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Endlich geht es mit Anno 1800 wieder in vergangene Zeiten. Statt fliegender Autos und Raumschiffe gibt es nun rauchende Fabrikschlöte, Pferdekarren, Expeditionen und neuerdings auch Tourismus. Wir begeben uns in die Zeit der Industrialisierung und der Erkundung einer Neuen Welt.

Mein Herz schlug höher, als Ubisoft ankündigte, dass es zum einen einen neuen Anno-Teil geben würde, zum anderen aber auch, dass es nun endlich wieder in die Vergangenheit geht. Zwar waren die Zukunftsszenarien in Anno 2205 und Anno 2070 durchaus interessant und teils sehr gesellschaftskritisch, aber Anno war für mich immer etwas, das mit vergangenen Tagen zu tun hatte.

Ich bin Anno-Fan erster Stunde. Den ersten Teil erlebte ich noch auf dem Schoß meines Vaters sitzend, den zweiten spielte ich bereits allein. Ich habe kein Anno übersprungen und viele Stunden meines Lebens in diesen Spielen gelassen, wobei Anno 1404 stets mein Favorit war. Ich bin also gespannt, ob der neue Teil dieser Reihe mich wieder abholen und womöglich neu begeistern kann.

Kohlerauch und die Erkundung einer neuen Welt

Anno 1800 entführt uns in die Zeit der industriellen Revolution, in die Anfänge der Luftverschmutzung und zu der Aufregung von Expeditionen über den Rand der Welt. Dabei wird das Grundprinzip des Spiels nicht neu erfunden: Es geht um die Besiedelung von Inseln und den Aufbau einer Gesellschaft.

Bereits die letzten Teile von Anno gewannen hierbei immer mehr an Komplexität. Dieser Teil der Reihe tut dem keinen Abbruch, worauf ich etwas weiter unten nochmal eingehe.

Neu in Anno 1800 ist es, dass man Expeditionen in die Neue Welt unternimmt. In den letzten Teilen hat man lediglich durch Klicken eines Buttons oder Kaufen von Verträgen neue Sektoren und Inselgebiete freigeschaltet. In diesem Spiel schickt man jedoch ein möglichst gut ausgerüstetes Schiff los, um eine Expedition in die Neue Welt zu unternehmen. Das Spiel gibt Tipps, was an Bord sein sollte, und man sollte diese Tipps gut beachten. Ich habe sie nämlich bei meiner ersten Expedition ignoriert und mein Schiff kam nach gerade einmal acht Tagen auf See zurück. Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntermaßen.

Neue Bedürfnisse hat das Volk!

Der Anfang bleibt stets gleich, Bauernhäuser bilden das Fundament der Gesellschaft
Der Anfang bleibt stets gleich, Bauernhäuser bilden das Fundament der Gesellschaft

Während sich die Bedürfnisse auf der ersten Stufe der Bevölkerung noch kaum von allen anderen Spielen der Reihe unterscheiden, so bemerkt man die historischen Hintergründe ab der zweiten Stufe um so mehr. Dem Volk verlangt es nun nach Würsten und Seife, später kann man sogar ein Varieté für das Volk bauen.

Dass Anno die jeweilige Zeit in den Bedürfnissen des Volkes widerspiegelt, ist zwar nicht neu, aber mir macht es stets Spaß, all die neuen Details kennenzulernen und meiner Bevölkerung ein schönes Leben machen zu können.

Hierbei werden die Produktionslinien wieder komplexer. In meinem Testspiel war es etwa nicht ganz einfach, an Saatgut zu kommen, um fehlende Fruchtbarkeiten aufzubauen. Stattdessen war ich sehr früh gezwungen, auf eine neue Insel zu expandieren, um die Bedürfnisse meiner Bevölkerung zu stillen.

Neu – mit dem Blueprint Modus kann man Gebäude planen und muss später nur noch den Button zum Ausbauen betätigen.

In früheren Teilen der Anno-Reihe arbeiteten Produktionslinien noch mit Umsatzmengen für die produzierten Waren, nun allerdings werden stattdessen Produktionszeiten angegeben, was die Rechnung, wie viele Rinderfarmen man für die Konservenfabrik braucht, ein bisschen schwieriger macht als zuvor. Dabei hatte ich jedoch das Gefühl, dass die angegebene Zeit nicht immer mit der realen Produktionszeit im Spiel übereinstimmte, was jedoch durchaus noch ein Wehwehchen der Beta sein kann.

