Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten

Alle haben ihn schon einmal erlebt, kennen und fürchten ihn: Frust. Ob als an den Mitspielenden verzweifelnde*r Spieler*in, ob als Spielleitung, die ihre Gruppe zum wiederholten Male unverdient rettet – irgendwann fragt man sich, warum man sich das alles antut. Dieser Artikel möchte helfen, mit dem Problem des Frusts am Spieltisch umzugehen.

Es ist schon wieder passiert.

Der Abend ist wieder mal gelaufen. Eigentlich hätte es eine schöne Portion verdiente Weltflucht werden sollen, ein Ausflug in eine Fantasie, in welcher deine Anstrengungen belohnt werden, die Bösen eins auf die Mütze und der*die strahlende Held*in am Ende das ersehnte Liebesglück bekommt.

Es kam anders.

Die Mitspieler*innen sind entweder unpünktlich oder gleich gar nicht erschienen. Von einer Entschuldigung, gleich ob im Vor- oder Nachhinein ausgesprochen, reden wir gar nicht erst. Die Spielleitung war demotiviert und hat den ganzen Abend entweder vom Blatt gelesen oder dermaßen schlecht improvisiert, dass man sich wünschte, sie hätte einfach aus dem Abenteuer vorgelesen. Alles in allem war es ein Abend zum Vergessen.

In diesem Artikel möchte ich die ein oder andere Hilfestellung geben, wie man Frust und die dadurch entstehenden Probleme lösen kann.

Warum Frust?

Frust kann aus mehreren Gründen entstehen, aber allen liegt eine grundlegende Prämisse zugrunde:

Meine Erwartungen wurden enttäuscht.

Frust entsteht aus einer nichterfüllten Anspruchshaltung an das Spiel, die Mitspielenden, die Spielleitung, einen aufgebauten Spannungsbogen et cetera. Macht man sich diese Tatsache bewusst, fällt es zumindest leichter, die Ursache für die eigene Verstimmung genauer zu lokalisieren.

Wenn es einfach mal zu viel wird … © Dundanim

Von allen Frustauslösern werden die gruppeninternen Probleme am häufigsten und am schwierigsten zu lösen sein: Eine Serie verpatzter Würfe ist natürlich frustrierend, wird aber in eher seltenen Fällen zum Ende einer Spieler*innenkarriere führen. Streit untereinander hat das allerdings schon mehr als genug hinbekommen.

Es sei hier aber noch etwas Wichtiges erwähnt:

Frust gehört zum Rollenspiel dazu!

Ohne frustrierende Momente hätten wir keine Möglichkeit, die Erfolge einer schönen und spannenden Runde zu genießen. Genau, wie ohne die Möglichkeit des Scheiterns der Erfolg keine Freude bereitet, brauchen wir manchmal frustrierende Phasen, damit die schönen Augenblicke umso besser in Erinnerung bleiben. Die Stadtwache, die den Spielcharakter nicht passieren lässt? Arrogante Adlige, die deinen Charakter mies behandeln, weil er nicht von gleichem Stand ist? Der viel zu gefährliche Kampf gegen einen ganzen Haufen zugedröhnter Go-Ganger? Der alte erhabene Drache, der den geliebten NSC am Stück herunterschluckt und so ganze Spielabende des gemeinsamen Charakterspiels mit einem Happs beendet? Ja, all diese Momente sind mehr als unangenehm und frustrierend. Aber genau dies sind auch die Momente, die den Spielenden die Gelegenheit geben, zu leuchten: die zündende Idee, die den Abend rettet, der mutige Ansturm, der die feindliche Burg zu Fall bringt, der gerissene Plan, der dem*der Bösewicht*in die Suppe versalzt. Gerade die im Augenblick frustrierenden Situationen sind es, an die man sich später nur allzu gerne erinnert. Und sei es nur deswegen, weil man einen Weg aus ihnen herausgefunden hat.

Wir wenden uns daher, nachdem wir Boshaftigkeit seitens der Spielleitung ausgeschlossen haben, den zwischenmenschlichen Problemen zu und unterteilen sie in Mitspielende und Spielleitung, da sich die Probleme durchaus unterscheiden können.

Meine Mitspielenden sind doof!

Grundsätzlich sei zu Beginn der Betrachtung der lieben Mitspielenden gesagt: Rollenspiel ist ein unglaublich komplexes Hobby. Niemandem „gelingt“ es zu jeder Zeit, die Übersicht über die momentanen Plotstränge, aktuellen Regelauslegungen und gegebenen Aufmerksamkeitsspannen der Spielenden zu behalten.

