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Zwei Ermittler versuchen eine Mordreihe in Alaska aufzuklären und der Hauptverdächtige ist niemand anderer als Logan. Welchen Geheimnissen war der Antiheld auf der Spur? Wir schauen uns Wolverine: Im Dunkel der Nacht genauer an und sagen euch, ob diese Comicadaption eines Hörspiels gelungen ist.

Mit X-Force und der neuen Wolverine Reihe hat Benjamin Percy momentan die volle Kontrolle über sämtliche Abenteuer des kanadischen Mutanten. Seine erste Berührung mit dem Antihelden war aber eine andere: Marvel vertraute dem Autor 2018 ein besonders innovatives Projekt an: The Long Night – ihr erstes Hörspiel in Form eines Podcasts. Viele Auszeichnungen und eine zweite Staffel später war klar, dass das Haus der Ideen damit einen guten Riecher bewiesen hat. Nun wagen sie den Schritt zurück und lassen Percy seinen Hörspiel-Stoff zurück in die Neunte Kunst übertragen. Doch kann eine so dialoglastige Geschichte als Comic funktionieren? Wird die optische Ebene überhaupt benötigt oder schafft sie es, der Erzählung noch eine besondere Note zu geben? Ihr erfahrt es in unserem Kurzcheck.

Wolverine – Im Dunkel der Nacht

In einem verschlafenen Örtchen in Alaska wird ein Schiff an Land gespült, auf dem niemand überlebt hat. Die Leichen weisen seltsame Kratzspuren auf, die von drei mächtigen Klauen zu stammen scheinen. Hat der mysteriöse, schweigsame Fremde namens Logan, der vor Kurzem in das Fischerdorf gekommen ist und auch schon auf dem Schiff angeheuert hatte, etwas mit Fall zu tun? Außerdem gibt es in der Ortschaft eine Sekte, die vor der langen Nacht warnt, dazu eine Gruppe von wilden Kindern, die ihre ganz eigenen Regeln aufstellen, und eine mächtige Familie, der schon lange fast alles im Dorf gehört –  inklusive des angespülten Fischerboots. Und wie kann es sein, dass die Ladung des Schiffes so plötzlich verschwindet? Die Special Agents Pierce und Marshall stehen vor einem Rätsel.

Der größte Teil der Geschichte wird über Zeugenbefragungen erzählt. Diese Befragungen wurden aus dem Hörspiel übernommen und für die Adaption visualisiert. Die scheinbare Hauptfigur Wolverine taucht dabei zunächst nur in Erzählungen auf und wird erst gegen Ende des Bandes selbst aktiv. Somit sind die beiden Ermittler die Protagonisten, die aber außer ein paar Streitereien selbst keine wirkliche Charakterisierung bekommen. Der Erzählstil und auch einzelne Elemente der Handlung erinnern an die erste Staffel der HBO-Serie True Detective, ohne dabei aber dessen Komplexität zu erreichen. In einem Interview hat Percy diese Serie neben dem Film Erbarmungslos und dem Podcast Serial als Inspiration für sein Hörspiel angegeben.

Wolverine, wie wir ihn kennen und lieben

Das letzte Kapitel zeigt uns die Auflösung der Geschichte und enttäuscht dabei ein wenig. Viele der Spuren stellen sich als falsche Fährten heraus und es hinterlässt einen faden Beigeschmack, dass der Twist am Ende anscheinend aus dem Nichts auftaucht. Das soll aber den Lesegenuss nicht trüben. Für einen waschechten Krimi-Fan ist es dennoch ein Genuss, Thesen aufzustellen, wie die verschiedenen Fäden nun alle zusammengehören. Dass das Abenteuer nicht im Hauptuniversum, sondern einer ganz eigenen Welt spielt, in der beispielsweise keine X-Men erwähnt werden, sorgt auch für zusätzliche Spannung.

Die Gestaltung ist auch sehr ansprechend. Der ganze Band ist in schlichten Farben gehalten. Auch die Hintergründe sind meist sehr einfach koloriert. Das lenkt den Fokus auf die Charakterzeichnungen, die einen sehr urtümlichen Touch haben und für eine unheimliche Atmosphäre sorgen. Besonders Wolverine selbst, der auch in den Erzählungen der Dorfbewohner als eine Urgewalt beschrieben wird, die nur schwer zu durchschauen ist, kommt hier zur Geltung. Die Zeichnungen dieser Figur umgibt stets etwas Erhabenes, aber auch etwas sehr Gefährliches. Dies ist der Charakter, für den man diesen Comic lesen sollte.

Ob es eine Comicadaption des Stoffes benötigt hat, ist nicht einfach zu beurteilen. Auf vielen Seiten sind die Zeugenbefragungen mit nichtssagenden Bildern untermalt, doch dann gibt es immer wieder Seiten, die uns zeigen, wozu ein guter Comicband in der Lage ist: Es wird augenblicklich eine Atmosphäre erzeugt, die uns in die Geschichte zieht und durch die man nach mehr verlangt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in: Benjamin Percy
  • Zeichner*in: Marcio Takara
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 15 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit

Wolverine – Im Dunkel der Nacht ist ein waschechter Krimi, der uns einen Wolverine präsentiert, wie wir ihn schon lange nicht mehr erlebt haben: geheimnisvoll und gefährlich. In diesem Sinne ist es eine gute Idee, dass er hier nicht als Protagonist, sondern nur in den Erzählungen der Dorfbewohnern auftaucht. Es wird eine komplexe Story ersonnen, die dann aber im Finale viel von ihrem Potential verschenkt. Dennoch habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt. Man kann das Finale auch als Hommage an einen alten Wolverine-Klassiker sehen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie diese Geschichte als Hörbuch funktioniert. Die Adaption in ein Comicmedium bereichert die Geschichte mit ein paar eindrucksvollen Bildern. Die trostlose Stimmung im tiefen Alaska sorgt für ein beklemmendes Gefühl, das sich sehr gut mit der Handlung verträgt. Wenn man das kostenlose Hörspiel bereits gehört hat, muss man diesen Comic nicht lesen, aber gerade für deutsche Leser*innen, ergibt sich hier eine gute Gelegenheit in die Handlung einzutauchen. Wer sich für einen Marvel-Krimi begeistern kann, darf hier gerne einmal hineinschauen.

  • Spannender und beklemmender Krimi
  • Ein schweigsamer und mysteriöser Wolverine
  • Eine visuelle Gestaltung, welche für die nötige Atmosphäre sorgt
 

  • Die Auflösung des Falls mag manchen Leser enttäuschen

  • Die beiden Protagonisten bleiben farblos

  • Die Adaption vom Hörbuch in einen Comic ist nur teilweise sinnvoll

 

Artikelbilder : © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Susanne Stark
Dieses Produkt wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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