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Deckbauspiele spielen sich doch alle irgendwie gleich, sollte man meinen. Aber seit Erfindung des Genres gibt es immer wieder Perlen, die den Mechanismus mit frischen Ideen angehen und so etwas Neues daraus erschaffen. Kann sich auch Albedo, ein Spiel aus einem deutschen Selbstverlag, aus der Masse hervorheben?

Deckbau ist mit seiner Einführung im Jahr 2008 eine der jüngsten der großen Mechaniken der Brett- bzw. Kartenspielwelt. Und in den vergangenen 10 Jahren haben viele Spiele diese durch Dominion eingeführte Mechanik genommen und eigene Spiele auf ihrer Basis entwickelt. Ob Thunderstone oder Ascension in den frühen Jahren, oder jüngere Vertreter wie Hero / Star Realms oder ShardsofInfinity: Das grundlegende Spiel ist immer irgendwie das Gleiche. Und es gibt natürlich auch Spiele, die Deckbau als einen Teil eines größeren Ganzen verwenden, wie zum Beispiel Klong!

Was jedoch selten ist, sind Spiele, die reine Deckbauspiele sind, aber sich dennoch komplett anders anfühlen, als man es von diesem Mechanismus gewohnt ist. Genau ein solches aber ist uns auf der letzten SPIEL 2018 in die Finger gefallen, und wir wollen euch davon berichten.

Spielablauf

Albedo ist ein simultan gespieltes Deckbauspiel, in dem jeder der zwei bis vier (oder bis acht, wenn man zwei Grundspiele verwendet) Spieler die Kontrolle über eine Fraktion der Menschheit übernimmt, die versucht, Städte auf verschiedenen Planeten zu erobern, um dort neue Raumschiffe oder Bodentruppen auszuheben oder Siegpunkte zu gewinnen.

Diese Karten stehen jedem Spieler zu Beginn der Partie zur Verfügung. Die blauen Karten können dabei jeweils in zwei Varianten (um 180° gedreht) eingesetzt werden.
Diese Karten stehen jedem Spieler zu Beginn der Partie zur Verfügung. Die blauen Karten können dabei jeweils in zwei Varianten (um 180° gedreht) eingesetzt werden.

Gespielt wird Albedo über sieben Runden, in denen jeweils zwei Planeten (bei 5-8 Spielern drei) umkämpft werden. Jeder Spieler hat dazu stets sechs Karten auf der Hand, die dann gleichzeitig und verdeckt auf die beiden Planeten verteilt werden. Dabei können alle Raumkampfeinheiten in ihrer normalen Konfiguration, also maximaler Raumkampfstärke, verwendet werden, oder aber umgebaut werden, um im Bodenkampf zu unterstützen, wodurch sie jedoch im Raumkampf schwächer werden. Dies wird symbolisiert, indem die Karten um 180° gedreht werden.

Damit diese Auswahl auch wirklich geheim passiert und hinterher keine Missverständnisse über die Ausrichtung der Karten entstehen, gibt es pro Planet eine Navigationskarte, und alle Karten, also Raum- und Bodenkampfeinheiten sowie die Navigationskarten, bilden pro Spieler einen Stapel.

Die hier gezeigte Verteilung der Karten würde bei Planet 1 Raumkampf 3 und Bodenkampf 2 bringen, bei Planet 2 in beiden Werten zwei Punkte.
Die hier gezeigte Verteilung der Karten würde bei Planet 1 Raumkampf 3 und Bodenkampf 2 bringen, bei Planet 2 in beiden Werten zwei Punkte.

Nachdem alle Spieler ihre Auswahl getroffen haben, werden die Planeten nacheinander abgehandelt. Dazu wird zuerst die Summe der Raumkampfwerte aller Spieler verglichen. Dieser Wert gibt die Initiative und damit die Reihenfolge an, in der sich die Spieler für eine der drei anzugreifenden Regionen entscheiden dürfen.

Jeder Planet hat dabei drei Regionen, von denen zwei jeweils nur einmal angegriffen werden können. In der oberen linken Ecke findet sich die Hauptstadt, der Tempel oder sonstige wichtige Gebäude, die Siegpunkte versprechen. In der unteren linken Ecke hingegen finden sich wichtige Produktionsstätten, an denen die stärksten Einheiten (Karten) des Spiels zu finden sind. Die Mitte ist eine generische Stadt, von denen es mehrere pro Planet gibt, weswegen sie auch von mehr als einem Spieler angeflogen werden kann.