Es kann jederzeit geschehen, dass die Motivationen und Handlungen der Mitspielenden am Spieltisch entweder nicht erkennbar oder vollkommen konträr zu deinen sind oder absolut sinnlos erscheinen. Wenn sich Mitspielende nicht dazu aufraffen können, eine Entscheidung gemeinsam zu treffen, ewig im stummen Eck bleiben möchten oder, vielleicht genauso schlimm, durch ihre stärkere Präsenz den Spieltisch zu dominieren beginnen, ist es definitiv Zeit für ein klärendes Gespräch unter zunächst vier, dann mehr Augen, wenn eine erste Konfrontation nicht ausreicht.

Sollte das Problem bei dieser Person liegen und nicht bei der Spielleitung, dann bietet es sich an, die Spielleitung zur Lösung des Problems hinzuzuholen. Schließlich liegt es im fundamentalen Interesse aller Spielleiter*innen, dass die Runde gut zusammenarbeiten kann. Zudem kann man annehmen, dass der Spielleitung die Runde genug am Herzen und hoffentlich nicht schwer im Magen liegt, dass sie in ein aufkommendes Problem in der Spielrunde eingreifen würde.

Und im schlimmsten Fall gilt:

Manchmal ist es in Ordnung, einen Schlussstrich zu ziehen.

Wenn alles andere (ein Gespräch zwischen Spieler*innen und Spielleitung, die Neudefinition von Grenzen und Zielen, die Etablierung neuer Abläufe innerhalb der Spielrunde) nicht funktionieren möchte, dann sollte man als letzte Konsequenz das Engagement in dieser Spielrunde beenden. Der Spruch der schönen Kinder anderer Eltern ist zwar alt, aber gerade in dieser unserer Zeit der boomenden Pen-and-Paper-Rollenspiele wird man irgendwann etwas Passenderes finden.

Die Spielleitung mag mich nicht!

Wenn die Chemie am Tisch einfach nicht stimmen mag … © piotr_marcinski

Zwischen Spielleitung und Spielenden besteht in den allermeisten Runden durch die Natur des Pen-and-Paper-Rollenspiels bedingt eine gewisse Hierarchie. Jemand erzählt von einer fantastischen Welt, ihren Bedingungen und Regeln, ist auch für die Auslegung dieser Regeln während des Spiels verantwortlich und bestimmt, welchen Schwierigkeiten die Spielenden gegenüberstehen. Eine große, für manche allzu große Verantwortung. Und dennoch ist diese Person diejenige, die stets im Hintergrund bleiben und agieren sollte, denn ihre Myriaden an gespielten Nichtspielercharakteren sind eben genau das – nicht die Spielercharaktere und somit nicht die Held*innen des gespielten Abenteuers.

Wir sehen also eine gewisse Ungleichheit zwischen Spielleitung und Spielenden. Und in den allermeisten Runden funktioniert das ganz gut. Welche Fallstricke tun sich also zwischen den Mitgliedern einer Spielrunde auf?

Schon bedingt durch die Sichtweise der Person hinter dem Spielleitungsschirm, die sich sehr von der Sichtweise der Spielenden unterscheidet, kann sich Frust aufbauen. Der Bau und die Pflege einer fantastischen Welt ist eine so umfangreiche wie komplexe Aufgabe (aus genau diesem Grund sollten alle Spielenden auch zumindest einmal gemeistert haben – es schärft ein wenig das Auge dafür, wie viel Arbeit es machen kann), die das Risiko des Tunnelblicks in sich trägt. Was als Railroading einen schlechten Ruf genießt, ist allzu oft lediglich der Versuch der Spielleitung, die Spielenden auf dem schönsten/interessantesten/aufregendsten Pfad durch das Abenteuer zu führen. Die Spielenden, die sich zu Recht gegängelt fühlen, wollen ihrer Freiheit nicht beraubt werden und bekämpfen aktiv diese unsichtbaren Fesseln. Die Spielleitung hingegen sieht ein paar Halblustige, welche die mühsam aufgebaute Welt ignorieren und kaputt hauen, weil sie diese und die Spielleitung nicht ernst nehmen. Zu der akuten Mühe mit solchen Befreiungsschlägen gegen das Korsett einer zu engen Welt kommt dann noch der Stolz verletzter Weltenbau-Eltern, die sehen, wie ihr geliebtes Kind nicht angenommen wird.

Bei dieser Art Frust hilft eigentlich nur ein klärendes Gespräch zu Beginn der Kampagne, in welcher Art Welt man spielen möchte. Auch der angestrebte Grad an Regelgenauigkeit und Tödlichkeit sollte vor der ersten echten Spielsitzung durchgesprochen werden, um möglichen Frustmomenten vorzugreifen. Ähnlich einem Sicherheitsgurt kann man vielleicht im Vorfeld das ein oder andere Problem beheben, bevor es entsteht.

Eine weitere häufige Stolperfalle zwischen Spielleitung und Spielenden sind Meister*innenwillkür und Bevorzugung. Spielleitungen sind nicht davor gefeit, manchmal suboptimale Entscheidungen zu treffen, die sie am liebsten gleich revidieren würden. Sie bemerken dies im Laufe des Spielgeschehens aber vielleicht nicht und vergessen dann, sich bis zum nächsten Treffen zu korrigieren.

