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Es begann mit der Idee einer Rollenspielübersetzung und wurde schnell mehr: Malmsturm ist ein großes Universum voller Geschichten. Die Wandlung von Fate zum universellen narrativem Rollenspielsystem initiierte eine abermalige Veränderung. Es musste ein neues Malmsturm mit neuen Regeln her: Malmsturm – Die Fundamente wurde geboren. Ist das Fate-Core-Fantasy-Regelwerk gelungen?

Die Reise begann 2011 mit Malmsturm – Die Regeln. Nach ersten Gehversuchen und Erfahrungen gab das Erscheinen der Fate-Core-Regeln (2015 auf Deutsch) den Anstoß für eine zweite Edition – und in der hat sich fast alles geändert. Es ging weg vom generischen Regelwerk und hin zum maßgeschneiderten und fokussiertem Fate-Regelwerk für Malmsturm. Um Malmsturm spielen zu können, wird zwingend eine Ausgabe von Fate Core benötigt. Die Spezialwürfel können mit regulären sechsseitigen Würfeln ersetzt werden.

Der Begriff Fantasy ist so allumfassend wie der Begriff Ballsport, daher wird zu Beginn des Buches u. A. auf das Genre von Malmsturm eingegangen: Sword & Sorcery. Das Hauptmerkmal des auch als Low Fantasy bekannten Genres, das in den 1920/1930er Jahren entstand, ist der Verzicht auf die High-Fantasy-typischen epischen Strukturen. Bekannter Prototyp eines Sword-&-Sorcery-Helden ist Conan der Barbar, erfunden von Robert E. Howard. In eine solche archaisch anmutende Welt will uns Malmsturm entführen und setzt dabei mit den Fate-Regeln auf ein stark erzähllastiges Rollenspielsystem.

Willkommen in Malmsturm

Malmsturm © Björn Lensig
Malmsturm © Björn Lensig

Das zweite Kapitel liefert einen ersten groben Umriss der Welt, wesentlich detaillierter wird es in Kapitel 7: Eine Einführung in die Welt. Zu Beginn des Kapitels findet sich eine Weltkarte, die leider nicht ihre volle Wirkung erzielen kann. Das untere Drittel der Doppelseite ist bis auf einen Maßstab und das Malmsturm-Symbol als Windrose schwarz. Ab der Mitte beginnt die Weltkarte, die sich letztendlich in das obere Drittel quetscht. Hier wurde offenbar beabsichtigt, perspektivisch zu zeichnen, was jedoch nicht zweckmäßig ist. Reichlich Beschriftungen reihen sich stellenweise dicht an dicht aneinander und Linien ballen sich auf der ohnehin klein gehaltenen Kartenzeichnung. Der Kontinent ist ohne Abschluss gezeichnet, was eine wichtige Regel beim Weltenbau ist, um das Gefühl von Größe und Weitläufigkeit zu generieren. Leider ist die Karte aufgrund ihrer perspektivischen Zeichnung nur eingeschränkt verwendbar.

Im Folgenden werden die einzelnen Gebiete (der Norden, die Waismark, das Imperium, und andere Regionen) der Welt vorgestellt. Unterstützt von stimmungsvollen Zeichnungen und InGame-Texten erhält man eine gute Vorstellung von dem jeweiligen Gebiet und kann das als Region anhand der Karte gut verorten. Es wird dabei weder zu ausführlich noch zu spärlich mit Details und Beschreibungen umgegangen. Auch finden eigene Wortschöpfungen für die Welt wie „Leradin – Der Wachwald“ oder „Slyddersee – Das süße Meer“ wohldosiert Anwendung. Man erhält eine punktgenaue Weltbeschreibung, um die Regionen zusammen mit eigenen Inhalten bespielen zu können.

Namensgeber des Systems ist ein Phänomen in der Spielwelt, welches ein eigenes kurzes Kapitel bekommen hat. Ein Malmsturm ist als Verzerrung der Realität zu verstehen, sei es durch Magie, Naturgewalten oder Emotionen. Malmstürme können beispielsweise zunächst als „gefährliche Umgebung“ im Sinne von Naturereignissen zum Einsatz kommen. Wie dann die weitere Entwicklung verläuft, regeln die Malmsturmaspekte, die ein Zuspitzen der Situation bedeuten. So könnte sich aus wenigen Wolken am Himmel eine Gewitterfront zusammenbrauen, oder ein Bach wird zu einem Blutstrom.

