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Alleine im stillen Kämmerchen Gelände zu bauen ist möglich, aber nicht immer einfach. Zum Glück gibt es inzwischen einige Leute die Hilfe bei so was anbieten. Einer davon ist Gerard Boom. Wir besuchten einen seiner Styrodur-Workshops, um Tipps zu bekommen und Tricks zu lernen.

Aller Anfang ist schwer. Und die ersten Schritte bis hin zum Laufen können auch schon einmal länger dauern und holprig sein. Das gilt auch für den Geländebau, wenn man sich abseits der Wege der großen Hersteller bewegt und sich dem Hartschaum widmet. Zum Glück gibt es einen Niederländer, der uns bei der Hand nimmt.

Gerard Boom hat mit Miniaturenspielen eigentlich nichts am Hut, aber er liebt es, Gelände zu bauen, besonders aus Hartschaum. So sehr, dass er mehrere Werkzeuge entwickelt hat, um eben dies besser zu tun. Er ist viel auf Conventions unterwegs und gibt regelmäßig Workshops, wie dem am Wochenende des 09. und 10. Juni im Tabletop Basement in Hannover.

Über den Co-Autoren:

Ein knappes Vierteljahrhundert ist Björn nun ein Spieler. Dabei bilden Pen&Paper, Computerspiele und Tabletop den Hauptteil. Im Tabletop hasst er das Entgraten, liebt aber das Malen, das Gelände und ein atmosphärisches Spiel. Charakterentwicklung und Geschichten sind ihm dabei so wichtig, dass seine grauen Haare nicht nur der Zeit geschuldet sind, sondern auch seinen Mitspielern.

Vorgeschichte und Anreise

Anschauungsobjekte gab es genug
Anschauungsobjekte gab es genug

Michael: Ich selbst kam zu meiner Teilnahme gewissermaßen wie die Jungfrau zum Kinde, da ich, basierend auf meinen sehr mäßigen Erfahrungen im Umgang mit Hartschaum, dem Material nie viel abgewinnen konnte. Das sieht bei Björn anders aus, daher schenkten wir ihm die Teilnahme zum Geburtstag, und da alleine fahren langweilig ist, fuhr ich mit. Vielleicht kommt dabei etwas rum, das man später gebrauchen kann. Da zwei Sichtweisen besser sind als eine, bekommt er auch das erste Wort.

Björn: Anders als Michael, war ich schon lange ein Fan von Hartschaum und dessen Möglichkeiten. So habe ich zwei Games Day-Platten, eine davon das Schwarze Tor von Mordor, oder Dschungelhütten für Freebooters Fate mit Hartschaum gebaut. Aber die ganzen kleinen Feinheiten und Kniffe, die man bei den großen Baumeistern wie GeBoom sieht, blieben mir immer noch ein Rätsel. So hatte ich den netten Niederländer einmal auf der RPC in Köln besucht und ihn nach Dachschindeln gefragt. Fünf Minuten später war ich nach einer kleinen Vorführung sehr viel schlauer und faszinierter.
Umso besser, dass meine Lebensgefährtin mir aufmerksam zuhörte und mich mit einem Workshop im Tabletop Basement bei Gerard beschenkte. Und noch besser war, dass ich die Reise nicht alleine antreten musste.

Der Großmeister vor dem Start
Der Großmeister vor dem Start

Michael: Hannover ist keine Ewigkeit von Hagen entfernt, aber wir entschieden uns freitags anzureisen und zwei Tage im Hotel zu verbringen. Nachdem wir den Ärger mit einer Doppelbuchung im ersten Hotel überstanden hatten, fanden wir auch eines nicht allzu weit vom Zielort entfernt und saßen Samstag morgens um 0900 im Auto nahe unserem Zielort. Es dauerte nicht lange und eine kleine Gruppe hatte sich gesammelt. Wir gesellten uns dazu, und wie erwartet fanden wir uns in einer kleinen lockeren Runde wieder. Nicht viel später ließ die Herrin des Hauses uns eintreten und wir bekamen eine kleine Tour des Tabletop Basements. Ich war eher die Ausnahme in der Gruppe, da ich tatsächlich noch nie ein Video von ihnen gesehen hatte, im Gegensatz zu allen anderen. Platten voller Gelände, Regale voller Miniaturen und Haufen von Ware und Werkzeug machen aber letztlich jedem gute Laune. Die drei ansässigen Schlangen konnte man ebenfalls kennenlernen, auch wenn sie keine Rolle bei den Bauvorhaben spielen sollten.

