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Ob in der Taverne oder auf dem Schlachtfeld, beim LARP begegnet man regelmäßig fremden Charakteren. Häufig kooperiert man mit diesen bedenkenlos, trotz der Gefahr, verraten zu werden. Diese Gefahr setzt Spieler unter Druck, aber bietet auch viel Spiel.

Leise schleicht die Gemeinschaft im Dunkel der Nacht durch das Unterholz. Voraus auf der Lichtung droht die Festung des dunklen Herrschers. Die Umrisse der Wachtposten sind als düstere Schatten im Licht der Fackeln zu erkennen. Jetzt aufzufallen würde den Tod bedeuten. Doch wer garantiert eigentlich, dass die Person neben einem wirklich auf der eigenen Seite steht?

„Woher weiß ich, dass sie mich nicht gleich für eine Handvoll Kupferstücke an den Feind ausliefert? Kann ich meinen Mitspielern wirklich trauen?“

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Die Frage stellt man sich als Spieler selten, vor allem im Zusammenspiel mit anderen SC. Während bei NSC und bei grundlegenden Konfliktszenarien die Sache anders aussieht und mit einem Verrat jederzeit gerechnet wird, schenken Spieler anderen Spielern im Normalfall Vertrauen. Wenn es um den Plot geht, arbeiten sogar Elfen und Zwerge bereitwillig und vertrauensvoll zusammen. Ausnahmen bilden da nur Cons oder Genres, wie etwa Vampire live, bei denen es von vornherein explizit um Intrigenspiel geht.

Der Grund dazu ist simpel. OT wissen beide Seiten, dass sie dasselbe Ziel haben. Also werden IT-Konflikte so weit reduziert, dass sie dem Plotlösen nicht im Wege stehen. Schließlich möchte niemand die Person sein, die durch konsequentes Konfliktspiel allen anderen den Spaß verdirbt. Das gilt ganz besonders bei kleineren Cons, auf denen sich die Spieler OT kennen und mögen, vielleicht sogar einen geschlossenen Freundeskreis bilden. Wer will schon seinen Freunden in den Rücken fallen?

Das Problem mit dem Konflikt

Leider geht durch diese Haltung, so nachvollziehbar sie auch ist, aber viel Spielpotenzial verloren.

Denn gerade diese Verrate und Konfliktspiel im LARP bieten auch Chancen. Das gilt nicht nur im Rahmen eines Konflikt- oder Intrigenspiels, sondern auch in Hinblick auf dessen Vermeidung.

Selbstverständlich gibt es Szenarien, die eine mehr oder weniger friedliche Spielerinteraktion erzwingen, etwa durch Friedenszauber oder mystisch-pazifistische Auren der Orte. Allerdings sind selbst in solchen Situationen Intrigen, Verrat oder verdecktes Konfliktspiel möglich. Was eigentlich zu einer spannenden Herausforderung für alle anwesenden Spieler führt. Sie müssen eine Möglichkeit finden, einerseits den Plot zu lösen und andererseits sicher zu sein, dass sie nicht plötzlich ein Messer in die Rippen bekommen, ihnen beim Rückzug kein Bein gestellt wird oder jemand mit seiner Intrige einen mühselig ausgehandelten Kompromiss wieder zu Fall bringt.

Bei diesem Problem kann man die Spieler grob in zwei Kategorien einteilen, die unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten haben. Kategorie eins sind Spieler, die seit Jahren mit denselben Charakteren auf dieselben Cons fahren. Dementsprechend kennt ihr Charakter viele der anderen Charaktere, auf die er trifft, bereits. Sie haben daher einen Grund, sich IT zu vertrauen. Oder aber sich zu misstrauen, wenn man sich das normale Verhalten vieler Charaktere der Rubriken Abenteurer, Magier, Waldläufer so ansieht. Selbst mit dem sicheren Wissen, von Schurken und Halunken umgeben zu sein, stehen sie aber noch besser da als Spieler der Kategorie zwei. Deren Charakter begegnet den meisten anderen SC zum ersten Mal. Er kann also kein bisschen einschätzen, was und wer ihn erwartet.

Dennoch hat selbst der draufgängerischste SC den Wunsch, auch mal entspannt und in Ruhe einen Krug Met zu leeren oder doch zumindest bei der Wache nicht ständig über die Schulter schauen zu müssen. Wenn der Krug Met dann auch noch nicht vergiftet wurde, umso besser.