Erst die Gruppe, dann der Einzelne: die Charaktererschaffung

Eine der vielen stimmungsvollen Illustrationen aus Malmsturm, Malmsturm © Björn Lensig
Eine der vielen stimmungsvollen Illustrationen aus Malmsturm, Malmsturm © Björn Lensig

Jeder Spieler/jede Spielerin verkörpert eine bestimmte Person, die sich auf die Reise durch die Rollenspielwelt begibt. Bei Malmsturm beginnt die Generierung der Spielfiguren jedoch nicht beim Individuum, sondern bei der Gruppe. Zunächst gilt es sich im Kollektiv der SpielerInnen zu überlegen, welche Art von Gruppe sie darstellen wollen. Fahrende SöldnerInnen? Eine Gruppe PiratInnen? SchatzjägerInnen?

Hier wird der Ausgangspunkt der Charaktere festgelegt, von dem sie in ihre ganz persönliche Abenteuerkampagne starten werden. Aus diesen Überlegungen sollen zwei Dinge konkretisiert werden: das Gruppendilemma (Probleme und Konflikte der Gruppe) und Gruppenkonzept (Kurzbeschreibung der Gruppe, der gemeinsame Nenner). Ist dies entschieden, geht es an die Besetzung. Passend zur bereits ausgesuchten Grundgestaltung der Gruppe werden nun Charaktere ins Leben gerufen. Hier wird mit engem Bezug auf die Fate-Core-Regeln gearbeitet, einzelne Dinge sind jedoch unterschiedlich, wie beispielsweise die Aspektschablone.

Auch bei den Fertigkeiten weicht Malmsturm stellenweise vom Fate-Core-System ab. Ausführlich werden auch etliche gebietstypische Archetypen wie der Freisasse aus der Waismark, der Sandsiedler aus dem Imperium oder der Klankrämer aus dem Norden vorgestellt. Zusammen mit Beispielstunts, dem Belohnungssystem, Konsequenzen und Heilung erfährt man in diesem Kapitel alles rund um die Spielfigur in Malmsturm. Im Gegensatz zu anderen Regelsystemen bedarf es bei Malmsturm aufgrund des Bezugs auf Fate Core eine gute Portion Kreativität, da hier kein schlichtes Erwürfeln der Spielfigur erfolgt.

Begleiter, Gegenstände, Fähigkeiten – Die Extras

Wie bei Fate Core sind bei Malmsturm die Extras das Darum-Herum eines Charakters wie Begleiter, Gegenstände und Fähigkeiten, die sich nicht allein über Aspekte und Stunts abbilden lassen. In diesem umfangreichen Kapitel werden besondere Gegenstände (Artefakte) behandelt, wie auch Begleiter (Getreue und Verbindungen) und der größte Teil des Kapitels ist dem Thema Magie gewidmet.

Bezüglich der gewöhnlichen Ausrüstung wird vorausgesetzt, dass jeder Charakter alles Notwendige besitzt, was seinem Stand und Beruf entspricht. Artefakte stellen einen besonderen Besitz dar und haben Funktionen und Fähigkeiten, die bisweilen weit über das Normalmaß hinausgehen. Einige Artefaktbeispiele, wie das „Messer aus Grimwerk“, die „Flöte der Schatten“ und „Maeglang: Klinge des Wahnsinns“ werden zusammen mit Aspekten, Fähigkeiten, Stress, Konsequenzen und Stunts aufgeführt. Selbstverständlich können Artefakte nach Bedürfnissen der Spielrunde selbst erschaffen werden.

Nicht nur gute Ausrüstung ist oft Gold wert, sondern auch eine helfende Hand oder Bekannte vor Ort. Über Getreue und Verbindungen wird dieser Punkt abgebildet. Getreue sind ständige Begleiter, beispielsweise ein Tier oder anderes Wesen. Verbindungen sind bestehende Kontakte, ein NPC, der die Gruppe nur gelegentlich begleitet. Typische Verbindungen sind fähiger Söldner, mächtiger Dämon oder außergewöhnliches Tier.

