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Kurz vor der Online-Brettspielmesse „SPIEL.digital“ fand aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie der diesjährige Pegasus Pressetag ebenfalls nur digital statt. Die Firma aus Friedberg hielt im rund siebenstündigen interaktiven Livestream satte 25 Neuheiten für uns bereit. Darunter Renature, Bonfire, Kyoto und die neue Erweiterung zu Spirit Island!

Der diesjährige Pegasus Pressetag stand ebenfalls im Schatten von Corona. Wo man sich sonst gemütlich mit ungefähr 60 Pressevertretern traf und gemeinsam spielte, hatte dieses Mal die Friedberger Firma einen Online-Stream vorbereitet. 25 Spiele wurden vorgestellt, teils von den Autor*innen selbst. Da wir dieses Mal nicht selbst alles spielen und analysieren konnten, versuchen wir euch stattdessen eine gute Übersicht der neuen Brettspiele zu liefern.

Zunächst starteten wir, nach der Begrüßung durch Geschäftsführer Karsten Esser und Pressechef Peter Berneiser, direkt in eine interaktive Fragerunde rund um die aktuelle Situation durch die Pandemie. Natürlich hatte hier zunächst der Vertrieb gelitten, insbesondere im Einzelhandel, da dieser durch die verhängten Beschränkungen schließen musste, was sich aber mittlerweile wieder normalisiert hat. Pegasus versuchte die Läden mit Aktionen und Spieletagen zu unterstützen. Wie zu erwarten stieg auch der Umsatz im Onlinehandel um bis heute konstante 20%.

Die Begrüßung
Die Begrüßung

Hierdurch kam es wiederum zu Lieferverzögerungen, da es erhöhte Nachfrage auf der einen Seite gab, auf der anderen erschwerten Frachtverkehr von den Produktionsstätten. Interessant war ebenfalls, dass durch den Wegfall der physischen Spielemesse Essen ein gewisser Termindruck wegfiel, was den Autor*innen und Redakteur*innen mehr Zeit lies ihre Spielideen auszuarbeiten. Kommen wir zu den Spielen:

Portal Games: Aeon‘s End und Erweiterungen zu Detective, Imperial Settlers und Robinson Crusoe

Als erstes stellte uns Ignacy Trzewiczek vom Pegasus-Partner Portal Games die Erweiterung Erste Fälle zu der erfolgreichen DetectiveSerie vor. Sie ist ohne das Grundspiel spielbar und die einsteigerfreundliche (Familien-)Variante des preisgekrönten Detective. Drei neue Fälle machen das Spiel jedoch auch für Profis interessant, die bereits das Grundspiel gespielt haben. Die Spielenden übernehmen erneut Aufträge als echte Detektiv*innen in einem modernen Setting und lösen mysteriöse Verbrechen als Ermittler*innen.

Ebenso präsentiert wurde uns die Erweiterung von Imperial Settlers: Rise of the Empire, welches dem Grundspiel ein neues Open-World-Szenario hinzufügt, und Robinson Crusoe – Schatzkiste. Diese enthält maßgeschneiderte Ressourcenmarker für das Grundspiel sowie Aufkleber, um den Aktionssteinen der Spielenden ein Gesicht zu verleihen. Außerdem sorgen drei neue Szenarios für weitere Herausforderungen, darunter das epische und von Fans lang ersehnte Szenario Wo ist Dr. Livingstone?.

Doodle Dungeon
Doodle Dungeon

Doodle Dungeon, My Farm Shop, MicroMacro und Ghost Adventure

Als nächstes standen die neuen Spiele des Fun- und Familien-Bereiches vor der Kamera. Los ging es direkt mit einem möglichen Geheimtipp: Doodle Dungeon. Der Autor beschrieb es als Mischung aus Der Kartograph mit dem PC spiel Dungeon Keeper. Als stolzer Neu-Kerker-Besitzer*in wollt ihr euren Frieden haben, jedoch lockt ein unterirdisches Gewölbe immer massenweise Helden an. Also ab in den nächsten Dungeon-Baumarkt um eine, dem*der Bösewicht*in würdige, Inneneinrichtung zu erstellen. #

Zunächst werde Karten gedraftet, um den eigenen Dungeon zu kreieren. Wann immer der Spielende eine Karte nimmt, zeichnet er*sie sofort die darauf abgebildeten Dungeon-Elemente in seinem*ihrem wiederverwendbaren Plan ein. Sobald alle fertig sind, wird der Dungeon an den*die Nachbar*in zu Linken weitergegeben. Diese*r zeichnet nun eine Route für den*die Held*in ein und gibt den Plan zurück. Jede*r setzt nun eine Held*innen-Figur auf das  jeweiliges Startfeld und lässt diese Zug für Zug den eingezeichneten Weg durch den Dungeon bewältigen, Monster bekämpfen und Schätze sammeln. Punkte gibt es am Ende jeder Runde für noch existierende Schätze, überlebende Monster oder getötete Held*innen.