Wunderschöne Grafik, liebevolle Dialoge und durchdachte Details

Die Grafik bewahrt ihre Kontinuität. Schön gestaltete Gebäude und vielfältige Inselwelten konnten mich auch dieses Mal schnell begeistern, nichts Anderes habe ich erwartet.

Hinzu kommen die Dia- oder auch besser Monologe der NSC, die mich vollends in die Zeit der Industrialisierung transportiert haben: Unflätige Kommentare von unzufriedenen Bauern, Arbeiter, die von den Wundern der neuen Zeit schwärmen. Selbst der ländliche Dialekt der damaligen Zeit wurde von Ubisoft Blue Byte wunderbar umgesetzt. Wobei ich dies nur für die englische Sprachvariante beurteilen kann, da die Closed Beta nicht auf Deutsch verfügbar war.

Die Benutzeroberfläche wurde in Anno 1800 großzügig umgestaltet, meiner Meinung nach zum Besseren. Am unteren Bildschirmrand ist dauerhaft eine Leiste eingeblendet, in der man zwischen Standardaktionen, dem Bau-Menü und der Schiffübersicht hin und her wechseln kann. Mit nur einem Klick kann man nun den Straßenbau auswählen, Gebäude umplatzieren oder auch abreißen. Die Sortierung des Bau-Menüs ist dabei entweder nach Bevölkerungsstufe oder Gebäudeart möglich.

Außerdem wurde die Anzeige der Bedürfnisse unserer Inselbewohner ein wenig überarbeitet. Unter dem Reiter „Needs“ findet sich alles Überlebenswichtige, wie zum Beispiel Nahrung. Unter „Happiness“ dagegen findet sich jenes, was das psychische Befinden unserer Bevölkerung beeinflusst, der Zugang zu einem Pub oder dem Varieté beispielsweise.

Links befindet sich die Karte, das Diplomatie- und Handelsrouten-Menü, die Benachrichtigungen sowie das neu hinzugekommene Questbook und die ebenfalls neue Zeitung. Letztere kann maßgeblich Einfluss auf die Launen der Bevölkerung nehmen und die Wahrscheinlichkeit einer Revolte steigern. Man sollte also stets einen Blick auf die Zeitung werfen und gegebenenfalls einige Artikel ändern. Dies kostet aber Attraktivitätspunkte, die auch neu in Anno 1800 sind.

Attraktivität ist ein neuer Trait, den man nicht ignorieren sollte
Attraktivität ist ein neuer Trait, den man nicht ignorieren sollte

Eine attraktive Stadt lockt Besucher und Touristen an und beeinflusst die Steuereinnahmen. Über die Attraktivität der Stadt wird man auch ständig von einem NSC auf dem Laufenden gehalten, der kommentiert, wenn diese steigt oder auch fällt.

Gewohnt ist dagegen die Anzeige am oberen Bildschirmrand: Bilanz, Anzeige der Bevölkerungszahl und der vorhandenen Rohstoffe. Man kann hier auch den Namen und aktuellen Titel der Stadt ein- und ausblenden.

Lasst uns eine Reise tun

Zum ersten Mal gibt es ein Questbook
Zum ersten Mal gibt es ein Questbook

Erstmals kann man die neuen Inselwelten aktiv mit einer Quest erschließen. Hierfür erscheint die Möglichkeit, eine Expedition zu unternehmen, wenn man die zweite Bevölkerungsstufe erreicht.

Man muss nun ein freies Schiff auswählen, welches diese Expedition bestreitet, und kann dieses Schiff noch mit einigen Dingen ausstatten, bevor es über den Rand der Welt segelt – oder in diesem Fall über den Rand der Karte.

Dazu können zum einen NSC an Bord des Schiffes geschickt werden, die die Moral hochhalten, den Glauben bestärken oder gegen Krankheiten aktiv werden können. Außerdem sollte man aber auch Essensrationen mit an Bord nehmen, denn auch diese werden die Moral bestärken. Seien wir auch mal ehrlich: Welches Schiff segelt denn auch schon in fremde Gewässer ohne genug Essen und einen guten Navigator?

Das Spiel selbst gibt hierbei Tipps, denen man Beachtung schenken sollte. Segelt das Schiff dann los, hat man meist erstmal eine kleine Pause, in der man sich wieder um seine Bevölkerung kümmern kann, bevor erneut Entscheidungen für die Expedition getroffen werden müssen.

