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Kaum eine Fantasy-Kampagne kommt ohne ausgedehnte Reisen durch die Hintergrundwelt des Settings aus. Jetzt erscheint ein Handbuch für Spielleiter, das sich zum Ziel setzt, nicht weniger als perfekte Reiseabenteuer möglich zu machen. Wir haben die Stiefel angezogen, Karten studiert sowie eiserne Rationen eingepackt und sind bereit für einen langen Marsch.

Helden haben in einer Fantasy-Welt so einiges zu tun. Sie erschlagen riesige Drachen, erkunden finstere Verliese, stürzen böse Tyrannen und bergen sagenumwobene Schätze. Leider finden sich all diese Herausforderungen selten am selben Ort ein. Früher oder später wird also oft eine Reise zum Teil der Abenteuer.

Der Weg ist das Ziel.

Was ist aber, wenn der Weg schon das Ziel sein soll? Wenn die Reise bereits das Abenteuer bildet und nicht bloß den notwendigen Übergang zwischen den großen Gefahren und Herausforderungen? Dann muss im Tischrollenspiel der Spielleiter umdenken. Reisen werden gerne mit einigen Sätzen abgehandelt, um mit dem eigentlichen Plot fortfahren zu können. In Reiseabenteuern stellt stattdessen die Reise selbst den Plot dar.

Vielen Spielleitern fällt es schwer, die Reisen der Spielercharaktere zu mehr als der reinen Verbindung der unterschiedlichen Geschichten einer Kampagne zu machen. Mit Wie du das perfekte Reiseabenteuer schreibst und leitest liegt uns ein Buch zur Rezension vor, das genau hier Hilfestellung bieten soll. Der Titel weist auf ein klares Ziel hin: Jedem interessierten Spielleiter soll es möglich sein, Reiseabenteuer vorzubereiten, die sich nicht neben den regulären Abenteuern der Gruppe verstecken müssen.

Ein Wort zur Wertung

Bevor der eigentliche Inhalt besprochen wird, sollten an dieser Stelle einige Worte zur Bewertung des Buches verloren werden. Meine Meinung zum Werk fällt leider negativ aus. Obwohl ich mich sehr darüber gefreut habe, das Buch zusammen mit einem handschriftlichen Brief der Autorin zu erhalten, konnte es mich letzten Endes nicht überzeugen.

Das liegt sicher nicht an mangelnder Mühe von Seiten der Autorin. Man merkt dem Werk die Arbeit an, die hineingeflossen ist. Leider geht diese Arbeit in großen Teilen am Ziel vorbei, das schon im Titel definiert wird. Das Buch ist handwerklich solide, verfehlt aber das selbstgewählte Thema.

Subjektive Ansichten sind gekennzeichnet.

Die folgende Besprechung des Inhalts wird definitiv dadurch geprägt, dass ich als Rezipient einen sehr anderen Ansatz als Spielleiter verfolge als die Autorin. Diese persönliche Note habe ich bewusst nicht ausgeklammert und nach Möglichkeit kenntlich gemacht.

Das grundlegende Problem des Buches bleibt unabhängig von persönlichen Geschmäckern bestehen. Sicherlich werden die Liebhaber von detaillierten, realistisch gestalteten Hintergrundwelten einige Ideen aus dem Buch ziehen können. Trotzdem werden die Reisen ihrer Charaktere noch kein Abenteuer, nur weil sie detailreicher geworden sind.

Inhalt

Nach einem kurzen Vorwort beginnt also die symbolische Reise durch die Seiten eines erstaunlich voluminösen Buches. Nach eigener Aussage hat die Autorin die Methoden zur Abenteuergestaltung, die folgen werden, in jahrelanger Spielleitertätigkeit entwickelt und erprobt. Das Feedback von Spielerseite ist gerade auf Conventions sehr positiv ausgefallen.

