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Justin Gary ist in der Kartenspielbranche als ehemaliger Magic: The Gathering Pro Tour Champion bekannt. Vor einigen Jahren erweiterte er sein Portfolio und entwickelte das Deckbau-Kartenspiel Ascension. Nachdem zu diesem diverse Erweiterungen erschienen sind, gibt es nun ein neues Kartenspiel aus seiner Feder.

Der gesamte Inhalt der relativ kleinen Schachtel. Für die Größe der Box eine beachtliche Menge Material.

Seinerzeit machte Gary, damals noch unter dem Firmennamen Gary Games, mittlerweile Stone Blade Entertainment, mit Ascension die zentrale Auslage in Deckbauspielen populär. Anstelle des in jedem Spiel relativ statischen Marktes, wie ihn frühere Spiele wie Dominion oder Thunderstone verwendeten, trat diese zentrale Reihe an Karten, die sich stetig veränderten. Hierdurch wurden die einzelnen Züge zum einen weniger planbar, zum anderen gab es aber auch die direktere Möglichkeit, anderen Spielern wichtige Karten vor der Nase wegzuschnappen.

Das Konzept wurde seitdem aufgegriffen, unter anderem von Spielen wie Star Realms / Hero Realms. Diese führten dann auch einen Mechanismus ein, der Karten verstärkte, wenn man in der gleichen Runde bereits eine andere Karte derselben Fraktion gespielt hatte. Eine Idee, die dann in späteren Erweiterungen von Ascension ebenfalls verwendet wurde. So ähnlich die Spiele in einigen Aspekten jedoch waren: Einen wichtigen Unterschied zwischen den Realms-Spielen und Ascension gab es immer. Bei Ascension wird die gesammelte Kampfkraft verwendet, um Monster in der zentralen Auslage zu verprügeln und somit Siegpunkte zu gewinnen. Bei Star/Hero Realms hingegen prügelte man sich direkt, und der Spieler, der am Ende übrig war, war der Sieger.

Dieser Unterschied ist nun bei Shards of Infinity, dem neuen Spiel von Justin Gary und Gary Arant, verschwunden. Auch hier treten die Spieler sehr direkt gegeneinander an, und am Ende kann es nur einen geben. Worin unterscheidet sich dieses neue Spiel dann überhaupt noch von Star/Hero Realms?

Spielablauf

Der Aufbau des Spiels für zwei Spieler.
Der Aufbau des Spiels für zwei Spieler.

Wie bereits bei den oben genannten Spielen Ascension und Star/Hero Realms handelt es sich bei Shards of Infinity um ein reines Deckbau-Spiel. Jeder der zwei bis vier Spieler startet mit einem Deck aus 10 Karten, von denen er jede Runde fünf auf der Hand hat. Außerdem erhält jeder Spieler einen der vier mitgelieferten Helden, der über Anzeigen für Lebenspunkte und Meisterschaft verfügt.

Die Helden entsprechen dabei den vier im Spiel enthaltenen Kartenfraktionen. Dies hat jedoch überhaupt keinen Einfluss auf das Spiel an sich, denn alle Helden starten mit den gleichen Werten, und Synergieeffekte lösen sie ebenfalls nicht aus.

Diese fünf Karten können meist gespielt werden, um eine der drei grundlegenden Ressourcentypen des Spiels zu generieren: Edelsteine zum Kaufen neuer Karten, Angriff, um den Gegnern Schaden zuzufügen, oder Heilung, um seine eigenen Lebenspunkte wiederaufzufrischen.

Jede der vier Fraktionen hat dabei unterschiedliche Synergieeffekte: Undergrowth und Homo Deus erhalten oftmals verbesserte Effekte, wenn eine andere Karte der gleichen Fraktion bereits gespielt wurde oder vorgezeigt werden kann. Wreathe-Karten werden besser, sofern sich bereits Wreathe-Karten im eigenen Ablagestapel befinden – was auch durch einen gerade getätigten Kauf möglich ist. Und Order-Karten erhalten deutlich bessere Effekte, sofern man Karten von allen drei anderen Fraktionen gespielt oder auf der Hand hat. Und natürlich gibt es auch Effekte, mit denen man eigene Karten aus dem Spiel verbannen kann.

Diese Karten sowie fünf weitere Gems bilden das Anfangsdeck jedes Spielers. Wie immer wird man im Laufe des Spiels versuchen, viele davon loszuwerden.
Diese Karten sowie fünf weitere Gems bilden das Anfangsdeck jedes Spielers. Wie immer wird man im Laufe des Spiels versuchen, viele davon loszuwerden.

