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Leinen los und auf in die Forgotten Waters. Im neuesten Spiel von Plaid Hat Games spielen wir als Piratencrew um Ruhm, Rum und Überleben. Ob sich das Spiel als Galionsfigur fürs Spielregal eignet oder lieber über die Planke gehört, erfahrt ihr hier – wenn ihr euch traut!

Plaid Hat Games sind berühmt für Spiele mit großen, kooperativen Geschichten in quietschbunter Comicgraphik. Egal, ob wir uns dabei als Mäuse durch eine Fantasywelt, auf einer Arche durch den Weltraum oder als Stofftiere durch Träume schlagen – es gibt immer jede Menge zu er- und überleben. Bei Forgotten Waters heuern ein bis ganze sieben Landratten in jeder der bislang fünf erschienenen Geschichten auf einem Piratenschiff an, um gemeinsam in See und Abenteuer zu stechen, vollsynchronisiert mit einer Web-App und einfachen Spielmechaniken.

Spielablauf

Wer diese Schatzkiste einmal öffnet, sieht wie viele Spielelemente sich hier zu einem großen Ganzen verbinden.

Die Charakterbögen

Polly, das Plappermaul hat schon ein wenig Erfahrung gesammelt. © Asmodee

Wir starten nämlich mit einem Charakterbogen, auf dem wir ganz typisch rollenspielartige Werte finden, wie Stärke, Navigation oder auch Piratenstolz. Jeder der 21 mitgelieferten Bögen verfügt jedoch über eine eigene Geschichte mit Titeln wie „Unsterblich verliebt“ oder „Füttert die Fische“ und dazu ein passendes Sternbild, welches möglichst weit auszufüllen unser Spielziel ist. Für jede Wertsteigerung, vergrabene Schätze und andere Effekte im Spiel, dürfen wir einen Stern ausmalen und wer am Ende vier von fünf speziellen Sternen erreichen konnten, hat mit gewonnen, also wenn das Schiff bis dahin nicht untergegangen oder die Mannschaft verhungert ist – oder gar gemeutert hat. Wer alle fünf ausfüllen konnte, hat sogar einen legendären Sieg errungen.

Für den Charakterhintergrund, die Spezialsterne und die drei möglichen persönlichen Enden gibt es jeweils Texte, die wir den anderen vorlesen dürfen, wobei wir zu Beginn jedoch bereits angehalten sind, uns spezielle Schlagworte zu überlegen, die dann die Textlücken füllen. In welchem Zusammenhang ein „Flugunfähiger Vogel“ oder eine „Leckere Käsesorte“ allerdings mit unserer Geschichte stehen, erfahren wir natürlich erst während wir die Geschichte auch tatsächlich erleben. Kommen wir also zum eigentlichen Spiel – Leinen los!

Aber eigentlich geht es um ihre Geschichte und Erfolge. © Asmodee

Die Aktionsrunden

In jeder Spielrunde befinden wir uns auf einer Doppelseite des 80seitigen Ringheftes, in dem wir links eine stimmungsvolles die Szene untermalendes Bild und Flavourtext vorfinden und rechts unterschiedliche Aktionsfelder. Auf diese platzieren wir in Reihenfolge unseres Rufes innerhalb eines 40sekündigen Timers unsere Spielfiguren. Ganz rechts steht zwar bereits, was bei den einzelnen Aktionsfeldern passiert oder ausgewählt werden kann, aber wir sollen und wollen uns bewusst nicht der Analysis Paralysis hingeben, sondern geleitet von Namen und Symbolen entscheiden. Manche Felder kann jedoch nur eine Person nutzen und Felder mit Ausrufezeichen müssen besetzt werden. Wer also viel Ruf angesammelt hat, kann sich zuerst entscheiden und für die weniger berüchtigten Pirat*innen bleibt nur, das Deck zu schrubben oder die Segel zu setzen.

Ganz friedlich der Hafen, aber noch sind wir auch nicht angelandet. © Asmodee
Schnell müssen die Aktionen ausgewählt werden, sonst steigt die Unzufriedenheit. © Asmodee
Schnell müssen die Aktionen ausgewählt werden, sonst steigt die Unzufriedenheit. © Asmodee

Die Symbole der Aktionen verraten, ob wir dort unsere jeweiligen Fähigkeiten steigern können, ob dann noch Proben (ein Wurf mit dem eigenen zwölfseitigen Würfel plus der aktuelle Fähigkeitswert gegen eine Schwierigkeitsstufe) warten, um vielleicht noch etwas mehr zu gewinnen oder zu verlieren, oder ob es Schätze und Ruf zu sammeln gilt. Sind alle gesetzt, werden von oben nach unten diese Aktionen ausgelöst. Dazu wird jeweils der passende Text vorgelesen, es werden ggf. entscheiden gefällt, Proben ablegt, persönliche und Schiffswerte verändert oder Einträge in die App eingegeben und vorgelesen.