Das erklärte Ziel eines Reiseabenteuers soll dabei intensives Spiel sein. Wie diese gewünschte Intensität am Spieltisch entstehen soll, zeigen die dreizehn Kapitel des Buches. Diese beleuchten verschiedene Aspekte einer Reise innerhalb einer Fantasy-Welt.

Es beginnt mit dem Festlegen der Reiseroute und der benötigten Transportmittel. Das Gepäck der Spielercharaktere wird behandelt, ebenso wie ihre Ernährung auf Reisen. Sind die Helden angemessen gekleidet? Und wie steht es um ihre Hygiene? Wie schlagen sie ihr Lager auf und wo kehren sie zur Rast ein?

All diese Fragen wirft die Autorin auf und widmet ihnen eigene Kapitel. Der Ansatz ist hierbei jeweils klar definiert. Die Intensität des Spiels soll durch einen enormen Detailreichtum in der Beschreibung und Verwaltung all dieser Elemente des Reise- und Abenteueralltags erzeugt werden.

Handouts zur Dokumentation der Befindlichkeiten

Die Spieler sind angehalten, die Anordnung der Ausrüstungsgegenstände im Rucksack ihrer Charaktere festzuhalten und über die tägliche Routine derer Körperpflege und Fitness Buch zu führen. Im Anhang des Buches sind sogar entsprechende Handouts enthalten, die das Verschriftlichen dieser Abläufe unterstützen sollen.

Bei der Lektüre dieser Kapitel drängt sich der Eindruck auf, dass sich das geforderte intensive Spiel vor allem über den Fokus auf banale Alltäglichkeiten ergibt. Sogar Selbstverständlichkeiten wie das Reinigen einer Waffe nach dem Kampf sollen vom Spieler proaktiv ins Spiel eingebracht werden, da sonst negative Konsequenzen drohen.

Wer im obenstehenden Absatz eine starke Wertung liest, sieht richtig. Der Ansatz des ultrarealistischen Rollenspiels findet von meiner Seite keinen Zuspruch. Auch andere Spieler und Spielleiter, die ich zu der Thematik befragt habe, haben sich gegen diesen Grad von Detailreichtum im Spiel ausgesprochen. Keiner der Befragten sah einen Mehrwert in der vorgeschlagenen Methode.

Konsequenzen von reiseprägenden Ereignissen

Einen Lichtblick bietet das achte Kapitel, das Ereignisse während einer Reise zum Thema hat. Die Autorin beschreibt hier, wie extremes Wetter, die Orientierung in fremder Umgebung und die Gefahren der ungezähmten Wildnis ein Reiseabenteuer bereichern können. Auch die Folgen solcher Ereignisse, Verletzungen und Krankheiten werden behandelt. Wer Reisen spannend und fordernd gestalten will, findet hier gute Ansätze.

Das Kernthema des Buches beginnt leider erst auf Seite 301.

Nach elf Kapiteln über die verschiedenen Bestandteile einer Reise folgt dann ein Kapitel, das Tipps und Hilfestellungen zur Vorbereitung und Umsetzung spannender Reiseabenteuer bieten soll. Es ist bezeichnend, dass dieses Kapitel auf Seite 301 von 442 des Buches beginnt. Ein Buch, an dem ich einen übermäßigen Hang zu unnötigen Details bemängele, beginnt erst nach zwei Dritteln der Seiten, das Thema zu behandeln, das der Titel des Werkes verspricht.

Leider ist das Kapitel auch nur 50 Seiten lang. Die Tipps zur Vorbereitung und Gestaltung von Abenteuern sind allesamt brauchbar, wenn auch Geschmackssache. Methoden wie Mind- und Conceptmaps werden vorgestellt, ebenso wie Tipps für mögliche Inspirationsquellen. All diesen Hinweisen ist aber gemein, dass sie eigentlich für die Erstellung jedweden Abenteuers genutzt werden können.