Arten der Konfliktvermeidung

Immer wachsam: Ein Auge auf die Gefahr

Wie also kann man sich IT in unbekannter Umgebung absichern und Schwierigkeiten aus dem Weg gehen, sich aber gleichzeitig auch entspannen? Blendet man das Wissen aus dem OT aus, dass man sehr wahrscheinlich unbesorgt sein kann, so würde dies die meisten Spieler vor ernsthafte Probleme stellen. Dennoch gibt es ein paar grundlegende Möglichkeiten, zumindest den offensichtlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen. Dazu genügt es, aufmerksam seine Umgebung zu betrachten. Ganz besonders sollte man darauf achten, wie sich die anderen SC verhalten. Bereits ihr Auftreten und ihr Erscheinungsbild können Hinweise sein, woran bei man bei ihnen ist. Bei einem martialischen Kämpfertypus ist die Gefahr einer körperlichen Auseinandersetzung vermutlich größer als bei einer verführerisch angehauchten Kurtisane. Obwohl, wer weiß….

Sein Gegenüber muss man im LARP immer kritisch im Blick haben
Sein Gegenüber muss man im LARP immer kritisch im Blick haben

Während man zumindest offene Gewaltbereitschaft leicht erkennen kann, hat man bei Meuchelmördern, Beutelschneidern und Giftmischern hingegen scheinbar wenige Chancen, die Gefahr zu erkennen, bevor es zu spät ist. Doch auch diese und andere verdeckte Bedrohungen sind häufig rechtzeitig zu entdecken. Man muss nur wissen, wo man hinschauen muss. Während diese SC selbst unauffällig und harmlos wirken, so gibt es doch mit ziemlicher Sicherheit andere Anwesende, die ihnen bereits begegnet und dementsprechend auf der Hut sind. Wenn man seinen Blick also durch den Raum schweifen lässt, sollte man nicht nur im Blick haben, welche Charaktere bedrohlich wirken, sondern auch, wem gegenüber andere Spieler besonders vorsichtig sind. Hält jemand am Tisch verdächtig häufig seinen Becher zu oder hat eine Hand dauerhaft in der Nähe seiner Waffen? Das können Hinweise sein, dass einer der Tischgefährten nicht so harmlos ist, wie er wirkt.

Schließt die Reihen – Schutz in der Gemeinschaft

Eine andere Möglichkeit ist es, sich in den Schutz einer Gruppe zu begeben. In der Gemeinschaft ist man sicherer als allein und kein leichtes Ziel. Andererseits kann man Pech haben und sich genau denen anschließen, vor denen man eigentlich Schutz sucht. Statt eines entspannten Abends in der Grenzfeste mit der Kameradschaft einer fröhlichen Händlergruppe, sieht man sich plötzlich in der unfreiwilligen Hauptrolle beim mitternächtlichen Opferritual der örtlichen Kultisten. Die Gruppe, der man sich anschließen will, sollte man daher vorher lieber ganz genau unter die Lupe nehmen.

Ob diese Gruppe sicheres Geleit oder den Weg zum nächsten Opferaltar bedeutet, sollte man lieber nicht auf die harte Tour herausfinden.
Ob diese Gruppe sicheres Geleit oder den Weg zum nächsten Opferaltar bedeutet, sollte man lieber nicht auf die harte Tour herausfinden.

Doch diese Lösung bringt auch gewisse OT-Probleme mit sich. Denn nicht immer ist es als Spieler einfach, sich einer bestehenden Gruppe vor Ort anzuschließen. Schließlich will niemand aufdringlich wirken und eine Freundesgruppe stören, die lieber ihr gemeinsames Spiel auf der Con zusammen haben wollen. Das gilt sogar, wenn man berücksichtigt, dass man für gewöhnlich auf eine Con fährt, um andere Spieler kennenzulernen.

IT wiederum steht ein SC hier vor dem Problem, dass er der Gruppe, die ihm Schutz bieten soll, ja auch erst einmal beweisen muss, dass er nicht die Gefahr ist. Schließlich will keine Gruppe einen Fremden aufnehmen, der sie bei der erstbesten Gelegenheit meuchelt.

Schutz gegen Dienst – Die Obrigkeit

Glücklicherweise gibt es bei den meisten Cons noch eine andere Möglichkeit, sich Sicherheit zu garantieren. Man kann sich offiziell dem Gastgeber vorstellen und um Schutz bitten oder ihn um Rat fragen. Das mag, je nach Con, auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Andererseits gibt es an jedem bespielten Ort eine Autoritätsperson, die letztlich auch ein Interesse daran hat, dass Gewalt nur gezielt eskaliert und darüber hinaus Frieden herrscht. Selbst wenn die Bitte um Schutz, da sie selten vorkommt, von Neuankömmlingen für den altgedienten Grenzkommandanten, Gastwirt oder Baron anfangs seltsam wirkt, so generiert sie doch jede Menge Spiel.