Die Planeten bieten jeweils drei unterschiedliche zu erobernde Regionen.
Die Planeten bieten jeweils drei unterschiedliche zu erobernde Regionen.

Hat ein Spieler sich für eine Region entschieden, kann er dort mit seinem Bodenkampfpunkten Aktionen durchführen: Siegpunkte erlangen (obere Region), eine neue Karte bekommen (untere und mittlere Region) oder Einheiten als Besatzung zurücklassen (mittlere Region). Die Einheiten in der mittleren Region sind dabei ein gutes Stück schlechter als die der unteren Region, dafür gibt es dort aber immer die Möglichkeit, bis zu zwei Einheiten aus seinem Deck zu entfernen, wodurch nicht nur dieses schneller und besser wird, sondern am Ende des Spiels sogar Siegpunkte winken.

Dies sind alle verfügbaren zukaufbaren Karten. Die drei linken Stapel sind immer gleich, die beiden rechten Spalten bilden, jeweils einzeln gemischt, die Einheiten der stärkeren Luft-und Bodenkampfstapel.
Dies sind alle verfügbaren zukaufbaren Karten. Die drei linken Stapel sind immer gleich, die beiden rechten Spalten bilden, jeweils einzeln gemischt, die Einheiten der stärkeren Luft-und Bodenkampfstapel.

Dieser Vorgang wird für jeden Planeten wiederholt, dann kommt es zur nächsten Runde. Wer am Ende die meisten Siegpunkte hat, gewinnt das Spiel. Was sich jetzt relativ einfach liest, ist in der Praxis auch genau das. Zumindest von der Regelseite her ist Albedo leicht zu verstehen. Aber durch die Möglichkeit, jeweils an zwei bis drei Planeten eine von drei Aktionsmöglichkeiten durchzuführen sowie der Gefahr durch die anderen Mitspieler, die diese wegnehmen könnten, und der Option, die eigenen Schiffe jeweils in einer von zwei Konfigurationen einzusetzen, ist das Spiel voll von schwierigen Entscheidungen.

Besonders hervorzuheben sind dabei ein paar gut durchdachte Kleinigkeiten. So hat jeder Spieler zu Beginn neun Karten und zieht jede Runde sechs. Dadurch besteht bereits ab der zweiten Runde die Möglichkeit, dass eine der neuen und besseren Karten ins Spiel kommt. Auch ist das Ausdünnen des Decks in Albedo nicht nur bestimmten Karten vorbehalten, sondern zentraler Bestandteil jeder Runde und Teil der Siegpunkte am Ende. Und da das Spiel insgesamt nur über sieben Runden geht, ist es schon ab der ersten Runde sinnvoll, auch einen Blick auf die möglichen Siegpunkte zu werfen.

Eine Partie Albedo dauert, dank der gleichzeitigen Aktionswahl, relativ unabhängig von der Spielerzahl, zwischen 30 und 45 Minuten. Kurz genug also, um als Füllspiel zu dienen, wenn man noch auf jemanden wartet, oder für noch eine weitere Partie.

Die Reihenfolge, in der die Planeten ins Spiel kommen, ist zufällig und 4 der 17 Planeten spielen auch in jeder Partie nicht mit. Auch die zu erlangenden besseren Raumschiffe und Bodentruppen tauchen nicht immer in der gleichen Reihenfolge auf. Somit ist der Aufbau jedes Mal leicht unterschiedlich. Der Unterschied ist dabei aber nicht groß genug, damit sich die Partien grundlegend anders anfühlen würden. Der Wiederspielwert von Albedo kommt eher daher, dass man versucht, unterschiedliche Strategien zu spielen und die optimale zu finden. Da sich natürlich auch die Strategien der Gegenspieler mitentwickeln, ist ein ordentliches, wenn auch nicht endloses, Maß an Wiederspielbarkeit gegeben.

Ausstattung

Das Spiel besteht komplett aus Karten, sodass keine Notwendigkeit für eine aufwendigere Box besteht.
Das Spiel besteht komplett aus Karten, sodass keine Notwendigkeit für eine aufwendigere Box besteht.