Zu Beginn des Spiels hat jeder Spieler 50 Lebenspunkte, und das ist zugleich auch das Maximum, das durch Heilung nicht überschritten werden kann. Folgerichtig sind in den zehn Standardkarten auch keine Heilungseffekte enthalten.

Mit den so generierten Edelsteinen können Karten aus der gemeinsamen Auslage gekauft werden. Dabei wandern gekaufte Karten meist in den eigenen Ablagestapel. Eine Besonderheit stellen hierbei jedoch die durch einen roten Rand gekennzeichneten Söldnerkarten dar. Diese kann man kaufen wie jede andere Karte auch, oder aber man heuert sie nur für einen kurzen Einsatz an. Tut man dies, so gelangen sie direkt ins Spiel und haben ihre aufgedruckte Wirkung. Aber am Ende der Runde werden sie unter den gemeinsamen Zugstapel gelegt und sind somit effektiv aus dem Spiel.

Jedes Mal, wenn eine Karte, egal auf welche Art und Weise, aus der Tischmitte entfernt wurde, wird die entstandene Lücke sofort durch eine neue Karte aufgefüllt. So stehen immer sechs Karten zum Kaufen zu Verfügung. Die Anzahl der Karten, die man pro Runde kaufen kann, ist nur durch die generierten Edelsteine begrenzt.

Generierter Schaden wird während des eigenen Spielzugs erst einmal angesammelt. Man kann diesen dann direkt verwenden, um gegnerische Champions zu besiegen. Diese bleiben, wenn sie nicht besiegt werden, im Spiel und können so jede Runde aufs Neue eingesetzt werden. Anders als bei Star/Hero Realms gibt es bei Shards of Infinity dabei keine Champions, die angegriffen werden müssen.

In der zentralen Auslage befinden sich immer genau sechs Karten. Eine Besonderheit von Shards of Infinity sind hierbei die rot umrandeten Söldner-Karten, die man entweder wie alle anderen verwenden, oder aber sofort für einen einmaligen Effekt nutzen kann.
In der zentralen Auslage befinden sich immer genau sechs Karten. Eine Besonderheit von Shards of Infinity sind hierbei die rot umrandeten Söldner-Karten, die man entweder wie alle anderen verwenden, oder aber sofort für einen einmaligen Effekt nutzen kann.

Aller Schaden, der am Ende des eigenen Zuges noch übrig ist, kann dann beliebig auf die Mitspieler verteilt werden. Diese ziehen ihn dann von ihren eigenen Lebenspunkten ab, sofern sie nicht Karten mit Schilden auf der Hand haben und vorzeigen. Diese Schilde reduzieren den Schaden, die Karten wandern danach auf die Hand zurück und können sowohl gegen andere Mitspieler noch als Schilde verwendet, als auch im eigenen Zug für ihre normalen Effekte gespielt werden.

Neben den Lebenspunkten gibt es noch einen weiteren persistenten Wert: Meisterschaft. Der Startspieler startet mit einer Meisterschaft von 0, der zweite mit 1, und so weiter. Jeder Spieler kann diese Meisterschaft einmal pro Zug für gerade einmal einen Edelstein anheben. Auch gibt es Karten, die die Meisterschaft steigern. Dazu gibt es dann Karten, sowohl zwei Stück in den zehn Startkarten, als auch diverse im Stapel der kaufbaren Karten, die einen verbesserten Effekt erhalten, sobald die eigene Meisterschaft bestimmte Schwellwerte, die auf den Karten angegeben sind, überschreitet. Die Eindrucksvollste davon ist sicherlich der namensgebende Infinity Shard, der, sobald die Meisterschaft 30 erreicht hat, beim Ausspielen unendlich viel Schaden erzeugt, also das Spiel sofort gewinnt.

Das Besiegen aller Gegner ist zugleich auch das einzige mögliche Ende des Spiels. Siegpunkte in irgendeiner Form gibt es nicht. Wer am Ende noch lebt, hat gewonnen.

Das Spiel ist schnell erklärt, ebenso schnell verstanden, und spielt sich relativ zügig. Nach ca. 30 Minuten sollte eine Partie vorüber sein. Endlich mal eine Zeitangabe auf der Schachtel, die realistisch ist.

