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30 Jahre nach Veröffentlichung erhält The Bard’s Tale III einen direkten Nachfolger. Kann der Old School Dungeon Crawler auch heute noch bestehen und macht das Spielkonzept auch nach so langer Zeit noch Laune? Wir konnten das Spiel bereits vorab testen und liefern euch eine erste Einschätzung.

Die Crowdfunding-Spezialisten von inXile Entertainment haben sich nach Wasteland und Planescape Torment an einen weiteren Klassiker der digitalen Rollenspiellandschaft gewagt. 100 Jahre nach den Geschehnissen von The Bard’s Tale III setzt die Handlung um Menschen, Zwerge und Elfen ein. Aus der Egoperspektive dürfen wir dabei die von Fremdenhass zerrüttete Stadt Skara Brae erkunden. Das tun wir zunächst am PC, im kommenden Jahr können Abenteurer aber auch auf Xbox und PlayStation einsteigen.

Die Geschichte

Nach einem stimmigen Intro, das uns die Geschichte der Welt von The Bard’s Tale erklärt, werden wir gleich ins Geschehen geworfen. Als Bardin Melody müssen wir mit ansehen, wie eine Gruppe Helden von den Vateriden aufgrund einer Kooperation mit den Alten Völkern (Elfen und Zwerge) hingerichtet wird. Nachdem uns Rabbie, der Chef der Abenteurergilde, eingesammelt hat, ziehen wir uns in den für Fremdvölker sicheren Hafen der Gilde zurück.

Dort angekommen stehen wir vor der Wahl, als Melody weiterzuspielen oder uns einen eigenen Charakter zu erstellen. Die Charaktererstellung ist einfach und bekannt. Vier Klassen stehen zunächst zur Auswahl: Kämpfer, Magietreibender (so die etwas holprige deutsche Übersetzung), Gauner und Barde. Während die ersten drei klar umrissene Spielweisen haben, ist der Barde als Hybrid ausgelegt, der zwar das meiste kann, aber nirgendwo so wirklich brilliert. Neben fünf verschiedenen Menschenvölkern, die von den wikingerartigen Einarr bis zu den schottischen Pikhti reichen, stehen uns auch Zwerge, Elfen und die koboldartigen Trow zur Verfügung. Am Schluss werden noch einige Punkte in übersichtliche Talentbäume verteilt, die sowohl unsere Attribute, als auch unsere aktiven Fertigkeiten bestimmen.

Ein übersichtlicher Talentbaum, bei dem jede Fähigkeit Einfluss hat!

Gute Ideen, altbackene Ausführung

Zurück in Skara Brae schenken uns, wie kaum anders zu erwarten, die Vateriden ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Es verwundert kaum, dass sie uns angreifen, wenn man sich vor Augen hält, dass der Schankraum der Gilde vor Mitgliedern der alten Völker und ungeliebten Magiewirkern überquillt. So klassisch das Setting auch wirken mag, es hat seine durchaus interessanten Eigenheiten. So sind die Trow eine recht ungewöhnliche Fremdrasse, ohne dabei aber allzu tief in die Exotenkiste zu greifen. Während die Elfen nach bekanntem Schema aufgemacht sind, sind die Zwerge mit ihrer steinern-bläulichen Haut und gänzlichen Bartlosigkeit durchaus interessant. Auch das keltisch-schottische Design der Menschenvölker ist zwar nicht ganz neu, aber zumindest erfrischend.

Die Unterstadt Skara Braes beruht auf den Plänen der Stadt aus den Vorgängerspielen

Das Storytelling selbst ist durchaus altbacken. Wer hier epische Zwischensequenzen sucht, der wird leider enttäuscht werden. Die Gesichtsanimationen der Figuren wirken hölzern, allerdings sind die Dialoge spannend geschrieben und gut vertont; allerdings ist die Tonspur, zumindest in unserer Testversion, nur in englischer Sprache verfügbar. Deutsche Untertitel sind zuschaltbar, die Übersetzung wirkt etwas holprig. Aus einem „arming sword“ ein „Rüstschwert“ zu machen, ist verzeihbar. Wenn allerdings aus einer „rusty chainmail coif“ eine „Rostige Kettenrüstungs-Bundhaube“ wird, dann liegt zumindest die Vermutung nahe, dass bei der Wahl der Übersetzer mehr auf das Portemonnaie als auf das Portfolio geachtet wurde.