Die Schachtel von Albedo ist minimalistisch gehalten, bietet aber ausreichend Platz für die Karten, die das einzige Spielmaterial darstellen. Die Karten sind von ordentlicher Qualität.

Das Grundspiel bietet ausreichend Material, um mit maximal vier Spielern zu spielen. Hat man zwei Grundspiele, kann manbei minimaler Anpassung der Regeln – es werden dann drei statt zwei Planeten je Runde aufgedeckt – mit bis zu 8 Leuten spielen.

Die Grafiken des Spiels sind gelungen und passen gut zum generischen Science-Fiction-Setting. Lediglich die Zahlen und Symbole hätten gerne etwas größer ausfallen dürfen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Herbertz Entertainment UG
  • Autor(en): Kai Herbertz
  • Erscheinungsjahr: 2017 (limitierte erste Auflage), 2018 (zweite Auflage mit überarbeiteter Grafik)
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 30-45 Minuten
  • Spieleranzahl: 2 3 4 (5 6 7 8 mit zweitem Grundspiel)
  • Alter: 10+
  • Preis: 19 EUR (Erweiterung: 15 EUR)
  • BezugsquelleDrachental (Erweiterung)

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite des Spiels kann man die Regeln auf Deutsch und Englisch herunterladen. Abgesehen davon verweist der Autor selbst auf Boardgamegeek, da die eigentliche Homepage derzeit nicht mehr aktuell ist und eine Überarbeitung ansteht.

Mit der Erweiterung Space Pirates kommen weitere Planeten hinzu, die sich nicht mehr an das feste Muster halten, dass jeder Planet einmal für Punkte und einmal für eine besondere Karte erobert werden kann. Außerdem kommt eine weitere spielbare Fraktion dazu, die über einen anderen Satz an Startkarten verfügt.

Mit dieser zusätzlichen Fraktion kann man, mit einem Grundspiel und einer Space Pirates‑Erweiterung, Albedo mit bis zu sechs Spielern spielen. Voraussetzung ist dann jedoch, dass maximal vier Spieler die Grundfraktion spielen können sowie maximal zwei die Piraten aus der Erweiterung.

Auf der Webseite des Kickstarters für diese Erweiterung, der im vergangenen Jahr lief, finden sich auch Links zu Print and Play-Dateien für das Grundspiel mit Grafiken und ohne Grafiken. Diese sind gut geeignet, das Spiel auszuprobieren. Aber denkt daran, dass die Arbeit von Spieleentwicklern belohnt werden sollte und unterstützt den Autor bei Gefallen des Spiels durch einen Kauf dessen.

Fazit

Albedo ist ein Deckbauspiel für zwei bis vier Spieler oder sogar für bis zu acht, wenn man zwei Grundspiele hat. Dabei hebt es sich erfreulich von den anderen Deckbauspielen ab, indem das Spiel gleichzeitig gespielt wird und man so immer antizipieren muss, was die anderen Spieler gerade vorhaben. Auch muss man in jeder Runde entscheiden, welche Einheiten man zu welchem Planeten schickt und wie man die Raumschiffe dabei einsetzt, wozu es pro Raumschiff zwei Möglichkeiten gibt. Obwohl das Spiel nur sieben Runden lang ist, entstehen so wirklich spannende und knifflige Entscheidungen und dadurch ein spannendes und alles andere als simples Spiel.

An keiner Stelle erfindet Albedo dabei das Rad neu, aber dennoch werden bekannte Mechanismen auf geschickte Weise neu verschraubt, um ein Spiel zu erschaffen, das sich anders anfühlt als jedes mir zuvor bekannte Deckbauspiel.

Die kurze Spieldauer ist dabei das Einzige, was für ein Spiel dieser Art eher unschön ist. Denn genau dann, wenn die eigene Maschinerie gerade so richtig in Schwung gekommen, das eigene Deck gerade perfekt abgestimmt ist, endet das Spiel auch schon. Eine oder zwei Runden mehr hätten hier für ein runderes Spiel gesorgt.

Artikelbild: Herbertz Entertainment UG, Fotografien: Holger Christiansen, Bearbeitet von Jennifer Stramm
Das Grundspiel wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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