Was ich jedoch für eine unangemessene Angabe halte ist die Spieleranzahl. Zu zweit funktionieren die angegebenen Mechanismen alle sehr gut, und die Downtime ist kurz genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Sobald es jedoch mehr als zwei Spieler werden, sind Karten aus der Auslage zu schnell weg, Schilde bekommen einen sonderbaren Beigeschmack, da sie plötzlich mindestens doppelt so gut werden (einmal gezeigt wissen die späteren Spieler, dass sie Schaden, der die Schilde nicht übersteigt, gar nicht erst auf den Spieler anwenden müssen. Somit geht dann in einer Partie zu dritt oft der komplette Schaden auf den dritten Spieler, bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob er über Schilde verfügt), und es fühlt sich einfach nicht besonders fair an, einen Spieler fokussiert anzugreifen. Hier gibt es, im Gegensatz zu Hero Realms, auch keine im Regelbuch angegebenen Varianten wie Teamspiel, die Pflicht, immer seinen linken Nachbarn anzugreifen, oder ähnliches. Entsprechend sehe ich Shards of Infinity als ein reines Zwei-Personen-Spiel. Jede andere Spielerzahl funktioniert einfach nicht sauber.

Ausstattung

Die Grafiken auf den Karten sind gelungen und passen alle recht gut zusammen. Auch passen sie zu der im Regelheft angegebenen Story, die für das eigentliche Spiel aber derart irrelevant ist, dass ich sie hier nicht weiter betrachten will.

Die Karten passen in Hüllen nur so gerade eben in die Schachtel. Die überstehenden Hüllen überlappen dabei ein wenig.
Die Karten passen in Hüllen nur so gerade eben in die Schachtel. Die überstehenden Hüllen überlappen dabei ein wenig.

Die vier Heldentableaus sind praktisch und stimmungsvoll, aber passen von der Größe her nicht so recht zu der Schachtel. Überhaupt frage ich mich, was die Hersteller sich bei der Schachtel gedacht haben. Ausgeliefert wird sie mit einem relativ nutzlosen Pappkreuz, das dazu dienen soll, die Karten sicher zu verwahren. Leider sitzen diese viel zu locker in dem Kreuz und verrutschen so bei Bewegungen der Schachtel sofort. Und wenn man die Karten in Hüllen packt, ist das Kreuz nur noch im Weg. Nimmt man es heraus, passen die Karten so gerade eben in die Schachtel. Sie sitzen dann auch relativ fest. Aber sie lassen sich nicht mehr einfach herausnehmen. Stattdessen muss man die Schachtel dann auf den Kopf stellen und die Karten herausfallen lassen. Dies ist insbesondere deshalb verwunderlich, da die Spiele aus dem Hause Stone Blade Entertainment von UltraPro produziert und herausgegeben werden, also einem Hersteller von Kartenhüllen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Stone Blade Entertainment / UltraPro
  • Autor(en): Justin Gary, Gary Arant
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieleranzahl: 2 (2–4 ist auf der Schachtel angegeben, funktioniert aber nicht sauber genug, um ernst genommen zu werden)
  • Alter: 12+
  • Preis: 21,02 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Website des Spiels kann man sich einen Eindruck über die Optik des Ganzen verschaffen. Außerdem gibt es das Regelheft dort zum Herunterladen. Wie auch der Rest des Spiels ist dieses aktuell nur in englischer Sprache verfügbar.

Fazit

Bei Shards of Infinity ist die Verwandtschaft zu Ascension nicht zu übersehen. Und auch sind deutlich Elemente aus Star/Hero Realms mit eingeflossen. Zu diesen mittlerweile bekannten Elementen gesellen sich jedoch auch neue Aspekte. Allen voran ist da die Meisterschaft zu nennen, mit der Karten im Laufe des Spiels besser werden, und die auch eine Art Countdown darstellt, da es eine Karte gibt, die bei 30 Meisterschaft das Spiel sofort beendet. Da diese Karte in jedem Deck von Anfang an enthalten ist, ist Eile geboten, den Feind niederzustrecken, bevor er die Meisterschaft über seinen Splitter der Unendlichkeit vervollkommnen kann.

Aber auch der Aspekt der Söldnerkarten, die man direkt aus der zentralen Auslage ins Spiel bringen kann, bringt neue taktische Elemente mit sich.

Beachtet man weiterhin, dass die Angriffswerte nicht ganz so explosiv steigen wie bei den Spielen der Realms-Reihe, und dass es auch keine Effekte gibt, die den Gegner Karten abwerfen lassen, so fühlt sich Shards of Infinity etwas weniger rasant an. Man hat mehr Zeit für den Aufbau des eigenen Decks, und Teile der Synergieeffekte sind deutlich schwerer zu erlangen, lohnen sich dann aber umso mehr.

Wer also Deckbau mag und gerne zu zweit spielt – denn für keine andere Spieleranzahl ist das Spiel wirklich zu empfehlen –, der wird an Shards of Infinity sicherlich seine Freude haben. Und dank der Ähnlichkeit zu anderen Spielen in diesem Bereich wird die Lernphase dabei ebenfalls erstaunlich kurz ausfallen.

Artikelbild: Stone Blade Entertainment / UltraPro
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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