Zum Einen wird die herausgehobene Rolle des Gastgebers oder Anführers betont, etwas, das im LARP mit seinen vielen Häuptlingen eher zu selten als zu häufig passiert. Gerade, wenn ein SC solch eine Bitte in höfischem Ambiente förmlich ausspricht, schafft er dadurch eine Szene, die alle Spieler daran erinnert, dass hier ein Herrscher im Raum ist. Für gewöhnlich besteht im LARP nämlich eher die Gefahr, dass lokale Autoritäten entweder bewusst ignoriert oder gleich gar nicht erkannt werden. Eine Gefahr, die gerade bei lautstarken langjährig teilnehmenden Gruppen und bei Neulingen, die sich im Szenario noch nicht auskennen, besonders groß ist.

Das Ziel von friedlichen Spielern. Gemütliches Zusammensitzen statt Konflikt
Das Ziel von friedlichen Spielern. Gemütliches Zusammensitzen statt Konflikt

Ein SC, der dem Oberhaupt seine Aufwartung macht, generiert demnach nicht nur Spiel für sich, er festigt auch die Immersion der Spielwelt.

Zum Anderen bietet sich dem so angesprochenen Chef-SC auch die Möglichkeit, nicht nur die eigene Stellung im Szenario nochmal in Erinnerung zu rufen. Ein cleverer Herrscher bietet seine Gastfreundschaft und seinen Schutz nicht einfach so an. Immerhin kann das Gewähren von Schutz als Gefallen betrachtet werden, der irgendwann erwidert werden muss. Sei es, dass er bei seinem neuen Schutzbefohlenen nun wirklich nur einen Gefallen gut hat, oder sei es, dass er als Voraussetzung für seinen Schutz Geld oder gar einen Treueeid verlangt. Dieser Aspekt ermöglicht es daher gerade neuen Spielern, nicht nur ihren Charakter vor Ungemach zu schützen. Eine solche womöglich folgenreiche Interaktion mit der Obrigkeit vor aller Augen nimmt den SC zugleich in die Gemeinschaft auf. Er ist nun kein Fremder mehr, der erstmal kritisch beäugt werden muss. Denn jeder hat gesehen, dass er vom örtlichen Oberhaupt aufgenommen wurde. Wenn sich der Neuling, selbst wenn es sich bei ihm um einen Zwerg handelt, dann zum nächsten Tisch begibt und dort einem Elfen gegenübersitzt, so wissen beide, dass ihnen hier kein Unheil voneinander droht.

Fazit: Für mehr Konfliktvermeidungsspiel

Auch, wenn auf vielen Cons Konfliktspiel erfolgreich betrieben wird, so könnten Misstrauen, Abneigung und Vorbehalte zwischen SC doch weiter verbreitet sein. Gegenseitiges Vertrauen ist nicht selbstverständlich, eher sollten Spieler im Normalfall davon ausgehen, dass ihnen, besonders in unbekannter Gegend, durch fremde Spieler Gefahr droht. Denn das bietet Spiel und kann letztlich sowohl neue Bekanntschaften entstehen lassen als auch den bespielten Hintergrund deutlicher hervortreten lassen, da die etablierten, aber gerne ignorierten lokalen Autoritäten als solche angesprochen und gefordert werden.

Schließlich hat ein guter Gastgeber mehr zu tun als nur Essen bereitzustellen. Er muss auch die Sicherheit seiner Gäste garantieren. Die müssen dafür im Gegenzug seine Autorität als Gastgeber akzeptieren. Gleiches gilt auch, wenn eine Adels- oder Kaufmannsgesandtschaft irgendwo Quartier bezieht. Ist der Anführer der Gruppe mächtig genug, dass Wirt, Gutbesitzer oder sonstiger Gastgeber ihn respektvoll als Herr begrüßen, so hat er auch die Pflicht, für Ordnung und Sicherheit in seiner Umgebung zu sorgen.

Während also gutes Konfliktspiel zu Recht beliebt ist, hat gutes Konfliktvermeidungsspiel noch Potenzial nach oben.

Oder seht Ihr das anders? Wie entscheidet Ihr auf einer Con, wem ihr vertraut und wem nicht?

Wie intensiv habt ihr diese Alltagsgefahren des Reisens und Zusammentreffens mit Fremden bereits bespielt?

Artikelbilder: © Nabil Hanano

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