Björn: In meinen Augen ist es ein unverzeihlicher Fauxpas, wenn man im Tabletop-Geländebau das Basement nicht kennt. (Michael: Ich bin die letzten Jahre viel zum Kaufen statt Basteln übergegangen, verklag mich doch.) Aber im Ernst, es war einmal interessant, die Räumlichkeiten zu sehen, von denen ich schon viele hilfreiche Tipps in den unterschiedlichsten Bereichen des Tabletops mitnahm.

Beginn

Michael: Nachdem wir uns alle einen Platz gesucht hatten, und auch die Nachzügler angekommen waren, konnte es losgehen. Auf jedem Platz gab es einen Stapel Zettel mit Techniktipps für den Fensterbau und vielen Bildern toller Geländestücke zur Inspiration. Drei Schablonen für das Vorzeichnen von Fenstern und Türen gab es ebenfalls, eine davon zum Behalten, die anderen beiden zur Nutzung während des Workshops, natürlich mit der Möglichkeit diese zu erwerben.

Wir begannen mit einem Exkurs über Hartschaum und seine grundlegenden Eigenschaften, z. B. dass man stets die Oberflächenschicht abtrennen muss, da diese leim- und wasserresistent ist und daher Bemalung quasi unmöglich macht. Nach einigen Tipps zur Benutzung des Heißdrahtschneiders durften wir auch alle ran und uns erst einmal einen kleinen länglichen Block schneiden. Gefühlt war ich der Einzige, der keinen eigenen besaß, weshalb ich mich erst daran gewöhnen musste. Drei der Heißdrahtschneider waren in einem Raum platziert, und entsprechend gedrängt konnte die Arbeit darin werden. Die Fenster waren zwar oft gekippt, aber die große Hitze machte die Aussicht offener Fenster auch nur bedingt annehmlich. Die Luft füllte sich daher nach und nach mit dem Geruch geschmolzenem Styrodurs – hmm, lecker.

Björn: An dieser Stelle möchte ich einhaken. Der Geruch ist nicht nur nicht lecker, sondern auch nicht wirklich gesund. Ich mag vielleicht zu vorsichtig sein, aber wenn ich mit einem Heißdrahtschneider arbeite, egal ob drinnen bei guter Durchlüftung oder draußen an der frischen Luft, trage ich immer eine Atemschutzmaske. Keine Gasmaske, aber eine Lackiermaske. Eine Staubmaske hilft hier auch nicht viel. Und ich habe immer einen Vogel neben mir sitzen. Wenn der tot von der Stange fällt, wisst ihr, es wird Zeit aufzuhören.

Michael: Da wir nun alle einen kleinen Streifen hatten, ging es an die ersten Übungen. Mit Hilfe der Schablonen wurden Fenster und Türen mit Bogen vorgezeichnet und eingedrückt. Dies ging erstaunlich leicht von der Hand und man bekam Hoffnung, doch irgendwas fertigstellen zu können an diesem Wochenende. Wie Ziegelsteine dargestellt und strukturiert werden können, kam als nächstes, und kurz darauf auch Holz sowie Dachschindeln.

Nachdem Türen und Fenster ausgeschnitten waren, zerlegte Gerard eine der gestalteten Wände noch einmal in zwei Hälften, aber in der Tiefe. So erhält man zwei Hälften, zwischen die wunderbar Gipsband oder Fliegengitter passen, um vergitterte Fenster darzustellen. Das Gitter noch mit etwas Leim (potenziell mit Farbe hinzugemischt) bestrichen, et voilà: Fenster mit Glas.

Björn: Das waren so die kleinen Tricks, auf die ich gehofft hatte. Die Möglichkeiten, die eine geschnittene Hartschaumplatte und zwei Bleistifte, einer kurz und stumpf, der andere zumindest spitz, einem bieten, waren enorm. Mit den Schablonen und einem Lineal ließen sich viele weitere Elemente schaffen, auch ohne großes, zeichnerisches Talent sein Eigen zu nennen.

