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Ein mysteriöser Unfall stellt Quinns Leben auf den Kopf. Schwer verletzt, muss er sich mit einer neuen Realität auseinandersetzen. Nun kann er den Saum, eine geheimvolle Parallelwelt, betreten. Und dann ist da noch Nervensäge Matilda aus der verhassten Nachbarsfamilie, die mehr und mehr zu einem Teil seines Lebens wird.

Nach Erscheinen des zweiten Bandes von Vergissmeinnicht werfen wir gleich einen Blick auf beide Bände der Trilogie: Was man bei Licht nicht sehen kann und Was bisher verloren war.

Quinn hat alles, was er sich wünschen kann: Er ist beliebt, ein guter Sportler, hat eine Freundin und fällt nach kleineren Jugendstreichen immer wieder auf die Füße. Matilda dagegen ist das klassische Mauerblümchen, das aus einer streng christlichen Familie kommt und Quinn aus der Ferne anhimmelt.

Nach einem mysteriösen Unfall ist nichts mehr, wie es war. Quinn hört seltsame Geräusche und es geschehen Dinge, die er sich nicht erklären kann. Gemeinsam mit Matilda, die auf Wunsch seiner Eltern nach ihm schaut, begibt er sich auf die Suche nach Antworten und findet mehr als er geahnt hätte: Es eröffnet sich eine komplett neue Welt.

Triggerwarnungen

Ableismus, gestorbene Elternteile, Verletzung

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Story

Der coole Junge, der sich in das Mauerblümchen verliebt und mit ihr zusammen ein gefährliches Abenteuer bestehen muss: kein besonders innovativer oder neuer Ansatz. Dass es eine Parallelwelt, Saum genannt, gibt, zu der Quinn als Auserwählter nach und nach und mit tatkräftiger Unterstützung von Matilda Zugang erhält, überrascht ebenfalls nicht. Feenwesen und Magie runden das ganze ab, Geheimgesellschaften bilden das i-Tüpfelchen, natürlich gibt es magische Portale. So weit, so bekannt.

Man könnte sich an dieser Stelle beschweren, dass sämtliche Storyelemente bereits bekannt (und gefühlt 100-mal gelesen) sind und für die Trilogie schlicht die offenliegenden Karten neu gemischt wurden. Doch Kerstin Gier weiß mit Vergissmeinnicht trotzdem zu überzeugen, denn sie baut diese wenig überraschende Liebesgeschichte in ein Konglomerat an skurrilen Charakteren ein.

Besonders hervorzuheben ist hier der Wasserspeier Bax, der in beiden Bänden eine herausragende Rolle hat und durch seine Liebenswürdigkeit und seinen trockenen Humor auffällt. Ein wenig erinnert er an den Drachen Mushu aus Mulan, der ebenso wie Bax eine zentrale Nebenrolle einnimmt, die die Handlung etwas auflockert.

Auch die Feenwesen, allen voran der mit lebendigen Tätowierungen geschmückte Hyazinth, gehören zu den sympathischen Nebenfiguren, die den Protagonist*innen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Natürlich gibt es ebenso die klassischen Antagonist*innen, die ihren eigenen bösartigen Plan verfolgen und Quinn auf die ein oder andere Weise zeitweise gefährlich nahe kommen. Zum Glück haben Quinn und Matilda Helfer*innen an ihrer Seite, die sie im unbekannten Saum unterstützen.

Der 17-jährige Quinn ist zu Anfang ein arroganter Überflieger, der sehr auf sich bezogen und regelrecht selbstverliebt wirkt. Nach dem Unfall ist er auf den Rollstuhl angewiesen und kann seinem geliebten Hobby, dem Parcours, nicht mehr nachgehen, was ihn verständlicherweise aus der Bahn wirft. Im Verlauf der Handlung der ersten zwei Bände des Romans vollzieht er eine charakterliche Wandlung, denn er lernt, hinter die Fassaden der Menschen (und anderer Wesen) zu schauen. Und natürlich trägt die Romanze mit Matilda ein gutes Stück zu seiner Charakteränderung bei.

Die 16-jährige hingegen schwärmt schon lange für ihren gutaussehenden Nachbar. Natürlich aus der Ferne und ohne sein Wissen. Deshalb scheint für sie die Chance gekommen, als Quinns Eltern sie darum bitten, als bezahlten Nebenjob nach ihrem Sprössling zu sehen und ihm Gesellschaft zu leisten. Als Tochter einer streng christlichen Großfamilie, die sich ein freieres und selbstbestimmteres Leben wünscht, bietet dieses Angebot die Möglichkeit, den eng gesteckten heimischen Grenzen zu entfliehen. Als großer Fan von phantastischer Literatur kann sie Quinn bei den ihm obliegenden Herausforderungen beraten. Mit fortschreitender Handlung hadert sie zunehmend mit ihrer Rolle, denn auch sie hegt den Wunsch, den Saum selbst zu betreten und zumindest einmal in einem Wal-Zeppelin zu fahren.

Schreibstil

Die Geschichte wird abwechselnd von Quinn und Matilda als Erzähler*in geschildert, was zum einen Sinn macht, da die Ereignisse häufig parallel in der realen Welt und im Saum (den nur Quinn betreten kann) stattfinden und zum anderen so die Liebesgeschichte zwischen den beiden interessanter ausgestaltet werden kann. Teilweise werden die Messenger-Dialoge zwischen beiden abgebildet, was für nette Unterbrechungen sorgt und die jugendliche Lebenswert untermalt.