Auf einer Expedition können so allerlei Gefahren lauern
Auf einer Expedition können so allerlei Gefahren lauern

Gefahren lauern in den fremden Gewässern, und diesen muss man möglichst auf die richtige Art und Weise begegnen. So muss vielleicht der Priester, der hoffentlich mit an Bord ist, einen Exorzismus durchführen, wenn ein Geist die Mannschaft heimsucht. Keinen Priester an Bord? Nun, dann heißt es wohl Zähne zusammenbeißen und weitersegeln – oder zurück nach Hause, wenn die Moral nicht mehr ausreicht. Ist man für alle Eventualitäten der Reise gewappnet, ist diese allerdings gut schaffbar, und man darf die Neue Welt besiedeln. Hier warten Dschungellandschaften, die von Flussläufen durchbrochen und von tropischen Tieren bevölkert werden.

Auf diesen Expeditionen können dann auch Tiere aus der neuen Welt mit nach Hause gebracht werden, um den Zoo auszustatten, der in Anno 1800 erstmals gebaut werden kann und Touristen anlockt. Hierbei empfiehlt es sich, den Zoo mit viel Platz drum herum zu bauen, damit nach und nach Gehege für mehr Tiere angebaut werden können.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Ubisoft Blue Byte Mainz
  • Publisher: Ubisoft
  • Plattform: Microsoft Windows
  • Mindestanforderungen: Minimal: Prozessor: Intel Core i5-750 / AMD Phenom II X4 955 | Grafikkarte: GeForce GTX 460 / Radeon HD 5870 | Arbeitsspeicher: 4 GB RAM
    Empfohlen: Prozessor: Intel Core i5-2400S / AMD FX-4100 | Grafikkarte: GeForce GTX 680 / Radeon HD 7970 | Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
  • Genre: Aufbauspiel mit Echtzeit-Strategie-Elementen
  • Releasedatum: 16. April 2019
  • Spielstunden:
  • Spieleranzahl: Mehrspielermodus möglich
  • Altersfreigabe:
  • Preis: 59,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Der Preis, der für Anno 1800 anberaumt wird, liegt im üblichen Bereich: Für knapp 60 EUR erhält man das Basisspiel.

Alles in allem bietet Ubisoft auch mit der Closed Beta bereits ein sehr gut spielbares Spiel. Lediglich hier und dort hing mein Schiff mal an den Rändern einer Insel fest und brauchte so ein paar Sekunden länger zum nächsten Hafen. Aber es ist wohl davon auszugehen, dass solche Feinheiten noch behoben werden, bevor das Spiel im April endgültig veröffentlicht werden soll. Aktuell kann man sich auch noch für sogenannte Fokus-Tests anmelden, in denen man eine Woche lang das Spiel jeden Tag auf Herz und Nieren testen soll.

Schaffarmen neben rauchenden Schloten, willkommen in der Industrialisierung
Schaffarmen neben rauchenden Schloten, willkommen in der Industrialisierung

Dieser Artikel bezieht sich lediglich auf die Closed Beta und kann vom finalen Produkt abweichen. Insgesamt habe ich am Beta-Wochenende etwa 10–15 Stunden im Spiel verbracht und es schlussendlich bis zur dritten Bevölkerungsstufe und der Besiedelung der Neuen Welt geschafft, wobei ich mir doch stets auch sehr viel Zeit genommen habe, um alles zu entdecken und zu bewundern.

Sehr gut gefallen hat mir die Aufteilung der Arbeitskraft in die Bevölkerungsstufen. Man brauchte stets genug Bauern, um Farmen zu bedienen, aber auch Arbeiter und Handwerker für die Arbeitsstätten der höheren Bevölkerungsstufen. Hatte man davon nicht genug, hat die Produktivität der jeweiligen Arbeitsstätte darunter gelitten.

In den vorhergehenden Spielen der Reihe gab es zwar auch bereits die Arbeitskraft, diese war jedoch unabhängig von Bevölkerungsstufen und dadurch ein wenig einfacher zu handhaben.

Ich hatte sehr viel Spaß mit Anno 1800 und freue mich sehr auf das fertige Produkt, das aktuell für den 16. April 2019 angekündigt ist. Sind dann alle Wehwehchen der Beta ausgeräumt, wird dies ein Anno-Spiel, das die Reihe würdig fortsetzt.  

mit Tendenz nach oben

Artikelbild: Ubisoft Blue Byte, Screenshots: Verena Bach, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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