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Wenn das schönste Hobby der Welt auf einmal nicht mehr Kraft bringt, sondern im Gegenteil an den Nerven zehrt. Wenn der nächste Spieleabend nicht herbeigesehnt, sondern vielmehr nur mehr Müdigkeit hervorruft. Wenn man sich eingestehen muss, dass Pen-and-Paper keine Freude mehr bereitet, dann ist es Zeit, dass sich etwas ändert.

Die meisten von uns werden sie schon in der ein oder anderen Form erlebt haben: RPG-Müdigkeit.

RPG-Müdigkeit ist die Absenz von Enthusiasmus, von Spiel(vor)freude und Begeisterung, die dieses tolle Hobby so bitter nötig hat, wenn es ein unvergesslicher Spieleabend werden soll.

Auch Held*innen dürfen mal müde sein. (©depositphotos | stokkete)

Niemand kann die anfängliche Begeisterung für eine neue Runde, ein neues System, ein neues Setting auf Dauer aufrechterhalten – und braucht das auch gar nicht. Jeder anfängliche Enthusiasmus ist einmal weg.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Zustand, der eintritt, wenn man sich zum Spieltisch nur mehr quält und aus Verpflichtung teilnimmt. Wenn das Hobby zur Pflicht wird, ist es Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken, was man hier eigentlich macht. Denn schließlich ist Rollenspiel bloß ein Hobby. Ein schönes Hobby zwar, aber dennoch eine Freizeitbeschäftigung, die sich ihren Platz zwischen anderen Aufgaben wie Familie, Haustieren,  Hobbies und vielem anderen mehr verdienen muss.

Welche Arten der RPG-Müdigkeit können auftreten? Man kann hier mehrere Arten der Müdigkeit unterscheiden, welche alle unterschiedliche Lösungsansätze bereithalten:

Vom Sand im Getriebe – RPG-Überlastung

Sowohl bei alten Hasen als auch Neulingen im Pen-and-Paper-Hobby kommt es immer wieder vor, dass man sich schlicht und einfach übernommen hat. Das kann sowohl die Anzahl der Runden als auch ihren Stresslevel bedeuten. Während manche Spieler*innen erst mit fünf Runden in der Woche ihr Auskommen finden, ist es für andere Spieler*innen schon problematisch, eine zweiwöchentliche oder gar monatliche Runde in ihrem Kalender unterzubringen.

Hier hilft vor allem Ehrlichkeit gegenüber der Spielrunde, aber auch gegenüber sich selbst. Tue ich mir die vierte Spielrunde tatsächlich an, oder lasse ich bewusst Leerstellen in meinem Kalender, um eventuell einen Abend mal nichts zu tun? Tut mir dieser „freie“ Abend (denn Freizeit sind die mit Pen-and-Paper verbrachten Abend ja ohnehin) nicht besser, und kann ich mich auf mein Spiel, mein Leiten in der folgenden Spielsitzung nicht viel besser vorbereiten und genießen?

Auch, wenn es sich etwas paradox anhören mag, aber weniger Rollenspiel kann mehr sein. Vor allem, wenn man merkt, dass man nicht mit Herzblut bei der Sache ist. Du musst mit deinem Hobby niemanden etwas beweisen. Weder in der Länge der gespielten Sitzungen noch in der Anzahl der gespielten Runden. Das führt uns zum nächsten Punkt:

Eigentlich interessiert es mich nicht so sehr

Vielleicht hat man sich vom Genre mehr erwartet. Möglicherweise taugen einem die Regeln doch nicht so sehr, oder es sind Konflikte im Rollenspiel oder am Spieltisch aufgebrochen, die man eigentlich nicht bespielen möchte, weil einem ständige höfische Intrigen, permanente Dungeoncrawls oder sich immer wiederholende Rätsel nur Langeweile hervorrufen. Oder die Charakterklasse entpuppt sich als etwas, das weniger Freude als erhofft bringt. Dann ist es an der Zeit, dass sich etwas am Spiel verändert.

Rollenspiel ist eine tolle Energiequelle, um die eigenen Batterien nach einem langen, anstrengenden Tag aufzuladen. Ähnlich einer Batterie müssen jedoch die Pole zueinander passen, sonst geschieht im schlimmsten Falle ein Unglück. Es ist absolut keine Schande, sich einzugestehen, dass für dich das Genre, die Runde oder das Spiel nichts ist. Es ist allerdings auch höchst fair gegenüber der Spielleitung und den anderen Mitspielenden, deine Bedenken, Wünsche und Beschwerden möglichst früh kundzutun, damit man eventuell entgegenwirken kann. Schließlich wollen (hoffentlich und meistens) alle Beteiligten einfach einen schönen Spieleabend haben und genießen, und das geht am besten, wenn man sich auf gemeinsame Rahmenbedingungen geeinigt hat.

