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Sakrale oder heilige Orte sind fest mit der Religion verbunden, für die sie geschaffen wurden. In den meisten Rollenspielsystemen spielen sie ebenso viel oder wenig eine Rolle wie im echten Leben. Gerade deshalb lohnt sich ein Blick auf solche heiligen Orte und wie man sie am Spieltisch darstellen kann.

Religion stellt einen wichtigen Teil im Leben vieler Menschen dar und zieht sich seit Jahrtausenden durch ihre Geschichte. Entsprechend bilden sich Strukturen zum Ausführen dieser Religionen aus, die auch sakrale Orte beinhalten. Aber was können diese sakralen Orte sein und wie kann man sie für das Rollenspiel darstellen?

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Religion, Kultisten, Opferung

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Sakrale Orte

Dem Sakralen oder Heiligen steht das Profane, also das Weltliche, gegenüber. Heilig ist etwas Göttliches und Vollkommenes. Deshalb haben heilige Orte für ihre entsprechende Religion einen besonders hohen Stellenwert. Hierbei kann es sich um eigens für diesen Zweck erbaute Gebäude handeln, aber auch um natürliche Orte wie ein besonderer Baum oder ein Fluss. So ist etwa der Ganges für den Hinduismus von großer Bedeutung.

Auch in vielen Rollenspielsystemen, die nicht auf der Realität basieren, spielt Religion eine wichtige Rolle. Insbesondere Fantasywelten ermöglichen es, den Glauben an höhere Wesen für das Erschaffen neuer Religionen zu nutzen und bieten hierfür viele Möglichkeiten. So können Entitäten erschaffen werden, die zweifelsfrei existieren – etwa, weil sie sich den Sterblichen offenbart und auf spektakuläre Weise in das Weltgeschehen eingegriffen haben.

Aber allein die Möglichkeit, eine ganz neue Religion zu erschaffen, bietet viele, spannende Optionen. Woran glauben verschiedene Gruppierungen? Wie führen sie ihren Glauben aus? Und welche Orte sind für sie wichtig? Hierfür kann man sich durchaus an realweltlichen Beispielen orientieren. Schließlich ist es auch für eine Fantasywelt nicht abwegig, dass ein Gott oder Götter von den Gläubigen in eigens für diesen Zweck errichteten Gebäuden angebetet werden. Doch wie kann man diese Orte im Rollenspiel auf eine würdige Weise darstellen? Denn es sollte außer Frage stehen, dass man sie, wie im echten Leben auch, wenigstens mit Respekt behandeln sollte, selbst wenn man mit Religion nichts am Hut hat. Oder?

Sind alle heiligen Orte auch richtig heilig?

Im Rollenspiel ist es unwahrscheinlich, dass man nicht früher oder später auf Gegner*innen trifft. Was dabei oft weniger von Wichtigkeit ist, ist die Tatsache, dass auch sie vermutlich einer Religion mit heiligen Orten angehören. In diesem Fall muss man sich die Frage stellen, ob allein die Tatsache, dass sie die „Bösen“ sind, eine Entweihung dieser Orte rechtfertigt. Die Orks haben ein Dorf geplündert, also wird im Gegenzug ihr Altar zerstört, um sie hoffentlich zu demoralisieren.

In Konflikten und Kriegen werden Dinge getan, die unter normalen Umständen undenkbar oder zumindest unwahrscheinlich wären. Das trifft auch auf das Rollenspiel zu. Ob den Charakteren dabei jedes Mittel, um zu gewinnen, recht ist, hängt von ihrer Gesinnung und den Spieler*innen ab. Manche mögen Skrupel haben, besagten Altar zu zerstören, andere nicht. Respekt gegenüber sakralen Orten ist also an Bedingungen geknüpft. Allerdings sollte man dabei nie vergessen, was diese Orte für eine bestimmte Gruppe von Personen sind: Sie sind heilig und somit von großer Bedeutung. Respektloses Verhalten oder gar eine Entweihung oder Zerstörung wird Konsequenzen nach sich ziehen. So könnten die Charaktere verfolgt werden oder gar ein persönliches Eingreifen der Gottheit des Ortes erleben.

