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Dungeons & Dragons wächst und gedeiht. Am heimischen (Rollen-)spieltisch, im Kino und auch immer wieder mit Brettspielen in dieser Welt. Dieses Mal kellnern wir in einer bekannten Lokation in Tiefwasser. Wir haben uns angeschaut, was das Spiel uns aufzutischen vermag.

Mit Spielen wie dem mittlerweile als Klassiker anzusehenden Lords of Waterdeep, Tyrannen des Unterreichs oder auch neueren Titeln wie Onslaught, gibt es immer wieder Ausflüge in die Welten von D&D im Brettspielbereich. Einige davon sehr gut, vieles leider eher mittelmäßig. Aber wie Wizards of the Coast-CEO Cynthia Williams Ende 2022 Investoren zu verstehen gab, sieht der Konzern die Marke noch immer als „undermonetized“, also nicht hinreichend monetarisiert, an. Entsprechend finden aktuell offenbar vermehrt Bemühungen statt, dies zu ändern. Der Kinofilm Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben hatte mindestens mäßigen Erfolg und hat D&D einer breiteren Masse zugänglich gemacht. Die hausinterne Kooperation mit Magic: The Gathering versucht, zwei Nerd-Gemeinden zu verschmelzen. Und mit fraglichen Aktionen wie der mittlerweile zurückgenommenen Überarbeitung der OGL wurde versucht, Konkurrenz auf dem Kernmarkt zu unterbinden. Spannende Zeiten also für die Drachen und Kellergewölbe.

Aufbau für zwei Personen. Das Spiel ist kompakt genug, um auf Küchen- und Wohnzimmertischen gespielt zu werden.

Natürlich darf bei dieser aktuellen Ausbreitungswelle auch der weiter wachsende Markt der Brettspiele nicht außer Acht gelassen werden. Ein Spiel, das versucht, die Marke D&D auch dort weiter zu verankern, ist das kürzlich erschiene Dungeons & Dragons: The Yawning Portal (ab jetzt nur noch Yawning Portal genannt) aus dem Haus Avalon Hill.

Triggerwarnungen

Keine

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Spielablauf

Die ein bis vier Spielenden übernehmen jeweils die Rolle von Kellner*innen im bekannten Yawning Portal – dem klaffenden Portal. Diese Taverne in Tiefwasser ist in den gesamten Vergessenen Reichen dafür bekannt, ein Eingang in den Unterberg zu sein und zieht dadurch Abenteurer aus der ganzen Welt an. Diese wollen natürlich mit Speis‘ und Trank versorgt werden und können dabei ganz schön wählerisch sein. Die Aufgabe der Spielenden ist es nun, auf einem langen Bankett-Tisch Speisen und Gäste so zu platzieren, dass die richtigen Gäste an den richtigen Speisen sitzen und dann auch bereit sind, sich von ihren hart erarbeiteten Edelsteinen zu trennen. Spätestens hier sollte die erste Augenbraue in die Höhe schnellen. Edelsteine? Warum denn nicht Münzen? Und warum wird Bier immer mit Topazen, Gemüse aber mit Saphiren bezahlt? An sehr vielen Stellen in Yawning Portal stellt man schon bei flüchtigem Nachdenken fest: Thematisch ergibt das Ganze eigentlich wenig Sinn.

Die Aktionskarten mit ihren Rückseiten. Um die besonders starke Seite der blauem Karte wieder benutzen zu können, muss die vergleichsweise schwache Rückseite aktiviert werden.

Gespielt wird Yawning Portal in Runden. Zu Beginn wird ausgelost, wer anfängt und ab da geht es immer reihum. Wer am Zug ist, benutzt eine der vier Aktionskarten, die er*sie aktuell zur Verfügung hat. Die Aktionskarten geben dabei ein bis drei Aktionen an, die in der abgebildeten Reihenfolge durchgeführt werden müssen. Kann oder will man eine der Aktionen nicht durchführen, muss eine andere Aktionskarte gewählt werden. Ist eine Aktionskarte abgehandelt, wird sie auf die andere Seite gedreht, wodurch nun andere Aktionen verfügbar werden.