Micro Makro
Micro Macro

In My Farm Shop geht es stattdessen ganz beschaulich zu. Thematisch geht es schlicht darum, einen Bauernhof aufzubauen und Waren zu verkaufen. In jedem Spielzug wirft man drei Würfel. Mit einem Würfel wählt der Spielende eine Verbesserung für seinen Hof aus. Die Kombination der anderen beiden Würfel gibt vor, welches Feld auf dem Hof aktiviert wird – und zwar auch bei allen anderen Spielenden. Diese Ausbauten verbessern die Aktionen, mit denen die Spielenden Kühe melken, Schafe scheren, Honig ernten oder Eier sammeln; Ressourcen die verkauft werden. Wer am Ende das meiste Geld verdient hat, gewinnt.

My Farm Shop
My Farm Shop

Ein interessantes neues Konzept stellt Ghost Adventure dar. In diesem kooperativen Spiel müssen die Spielenden auf verschieden thematisierten Tableaus einen sich drehenden Kreisel über eine bestimmte Route balancieren. Zu Beginn kann sich das Team eine von 56 Mission aussuchen, die durch das lösen bestimmter Aufgaben zu erledigen ist. Bleibt der Kreisel stehen verliert man ein Leben. Das Spiel sollte man im Stehen spielen und macht es erst mit vielen Teilnehmer*innen Spaß, da man den Kreisel über Spielwelten hinweg weitergeben muss oder durch hochwerfen und drehen auf der Rückseite weiterspielt. Sicherlich auch als Trinkspiel verwendbar, falls Looping Louie mal nicht vorhanden sein sollte.

Ghost Adventure
Ghost Adventure

Bleiben noch City of Angels und MicroMacro. Beides sind Detektiv-Spiele, beide sind ganz unterschiedlich. Ersteres ist eine Detective-Variante, MicroMacro will jedoch etwas ganz Neues sein. Eine Mischung aus Wo ist Waldo, Cluedo und Wimmelbildern. Eine riesige Spielkarte, komplett in schwarz-weißer Optik, lädt zum Suchen und Puzzeln ein. Das besondere an der Karte: Jede Figur darauf ist mehrfach in verschiedenen abschnitten gezeichnet, so dass sich eine Art zeitlicher Ablauf rekonstruieren lässt. Hat man den Tatort gefunden, kann man den Weg des*der Mörder*in zurückverfolgen bis zu seinem*ihrem Wohnort und somit den Auftrag „Wo wohnt der Mörder des Burgerladen-Verkäufers?“ lösen.

Bonfire

Das neue Spiel von Autor Stefan Feld, welcher uns das diesjährige Experten-Schwergewicht von Pegasus persönlich vorstellte, erschlägt einen fast mit dem Haufen an Material. Nicht nur das, sondern auch mit einer zunächst unüberschaubaren Anzahl von Spielmöglichkeiten. Auch der betreuende Redakteur von Pegasus meint: „Die Einstiegshürde ist sehr hoch, belohnt einen aber mit einer Vielzahl von tollen Mechaniken.“ Worum geht es überhaupt? In Bonfire geht es darum, bestimmte Aufgaben im Laufe des Spiels zu bekommen, welche am Ende Punkte bringen. Dies kann auf vielfältige Weise passieren: Ihr habt die Möglichkeit kleine Polyominos wie in Tetris auf euer Tableau zu legen, die euch, je nach Lage, die entsprechenden Aktionen bringen. Damit könnt ihr zum Beispiel ein Schiff zu einer Insel bewegen, um dort die Ressourcen oder besagte Aufträge zu bekommen.

