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Gerade erst angekündigt, jetzt schon verfügbar: Star Wars: Squadrons wird von vielen als geistiger Nachfolger der X-Wing-Reihe gesehen. Aber kann der Arcade-Flugsimulator an die Errungenschaften der legendären Spielereihe anknüpfen? Die Teilzeithelden haben für euch die Sitzheizung der Cockpits angeworfen und sich in die Leere des Weltraums gewagt.

Endlich dürfen wir wieder mit TIE-Fightern gegen X-Wings antreten.

Fast auf den Monat genau ein Jahr ist es her, seit wir für euch Jedi: Fallen Order getestet haben. Das Spiel hat uns Hoffnung auf eine neue Generation spannender Spiele im Star-Wars-Setting gemacht. Publisher Electronic Arts hat im Sommer völlig überraschend Star Wars: Squadrons angekündigt und gerade bei Altfans, die bereits die X-Wing-Reihe gespielt haben, haben die Herzen Freudensprünge gemacht. Dahinter steht Entwickler Motive Studios, die bereits mit Battlefront II 2017 einen Erfolg feiern durften. Wie das bei geistigen Nachfolgern legendärer Titel so ist, haben wir uns im Vorhinein Sorgen gemacht. Wird uns das Spiel mitreißen? Gelingt der Mittelweg zwischen fordernder Simulation und arcadelastiger Zugänglichkeit? Das Grundrezept – so viel sei gesagt – ist definitiv gelungen.

TIE Fighter vs. X-Wing

Es ist das Jahr der Schlacht um Yavin, die Zerstörung Alderaans durch den ersten Todesstern läutet eine neue Ära der Rebellion ein. Fliehende Konvois alderaanischer Schiffe verteilen sich über den gesamten Sektor und Admiral Sloane gibt den Befehl die flüchtigen Rebell*innen zur Strecke zu bringen. Die ausführende Hand sind wir, Flieger-Asse eines TIE-Fighter-Schwadrons. Die Mission schlägt fehl, einer unserer Kameraden verrät uns, und die Rebellion schickt das berüchtigte Echo-Schwadron zur Unterstützung ihrer Leute. Hier setzt bereits eine spannende Erzähltechnik des Spiels ein: Eine*n der Pilot*innen des Schwadrons steuern ebenfalls wir und dürfen als Rebellenflieger*in genau das Schlamassel aufräumen, das wir zuvor im TIE-Fighter angerichtet haben.

Das ist eine der Erzähltechniken der Kampagne. Die Perspektive der Story wechselt immer wieder zwischen imperialer und rebellischer/republikanischer Sichtweise. Das macht Spaß und erlaubt ein perspektivenübergreifendes, kohärentes Storytelling. Am Anfang dürfen wir uns dabei erstmal jeweils eine*n Pilot*in zusammenstellen, dabei können wir nach belieben Körperbau, Stimme und Gesicht kombinieren, ein Geschlecht bestimmen wir nicht. Für das futuristische Setting nur angemessen. Der Charaktereditor gewinnt vielleicht keine Preise, aber das macht wenig aus, denn wir sehen unsere Figur eigentlich nie, außer im Hauptmenü. Etwas schade ist dennoch, dass wir auch bei den Rebellen keinen Außerirdischen spielen dürfen.

Vanguard-Schwadron von links nach rechts: Keo, Frisk, der/die Protagonist*in, Grace, Gunny.

Story: Gut, aber nicht überragend

Mit unseren frisch gebackenen Fliegerassen stürzen wir uns dann in die Schlacht. Die eigentliche Story beginnt nach einem Zeitsprung von vier Jahren. Der zweite Todesstern ist zerstört, die Schlacht von Endor hat die Rebellion gewonnen, die sich jetzt als neue Republik betrachtet. Das Imperium hingegen ist in zahllose Fraktionen zerbrochen, aber noch immer eine ernstzunehmende Bedrohung. Bei der republikanischen Kampagne treten wir dem Vanguard-Schwadron bei, einer Truppe Veteranen um die Mimbanerin „Gunny“. Andere Mitglieder des Schwadrons sind Grace Sienar, eine abtrünnige Pilotin der berühmten imperialen Industriellenfamilie, der Trandoshaner Frisk und die mirialanische Rennpilotin Keo. Die bunt gemischte Truppe verkörpert perfekt den Charakter der Rebellion.

