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Im Jahr 2011 brachten die Autoren Cedric Lefebvre und Fabrice Rabellino das Spiel Yggdrasil auf den Markt. Acht Jahre später lieferte Cedric Lefebvre dann das Remake. Yggdrasil Chronicles heißt es und bringt neben einem  3D-Spielplan noch viele weitere Neuerungen mit. Ob dies mit dem Original mithalten kann, erfahrt ihr hier.

Jedes lebende Wesen wandelt im Geäst der mächtigen Esche, welche alle neun Welten des Kosmos in sich trägt. Doch nun ist sie in Gefahr, denn Ragnarök steht kurz bevor. Fenrir rüttelt und zerrt an seinen Ketten, sein Gefängnis wird ihn nicht mehr lange halten. Loki beginnt damit, die Eisriesen zu mobilisieren. Hel begibt sich auf den Weg nach Asgard und raubt uns nebenbei unsere Lebensenergie. Surt verlässt sein flammendes Reich und Iormungand überschwemmt Midgard, wobei er die namenlosen Krieger in das Reich Hels schickt, um diese aus der Ferne zu stärken. Zudem schlängelt sich Nidhögg durch die Welten und wird so entweder den Sieg oder die Niederlage mit sich bringen.

Seit Anbeginn der Zeit wird diese Schlacht zwischen den mächtigsten aller Gottheiten und den Riesen vorhergesagt. Nun hat sie begonnen und wir haben nur ein Ziel: die Zerstörung Yggdrasils zu verhindern.

Ein großer Spielspaß für bis zu fünf Spieler*innen.
Ein großer Spielspaß für bis zu fünf Spieler*innen.

Spielablauf

Yggdrasil Chronicles ist wie sein Vorgänger ein kooperatives Spiel. Ein bis fünf Spieler*innen kämpfen hier um die Rettung der Weltenesche und stellen sich dabei von Runde zu Runde etlichen Gefahren in den Weg.

Bevor jedoch die erste Partie beginnt, müssen wir den dreidimensionalen Spielplan zusammensetzen. Dieser besteht aus drei unterschiedlichen Ebenen, welche wiederum verschiedene Felder und Bereiche aufweisen. Anhand der Anleitung lassen sich alle Teile mit etwas Geschick schnell an die richtige Stelle bringen, bis die Weltenesche schließlich in voller Pracht vor uns steht.

Nun kann der reguläre Aufbau beginnen.

Alle Felder sind mit verschiedenen Runen gekennzeichnet und geben so Aufschluss darüber, um welche Welt es sich handelt. Wir beginnen damit, alle Feinde, Marker, Würfel und Karten auf die jeweiligen Felder und Ebenen zu platzieren. Zu guter Letzt werden noch das Rad der Feinde, welches die Aktivierung der Feinde anzeigt, sowie das Buch der Sagas, das quasi das Abenteuerbuch darstellt und beispielsweise Aufschluss über Änderungen im Aufbau gibt, für alle griffbereit beiseitegelegt.

Haben wir den Aufbau geschafft, werden die Charaktere gewählt. Hierzu stehen insgesamt sieben Gottheiten zur Auswahl: Freyr, Freyia, Frigg, Heimdall, Odin, Thor und Tyr. Haben alle Spielende gewählt, erhalten wir noch die zum Charakter gehörigen Feindkarten sowie die Götterwürfel und Lebenspunkte.

 

Der Rundenverlauf

Jede Partie läuft über mehrere Runden. Zu Beginn legen alle Spieler*innen die oberste Karte des zuvor gemischten Feindstapels verdeckt auf das Rad der Feinde. Nun wird gemeinsam bestimmt, in welcher Reihenfolge wir spielen wollen. Dies wird von Runde zu Runde immer neu entschieden, sodass wir unsere Züge den Handlungen der Feinde anpassen können. Wir können so beispielsweise bestimmte Strategien durchgehen, unsere Züge aufeinander abstimmen und uns besser auf Kämpfe vorbereiten. Haben wir uns entschieden, legen wir die Feindkarten in der abgestimmten Reihenfolge aufeinander und der oberste Gott beginnt seinen Zug.