Um eine Reise zum Mittelpunkt des Abenteuers zu machen, werden einige Plot-Ansätze vorgeschlagen, etwa die Eskorte für einen Nichtspielercharakter oder der Transport eines besonderen Gegenstandes. Aber auch das Erforschen unbekannten Terrains oder Motivationen außerhalb des Spiels, etwa der Wunsch nach mehr Realismus, werden als Grund für Reiseabenteuer angeführt.

Methoden der schriftlichen Organisation

Die Autorin gibt eine Menge praktischer Hinweise, wie die Ideen und Details des entstehenden Abenteuers schriftlich organisiert werden können. Wer als Spielleiter lieber etwas freier arbeitet und häufig improvisiert, wird hier zwar abwinken, wer aber Unterstützung aus einer straffen Organisation ziehen kann, wird sicherlich interessante Methoden vorfinden.

Der Abschnitt des Kapitels, der sich dem eigentlichen Leiten des Abenteuers widmet, ist ebenfalls sehr allgemein gehalten. Die verschiedenen Tipps gelten für jede Art von Abenteuer und sind nicht wirklich auf Reisen gemünzt. Unerfahrene Spielleiter finden hier eine nette Anleitung, wer aber schon eine Weile Abenteuer und Kampagnen gestaltet, lernt nicht wirklich etwas neues.

Vom Pfad abweichende Handlungen sollen vermieden werden.

An einer speziellen Stelle wird der Text sogar fragwürdig. Nachdem der Leser zuvor zur minutiösen Vorbereitung seines Reiseabenteuers angehalten worden ist, beschäftigt sich die Autorin hier mit der Angewohnheit von Spielern, vom angedachten Pfad abzuweichen. Sie beschreibt verschiedene Möglichkeiten, mit einer solchen Situation umzugehen. Auch wenn sie es nicht ausdrücklich empfiehlt, stellt sie doch die Möglichkeit auf, die Spieler darauf hinzuweisen, dass sie von der Vorbereitung abweichen und sie dann zu bitten, doch dem angedachten Pfad zu folgen.

Ein solcher Rat ist in meinen Augen irreführend für angehende Spielleiter. Die Spielercharaktere sollen die Hauptfiguren des Abenteuers sein, ihre Reise ist der Dreh- und Angelpunkt. Deshalb müssen die Entscheidungen der Spieler von größerer Bedeutung sein, als die Vorbereitung des Spielleiters, egal wie mühevoll diese war. Wer seine Abenteuerplanung über die Aktionen der Spieler stellt, riskiert ihre Unzufriedenheit.

Ernährungstipps und Physiotherapie

Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt zur Atmosphäre am Spieltisch. Handouts, Beleuchtung und stimmungsvolle Musik werden behandelt, ebenso wie der Einsatz von Bodenplänen und Miniaturen. Außerdem gibt die Autorin Tipps zum Einsatz von zum Abenteuer passendem Essen.

Die Tipps zur Ernährung der Spieler und des Spielleiters sind leider nicht die einzigen, die im Verlauf des Buches auftauchen. Schon im Vorwort erwähnt die Autorin, dass sie sich als Physiotherapeutin und Ernährungsberaterin berufen fühlt, ihre Leser in puncto Ernährung und Bewegung zu unterstützen. Entsprechende Passagen finden sich an mehreren Stellen im Buch.

Der Lesefluss leidet mitunter ein wenig.

Auch wenn der Ansatz sicher löblich ist, unterbrechen diese Passagen den Lesefluss. Wer das Buch kauft, möchte nicht zwingend gesünder leben, sondern vor allem tolle Reiseabenteuer gestalten. In einem meiner Ansicht nach ohnehin schon zu lang geratenem Buch sind diese ungefragten Ratschläge daher fehl am Platz.

Den Abschluss des Buches bildet die Beschreibung einer 52-tägigen Reise, die als Beispiel einer entsprechenden Abenteuervorbereitung dienen soll. Die einzelnen Tage sind im Fließtext aufgeführt, in denen gemäß den Prämissen der Autorin ein starker Detailreichtum vorherrscht. Dieses Beispiel nimmt annähernd 50 Seiten des Buches ein.