Es ist dabei keine Schande, deine Müdigkeit bekannt zu geben. Niemand kann immer für alles Energie haben, und Pen-and-Paper ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen.

Frustration und RPG-Müdigkeit entstehen oftmals aus einer Enttäuschung heraus. Diese wiederum ist in den meisten Fällen aus einer nicht erfüllten Erwartungshaltung hervorgegangen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht wie erhofft in der Realität entwickeln konnte. Wenn man dies auf eine Formel hinunterbrechen möchte, könnte man formulieren:

Frust = Erwartung – Realität

Warum auch immer unsere schöne Erwartungshaltung enttäuscht wurde, ist in dem Moment gar nicht einmal relevant. Viel wichtiger ist nun, sich einzugestehen, warum die Erwartungshaltung enttäuscht wurde und was man an der gegenwärtigen Situation realistisch noch ändern könnte.

Die Müdigkeit hinter dem Schirm – wenn die Spielleitung ausgebrannt ist

„OK guys let’s go shut up
come on OK it’s time to start
Now who needs a pencil?
Everyone? Fine, here you go!
You should have leveled up your characters –
how come you didn’t?
Do you even want to go on this adventure or no?“ – The Dungeon Master’s Lament – Amy Vorpahl

Die meisten der oben genannten Problemfelder treten natürlich auch bei der Spielleitung auf. Diese hat noch dazu den erhöhten Aufwand der Spielvorbereitungen zu leisten und muss als einzige*r Spieler*in eine hundertprozentige Anwesenheit aufweisen. Darüber hinaus muss sie während dem Großteil des Spiels ihre Konzentration aufrecht halten und stets eine Antwort auf die unmöglichsten Fragen parat haben.

Rollenspiel kann manchmal ein Loch für deine Energie sein. (©depositphotos | Juric.P)

Um einer RPG-Müdigkeit bei Spielleitungen präventiv entgegenzuwirken, empfiehlt sich als Spieler*in eine proaktive Herangehensweise: sei die beste Version von dir, die du sein kannst! Spiele bevorzugt die SC statt NSC an, stelle allen Fragen, sei kreativ in deinen Ideen. Kreative und kommunikative Spieler*innen geben der Spielleitung wesentlich mehr Kraft, als sie nehmen. Spieler*innen, welche sich gegenseitig beschäftigen, geben der Spielleitung die Möglichkeit, sich ein wenig zurückzulehnen und selbst das Spiel als Zuschauer*in zu genießen. Noch dazu kann die Spielleitung währenddessen gleich die nächste Szene vorbereitend durchdenken. Auch abseits des Spieltisches können Spieler*innen entlastend wirken: so können sie die Aufgabe der Terminfindung übernehmen (obwohl das zugegebenermaßen eine intime Kenntnis des Terminkalenders der Spielleitung voraussetzt – ein regelmäßig stattfindender Termin kann da Abhilfe schaffen).

Wenn die Spielleitung aus welchen Gründen auch immer eine Pause braucht, sollte sie dies nach Möglichkeit ebenfalls den Spieler*innen kommunizieren. Vielleicht ist dies die Gelegenheit, einmal die Rolle der Spielleitung zu übernehmen, damit jemand Neues hinter dem Meisterschirm erste Erfahrungen sammeln darf. In jedem Fall freuen sich alle Spielleitungen über das ein oder andere Lob von Zeit zu Zeit, wenn der Spielabend gefallen hat. Auch das kann helfen, die Motivation aufrecht zu halten. 

Wie komme ich wieder ins Spiel zurück?

„Is it not true that even the Gods must rest from time to time?“
„It is true.“
„And you are not a God.“
„No“. – Samurai Jack, The four Seasons of Death – Spring

Wenn die Energie einmal verloren gegangen ist, kann es schwer werden, wieder ins Rollenspiel zurückzufinden. Am wichtigsten ist: Hetze nicht und nimm dir Zeit, dich wieder auf eine gepflegte Runde Pen-and-Paper zu freuen. Keine Runde der Welt ist es wert, sich ihretwegen zu sehr zu stressen (ein gewisses Maß an Enthusiasmus kann aber selbstverständlich von den Mitspieler*innen erwartet werden).

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wieder mit frischer Energie in das Hobby Pen-and-Paper einzusteigen. Vielleicht hilft dir ein Wechsel des Spielortes, des Genres oder der Termine, an denen gespielt wird. Weniger, dafür besser platzierte Termine sind angenehmer zu bespielen als eine unbedingt zu absolvierende, gehetzte Runde, bei der so gut wie niemand am Ende Spaß hat. Möglicherweise hilft auch eine andere Charakterklasse oder gar ein Wechsel hinter oder vor den Schirm der Spielleitung – wobei jede*r Rollenspieler*in sich zumindest einmal als Spielleitung versucht haben sollte, und sei es nur, um gesehen zu haben, wie anspruchsvoll diese Tätigkeit sein kann.