Michael: Inzwischen war es Mittag geworden und eine kleine Pause zur Verpflegungserstehung wurde eingelegt. Unsere ganze kleine Bande schlenderte also rüber zum nahen Supermarkt und der nahen Bäckerei.

Jetzt hatten alle ihre ersten kleinen Erfolgserlebnisse und es wurde Zeit die Sache anzugehen. Damit das auch richtig geht, folgte eine kurze Einführung in die verschiedenen Schneidehilfen, die Gerard allesamt selbst erdacht hat. Die beiden beeindruckendsten waren der Kuppelschneider und das Multifunktionswerkzeug, von dem er noch nicht weiß, wozu es eigentlich da ist – er aber immer neue Möglichkeiten findet, es anzuwenden.

Björn: Die Vorführung hatte ein wenig etwas von einer Kaffeefahrt. Aber die lockere und sympathische Art von Gerard, der zweifellos auch Verkaufstalent besitzt, ließen nie das Gefühl einer Verkaufsveranstaltung aufkommen. Auch dass er sagte, er wisse bei ein paar Werkzeugen nicht, wozu das alles gut sei, kaufte ich ihm das ab. Er lässt sich bei jedem Workshop auch von den Teilnehmern inspirieren und lernt immer dazu.

Baumeister am Werk

Michael: So gewappnet ging es weiter an die Planung bzw. Umsetzung. Jeder hatte eine Idee mitgebracht, was er bauen möchte, sei es eine mittelalterliche Schmiede oder den US-Senat. Mein Plan war eine bespielbare Tiefgarage für mein Infinity-Spielfeld. Wie ich schnell feststellte, klingen manche Sachen auf dem Papier doch besser, als sie sich umsetzen lassen. Angefangen bei der Größe, war der Plan zunächst, eine 120 x 60 x 30 cm große Garage zu bauen. Die Realität holte mich jedoch schnell ein. Eine Grundfläche von 30 x 30 cm zu schneiden, erwies sich mit dem normalen Drahtschneider schon als unmöglich, da es schlichtweg nicht unter das Gestell passte. Natürlich hatte Gerard eine Lösung – einen modifizierten Schneider mit dickerem Draht und höherem Gestell. Auch 30 cm Höhe sind doch viel mehr in Wirklichkeit, als man denkt, und rasch halbierte ich diese, dann begann das Ganze nach einer realistischen Größe auszusehen.

Von nun an wanderten alle zwischen ihrem Arbeitsplatz und dem Schneidezimmer hin und her. Es wurde geplant, geschnitten, nochmal geschnitten, weil man sich verschnitten oder verrechnet hatte, geklebt und auch bald strukturiert. Gerard war überall, wo man ihn brauchte, und stand mit Rat und Tat zur Seite.

Björn: Planung war alles. Ich hatte mir eine Wassermühle von Tabletop World ausgesucht und fing nach einer kurzen Beratung an, die Grundform zu schneiden. Dass ich dieses Gebäude auf dem Papier erst in viele kleinere Einzelteile zerlegen sollte, die allesamt simpler zu bauen waren, als gleich mehrere Schritte in einem machen zu wollen, stellte sich als immens hilfreich heraus. Schnell wurde auch klar, dass ich die Mühle niemals innerhalb von zwei Tagen fertig bauen würde. Daher konzentrierte ich mich auf Teilstücke, bei denen ich so viele verschiedene Techniken einsetzen und Elemente bauen musste wie möglich. Fachwerk, Mauersteine, Holz, Fenster, Erker, Schornsteine wurden mal in das Styrodur geritzt, geprägt oder geschnitten oder aus vielen kleinen Einzelteilen zusammengezimmert. Mir war sehr wichtig, Gerard bei vielen Schritten über die Schulter zu schauen.