Schaffen wir es nicht, in 40 Sekunden alle Figuren zu setzen, steigt übrigens die Unzufriedenheit, also einer der Schiffswerte.

Jobs für die Crew

Wir alle haben mindestens einen von sieben Jobs an Bord zu erledigen, bei weniger als sieben Pirat*innen erhalten wir mehr als einen. Eine Person verwaltet das Logbuch, trägt also Schlüsselworte ein, die später relevant werden könnten und hält besondere Ereignisse nach.

Wer die sich stetig verändernde Reihenfolge der Charaktere auf der Rufleiste nachhält, bedient auch die App und damit den Timer für Aktionsauswahl. Eine Person verwaltet die Kanonen, die bei Seegefechten gegen Handelsschiffe, andere Piraten*innen oder gar die königliche Flotte zum Einsatz kommen. Im Ausguck wird bei Anweisung die Bedrohung erhöht oder dem aktuellen Ziel entsprechend ein Bedrohungsereignis ausgelöst, wenn jemals das fünfte/letzte Bedrohungsereignis ausgelöst wird, ist das Spiel verloren.

Und dann gibt es da noch die Leisten für den Zustand des Rumpfes, den Proviant als auch die Anzahl der Crewmitglieder, wo auch die Unzufriedenheit abgetragen wird. Sinkt eine der ersten beiden auf null oder erreicht/übersteigt die Unzufriedenheit die Mannschaftsgröße, ist es ebenfalls aus für die Karriere unserer Freibeuter*innen.

Sieg und Niederlage

Am jeweiligen Rundenende wird immer ein spezifischer Eintrag eingegeben/verlesen. Wir können uns oft entscheiden, einen Ort noch genauer zu erkunden und damit noch eine weitere Spielrunde vor Ort zu verbringen, allerdings sind dabei bereits vorher genutzte exklusive Aktionen gesperrt. Zudem gibt es dafür Kosten, in Form von Nahrung. Befinden wir uns auf hoher See muss zudem die Crew ernährt werden, wer die eigene Mannschaft hungrig arbeiten lässt, macht sich unbeliebt.

Meist zieht es uns aber weiter auf dem Spielplan, der zu Beginn mit Inseln, Kliffen und anderen meist unbekannten Navigationsplättchen ausgelegt wurde. Bei jeder Bewegung verlieren wir auch Nahrung oder der Rumpf nutzt sich ab und wer gerade am Steuer ist, entscheidet wo es langgeht. Dort locken vielleicht reiche Beuteschiffe, aufregende Inselabenteuer oder auch die gefährliche Marine oder Unwetter. Mit der Aktion „Auskundschaften“ können wir im Vorhinein schon sehen, ob wir eher auf ruhige See oder stürmische Gefahren zusteuern, sonst geht der nächste Zug ins Ungewisse.

So startet unser Piratenschiff ins Ungewisse. © Asmodee

Vier bis sechs Zielkarten geben uns den aktuellen Quest-Stand vor und weisen auf weitere Regeln, sowie Sieg- und Verlustbedingungen hin. Damit nicht eine Person beständig nur auf See die Crew füttern muss, wird bei vier oder weniger Spielenden die Aktion „Hungrige Crew“ automatisch vom Charakter mit dem aktuell geringsten Ruf mitausgelöst. Und sollten wir mit der Mindestzahl von drei Charakteren spielen, gibt es für die Person mit dem höchsten Ruf noch den „Maskierten Piraten“ als zusätzliche Unterstützung. Es wirkt dadurch ein wenig so, als wäre das Spiel für fünf konzipiert. Und je mehr mit dabei sind, umso mehr von den spannenden Abenteuern bekommen wir natürlich mit. Spezialaufträge oder Quartiersbesuche des*der Kapitän*in, liefert jeweils eine weiterführende Geschichte und auch lohnende Effekte, für die wir allerdings mit wenigen Leuten meist keine Zeit haben. Denn die anderen Aktionsfelder sagen uns direkt, welche für uns wichtigen Fähigkeiten verlangt und gesteigert werden. Durch gezieltes Steigern dürfen wir die Sterne ausmalen, die uns mit zum Sieg verhelfen.