Jeder Zug ist in drei Schritte unterteilt. Der erste hiervon ist verpflichtend, die anderen beiden jedoch freiwillig. In Schritt Eins wird der Feind des Gottes aufgedeckt und es wird geprüft, ob dieser bereits offenliegt. Wenn nicht, legen wir ihn auf das vorgegebene Feld und machen mit Schritt Zwei weiter. Ist er jedoch vorher bereits aufgedeckt gewesen, wird nun sein Effekt aktiviert und die jeweiligen Karten kommen unter die Decks ihrer Götter zurück. Dies sollten wir uns gut merken, denn so haben wir die Chance, die Aktivierungen der Gegner vorherzusehen. Der Effekt ist von Feind zu Feind unterschiedlich, jedoch haben sie allen etwas gemeinsam: Sie bringen Chaos und Zerstörung in die Welten und erschweren uns unsere Züge ungemein. Beispielsweise bricht Fenrir aus seinem Käfig aus und der Zug des aktiven Gottes endet sofort. Sollte sich Fenrir bereits außerhalb seines Käfigs befinden, verliert der Gott sofort drei Lebenspunkte. Ihn gilt es also so schnell wie möglich wieder einzusperren.

In Schritt Zwei dürfen wir unsere Figuren bewegen, wenn wir wollen. Dabei gilt, dass wir immer nur einen Schritt auf geradem Weg zurücklegen dürfen. Wir können also entweder auf der gleichen Ebene eine Welt nach links oder rechts wechseln oder aber in die Welt direkt über oder unter unserem derzeitigen Standort springen.

Haben wir uns bewegt, folgt der Schritt Drei: Die Aktion oder ein Kampf. Jede Welt von Yggdrasil Chronicles hat eine eigene Weltenaktion, welche uns im Kampf gegen die Feinde hilft. Wir können so Krieger rekrutieren oder uns die Hilfe der Alben und Wanen sichern. Alternativ können wir uns auch rüsten oder die Unterstützung mystischer Kreaturen erbitten. Eine Gottheit kann nur die Aktion in derjenigen Welt ausführen, in der sie sich grade befindet und auch nur, wenn die Welt nicht bereits durch die Feinde verwüstet wurde.

Als Alternative hierzu können wir uns dafür entscheiden, zu kämpfen.

Haben wir alle unsere Züge durchgeführt, beginnt die Runde von neuem mit dem Legen der Feindkarten und dem Bestimmen der Zugreihenfolge.

Das Spielende

Das Spiel endet sofort, wenn einer der Feinde aktiviert wird und der Effekt nicht mehr abgehandelt werden kann oder wenn einer der Götter den letzten Lebenspunkt verliert. In dem Fall ist es uns nicht gelungen, die Feinde zurückzuschlagen. Wir haben verloren.

Sollte allerdings Nidhögg auf seiner Reise im Buch der Sagas die letzte Position erreichen, haben wir gewonnen und die Gegner ziehen sich zurück. Yggdrasil ist gerettet und Ragnarök herausgezögert. Es heißt also durchhalten und hoffen, dass die Schlange auf ihrem Weg nicht noch mehr Unheil bringt.

Jedoch war das Original deutlich schwerer zu gewinnen als die Neuauflage. Dies liegt vor allem daran, dass wir nun mehr Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen und uns einfacher rüsten und vorbereiten können als beim Vorgänger, wo sehr viel dem Zufall und dem Glück überlassen wurde. Doch insbesondere im Hinblick auf die späteren Kapitel der Kampagne sei gesagt, dass dies nicht immer so ist. Der Schwierigkeitsgrad baut sich immer weiter auf und ohne den eigenen Gott zu verbessern, wird es schnell schwierig, mitzuhalten.