Beim unten sichtbaren Zwerg wurde der Volltrefferbonus erlangt. Dem Aarakocra auf der anderen Tischseite fehlt noch ein Salat zum Glücklichsein.

Durch die Aktionen kommen neue Speisen auf den Tisch, werden dort vertauscht oder entfernt. Heldenkarten werden gezogen oder gespielt, Zaubertränke erhalten oder platziert, oder Edelsteine umgetauscht. Wird eine Heldenkarte gespielt, hat diese ebenfalls noch einen Effekt. Außerdem liefert das Spielen dieser Karte Edelsteine für passende Speisen, die nun vor dieser Karte liegen. Werden alle erforderlichen Speisen getroffen, so gibt es noch dazu den Volltreffer-Bonus und die Karte wird umgedreht. Dieser Bonus und das Umdrehen können im späteren Spielverlauf ebenfalls noch erlangt werden, wenn die gewünschte Speisenkombination nachträglich erreicht wird.

Gespielt wird so lange, bis beide Enden des Tisches mit Speisen erreicht wurden. Dann folgt noch eine letzte Runde, gefolgt von der Endwertung. Punkte gibt es für im Spielverlauf erreichte Aufgabenkarten. Diese werden zu Spielbeginn ausgelegt. Wer sie zuerst erfüllt, nimmt sich die entsprechende Karte und erhält am Spielende fünf Punkte dafür. Dazu kommen Punkte für Edelsteine – jeder Edelstein ist so viele Punkte wert, wie Symbole der gleichen Art auf dem Spielplan sichtbar sind. Ein Symbol ist auf dem Zugstapel der entsprechenden Farbe, weitere Symbole auf den Rückseiten von Heldenkarten, deren Volltreffer-Bonus ausgelöst wurde und die nicht danach durch Effekte wieder entfernt wurden. Und zu guter Letzt gibt es noch Punkte für die größte Menge einer einzelnen Farbe an Edelsteinen sowie die größte Menge an kompletten Sets aus Edelsteinen. Wie fast immer gilt: Wer am meisten Punkte hat, gewinnt.

Von diesen neun Aufgabenkarten sind pro Partie fünf zufällige im Spiel.

Das Spielprinzip von Yawning Portal ist relativ simpel und schnell erklärt. Nach ein oder zwei Spielzügen sind die Grundlagen verstanden. Komplexität und Tiefe kommen durch die Einschränkungen der Aktionskarten ins Spiel. Denn nicht alle Aktionskarten bringen Speise und Held*innen ins Spiel. Eine Seite der blauen Aktionskarte verändert sogar fast gar nichts am Tisch selbst. Die Seiten der Aktionskarten sind auch nicht immer gleich stark, so dass geplant werden muss, wann man die schlechte / schwache Seite benutzt, um die starke wieder verfügbar zu haben.

Da es meist nicht möglich ist, notwendige Speisen auszulegen und den Held*innen gleich dazu zu platzieren, ist Planung gefragt. Diese wird merklich schwerer / chaotischer, je mehr Personen mitspielen. Daher ist Yawning Portal am besten zu zweit spielbar. Mit drei oder vier Personen wird der durch die gezogenen Karten ohnehin bereits hohe Glücksfaktor noch einmal stark erhöht.

Durch die Zufälligkeit der gezogenen Heldenkarten sowie unterschiedliche Aufgaben pro Partie bietet Yawning Portal eine gewisse Varianz. Besonders groß ist der Unterschied am Ende aber nicht und schnell fühlen sich die Partien sehr gleich an.