Es folgen die bereits oben erwähnten Handouts zur Verwaltung des Spielercharakters und seines Gepäcks. Außerdem fassen zwei Checklisten zur Abenteuererstellung alle Tipps und Hinweise noch einmal zusammen.

Erscheinungsbild

Sieht man vom Coverart ab, kommt Wie du das perfekte Reiseabenteuer schreibst und leitest ohne Illustrationen aus. Auch wenn ein paar Bilder den Text aufgelockert hätten, fällt es schwer, hier negativ zu bewerten. Immerhin ist das 442 Seiten starke Buch die Arbeit einer einzigen Person.

Leider scheint dieser Fakt auch auf Lektorat und Korrektorat zuzutreffen. In den Texten schleichen sich immer wieder Sätze ein, deren Formulierung den Leser zunächst rätseln lassen. Hier hätten vier oder sogar sechs Augen sicherlich mehr Fehler entdeckt als die zwei der Autorin selbst.

Die harten Fakten:

  • Verlag: kindle direct publishing
  • Autor(en): Janine Kau
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover/Kindle Epub
  • Seitenanzahl: 442
  • ISBN: 978-1983-3293-02
  • Preis: 15,99 EUR (Print), 5,99 EUR (Kindle)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Besitzer des Buchs können die enthaltenen Handouts mithilfe eines Codes downloaden. Darüber hinaus existiert kein erweiterter Content.

Fazit

Selten ist mir die Bewertung eines Buches schwerer gefallen. In Wie du das perfekte Reiseabenteuer schreibst und leitest steckt sichtbar viel Mühe und Engagement einer einzelnen Person. Es wird deutlich, dass die Autorin sich umfassend mit denen von ihr angeführten Ideen und Konzepten auseinandergesetzt hat.

Leider wird diese Arbeit über weite Strecken dem eigenen Anspruch, den der Titel verspricht, nicht gerecht. Anstelle von Tipps zur Gestaltung von Reiseabenteuern wird dem Leser eine Anleitung zur detaillierten Beschreibung von Gepäck, Unterkunft und Körperhygiene der Spielercharaktere geboten. Die wenigen echten Hilfen beziehen sich auf das Vorbereiten von Abenteuern im Allgemeinen und haben keinen konkreten Bezug auf den Reiseaspekt. Was fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit Plots und Elementen, die aus einer einfachen Reise ein Abenteuer machen.

Spielleiter und Spieler, die Wert auf eine extrem detailreiche, in sich realistische Hintergrundwelt legen, können durchaus Gewinn aus dem Buch ziehen. Für die meisten Gruppen dürfte Buchführung über Ernährung und das Packen des Rucksacks aber nur leidlich zur Spannung einer Reise beitragen. Wem es ähnlich geht, der kann Wie du das perfekte Reiseabenteuer schreibst und leitest also getrost auslassen und stattdessen die nächste echte Reise planen.

 

 

Artikelbilder: © kindle direct publishing, © stockasso | depositphotos.com, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

2 Kommentare

  1. Oman, bei dem Titel des Buches bzw deiner Rezi läuft mir der Mund wässrig und ich bin versucht es selbst zu lesen und auch zu rezensieren, aber wenn ich sowas lese, dann vergeht mir die Lust.

    Metaebene ins Spiel bringen, Ernährungstipps und die paar Beschreibungen von dir: da spar ich mir lieber die Zeit.
    Nicht weils vllt falsch ist, aber weil ich einfach eine komplett andere Art habe zu leiten und mir sowas keinen Mehrwert bietet.
    Hinweise zum Pfad zurück zu kehren, da rollen sich die Fußnägel hoch…

    Dabke für deine Rezi,spar ich mir das Buch (leider)

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