Sprich mit deinen Mitspieler*innen und der Spielleitung. Geht es nur dir mit deinem Frust so, oder sind eventuell mehrere Leute in der Spielrunde aus denselben Gründen nicht zufrieden? Kann man das Problem genauer benennen oder ist es mehr ein allgemeiner Zustand des Unwohlseins? Geht das Problem zwischen den Spieler*innen und der Spielleitung oder geht es mitten durch die Spielrunde? Würde es vielleicht allen gut tun, den Spielabend damit zu verbringen, über das zu sprechen, was man gerne erleben würde oder nicht erleben möchte, damit man dahingehend Klarheit geschaffen hat?

Vielleicht (hoffentlich) können deine Mitspieler*innen beim Finden einer zufriedenstellenden Lösung helfen. Möglicherweise gibt es auch noch mehr, was den Leuten, mit denen du deine Freizeit verbringst, auf der Seele und der Zunge liegt, es sich aber noch niemand getraut hat, die eigenen Probleme offen anzusprechen.

Sei offen in deiner Kommunikation, deinen Wünschen und Ansprüchen. Sich selbst zurückzunehmen, um in der Spielrunde nicht ungut aufzufallen oder nicht als ichbezogen zu gelten, hilft für ein paar Abende. Irgendwann aber möchte man selbst auch mal Erfolgserlebnisse machen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen oder einen coolen Spruch losgelassen haben. Wenn man immer zurückstecken muss, macht kein Spiel auf Dauer Freude.

Fazit

„Fühlst du dich mutlos? Fass endlich Mut, los!
Fühlst du dich hilflos? Geh raus und hilf, los!
Fühlst du dich machtlos? Geh raus und mach, los!
Fühlst du dich haltlos? Such Halt und lass los!“ – Judith Holofernes, Alles auf Anfang.

Auch das schönste Hobby der Welt kennt seine Durststrecken. Doofe Spielleitungen, nervende Mitspieler*innen, langweilige und zum Haareraufen hirnrissige Plots, viel zu viele Termine in der Arbeit und mit der Familie. All diese Faktoren spielen mal mehr, mal weniger eine Rolle, wenn es darum geht, sich auf einen gepflegten Abend Pen-and-Paper vorzufreuen. Oder eben nicht. Wenn du merkst, dass du wirklich keine Vorfreude auf eine Runde verspürst, ist es legitim, wenn du den Abend gut sein lässt und dafür etwas anderes unternimmst, das dir Kraft gibt. Sei nur so gerecht deinen Mitspieler*innen gegenüber, das möglichst zeitig zu tun.

Vielleicht kann aber auch ein Wechsel helfen. Eine andere Geschichte, die bespielt werden will, eine ausgewechselte Spielleitung mit neuen Ideen, neue Mitspieler*innen oder das Fernbleiben der richtigen. Wahlweise auch andere Wechsel wie ein neuer Ort zum Spielen oder andere Wochentage, an denen ihr euch treffen könnt. All dies kann gut dabei helfen, dich wieder ins Spiel zu holen.

Viel Erfolg und Kraft dabei. Das Abenteuer wartet!

Titelbild: © depositphotos | 3DStockPhoto
Artikelbilder: wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Rick Davids

2 Kommentare

  1. Ein unglaublich guter Beitrag denn ich in allen Punkten bestätigen kann. Leider auch aus einen sehr aktuellen Anlass bei mir als Spielleiter der alle runden auf Eis gelegt hat und erstmal atmen und überlegen muss, wie es nun weiter gehen soll.

    Alternativen können helfen habe ich festgestellt zum Beispiel sich auf andere Weise mit dem Hobby beschäftigen, Material basteln oder Kurzgeschichten schreiben.

  2. Jetzt erst gelesen, aber kann ich bestätigen. Bei mir begann alles mit „Das Jahr des Feuers“. Die Kampagne war einfach nur frustrierend und hat viel Energie gekostet, ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf die Runde, konnte aber nicht aussteigen. Daraufhin leitete ich eine Chtulhu Runde, aber die Spieler wollten partout nicht in das Abenteuer einsteigen. Irgendwann habe ich mir gedacht, das kostet zuviel Energie, die ich auf der Arbeit schon brauche. Schade, aber wenn ich mich für Arbeit oder Hobby entscheiden muss, dann gewinnt nun mal die Arbeit.

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