Ausstattung

Yawning Portal kommt in einer Schachtel daher, die etwas kleiner ist als die üblichen 30×30 cm. Ummantelt wird sie von einer Papphülle, die zwar hübsch anzusehen ist, aber keinen Zweck erfüllt und nach ein paar Mal ein- und auspacken ohnehin nicht mehr benutzbar sein wird.

Die Schachtel ist randvoll mit Material, das in einem Papp-Inlay gut Platz findet. Die zentrale Auslage und die Aktionskarten sind aus stabiler Pappe; die Heldenkarten aus relativ dünnem Material, aber hübsch illustriert.

 

Speisen und Edelsteine sind jeweils aus Plastik und in Formen, die speziell für das Spiel erstellt wurden. Dies mag am Ende dann vielleicht auch den recht hohen Preis von knapp 50 EUR erklären, der für ein kurzes, abstraktes Spiel aufgerufen wird. Hier wäre vielleicht anderes Material und ein geringerer Preis sinnvoller gewesen.

Das Regelheft ist auf ziemlich dünnem Hochglanzpapier gedruckt, die Schrift extrem klein. Kurios daran: Das Heft ist deutlich kleiner als die Schachtel. Hätte es die gleiche Größe, wäre die Schrift darin deutlich besser lesbar!

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hasbro / Avalon Hill
  • Autor*in(nen): Kristian Karlberg, Kenny Zetterberg
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 30-60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Yawning Portal kommt mit einer Regelvariante für Solospieler*innen daher. Diese ist im normalen Regelheft enthalten, wurde von uns jedoch nicht getestet und geht daher auch nicht in die Bewertung mit ein.

Auf der Produktseite bei Hasbro gibt es neben ein paar Bildern eine digitale Version des Regelhefts zum Herunterladen. Kurioserweise nicht wie sonst oft üblich eine speziell für das Web gemachte Fassung, sondern offenbar die original Druckvorlage inklusive Schnittmarken.

Fazit

Mit Dungeons & Dragons: The Yawning Portal liefert Avalon Hill / Hasbro ein Spiel, bei dem ich mir über die Zielgruppe etwas unklar bin. Klar, es ist irgendwie in der D&D-Welt angesiedelt. Aber weder ist diese thematische Einbindung im Spiel wirklich spürbar – dafür sind die Mechanismen zu abstrakt und ergeben thematisch im Grunde wenig bis gar keinen Sinn – noch ist es ein Aspekt der Welt, der Fans packen wird. Kellnern in einer bekannten Kneipe? Nicht wirklich das, was D&D-Fans sich unter einem Abenteuer vorstellen. Fans von abstrakten Spielen hingegen könnte das Thema davon abhalten, überhaupt einen Blick darauf zu werfen, da sie nicht erwarten, hier fündig zu werden.

Die Heldenkarten in Yawning Portal sind hübsch illustriert. Von der Klasse der abgebildeten Held*innen hängt die Sonderfähigkeit der Karte ab.

Abgesehen von der fragwürdigen Zielgruppenanalyse ist Yawning Portal ein solides, wenn auch recht glückslastiges, abstraktes Kartenspiel. Bei mehr als zwei Spielenden wird es oft Frust geben, dass die eigenen Aktionen wenig bringen, da alles, was man sich vorbereitet hat, schon wieder zunichte ist, wenn der nächste eigene Zug erfolgt. Da aber auch niemand weiß, was die anderen Spielenden gerade vorbereiten, ist ein gezieltes Stören nicht einmal möglich, wodurch auch Fans von „Take That“-Effekten nicht auf ihre Kosten kommen werden.

Alles in allem ein Spiel, dessen Mechanismen zwar funktionieren, aber keiner davon ist bemerkenswert oder spannend genug, damit das Spiel einen dauerhaften Platz im heimischen Regal verdient hätte.

 

  • Relativ simple Regeln
  • Kurze Spieldauer
 

  • Thema komplett aufgesetzt
  • Abstraktes Spiel ohne Besonderheit
  • Skaliert schlecht

 

Artikelbilder: © Hasbro
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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