Malmsturm © Björn Lensig

Das Wissen um Zauberei und Magieeinsatz ist überall – selbst im archaischen Norden – verbreitet. Aber wie wird Magie eingesetzt? Wie wird das Wissen um die Veränderung der Realität angewendet? Hier gibt es Unterschiede, auf die der Großteil dieses Kapitels eingeht. Die sogenannten kleinen und großen magischen Traditionen bilden dabei die Basis. Für das Wirken von Magie sind ferner folgende Dinge zu definieren: die Absicht (eine klare Vorstellung der Veränderung), das Ziel (Person, Ort, Gegenstand), der Weg (die Verbindung vom Zaubernden zum Ziel), das Mittel (Wie wird der Weg überwunden?) und der Preis (das Belasten der Umwelt oder sich selber mit arkanen Folgen). Angehörige der kleinen magischen Tradition sind zum Beispiel BardIn, RunenwerferIn oder SteinblutträgerIn der Dwargen. Ebenso vorstellt werden regionale Traditionen wie beispielsweise die der Eisensänger aus der Waismark und die der Technosophen aus dem Imperium.

Während die kleinen magischen Traditionen das Wirken von Magie als Nebensächlichkeit handhaben, ist für AnhängerInnen der großen magischen Traditionen die Zauberkunst ein vollwertiges und komplexes Handwerk. Jede verfügt über eine Schlüsselfertigkeit, mit der sie die Wirklichkeit manipuliert. Es gibt acht große magische Traditionen wie die Galder (schamanistische Geisterbeschwörer), Laektor (Vertreter einer mächtigen Kirche) und Skraat (gestaltwandelnde Waldgeister), die im Einzelnen vorgestellt und dargelegt werden.

Das gesamte Kapitel „Extras“ ist umfangreich, aber gut strukturiert, und bietet viel Spielinhalt, der einzeln herausgreifbar ist.

Ab ins Abenteuer

Malmsturm – Die Fundamente versäumt es nicht, Inhalte mitzuliefern, um ein sofortiges Losspielen zu ermöglichen. Neben der Einführung in die Welt (Kapitel 7) geht es im Kapitel 6 um das Leiten von Abenteuern. Wer zwar RollenspielveteranIn ist, aber bei Fate Core bzw. Malmsturm neu ist, sollte durchaus hier reinlesen, um Hilfestellung zur Anwendung der Aspekte, dem Beziehungsgeflecht innerhalb der Gruppe und wie sich die Welt bei Malmsturm im Rahmen einer Kampagne entwickeln könnte.

Das vorletzte Kapitel ist ein Bestiarium, um eine erste Auswahl an möglichen Gegnern für die Charaktere zu haben. Die aufgelisteten Ungeheuer reichen von der Felsratte, über die Waldbrut bis hin zu gewaltigen Scheusalen wie den Telogonten, aber auch sonderbaren Wesen wie dem Wisperhain, einer lebendig gewordenen Waldlichtung. Mitgeliefert werden auch die notwendigen Spielwerte, um die Kreaturen im Abenteuer einsetzen zu können.

Den Schluss des Buches bilden die im letzten Kapitel zusammengefassten Anhänge. Leider fällt bei den Irrformtabellen abermals eine unglückliche Farbwahl für die Gestaltung auf (Genaueres hierzu im Absatz Erscheinungsbild). Im Abschnitt Bibliographie wird eine umfangreiche Auswahl an Literatur in Deutsch und Englisch sowie Filme, Comic, Referenzwerke und sogar Rollenspiele hingewiesen, um sich mit dem Sword & Sorcery-Genre vertraut zu machen. Die Stunt-Übersicht weiß ebenfalls zu gefallen, da sie übersichtlich und sinnvoll strukturiert ist, und Dank der angegebenen Seitenzahlen ein sofortiges Auffinden der jeweiligen Stunts ermöglicht. Zu guter Letzt, vor der üblichen Kopiervorlage eines Charakterbogens, kommen noch sogenannte Spickzettel, die dem Inhalt eines SpielleiterInnenschirms entsprechen, der sich sicherlich mittels Kopien und etwas Bastelgeschick auch herstellen ließe.

Das Auge spielt mit: das Erscheinungsbild

Das Hardcoverbuch ist im DIN-B5-Format und hat 401 Seiten. Der Goldschnitt verleiht dem Werk ein edles Äußeres. Die Qualität der Buchbindung ist tadellos und verspricht auch intensiver Nutzung Stand zu halten. Das Papier fasst sich gut an und wirkt stabil. Es ist ein Lesebändchen in goldgelber Farbe vorhanden. Es gibt eine Inhaltsübersicht der Kapitel und ein Stichwortverzeichnis am Schluss. Mit 401 Seiten hat das Buch ein spürbares Gewicht, hält sich aber Dank des Hardcovereinbandes gut in der Hand.