Auf Handlungen folgen immer Konsequenzen. © Depositphotos | mazzzur

Es gibt dabei die Tendenz, davon auszugehen, dass die Bösen auch den falschen Glauben haben müssen, weil sie böse sind – im Falle von Kultist*innen mag das vermutlich auch zutreffen. Doch was, wenn die Feind*innen derselben Religion wie ein oder mehrere Charaktere angehören? Dieser Fall dürfte zumindest interessantes Rollenspiel nach sich ziehen, wenn heilige Orte der gegnerischen Fraktion ins Spiel kommen.

Die Darstellung heiliger Orte

Meistens jedoch werden es eher konfliktfreie Situationen sein, in denen man mit sakralen Stätten in Berührung kommt. Dann gilt es, diese gebührend darzustellen. Denn sie sind für ihre Gemeinschaft wichtig und haben bereits von sich aus eine besondere Ausstrahlung. Es bringt niemandem etwas, wenn sie lächerlich gemacht werden und zur Lachnummer verkommen – gerade, weil Religion für viele ein schwieriges oder sensibles Thema ist. An so gut wie jedem Spieltisch werden unterschiedliche Meinungen dazu aufeinandertreffen. Kritik am Thema kann natürlich immer, auch im Spiel, angesprochen werden – aber konstruktiv ist immer besser als destruktiv.

Wenn man sich jedoch dafür entscheidet, den Spieler*innen einen heiligen Ort zu beschreiben und näher zu bringen, gibt es einige Faktoren, die man zur Ideenfindung nutzen kann, wie zum Beispiel:

Um welche Religion handelt es sich?

Die Beantwortung dieser Frage bestimmt, welcher Art der heilige Ort sein kann. Welche Aspekte sind für die Religion und ihre Ausübung wichtig? Hieraus lässt sich ableiten, welche Orte infrage kommen können und wie sie gestaltet sind. So kann es für eine Religion von Bedeutung sein, dass in jeder großen Stadt ein Tempel steht, um sie zu repräsentieren und neue Gläubige anzuwerben. Eine andere Religion könnte bei der Ortsauswahl für die Errichtung ihrer Stätten Wert darauf legen, wo für sie zentrale Ereignisse stattgefunden haben. Und wieder eine andere Religion könnte mit einem Baum oder einer Lichtung heilige Orte haben, die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen sind – Konfliktpotenzial inklusive, wenn man sich nicht damit auskennt.

Sakrale Orte müssen nicht immer eine Kirche oder ein Tempel sein. © Depositphotos | GoodOlga
Sakrale Orte müssen nicht immer eine Kirche oder ein Tempel sein. © Depositphotos | GoodOlga

Ein weiterer wichtiger Faktor kann die Art der angebeteten Entität(en) sein. Ist die Religion mono- oder polytheistisch? Es kann auch kein göttliches Wesen im Zentrum stehen, sondern etwa die Natur. Wenn die Religion polytheistisch ist, welche Eigenschaften werden den verschiedenen Göttern zugerechnet und was sind ihre Attribute? Entsprechend unterschiedliche Gaben wird man am Ort der Anbetung vorfinden. Werden diese Götter alle am selben Ort verehrt oder hat jeder eigene Tempel oder Kirchen? Wie stehen die Gläubigen zu dem göttlichen Wesen? Ist es für sie wie ein Freund, ein allmächtiges Wesen oder haben sie Angst davor, es zu verärgern? Dies kann die Atmosphäre eines heiligen Ortes bedeutend beeinflussen.

So ist beispielsweise bei Das Schwarze Auge in Aventurien der Zwölfgötterglaube vorherrschend. Angelehnt an die Glaubenswelt der antiken Griechen und Römer, werden jedem der Zwölf verschiedene Aufgabenbereiche zugeordnet und jeder Gott verlangt von seinen Gläubigen ein bestimmtes Verhalten. Da es aber vollkommen unmöglich ist, allen gerecht zu werden (auch wenn manche es versuchen), wenden die Gläubigen sich primär den Gottheiten zu, deren Attribute für ihr momentanes Leben am bedeutendsten sind.

Jeder Gott wird hierbei in eigenen Tempeln und Schreinen verehrt, sodass in vielen Städten und Dörfern ein oder mehrere der Gotteshäuser stehen. Besonders spannend ist hier die Stadt Punin, in der sich auf einem großen Platz die Haupttempel des Gottes des Todes und der Göttin des Lebens gegenüberstehen. Das eine Gebäude schwarz, das andere bunt, könnte der Unterschied kaum größer sein – und bietet viele interessante Möglichkeiten für Begegnungen, Austausch und Missverständnisse.  