Gameplay

Wo wir uns über den rundum tollen Sound von Ambiente, Musik und Sprechern freuen dürfen, da versagt der grafische Unterbau völlig. Zwar wirken sämtliche Assets stimmig, wenn auch nicht ganz auf der Höhe der Zeit, allerdings ist die dahintersteckende Technik eine Katastrophe. Auf jeder Grafikeinstellung, die nicht „Ultra“ lautet, werden wir von matschigen Texturen begrüßt. Erklärbar ist dieser Sprung kaum. Dass die Grafik allgemein keine Preise gewinnen würde, war abzusehen, schließlich ist das Spiel in seiner Gesamtheit auf einen Retro-Stil ausgelegt. Dass wir aber andauernd mit Rucklern zu kämpfen haben, obwohl wir nicht gerade Highend-Grafik geboten bekommen, ist schade.

Das Spiel bestreiten wir aus der Egoperspektive im Stil von etwa Might and Magic oder der klassischen DSA-Nordlandtrilogie. An ein Gitternetz sind wir dabei allerdings nicht gebunden, freies Umschauen und Bewundern der Spielwelt ist also möglich. Wer jetzt befürchtet, dass man einen Rollenspiel-Shooter-Hybriden á la Dark Messiah oder Elder Scrolls aus dem altehrwürdigen Klassiker gemacht hätte, der kann beruhigt aufatmen. Sobald ein Kampf beginnt, wechselt das Spiel in einen rundenbasierten Kampfmodus, der schnell verstanden und schwer gemeistert ist. Auch auf niedrigen Schwierigkeitsgraden ist das Spiel durchaus fordernd, ohne unfair zu werden.

Speichern dürfen wir nur an solchen Statuen.

Gerade die Charakterentwicklung macht übrigens Spaß. Hier hat man kurzerhand Attribute, Fertig- und Fähigkeiten anderer Spiele in die vorhin erwähnten Talentbäume zusammengefasst. Wir schalten darüber Handwerksfertigkeiten, aktive Fähigkeiten, Attributserhöhungen oder die Nutzung bestimmter Rüstungen frei. Gerade die aktiven Fähigkeiten haben je nach Gegnergruppe eine bestimmte Relevanz. Kämpfen wir gegen viele Magier, brauchen wir Fähigkeiten, die mentalen Schaden anrichten. Sind viele Schwergerüstete dabei, brauchen wir Zauber, die Rüstung auflösen. Allerdings können wir immer nur vier aktive Fähigkeiten pro Charakter zugleich mitnehmen. Wir basteln also häufig an unserem Gruppen-Setup herum, was sowohl fordernd als auch enorm spaßig ist.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: inXile Entertainment
  • Publisher: inXile Entertainment
  • Genre: Rollenspiel
  • Releasedatum: 18. September 2018
  • Spieleranzahl: Singleplayer
  • Altersfreigabe: USK 12 / PEGI 16
  • Preis: 29,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

The Bard’s Tale IV: Barrows Deep ist kein schlechtes Spiel, ganz im Gegenteil. Die Geschichte und das Gameplay wissen durchaus zu gefallen. Fans von klassischen Rollenspielen, von Fans der Serie ganz zu schweigen, werden ohne Weiteres über seine Schwächen hinwegsehen können! Von inXile allerdings, denen wir das fantastische Torment: Tides of Numenera verdanken, kann man allerdings mehr erwarten. Die schwächelnde Grafik, die frappierend an die Performance-Probleme mancher Early-Access-Titel erinnert und auch die schwache Übersetzung sind problematisch.

Das Storytelling ist zwar gewollt retro, aber dadurch eben auch nicht mehr zeitgemäß. Spiele wie Divinity: Original Sin II haben gezeigt, dass retro und modern sich keinesfalls widersprechen. Für 29,99 EUR allerdings macht man als Fan klassischer Rollenspiele hier auch keinen Fehler.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: Koch Media
Screenshots: Stephan Köhli
Dieses Produkt wurde kostenlos vorab zur Verfügung gestellt.

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