die musikalischen Ehrengäste und ich kümmerte mich darum, dass zeitlich alles funktionierte und die benötigte Infrastruktur vorhanden war.

Es ging dann weiter auf der Connichi, wo ich dann mit vielen fähigen Helfern und Freunden die komplette Betreuung der musikalischen Ehrengäste übernommen habe – vom Einsammeln am Flughafen, über die Auftritte, Aufnahmen, Signierstunden bis hin zur Vermarktung. Ich war regelmäßig privat in Japan und habe es, mit Unterstützung von Freunden, Veranstaltungen und einigen früheren Gästen, geschafft, wirklich gute Musiker und andere Gäste zu bekommen. Trotz des Spaßes daran, war es auch wirklich viel Arbeit und Stress. Irgendwann war es auch zu viel, sodass ich der Gesundheit wegen damit aufhören musste. Das ist auch der Grund, warum ich zuletzt im Con-Bereich nur noch DoKomi gemacht habe, die eben auch in meiner Heimatstadt ist.

Teilzeithelden: Ist es wirklich so, wie man zuweilen hört, dass Ehrengäste besonders gerne mal „verloren“ gehen?

Ehrengäste gehen entweder im Kaufhaus oder im Biergarten verloren.

Fritjof: Ja, das kann passieren (lacht). Im Normalfall natürlich nicht und wir haben bisher jeden Gast wiedergefunden. Hauptgefährdungsbereich ist dabei das deutsche Kaufhaus. Wenn man mit einer Gruppe von Ehrengästen in ein Kaufhaus geht, dann bleibt schnell mal einer stecken oder ist in die Anprobe ohne Bescheid zu sagen und alle suchen ihn. Aber wirklich verloren? Nein. Wenn wir irgendwo reingehen, haben wir auch immer einen Treffpunkt ausgemacht und unsere Gäste haben zudem auch immer ein, zwei Handynummern für den Notfall von uns bekommen. Es ist aber auch nicht so, dass man die Gäste durchgehend an die Hand nimmt oder nicht mal alleine was machen lässt, wenn sie zum Beispiel auf eigene Faust mal zwei Stunden in den Park wollen.

Teilzeithelden: Gibt es vielleicht eine Lieblings-Anekdote hinsichtlich der Ehrengäste?

Fritjof: Ja, durchaus. Wir waren im Brauhaus mit einer Dame, die das Weizenbier unterschätzt hat und sich zurück von der Toilette verlief. Die haben wir dann am Ende auf einem Hinterhof gefunden, sie hatte eine falsche Tür genommen. Wir hatten aber auch Gäste, die klein und zierlich waren, dann im Brauhaus aber mal eben eine anderthalb große Schweinshaxe verdrückten und etwas später dann noch Bratwurst essen wollten.

Ansonsten gibt es immer welche, die etwas über Deutschland gehört haben und uns fragen, ob das wohl stimmt oder etwas Bestimmtes probieren möchten und sich dann schütteln. Gutes Beispiel dafür ist Sauerkraut, das kommt immer wieder. Wir sagen ihnen immer, dass wir es gerne bestellen können, wir aber ziemlich sicher sind, dass sie es nicht mögen werden. „Ach, ich esse alles.“ ist dann eine häufige Reaktion und sie mögen es dann wirklich gar nicht, fahren aber nach Hause und erzählen ihren Freunden und anderen Musikern, wie toll Sauerkraut ist.

Tatsächlich kommt es häufig vor, dass man über Jahre hinweg mit einem Label arbeitet, wo 20 bis 50 Bands und Musiker unter Vertrag stehen und darüber jedes Jahr andere Musiker zur Con bekommt. Natürlich sprechen die Musiker und Manager miteinander und da macht dann so etwas wie „Sauerkraut! Musst Du probieren.“ schnell die Runde. Oder man ist noch am Flughafen und es wird schon gefragt, ob es tatsächlich 0,5- oder 1-Liter große Bierkrüge in Deutschland gibt.

Auch ein großes Regal mit Plüsch findet sich bei Puka zu Hause.
Auch ein großes Regal mit Plüsch findet sich bei Puka zu Hause.

Es ist zudem immer wieder schön zu sehen, wie Ehrengäste als Menschen sind. Manche sind ganz anders, als ihr öffentliches Bild, und bei einigen fragt man sich im Vorfeld, wie sie wohl sind, und sie wollen am Ende einfach nur eine Bratwurst essen und damit dann glücklich. Die besten Anekdoten sind im Grund die, wo man feststellt, dass die großen Stars genauso Menschen sind, die sich genauso freuen oder Fan sein können.