Welchem Zweck dient der heilige Ort?

Der offensichtlichste Sinn einer solchen Stätte ist es zum einen, den Gläubigen einen Platz zu bieten, um ihre Religion unter Gleichgesinnten ausüben zu können, sowie Trost und Ratschlag zu finden. Und zum anderen das Gefühl zu bekommen, der angebeteten Entität durch die Besonderheit des Ortes näher zu sein als anderswo. Ist er dabei einzigartig, entweder durch seine Lage oder Geschichte, so wird er zu einer Pilgerstätte mit überregionaler Bedeutung.

Doch ebenso gut könnte ein heiliger Ort für die normalen Gläubigen verboten sein. Lediglich hohe Priester*innen haben Zutritt. Aber wer weiß? Vielleicht verbirgt sich dort ein Geheimnis. Ebenso kann sich eine heilige Stätte zu einer Lehreinrichtung entwickeln, in der Priester*innen leben und Schüler*innen oder Fremde unterweisen.

Jeder heilige Ort hat für seine Gläubigen einen bestimmten Zweck. © Depositphotos | Nyker

Welche Möglichkeiten bietet das bespielte Setting?

Das Setting, in dem ein heiliger Ort gestaltet werden soll, kann zunächst einmal Rahmenbedingungen für diesen schaffen. So wird sich die Stätte eines mittelalterlichen Fantasysettings von der einer Science-Fiction-Welt allein schon durch die verfügbaren Materialien und Technologien unterscheiden. Hinzu kommen andere Ansichten und Ansprüche an Religionen durch verschiedene Wissensstände und Lebensbedingungen.

Dafür können diese Orte in einer Fantasywelt deutlich mystischer und vielleicht sogar etwas magisch dargestellt werden. Ungewöhnlich zutrauliche Tiere, Manifestationen der Eigenschaften, die einem Gott zugeordnet werden, in der Nähe der Stätte oder plötzliche, starke Emotionen sind hier denkbar.

Wie steht die Welt zur Religion des heiligen Ortes?

Vermutlich wird es in der bespielten Welt nicht nur eine Religion geben. Wenn ein Ort einer dieser Glaubensrichtungen dargestellt werden soll, kann ihr Stellenwert Ideen zur genauen Ausgestaltung geben. Gibt es viele Mitglieder und es wird von allen ein Beitrag gezahlt? Dann könnten die heiligen Orte reich ausgestattet sein. Handelt es sich um eine Religion, die (eventuell zu Unrecht) verboten ist? In diesem Fall könnten die heiligen Orte zerstört und im Untergrund behelfsmäßig neu errichtet worden sein. Ist es eher eine Naturreligion, die von mehreren Stämmen praktiziert wird? Dann könnten die heiligen Orte mit Materialien aus der Natur bestückt sein oder es könnte sich bei ihnen um etwas Abstrakteres handeln, wie der Ort, an dem das Reh sich gegen den Wolf behauptet hat.

Als Beispiel lässt sich hier wieder DSA nennen. Dort gilt Praios als oberster der Zwölfgötter und steht für Wahrheit, Recht, Ordnung, Licht und kontrollierte Magie. Da man jedoch in manchen Gebieten des südlichen Aventuriens der schwarzen Magie und Dämonenbeschwörung zugetan ist, wurde der Praios-Kult dort verboten.

Zwei heilige Orte als Beispiel

Um deutlich zu machen, dass solche Orte auf unterschiedlichste Weise dargestellt werden können, sollen an dieser Stelle zwei Beispiele aufgezeigt werden.

Die verkohlte Eiche

Ein kleines Dorf mitten im Wald, dessen Einwohner*innen eigentlich der größten Religion ihres Landes angehören. Doch die Hauptstadt ist so weit weg, dass sich mit der Zeit lokale Eigenheiten entwickelt haben. Da ihr Gott zu Jähzorn neigen kann, welchen er in Form von Gewittern zu ihnen schickt, waren sie lange darauf bedacht, ihn nicht zu verärgern. Das änderte sich jedoch, als eines Nachts ein Blitz die mächtige Eiche auf einer nahen Lichtung in zwei Teile spaltete. Doch anstatt zu verbrennen oder abzusterben, überlebte der Baum. Er erholte sich rasch wieder und wenn die Sonne nun im richtigen Winkel steht, dann scheinen ihre Strahlen durch den gespaltenen Baum genau auf die kleine Kapelle am Rande des Dorfes.