Ihr könnt das große Leuchtfeuer in der Mitte drehen, um Portale zu erlangen oder um eure Hüterinnen-Figuren einen Pilgerweg entlang zu bewegen, was ebenfalls Ressourcen bringt. Des Weiteren kann man Gnome kaufen, die die Spielregeln für einen teils stark verändern und massive Vorteile einbringen. Je nach Anzahl der Spielenden endet die Runde mit einem Countdown ab einer bestimmten Anzahl Hüterinnen, die als letzte Aktion des Zuges in einen Rat geschickt werden können. Das alles klingt komplex? Ist es auch! Aber es macht Spaß! Wer sich selbst einen Eindruck davon machen will, kann es ab sofort auf Tabletopia kostenlos spielen.

Siderische Konfluenz
Siderische Konfluenz

Siderische Konfluenz

Das nächste Expertenspiel im Programm ist die deutsche Fassung des 2017 erschienen Spiels mit dem klangvollen Namen Siderische Konfluenz. Hier handelt es sich um ein asymmetrisches Engine-Building-Spiel für vier bis neun Spieler. Gleich vorweg sei gesagt, dass ihr, wie so oft bei Engine-Buildern, einen sehr großen Tisch braucht. Jeder bekommt zunächst ein Volk mit unterschiedlichen Regeln.

Das wichtigste: ALLES was es im Spiel gibt kann gehandelt werden, bis auf die Siegpunkte. Im Kern geht es darum, dass man Ressourcen erzeugt und Technologien ersteigert, um deren Gewinnung zu verbessern oder Planeten ausbaut welche wiederum Waren erzeugen. Keiner ist Selbstversorger und braucht immer ein paar Waren der anderen Spielenden, so dass man gezwungen ist zu handeln. Das ist die Hauptphase des Spiels: Technologie gegen Planet tauschen, oder drei grüne Ressourcen gegen zwei rote.

Sprit Island: Jagged Earth (Zerklüftete Erde)

Die heiß erwartete Erweiterung zu Spirit Island wurde uns leider nur kurz präsentiert, aber es scheint ein massives Paket zu sein,das Erfinder Eric Reuß zusammengebaut hat. Das Erweiterungspaket soll inhaltlich größer sein als das Basisspiel. Die Eckdaten: zehn weitere Geister, Material für eine*n fünfte*n und sechste*n Mitspieler*in und natürlich neue Szenarios.

Nidavellir
Nidavellir

Nidavellir

In diesem hübsch gestaltetem Set-Collection-Spiel geht es darum, die größte und stärkste Zwergen-Armee zusammenzustellen. Dazu bieten die Spielenden in jeder Runde eine Münze für jede Taverne des Landes. In absteigender Reihenfolge wählen sie einen Charakter und fügen diesen ihrer Armee hinzu. Jede Kartenklasse hat ihre eigene Wertungsart: Schmied, Jäger, Krieger, Entdecker und Minenarbeiter. Zusätzlich darf man seine Münzen in einen Beutel stecken und durch weitere Mechanismen mächtige Held*innen erwerben. Außerdem können die Spielenden den Wert ihrer Münzen dank eines „Münzbausystems“ steigern. Zusammengefasst könnte man sagen, dass Nidavellir ein flottes Biet- und Kaufkraft-Managementspiel ist.

Kyoto

Als letztes wurden uns die beiden Erstlingswerke des neuen Verlages Deep Print Games vorgestellt. Die Spiele des Verlags, welcher sich mit sechs bekannten Persönlichkeiten aus der Brettspielwelt Anfang des Jahres gründete, wurde von Peter Eggert vorgestellt. Zuerst stand Kyoto auf dem Plan, welches für uns ebenfalls ein Geheimtipp werden könnte. Thematisch geht es hier zeitgemäß um die Rettung des Weltklimas. Der Clou: Man spielt „zusammen und gegeneinander“. Es geht nicht nur darum, wer am Ende die meisten Siegpunkte hat, sondern vor allem darum, dass die Welt nicht untergeht. Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist das Verhandeln untereinander. Jede*r repräsentiert eine Nation, die sich mechanisch nicht voneinander unterscheidet.