Vorwürfe

Teilzeithelden: Es gibt häufiger den Vorwurf, dass die Ehrengäste alle viel Geld bekommen würden – stimmt das?

Fritjof: Sagen wir mal so: Ob ein japanischer Musiker nach Deutschland kommt, hängt in den meisten Fällen nicht davon ab, ob eine Gage gezahlt wird, sondern in erster Linie, ob das Label und Management den Künstler gerne in Deutschland oder Europa promoten wollen – oder der Künstler selbst gerne nach Deutschland will. Ist ihnen dieser Markt nicht wichtig, hat sich alles Weitere quasi erledigt.

Man muss da einfach sehen, was ein Con-Besuch bedeutet: Der Künstler fliegt Donnerstag los und ist irgendwann am Dienstag zurück in Japan. Das ist fast eine Woche, die er in Japan nicht verfügbar ist. Bei einem begehrten Künstler sind das fünf Tage Verdienstausfall für ihn beziehungsweise das Plattenlabel. Deswegen lohnt es sich nur, wenn sie hier promotet werden sollen oder gerade hier auf Tour sind. Teilweise ist dann auch nur Flug, Hotel und Verpflegung nötig, bei manchen auch noch eine Gage. Aber damit, und mit dem Verkauf vor Ort, wird nicht das dicke Geld gemacht, auch wenn natürlich schon etwas verdient wird. Das ist aber mehr ein bezahlter Auslandsurlaub mit Auftritt und Promotion. Als Con-Veranstalter hätte man gar nicht die Mittel, um Künstler mit Geld zu überreden, da ist man darauf angewiesen, dass das Label oder die Musiker selbst gerne nach Deutschland wollen.

Genauso ist es mit den Cosplay-Gästen, wo auch einige denken, wir würden eine fette Gage zahlen. Tun wir nicht. Sie werden eingeladen und erhalten Flug und/oder Hotel und/oder Verpflegung, je nach Convention. Und während bei Musikern die Labels CDs und Merchandise mitbringen, müssen die Cosplay-Gäste alles was sie verkaufen selbst mitbringen und selbst vorfinanzieren. Natürlich kommt da Geld rein, wenn Gäste vier Stunden lang signieren und dabei auch was verkaufen. Das Geld geht dabei vollständig an die Gäste, die müssen davon aber natürlich ihre Druckkosten etc. finanzieren und ihre Verkäufe versteuern.

Es ist auf jeden Fall nicht so wie auf einigen Comic Cons, wo Schauspieler oder Models sitzen, die nach dem Wochenende mit fünfstelligen Beträgen heimfahren.

Teilzeithelden: Wie fühlst Du dich damit, wenn es immer wieder heißt, die Gäste und/oder die Orga würde doch so gut verdienen oder sich gar bereichern an den Fans?

Fritjof: Die Vorwürfe kommen immer, egal bei welcher Convention. Sobald man Orga ist, heißt es man verdiene doch Geld. Das ist aber Quatsch. Fast alle Leute weltweit, die bei Cons aktiv sind, und nicht unbedingt auf der obersten Chefetage sitzen bei großen Events, machen das ehrenamtlich. Schlimmer noch, die meisten buttern da ja selbst noch eigenes Geld rein und sei es nur durch ihren eigenen Verdienstausfall.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich mir anhören durfte, dass ich auf Kosten von Veranstaltungen nach Japan fliege. Es war nicht so. Klar, ich war in Japan und habe auch etwas für Veranstaltungen getan, aber das habe ich meist selbst gezahlt und im besten Fall für notwendiges Reisen vor Ort das Zugticket oder Hotelkosten ersetzt bekommen. Bei den reinen Fan-Veranstaltungen, und das sind eigentlich alle Conventions in Deutschland, ganz gleich, ob da ein Verein oder eine Fan-GmbH hinter steht, bekommt man im Normalfall kein Geld und verdient nichts daran.

Hinweis: Den zweite Teil des Interviews zu den Themen Motivation, World Cosplay Summit, seinem Buch und der Zukunft findet ihr ab dem 10. Juni bei uns.

Titelbild: Fritjof Eckardt
Fotografien: Michael Fuchs

 

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