Das Titan-Schwadron des Imperiums ist das genaue Gegenteil. Captain Varko Grey ist ein ruhiger, disziplinierter Veteran, der zwar seine Probleme mit den Methoden des Imperiums hat, aber Sicherheit und Ordnung schätzt. An seiner Seite fliegen Shen, ein schwer verwundeter Pilot, dessen Körper nur noch von kaltem, kontrolliertem Zorn und kybernetischen Implantaten am Leben gehalten wird. Seine Konterparts sind Vonreg, die zu zornigen Gewaltausbrüchen neigt und Rella Sol, die aus einer imperialen Senatorenfamilie stammt und deren Gedankengänge sich um Intrigen und politische Einflussnahme drehen. Die beiden Schwadronen kämpfen auf unterschiedlichen Seiten im Konflikt um das Starhawk-Projekt.

Titan-Schwadron von links nach rechts: Shen, Vonreg, der/die Protagonist*in, Sol, Grey.

Grandiose Stimmung

Die Story von Star Wars: Squadrons ist grundsolide. Es gibt keine großen, unerwarteten Wendungen und tiefgreifende Charakterentwicklung, Wahlfreiheit sollte hier niemand erwarten. Die Figuren bleiben recht oberflächlich, sind aber absolut rund geschrieben. Schön ist, dass im neuen Kanon etablierter Figuren wie Hera Syndulla oder Rae Sloane in der Kampagne auftauchen und hiermit ein Bezugspunkt zu den neueren Star-Wars-Geschichten geschaffen wird. Die rund zehnstündige Story hat uns unterm Strich absolut zufrieden gestellt, gerade da wir bei einem auf Mehrspieler ausgelegtem Spiel durchaus mit weniger gerechnet hätten. Was hier an Mühe und Arbeit investiert wurde, kann sich – der Kritik zum Trotz – absolut sehen lassen.

Und obwohl unser*e Pilot*in selbst ziemlich gesichtslos bleibt (was definitiv schade ist), freuen wir uns dennoch jedes mal darauf, die Leiter zu unserem Raumjäger hochzuklettern und den Weltraum zu erkunden. Das Spiel punktet nämlich da, wo es sollte: Im Cockpit. Das ist wunderschön ausstaffiert und erlaubt uns einige kosmetische Anpassungen, etwa settinggerechte Hulla-Figuren oder Darth-Vader-Hologramme. Dass das aber nur im Multiplayer möglich ist, das ist etwas schade, aber kein großes Drama.

Hera Syndulla kennen wir bereits aus Star Wars: Rebels.

Weltraum hui, Hangar pfui?

Dennoch ist das Cockpit schön ausgearbeitet, die Schalter machen genau die Geräusche, die wir aus Filmen und Serien kennen und in VR ist die Stimmung kaum zu überbieten. Gleiches gilt für den Weltraum: Explodierende Jäger, größere Schiffe wie Sternenzerstörer oder Nebulon-B-Fregatten, die vor uns aus dem Hyperraum auftauchen, Lasersalven, die den Bildschirm in ein rot-grünes Farbenmeer verwandeln. All das gibt uns das Gefühl gerade Teil einer gewaltigen Weltraumschlacht zu sein und wenn unsere Scheibe Risse kriegt, wenn die Schilde den Geist aufgeben, dann sackt einem gerne mal das Herz in die Hose. Da wo es drauf ankommt, weiß das Spiel, wo es hinwill!

Man merkt allerdings auch, wo Zeit und Geld gespart wurde. So toll Inszenierung und Zwischensequenzen im Weltall sind, so lieblos wirkt manchmal alles zwischen den Missionen. Die Dialoge sind toll vertont, aber die Gesichter unserer Kamerad*innen wirken geradezu emotionslos und das grafisch nicht unbedingt überragende Hangar oder der Besprechungsraum mögen in VR toll funktionieren, wirken auf dem Bildschirm aber vergleichsweise lieblos. Das ist fairerweise auch Meckern auf hohen Niveau, zumal effektintensivste Raumschlachten bei uns ohne Ruckler über den Bildschirm liefen.

Sieht zwar nicht schlecht aus, hätte aber deutlich schöner sein können.