Natürlich gibt es noch jede Menge regelbrechende Schätze, dauerhafte Effektkarten, Unglücks- und Neuwurf-Token, aber alte Seebären wir ihr, haben das sicher schon geahnt.

Der piratig-passende semi-kooperative Ansatz kommt dann durch das Abjagen des höchsten Rufs und vor allem der Schätze von Mitspielenden zum Einsatz. Sollten Boot und Mannschaft überleben, haben ja nur diejenigen gewonnen, die vier oder gar alle fünf Sondersterne ausgefüllt haben. Um das individuelle Ziel zu erreichen, wird da manche Entscheidung schon mal egoistisch getroffen; bemühen wir uns jedoch um einen kooperativen Ansatz und lassen anderen den Vortritt bei der Aktion, die ihnen die dringend benötigte Wertsteigerung ermöglicht, kann es auch mal enger werden; ebenso wenn jemand schon plündern geht, während die anderen noch gegen die feindliche Armada kämpfen.

Ausstattung

Die Karten- und Token-Auslage macht einiges her. © Asmodee

Einerseits ist da eine ganze Menge drin. Zwei dicke Kartenstapel, sieben Charaktere und farblich passende Würfel, sechs Schiffsleisten und ein schick aufgebautes Arsenal für die ganzen Karten und Token und ein Hex-Grid, auf dem wir unser Schiff navigieren.

Und dann sind da noch die Charakterbögen mit den liebevoll-skurrilen Geschichten, die uns das ein und andere Mal zum Lachen gebracht haben.

Aber ein ebenso großer Teil des Spiels befindet sich in den virtuellen Weiten der Web-App. Hier warten weit mehr Seemannsgarn und Klabauterstreiche auf uns. Untermalt mit sphärischen Soundeffekten und bislang auf Englisch mit Voice-Over ausgestattet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Plaid Hat Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Isaac Vega, J. Arthur Ellis, Mr. Bistro
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 120-240 pro Partie bei aktuell fünf Abenteuern
  • Spieler*innen-Anzahl: 3 4 5 6 7
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Seite des Spiels bei Asmodee finden sich neben der Spielanleitung, Bögen für das Schiff/Logbuch und weitere Charaktere und sogar ein piratischer Namensgenerator.

Speichern geht im Handumdrehen auf der Rückseite des Schiffsbogens. © Asmodee

Fazit

Ein kooperativer Geschichts-Spaß auch für etwas größere Runden – davon gibt es nicht viele. Und durch schnelle, gleichzeitige Entscheidungsrunden und meist ebenso kurze Abhandlungen der Aktionen, gibt es dabei auch nicht viel Downtime. Vielleicht nichts für ausgefeilte Spielestrategen, aber für eine gemütliche Runde mit der Familie oder auch Neuspieler*innen können wir mit Forgotten Waters eine Menge Spaß haben. Allerdings sollten wir einiges an Zeit mitbringen und uns darüber im Klaren sein, dass wir an einem Abenteuer schon 2-3 Abende spielen werden. So schön es jedes Mal ist, den vernachlässigten W12 im Einsatz zu sehen, sehr sorgt er natürlich für eine gewisse Bandbreite und Würfelglück ist am Ende noch immer die beste Taktik. Neuwurf-Plättchen gibt es jedoch recht schnell, so dass wir doch zumeist ein solides Ergebnis erzielen können.

Aber anfänglich als etwas zu leicht eingeschätzt, ist es doch das ein ums andere Mal dann doch erstaunlich knapp geworden – wir sollten also nicht zu viel Zeit verlieren, uns aber auch nicht unvorbereitet möglichst schnell aufs letzte Ziel stürzen. Ein gehöriger Teil des Spaßes steckt in den seltsam-abstrusen Charaktergeschichten und den möglichen Enden. Viel Liebe steckt in diesem Projekt und wir sind gespannt, was wir noch aus dem Hause erleben dürfen.

 

Artikelbilder: © Plaid Hat Games, Asmodee
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Daniel Hoffmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

3 Kommentare

  1. Hey Daniel, habe ich am Wochenende auch gespielt und gefiel mir ausnahmslos gut. Das mit „wirkt so leicht ..ohoh…das wird aber knapp“ hatten wir auch. Auch das gefiel mir gut und hatte ich das letzte Mal bei Descent 2nd Ed.

  2. Hehe, wie schön. Mit wie vielen habt ihr’s gespielt?
    Wir haben nicht ganz unähnlich jetzt Rising Gods im Regal stehen, was noch auf die Öffnung unserer zweiten Runde wartet. ^^

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