Besonderes

Yggdrasil Chronicles bietet neben dem extravaganten Spielplan noch die Besonderheit, dass man es sowohl als Kampagne als auch in einzelnen Partien sehr gut spielen kann, ohne Abstriche machen zu müssen.  Es gibt zudem auch noch Sonderregeln für Solopartien oder solche mit nur zwei Spieler*innen.

Entscheiden wir uns dafür, es in einzelnen Partien zu genießen, haben wir die Möglichkeit, die Schwierigkeit anzupassen, da es die einfache und schwierige Standartpartie gibt. Die einfache ist besonders für Einsteiger oder die erste Partie geeignet, da sie sich auf das Spiel an sich, die Mechaniken und Abläufe konzentriert, ohne besondere Götterfähigkeiten und Synergien zu beachten. Bei der schwierigen Standartpartie haben alle Götter zusätzlich einzigartige Kräfte und Fähigkeiten. Sie starten beispielsweise bereits mit Ressourcen oder haben höhere Chancen, im Kampf zu bestehen. Es gibt sogar bestimmte Beziehungen untereinander, welche einigen Göttern weitere Vorteile bringen. Es ändert sich so einiges im Vergleich zur einfachen Standartpartie.

Entscheiden wir uns, das Spiel als Kampagne zu spielen, werden mehrere Partien hintereinander gespielt (mindestens sechs), deren Verlauf sich wiederum auf nachfolgende Kampagnenpartien auswirkt. Zudem gibt es Änderungen im Spielmaterial und dem Aufbau. Hier spielt nun auch das Buch der Sagas eine größere Rolle als vorher, denn es enthält alle Änderungen im Aufbau und Ablauf sowie Etappenziele. Unsere Erfolge und Erfahrungen werden ab jetzt auch auf extra hierfür vorgesehene Bögen notiert, denn der Kampagnenmodus gibt uns die Chance, unsere Charaktere zu leveln und somit zu verbessern.

Die Anleitung

Die Anleitung umfasst 26 Seiten (Deckblatt und letzte Seite nicht mitgezählt) und ist nachvollziehbar aufgebaut.

Die Regeln an sich sind gut erklärt, dabei aber kurzgehalten und folgen einem roten Faden.

Auf Grund der Vielzahl an Karten und Zeichen, den Fähigkeiten und Kräften der Götter und Feinde sowie der Artefakte und Kreaturen dauert es jedoch etwas länger, das Spiel zu verstehen, zu erklären und schließlich spielen zu können.

Das Spielmaterial

Kam Yggdrasil mit wenigen Materialien aus, so hat Yggdrasil Chronicles sowohl in der Anzahl als auch in der Qualität mehr als eine Schippe draufgelegt. Anstatt runder Pappplättchen, mit welchen das Original Feinde, Alben und den Wanen dargestellt hat, fährt die Neuauflage stabile Papp- und Holzfiguren auf, welche zudem zahlenmäßig über denen des Vorgängers liegen. Insgesamt 57 Holzfiguren und -würfel sind enthalten. Natürlich gibt es auch hier einige Pappmarker, aber diese sind im Vergleich größer und stabiler.

Ein weiterer Unterschied zum Original sind die Kreaturenkarten. Diese stellen mystische Helferlein dar, welche den Göttern auf verschiedene Arten im Kampf zur Seite stehen können.

Auch gibt es hier erstmals Götterfiguren aus dicker Pappe auf Plastikstandfüßen.

Das gesamte Spielmaterial von Yggdrasil Chronicles ist hochwertig und auch die Artworks sind wirklich schön und detailreich, sowohl auf den Karten als auch auf den Figuren und der Esche selbst.