Die Sprache und Ausdrucksweise Kerstin Giers ist passend für einen All-Age-Roman, der sich auch an Jugendliche richtet, leicht und unterhaltsam. Es fällt nicht schwer, sich im Erzählfluss zu verlieren und Seite um Seite zu verschlingen. Gerade durch die teilweise nicht linear verlaufenden Schilderungen zieht der Low-Fantasy-Roman in seinen Bann.

Wie eingangs erwähnt, bietet der Weltenbau von Vergissmeinnicht wenig Innovatives. Eine Parallelwelt, die über Portale erreicht wird und in der ein*e böse*r Gegenspieler*in versucht, die Macht zu übernehmen: Dies alles bietet wenig Neues für Fans phantastischer Literatur. Auch die innere Organisation im Saum erinnert an das Zaubereiministerium bei Harry Potter. Lediglich im zweiten Band wird den Lesenden ein Zugang geboten, der nicht allzu gewöhnlich scheint.

Die Autorin

Kerstin Gier, geboren 1966, ist eine in Köln wohnhafte deutsche Autorin, die schon mehrere Serien im All-Age-Bereich veröffentlicht hat. Unter anderem ihre Edelstein-Trilogie wurde erfolgreich verfilmt. Neben diesen an ein eher jugendliches Publikum gerichteten Büchern, ist sie Verfasserin von Romanen für Erwachsene, besonders ihre Mütter-Mafia-Reihe wurde sehr bekannt und ebenfalls verfilmt. Mehr über die Autorin kann auf ihrer Website eingesehen werden.

Erscheinungsbild

Beide Bände von Vergissmeinnicht sind zueinander passend wunderschön gestaltet. Einmal mit schwarzem, einmal mit himmelblauem Einband, weisen beide Bücher ein verschnörkeltes Cover auf, auf dem allerlei Pflanzen und Tiere zu erkennen ist. Es wirkt magisch, und passt deshalb sehr gut zum Inhalt der Bücher. Die filigranen Illustrationen von Eva Schöffmann-Davidov machen diese zu Schmuckstücken im Bücherregal.

Ein weiteres gestalterisches Highlight ist das bunte Vorsatzblatt, das dem Roman vor- und hintangestellt ist. Passend zum Trend gibt es auch einen bunten Farbschnitt, der allerdings unspektakulär einfarbig daherkommt. Positiv ist die Inhaltsangabe auf der jeweiligen Rückseite der Bücher, die den Lesenden einen guten Eindruck von Vergissmeinnicht vermitteln.

© FISCHER

Die harten Fakten (Band 1 / Band 2):

  • Verlag: FISCHER
  • Autor*in: Kerstin Gier
  • Erscheinungsdatum: 29.09.2021 / 28.06.2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Gebundenes Buch
  • Seitenanzahl: 480 / 528
  • ISBN: 978-3-949465-00-0 / 978-3-949465-09-3
  • Preis: 20 EUR (Print) + 16,99 EUR (E-Book) / 22 EUR(Print) + 16,99 EUR (E-Book)
  • © FISCHER

    Bezugsquelle Fachhandel, Amazon (Band 1 und Band 2), idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Da in beiden Welten sehr viele Personen vorkommen, ist es vorteilhaft, dass in beiden Bänden ein Personenverzeichnis vorhanden ist. Wirklich fantasievoll ist außerdem, dass der Wasserspeier Bax sich jeweils persönlich in einem Nachwort an die Lesenden wendet und ihnen kurz seine Sicht auf die Dinge mitteilt sowie einen Ausblick auf den Folgeband gibt.

Die jeweiligen Widmungen sind ebenfalls sehr schön und passend: Während Band 1 „allen, die gerade ein bisschen Magie gebrauchen können“ gewidmet ist, ist das zweite Buch „für alle, die sich manchmal verloren fühlen“.

Fazit

Die beiden ersten Bände der neuen Trilogie von Bestsellerautorin Kerstin Gier, Was man bei Licht nicht sehen kann und Was bisher verloren war, entführen die Lesenden in die Parallelwelt des Saums, wo Feen und weitere Wesen wandeln. Der gutaussehende, coole Quinn und das Mauerblümchen Matilda müssen sich nach Quinns mysteriösem Unfall unvermittelt mit dieser neuen Welt auseinandersetzen und sich mit dem Gedanken anfreunden, dass das, was bisher aus phantastischen Romanen kannten, tatsächlich existiert. Nebenbei müssen sie sich ihren Gefühlen füreinander gewahr werden und überlegen, ob ihre Beziehung das ist, was beide sich wünschen.

Die Low-Fantasy-Trilogie Vergissmeinnicht glänzt nicht durch besonders innovative Plot- oder Weltenbau-Ideen, besticht aber durch eine Reihe von skurrilen Nebenfiguren und die gewohnt humorvolle Sprache der Autorin. Besonders dem Wasserspeier Bax, der jeweils das Nachwort liefert, kommt hierbei eine sympathische Rolle zu.

Die besondere Gestaltung der Reihe mit einem bunt bedruckten Vorsatzblatt machen das Buch zu einem optischen Highlight im Bücherregal.

Vergissmeinnicht ist als All-Age-Roman ein lockeres Buch für zwischendurch, das aufgrund seiner Zielgruppe keine besondere Herausforderung birgt, aber auch nicht langweilt. Gerade im heißen Sommer kann dies auch mal ganz angenehm für einen faulen Nachmittag auf Balkon oder Terrasse sein.

  • Interessante Nebenfiguren
  • Wunderschöne Gestaltung

 

  • Wenig innovativer Weltenbau
  • Vorhersehbarer Plot

 

 

Artikelbilder: © FISCHER
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote
Band 2 wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
Band 1 wurde privat finanziert.

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