Die alte Eiche ist für die Dorfbewohner*innen zu einem Symbol ihres Glaubens geworden. © Depositphotos | antb

Die Bewohner*innen nehmen dies seither als Zeichen ihres Gottes, dass er sie mit seinem Jähzorn nicht strafen will, und fürchten sich nicht länger vor Gewittern. Die Eiche ist für sie zu einem heiligen Ort geworden und sie fühlen sich dort ihrem Gott besonders nahe. Selbst die regelmäßigen Gottesdienste wurden dorthin verlegt. Da aber niemand den Ort verändern möchte, setzt man sich einfach ins Gras.

In einem Abenteuer könnten die Charaktere um Hilfe gebeten werden, weil die Eiche immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Es stellt sich schließlich heraus, dass ein Dorfbewohner immer mehr Rinde, Blätter und Äste entfernt hat, um sie an abergläubische Reisende zu verkaufen, da sie angeblich Schutz oder Glück bringen.

Der Tempel der Stadt

In einer großen Stadt herrscht, wie im Rest des Reiches, der Glaube an vier Götter. Die Stadt selbst wurde um einen prächtigen Tempel herum erbaut. Der Tempel selbst soll an dem Ort stehen, an dem die vier Götter einst herabkamen und das Land vor einem Feind beschützten, der alles zu verschlingen drohte. Nun dient der Tempel als Pilgerstätte. Hierfür wurden in seinem Inneren mehrere Meter hohe Statuen der vier Götter errichtet. Vor jeder von ihnen steht ein Altar, auf dem Opfer dargeboten werden können. Große Feuerschalen erhellen den riesigen Raum Tag und Nacht.

Mehrere Priester*innen sind damit beschäftigt, alles in Ordnung zu halten und sich um die Gläubigen zu kümmern. Steinerne Bänke an den Seiten laden zu einem kurzen Gebet ein, doch der größte Teil des hellen, marmornen Fußbodens wird freigehalten, um möglichst viel Platz bieten zu können.

Am höchsten Feiertag werden die großen und schweren Türen weit geöffnet, sodass die Menschen, die keinen Platz mehr im Tempel finden, dennoch am Götterdient teilhaben können.

In einem Abenteuer könnten die Charaktere im Tempel mit einem Konflikt konfrontiert werden, bei dem sich zwei Gruppierungen von Pilger*innen gegenüberstehen, die jeweils einen der Götter für sich als wichtigsten auserkoren haben. Nun streiten sie darüber, wer Recht hat. Die Lage spitzt sich zu, als eines Morgens die Statue einer der beiden Götter mit Blut beschmiert ist und Beweise bei einem der Charaktere gefunden werden.   

Fazit

Sakrale oder heilige Orte haben eine besondere Ausstrahlung für ihre Gläubigen. Richtig dargestellt, können aber auch Außenstehende eine Idee davon bekommen, was sie so besonders macht. Verschiedenste Aspekte der zugehörigen Religion können Inspirationen zur genauen Ausgestaltung geben. Da diese Orte eine nicht zu vernachlässigende Wichtigkeit besitzen, sollte den Charakteren klar sein, dass es mehr oder weniger negative Konsequenzen nach sich zieht, wenn sie sich nicht angemessen verhalten. Auch, wenn das entsprechende Verhalten erst erfragt werden muss.

Religion kann ein sehr persönliches, aber auch heikles Thema sein. Nicht alle Spieler*innen können oder wollen sich am Spieltisch damit beschäftigen. Das sollte respektiert werden. Davon abgesehen können sakrale Orte eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten. Seien sie spiritueller, mystischer oder übernatürlicher Art – vielleicht sind sie aber auch nur ganz profaner Natur, indem ein*e Gläubige*r die Charaktere um Hilfe bittet.

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | Waikeat
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Saskia Harendt

1 Kommentar

  1. Für die Erschaffung von Religionen würde ich zusätzlich Gurps Religion als Quelle empfehlen. Damit lassen sich mit moderatem Aufwand viele glaubwürdige Religionen erschaffen — es ist wie bei Gurps üblich unglaublich gut recherchiert.

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