Besonderes Augenmerk liegt natürlich auf dem Spielplan. Dieser besteht zwar aus verstärkter, dicker Pappe; dies hat jedoch zur Folge, dass der Spielplan nach mehreren Partien, in denen er auf- und wieder abgebaut wurde, schon etwas in Mittleidenschaft gezogen ist und sich einige Teile bereits verbiegen und knicken. Hier wäre ein weniger nachgiebiges Material wünschenswert und für das weitere Überleben des Spielplans wichtig gewesen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ludonaute (Asmodee)
  • Autor*in(en): Cedric Lefebvre
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 90+
  • Spieler*innenanzahl: (1) (2) 3 4 5
  • Alter: 14+
  • Preis: 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Seite von Asmodee kann die Anleitung als PDF kostenlos heruntergeladen werden.

Fazit

Yggdrasil Chronicles und Yggdrasil haben, wenn wir ehrlich sind, außer der Thematik und dem Autor nicht wirklich etwas gemein. Das 2011 erschienene Spiel war in vielerlei Bereichen wesentlich simpler und auch der Aufbau ging schneller, da es schlicht nicht so viel Material besaß. Dennoch hat dieses Spiel nie etwas in Sachen Schwierigkeit oder Spielspaß eingebüßt. Zudem fanden wir die komplett multilinguale Box sehr originell, denn so hat man mehr Chancen, das Spiel auch jetzt, wo es out of print ist, zu ergattern und spielen zu können (wir haben unseres direkt aus Frankreich). Es ist seit Jahren eines unserer liebsten Spiele mit einem wirklich schönen Thema.

Mit der Neuauflage kam nicht nur der dreidimensionale Spielplan, es ist gleich ein anderes Spiel geworden. Andere Fähigkeiten und Kräfte, andere Mechaniken, ein anderer Spielablauf, neue Aktionen, Figuren und Karten, mehr Möglichkeiten bei jedem Spielzug.

Die große Esche in der Tischmitte ist etwas Besonderes und verleiht dem Spiel viel Charme.

Die neuen Figuren geben dem Ganzen mehr Leben und jemand, der im Original die Minis vermisste, wird hier viel Freude an den schönen Artworks der Figuren finden. Dass man hier von Runde zu Runde eine neue Zugreihenfolge bestimmen kann, bringt mehr Strategie ins Spiel und verleiht dem Ganzen das Gefühl, doch mehr zum Verlauf beitragen zu können.

Ein Kritikpunkt an dem sonst schönen und flüssigen Spiel ist allerdings die Masse an Symbolen und Runen, welche verwendet wurden, um darzustellen, was der jeweilige Effekt einer Karte ist. Einige sind klar zuzuordnen, viele wiederum leider nicht, weswegen wir oft in der Anleitung nachlesen mussten. Dies bringt den Spielfluss zum Stocken.

Ein Teil des Charmes des Vorgängers besteht für uns darin, dass das gesamte Spielmaterial ohne ein einziges geschriebenes Wort auskommt und stattdessen gänzlich auf wohl gewählte Piktogramme zurückgreift. Die Neuauflage versucht dem Vorgänger in dieser Hinsicht treu zu bleiben, aufgrund der höheren Komplexität der Spielmechaniken geht die ursprüngliche Eleganz dahinter allerdings teilweise verloren. Vielleicht hätte man hier weniger Kartenmaterial verwenden oder die jeweiligen Effekte vereinfachen oder anders darstellen sollen.

Alles in allem ist Yggdrasil Chronicles aber ein wirklich gelungenes Spiel, welches trotz kleiner Kritikpunkte sehr viel Spaß bringt und auf jeden Fall mit der 2011 erschienenen Version mithalten kann. Erstmals auch als Kampagne rund um Ragnarök spielbar, vergeht die Zeit wie im Fluge, während man um das weitere Bestehen der Weltenesche kämpft. Ein durchaus empfehlenswertes Spiel für alle, die Lust auf ein Spiel mit originellem Spielaufbau, schönem Thema und nicht so vielen Regeln haben, welches man nicht so leicht gewinnt. Eine echte Herausforderung auch für erfahrene Spieler*innen.

 

Artikelbilder: © Mareike Rathmann
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Fotografien: Mareike Rathmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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