Arcade vs. Simulator

Aber von Stimmung, Setting und Story abgesehen, kann Squadrons gameplaytechnisch überzeugen? Unterm Strich definitiv. Es war von vornherein klar, dass der Mittelweg zwischen Arcade und Flugsimulator nicht einfach werden würde. Ein goldener Schnitt zwischen Zugänglichkeit, Action und ernstzunehmender Steuerung ist quasi unmöglich, Motive ist aber sehr nah dran. Die Steuerung ist nicht völlig kleinteilig, wir müssen etwa nicht unseren Reaktor von Hand starten oder händisch die Schalter für den Sprung in den Hyperraum umlegen. Dennoch haben wir mehr Optionen als wir das bei reinen Arcade-Spielen hätten, denn wir dürfen etwa händisch unsere Energieverteilung auf Antrieb, Waffen und Schilde vornehmen.

Dabei muss man sagen, dass sich das Spiel auch mit Gamepad oder Tastatur und Maus sehr flüssig spielen lässt. Richtige Stimmung kommt erst auf, wenn man einen vernünftigen Joystick benutzt. Wir haben ein älteres Gerät herumliegen gehabt und es für das Spiel ohne Probleme nutzen können. Wer sich allerdings dafür nicht extra Ausrüstung anschaffen will, der kommt auch mit normalem Gerät aus, denn auch ohne Joystick hatten wir keine größeren Probleme. Die Steuerung ist geräteunabhängig gut gelungen, hier können wir uns nicht beschweren.

Im Cockpit können wir jede relevante Anzeige finden.

Die Qual der Wahl

Nicht nur im Mehrspielermodus, auch in der Story haben wir meist die Wahl zwischen verschiedenen Raumschiffen. Hierbei gibt es auf jeder Seite den grundlegenden und ikonischen Raumjäger, der rundum ausgeglichen ist: X-Wing oder TIE-Fighter. Etwas spezieller wird es dann bei den schnelleren, wendigen, aber weniger gut gepanzerten Abfangjägern, also dem A-Wing und dem TIE-Interceptor. Mit dem Y-Wing und dem TIE-Bomber stehen uns schwerfälligere Jagdbomber zur Verfügung, die besser gepanzert sind und eine Reihe an schweren Geschützen an Bord haben, die gerade Großkampfschiffen ordentlich zusetzen können. Etwas spezieller sind der neue U-Wing und der TIE-Reaper, die eher als Unterstützungsschiffe fungieren. Sie können etwa Verbündete vom Radar verschwinden lassen, deren Schilde auffrischen oder feindliche Schiffe lahmlegen.

Dabei unterscheiden sich Wings und TIEs durch einige Eigenheiten, etwa die fehlenden Schilde auf der imperialen Seite, dafür aber stärkere Panzerung. Das ist ein funktionsfähiger Grundstock, aber wir müssen zugeben, dass wir uns als passionierte Star-Wars-Fans ein bisschen mehr Auswahl gewünscht hätten. B-Wings, TIE-Advanced Firespray-31, YT-1300fp … Die Liste an legendären Schiffstypen ist lang und unbarmherzig. Zumal Motive klargemacht hat, dass es keine kostenpflichten DLC geben wird. Ob das heißt, dass das Spiel so wie es erschienen ist, in seiner finalen Version ist oder wir etwaige neue Schiffe umsonst oder als Teil einer großen Erweiterung kriegen, ließen die Kanadier bislang offen.

Keine schlechte Auswahl, hätte aber mehr sein dürfen.

Und das Beste, Herr Skywalker: Noch mehr Waffen!

Die acht Schiffe sind dabei dennoch erstmal – wie gesagt – ein solider Grundstock. Alle lassen sich vernünftig spielen und sind gut zugänglich. Mehr Auswahl haben wir bei der Ausstattung unserer Schiffe. Es fängt bei der Bewaffnung an: Die Standard-Laserkanone hat beispielsweise eine vernünftige Reichweite und mittleren Schaden, wenn wir uns zielsicher fühlen können wir auf eine Kanone mit Feuerstößen zurückgreifen, die in kürzerer Zeit mehr Schüsse abgibt, dann erstmal abkühlen muss. Auch Sekundärwaffen gibt es einige zur Auswahl. Bomber etwa können eine starke Strahlenwaffe ausrüsten, die den Flieger dafür immobilisiert oder Bomben abwerfen, die in gerader Linie nach unten fallen und damit eigentlich nur für stationäre Ziele geeignet sind.