Michael: Einige Stunden gingen so ins Land, und ehe man sich versah, war es schon nach 20 Uhr. Gegen 21 Uhr wurde beschlossen, Feierabend zu machen, einige Projekte waren schon gut fortgeschritten, andere ließen erkennen, worauf es hinausläuft. Draußen war es immer noch warm, aber langsam angenehm. Einige machten sich auf zu ihrer Schlafstatt oder gar nach Hause. Der Rest kehrte beim örtlichen Griechen ein. In lockerer Runde wurde sich hier ein wenig über das Basteln ausgetauscht und über die Feinheiten sowie Einstellungen zum Hobby philosophiert. So ging der erste Tag entspannt zu Ende. Mit gutem Gyros zudem, ein Bonuspunkt, wenn auch keiner, der dem Workshop direkt anzurechnen war.

Ein verfrühtes Ende

Michael: Den zweiten Tag haben wir leider nicht bis zum Ende miterleben können, weil wir aus privaten Gründen verfrüht abreisen mussten. Wir packten also unsere Sachen, fuhren zum Basement, sagten auf Wiedersehen und verstauten unsere bisherigen Werke ein. Sowie 40 Fenster, die man in Zukunft bestimmt gut verbauen kann. Manch anderer deckte sich eher mit Werkzeug von Gerard ein. Die Bastelstimmung am Sonntag war aber ebenso gut wie am Samstag, und sie dürfte sich bis zum Ende gehalten haben.

Björn: Ja, die Nacht von Samstag auf Sonntag brachte leider unliebsame Überraschungen mit, die mich nach Hause riefen. Daher mussten Michael und ich am nächsten Morgen leider die Sachen packen und das Wochenende beenden. Bevor wir aber die Rückreise antraten, nahm sich Gerard noch die Zeit, mir meine hastigen letzten Fragen zu beantworten und etwas vorzuführen. Als Dank habe ich mir die Werkzeuge mitgenommen, die mir zu Hause noch fehlten. Das war sowieso mein Plan.

Fazit

Michael: Ein schönes Wochenende in angenehmer Gesellschaft. Mit der Möglichkeit, Hobbyisten aus anderen Teilen des Landes kennenzulernen und gemeinsam einer Leidenschaft zu frönen, war dies ein schönes Erlebnis. Hartschaum ist nicht für jedermann zum Basteln, aber einen solchen Workshop kann man jedem ans Herz legen, der zumindest grundsätzliches Interesse am Geländebau hat.  Meine Tiefgarage ist zwar noch nicht fertig, aber fertigbauen will ich sie auf jeden Fall. Ich weiß jetzt schon, wie sehr ich beim Anmalen fluchen werde, aber am Ende wird es eine schöne Ergänzung zu meinen Spielfeldern sein. Ideen bekommt man auf jeden Fall. Wenn man keine hat, kann man sich beim Tabletop Basement oder auf Gerards Seite Inspirationen holen. Das Wochenende hat einige Euro gekostet, aber es war definitiv gut investiertes Geld.

Wo man davon spricht, die 110 EUR für den Workshop waren in Ordnung für Räumlichkeiten, Werkzeug, Material und eigentlich 18 Stunden Betreuung. Letzteres konnten wir zwar nicht voll ausnutzen, aber das ist nicht Gerards Schuld. Die Übernachtung hat nochmal etwa genauso viel gekostet. Für knappe 300 EUR also, Sprit und Essen gab es schließlich auch noch, ein gutes Ferienwochenende.

Björn: Mein Fazit dieses Wochenendes ist durchweg positiv. Die Möglichkeit, sein ganz eigenes Projekt zu verwirklichen und nicht nach Schema F etwas zum Nachbau vorgesetzt zu bekommen, verdient Lob. Das erschwert die Arbeit für den kreativen Niederländer, motiviert die Teilnehmer des Workshops aber ungemein. Die Planung und Struktur bei einem Bauprojekt in diesem kleinen Maßstab stellte sich für mich als ebenso erhellend heraus wie die verschiedenen Techniken, die wir auf unseren Weg mitbekommen haben.
Meine Wassermühle ist noch nicht fertig. Ich werde sie jedoch neu anfangen müssen, weil auch ich die Maße zu groß gewählt habe. Aber die Teile aus dem Workshop entwickeln sich Schritt für Schritt zu zwei anderen Häusern.

Artikelbilder: Fotografien von Michael Mattner, Bearbeitet von Verena Bach
Logos: Tabletop Basement, Shifting Lands by GeBoom

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