Kyoto
Kyoto

Zusätzlich vertritt jede*r zwei Lobbys, zum Beispiel die Auto- oder Fleischindustrie. In jeder Verhandlungsrunde muss eine gewisse Anzahl an Luxusgütern oder Geld abgegeben werden. Welche das sind und wer wie viel Geld abgibt, um das Ziel zu erreichen, entscheiden die Spielenden gemeinschaftlich. Wird das Ziel nicht erreicht, passieren schlimme Dinge: Eine Tierart stirbt aus oder bestimme Teile der Erde werden überflutet. Was genau passiert, weiß nur der*die Verhandlungsleiter*in, der*die jede Runde wechselt. Wenn die Temperatur steigt, kann das zudem Kettenreaktionen auslösen und mehr Tiere können aussterben. Es kann manchmal sinnvoll sein, Geld oder Punkte zu opfern um in der Zukunft seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das Spiel will aber nicht mit erhobenem Zeigefinger auftreten, sondern uns beibringen, wie politische Entscheidungen entstehen oder wie schwer diese manchmal ausfallen.

Renature

Abgeschlossen wurde der Abend mit Renature, dem zweiten Spiel von Deep Print Games. Dass auch dieses ein Umwelt-Szenario hat, soll nur Zufall sein. Das Ganze ist eine Mischung aus Domino und Placement-Management. Jede*r Spielende startet mit einer gewissen Anzahl Dominosteine, welche man nacheinander auf den verwinkelten Spielplan legen muss. Dieser hat unterschiedlich große Gebiete, welche mit den Steinen umschlossen werden können, um sie zu punkten. Immer wenn man einen Stein anlegt, darf man eine Pflanze auf ein angrenzendes Gebiet legen. Wir haben dabei vier unterschiedliche Typen, die jeweils verschiedene Wertigkeiten besitzen. Legen wir eine Pflanze in ein Gebiet, bekommen wir für das Legen und alle gleich- oder niederwertigen Pflanzen ebenfalls Punkte. Der*Diejenige, der*die ein Gebiet umschließt, darf sich ein Extra-Punkteplättchen nehmen und das Gebiet wird nach Spielendenfarben gewertet. Bei Gleichstand bekommt niemand Punkte. Zusätzlich hat jede*r Spielende noch Wolken die man für Spezial-Aktionen ausgeben darf. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sofort einen weiteren Zug ausführen kann oder sich eine Pflanze wieder in seinen Vorrat zurückholt. Beim Probespielen ging das anfangs locker von der Hand, wurde jedoch am gegen Ende schon strategisch. Renature tarnt sich als freundliches Familienspiel, kann durchaus auch für Profis eine Herausforderung sein. Dem Ersteindruck nach ein solides und typisches Eurogame.

Renature
Renature

Und sonst noch?

Zwischendurch gab es einige Kinderspiele und deutsche Versionen oder Neuauflagen von bekannten Expertenspielen sowie einige kleinere Produktionen. Erwähnenswert hierbei wäre zum Beispiel die Hansa Teutonica Big Box: Eine komplette Zusammenstellung aller Erweiterungen und dem Basisspiel. Ebenso wurde Eclipse in der zweiten Edition aufgelegt, welche jetzt eine sehr beeindruckende Box hat.

Das süchtig machende Aeon’s End kommt in einer deutschen Fassung, ist aber schon bis April ausverkauft, es wird bereits nachproduziert. Außerdem wurde Cubitos vorgestellt, ein Würfel-Management-Spiel, welches leichte Einflüsse mit dem aus Mystic Vale bekannten Push-your-luck-Prinzip haben soll. Zu guter Letzt noch Punktesalat, ein knackig kurzes Spiel mit Draft-Mechanik, welches uns im Probespiel positiv überrascht hat. Jede einzelne Karte zeigt auf einer Seite ein Gemüse und auf der anderen Seite eine Wertungsmöglichkeit. Die Spielenden sammeln im Verlauf mehrerer Runden Gemüse und Punktekarten und versuchen dabei die bestmögliche Kombination zu kreieren. Diverse Strategien können zum Sieg führen und jede Partie ist einzigartig.

Mehr zur SPIEL.digital findet ihr auf unserer Übersichtsseite

Artikelbilder: © Pegasus Spiele Layout und Satz: Roger Lewin Lektorat: Sabrina Plote Screenshots: Stephan Jacob

Über den Autor

Stephan Jacob ist Videospielentwickler und unterrichtet selbiges auch an Universitäten quer durch Deutschland. Er larpt seit 1999 fast ausschließlich auf Fantasy-Cons und nimmt sein Hobby leider überhaupt nicht ernst. Zu seinen größten Errungenschaften, zählt sein Mitwirken bei den Tyren Nightfire-Filmen und seine Bekanntheit als HelloKittySchield-Meme.

 

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