Auch den Schiffskorpus können wir verändern. Entscheiden wir uns uns für ein leichteres Chassis, dann werden wir dadurch schneller, aber auch verwundbarer. Andere Panzerung bewirkt, dass uns feindliche Lenkraketen langsamer erfassen. Auch unseren Antrieb können wir austauschen, um Maximalgeschwindigkeit zugunsten von Manövrierfähigkeit aufgeben. Der Gipfel der Individualisierung ist die Wahl zwischen verschiedenen Täuschkörper, die unterschiedlich funktionieren und die wir unserer Spielweise anpassen können. Alles in allem macht das Spiel hier alles richtig, denn wir fühlen uns nie überfordert, aber haben immer eine ordentliche Auswahl.

Die Qual der Wahl: Waffen, Waffen und noch mehr Waffen.

Nichts für lahmte Enten?

Dabei können wir wahlweise versuchen unsere Gegner*innen durch unsere Ausrüstung zu kontern oder unsere persönlichen Stärken ausspielen. In der Kampagne ist das noch einfach, meist wissen wir, womit wir es zu tun haben. Im Mehrspielermodus ist das schwieriger. Im Allgemeinen ist der Schwierigkeitsgrad dort durchaus happig, da das Spiel nicht langsam ist und gute Reaktionszeiten erfordert. In der Kampagne war uns das, auch dank des zugänglichen Story-Schwierigkeitsgrads, nicht aufgefallen, in unseren ersten Onlinerunden haben wir allerdings konstant auf den Deckel bekommen. Es macht aber dennoch unfassbar viel Spaß!

Gerade da wir nicht darauf angewiesen sind in Dogfights (eine Art Team-Deathmatch) nur gegen andere Spieler anzutreten.

Wir können uns auch in Bot-unterstützten Raumschlachten darin messen, ein feindliches Schlachtschiff zu zerstören, gewissermaßen ein Wettrennen gegen die Zeit. Das spielt sich entspannter. Sein volles Potential entfaltet Squadrons – wie die meisten Mehrspieler – dann, wenn man sich mit Freund*innen zusammensetzt und ein Paar Runden gemeinsam spielt. Das macht meist so viel Spaß, dass man dabei sogar die eigenen Schneckenreflexe eine Sekunde vergisst und sich von Abschüssen nicht allzu sehr frusten lässt.

Der Weltraumkampf verlangt einem durchaus einiges ab.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Motive Studios
  • Publisher: Electronic Arts
  • Plattformen: Windows, PlayStation 4, Xbox One
  • Mindestanforderungen: Ryzen 3 1300X / i5 6600k, 8 GB RAM, Radeon HD 7850 /GeForce GTX 660, 40 GB Festplattenspeicher
  • Sprache: Sprache: Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch Schrift: Englisch, Französisch, Italienisch, Deutsch, Spanisch, Japanisch, Koreanisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Chinesisch
  • Genre: Arcade-Flugsimulator
  • Releasedatum: 02.10.2020
  • Spielstunden: 20 aufwärts
  • Spieleranzahl: 1–32
  • Altersfreigabe: USK 12
  • Preis: 39,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Im Hangar verbringen wir sowohl im Einzel- als auch im Mehrspieler einige Zeit.

Star Wars: Squadrons ist gelungen. Es hat dabei durchaus seine Macken und Eigenheiten, etwa die nicht perfekte Grafik oder eine teilweise eher oberflächlich inszenierte Story. Seine Stärken spielt es gut aus, das Setting ist gut in Szene gesetzt und die Raumschlachten, die ja Kern des Gameplays sind, funktionieren astrein. Wir haben einiges an Auswahl, ohne dass dabei Ausrüstung redundant wirken würde. Vier Flieger pro Seite, die sich sogar maßgeblich unterscheiden und nicht reine Reskins sind, sind durchaus angemessen, auch wenn es hätte mehr sein dürfen. Dass man trotz des offensichtlichen Gameplayfokus dennoch eine gut zehnstündige gute Story bekommt, ist ein schönes Sahnehäubchen. Wer Star Wars und/oder Raumschlachten liebt, der darf beherzt zugreifen, vor allem für den ziemlich fairen Preis! Wer einen hochkomplexen Simulator erwartet, der wird wahrscheinlich enttäuscht werden.

 

Artikelbilder: © Electronic Arts
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote
Screenshots: Stephan Köhli
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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