Die Illustrationen sind durchwegs in schwarzweiß und im Stil von Bleistiftzeichnungen. Sie sind ausnahmslos sehr gelungen und unterstützen sowohl den Text, als auch das zu vermittelnde Sword & Sorcery-Ambiente. Ausgezeichnet ist der Abschluss eines jeden Kapitels mit einer stichpunktartigen Zusammenfassung („Das Kapitel mit einem Hieb“), um den Inhalt schnell zu erfassen und anhand der angegebenen Seitenzahl direkt aufschlagen zu können.

Trotz vieler sehr gelungener Punkte gibt es leider beim Erscheinungsbild große Mankos. Der Schriftzug „Malmsturm“ auf dem Titelbild wurde in einer Art und Weise stilisiert, die das Wort schwer lesbar machen. Wenn die Buchstaben sich besser hervorheben würden, wäre es sowohl äußerst kunstvoll, als auch funktionell. Der Zusatz „Die Fundamente“ ist hingegen in schnörkelloser Schrift und klar zu lesen. Auf ein Bild wird verzichtet, lediglich im unteren Drittel ist das Malmsturm-Symbol abgebildet.

Hier wurde als Farbe dunkelrot gewählt, was sich von dem schwarzen Hintergrund je nach Licht nur schwach abhebt. Insgesamt kann das Coverdesign leider nicht überzeugen. Das im Internet gefundene Bild vom Cover wirkt hinsichtlich der Klarheit und Farbintensität nachbearbeitet, und entspricht nicht dem mir vorliegendem Buch.

Generell werden für den Text die Farben Weiß, Rot und Gold verwendet. Stellweise werden die Farben Rot und Gold auf schwarzem Hintergrund und in geringer Schriftgröße verwendet, was die Lesbarkeit enorm erschwert. Das wird gleich zu Anfang bei der Inhaltsübersicht deutlich und zieht sich bedauerlicherweise durch das gesamte Buch. Immer wieder taucht diese Konstellation auf und verdirbt den Lesespaß. Sonst sind sowohl Textlayout als auch Farbdesign (auf weißem Hintergrund) übersichtlich und ansprechend.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor(en): Dominik Pielarski, Sebastian Pleis, Helge Willkowei, Werner H. Hartmann, Bjorn Beckert
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Print, PDF
  • Seitenanzahl: 401
  • ISBN: 978-3-95867-058-7
  • Preis: 49,95 EUR Print, 9,99 EUR PDF
  • Bezugsquelle: Amazon (Print) , Shop des Uhrwerk-Verlags (PDF)

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Malmsturm-Homepage gibt es einige Downloads wie Charakterbögen und Zauber. Dazu braucht man dann die die Fate-Core-Regeln zum kostenlosen Download als PDF.

Kollegin Anna Lena Schubert sprach bereits vor geraumer Zeit mit dem Macherteam von Malmsturm und Chefredakteur Roger Lewin hat einst die erste Edition getestet.

 

Fazit

Mit Malmsturm – Die Fundamente bekommt man ein erzähllastiges Rollenspielsystem im Sword & Sorcery-Setting. Es basiert auf den Regeln von Fate Core, die zum Spielen benötigt werden. Viele Querverweise auf die Fate-Core-Regeln machen den Einstieg in die Welt von Malmsturm angenehm einfach. Die Welt wirkt solide aufgebaut, bietet abwechslungsreiche Figuren und Regionen und reichlich Spielraum, um Abenteuer und Kampagnen zu entwickeln. Hilfestellungen zum Leiten eines Abenteuers sowie spielbereite Inhalte sind vorhanden. Die ausführlich dargelegten Magietraditionen laden dazu ein, sie auszuprobieren.

Leider gibt es Schwächen bei der Karte der Spielwelt, der Covergestaltung und vor allem bei der Farbwahl der Texte und Tabellen. Stellenweise leidet die Lesbarkeit, ansonsten ist das Textlayout tadellos. Die Illustrationen sind durchwegs stimmungsvoll und sehr gelungen. Der Preis ist für die Gesamtqualität und auch den Umfang vollkommen gerechtfertigt.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen und Durcharbeiten des Werkes. Ein Spieltest ist nicht geplant.

Artikelbilder: © Uhrwerk Verlag, faterpg.de, Bearbeitung: Roger Lewin
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Über den Autor

Kilian Braun ist seit vielen Jahren Phantastikfan und leidenschaftlicher Spiele-Spieler. Über DSA kam er zum Tischrollenspiel und probiert mittlerweile gern unterschiedliche Systeme aus. Er ist Autor von Romanen und Kurzgeschichten im Bereich Fantasy und Science-Fiction.

 

 

 

 

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