Auch die Handhabung akuter Regelunkenntnis kann zu Unstimmigkeiten am Spieltisch führen. Eine schöne Lösung für dieses Problem hatte der Spielleiter meiner allerersten Spielrunde: Zu Beginn des Abends fragte er, wer sich einen Extraerfahrungspunkt verdienen wollte. Der bejahende Spieler wurde vom Spielleiter zum Schreiber des Abends ernannt – wann immer eine Regelfrage auftauchen würde, die der Spielleiter nicht gleich beantworten könnte, sollte der Schreiber diese Frage mitschreiben und der Spielleiter würde sich diesen konkreten Fall bis zum nächsten Mal ansehen. Bis dahin würde er für die akute Frage am Spieltisch eine vorläufige Entscheidung treffen. Diese, wenn auch nicht immer regelgetreue, Handhabung von Spielproblemen garantierte den Spielenden ein halbwegs flottes Spielerlebnis und der Spielleitung eine immer größere Sattelfestigkeit mit den Spielregeln, war also positiv für alle.

Bevorzugung ist eine weitere beliebte Stolperfalle für manche Runden. Geben wir es zu, die meisten Spielleitungen haben Lieblingsspielende, genauso wie Eltern ein liebstes Kind haben. Und das ist auch nicht weiter schlimm. Problematisch kann die Situation dann werden, wenn sich Spielende gegenüber der favorisierten Person zurückgesetzt fühlen, egal ob es Spielzeit, Beute oder Rampenlicht bedeutet. Die Spielleitung sollte immer ein Augenmerk darauf haben, dass alle Spielenden zumindest einmal pro Spielabend eine eigene Stärke ausspielen konnten und so ein wenig im Rampenlicht standen. Es ist nicht das Problem, Lefou neben Gaston zu spielen. Es ist das Problem, Lefou zu spielen und niemals gefragt zu werden, was man denn tun möchte. Wenn man das Gefühl hat, dass die Geschichte an einem vorbeigeht und auch ohne einen gespielt wird, dann hat man jedes Recht dazu, sauer zu sein.

So wie die Spielleitung darauf achten sollte, dass alle Spielenden ein wenig Rampenlicht bekommen – schließlich sind sie die Held*innen der Geschichte –, so sollten auch die Spielenden die aktive Kommunikation mit der Spielleitung suchen. Rückmeldungen, was gut und schlecht angekommen ist, Wünsche und Anregungen, was man denn gerne sehen oder besser machen könnte, Beschwerden, wenn etwas schief gegangen ist: All das benötigt die Spielleitung, um besser zu werden. Unterstützt eure Spielleitungen darin, sich zu verbessern! Das bedeutet auch, dass man seine Spielenden dezidiert loben sollte, wenn einem etwas besonders gut an ihrem Spiel gefallen hat. Auch wenn Spielendenerziehung ein hässliches Wort ist, lernt man doch voneinander und wächst hoffentlich miteinander.

Was wollen wir eigentlich hier?

Das Thema Motivationsfindung für Charaktere und Gruppen wurde bei Teilzeithelden schon das ein oder andere Mal angesprochen. Startet man ohne Motivation in eine neue Runde, gleich ob kurz- oder langfristig angelegt, hat diese gleich eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, auf lange Sicht Freude zu bereiten und somit von längerer Dauer zu sein. Während man sich bei One-Shots und sehr kurzen Abenteuern noch mit dem Credo „Schauen wir mal, dann sehen wir schon“ retten kann, wird das bei längeren Kampagnen irgendwann zum Problem. Je mehr Gedanken man sich vor dem Beginn eines One-Shots wie einer Kampagne um die Motivationen seiner Spieler*innen und ihrer Charaktere macht, desto wahrscheinlicher umschifft man Motivationslöcher.

Zu viele Optionen können manchmal ein Problem darstellen © BrianAJackson

Das Thema und die Motivation einer Spielgruppe können aber auch ohne weiteres während einer laufenden Spielrunde gefunden werden. Zögere nicht, auf die Intentionen deiner Spielenden zu hören; sie wissen schließlich am besten, was ihnen gefällt. Die Besiedelung eines neugewonnenen Landstrichs und dessen Entwicklung wie in Pathfinder: Kingmaker? Hirnbefreite Klopperei in einem aus wahllos aneinandergereihten Räumen bestehenden Dungeon als wäre es 1979? Der Plot von Oceans Eleven mit dem Cast der Peanuts? Ja zu allem davon! Lass den Spielenden die Freiheit, in der Welt ihrer Wahl zu spielen, mit den Charakteren ihrer Wahl, und dann wirf ihnen genau die Menge von Problemen zwischen die Beine, dass sie jedes Mal zurückkommen und nach mehr lechzen. Genau diese Balance zwischen Frustration und Wunscherfüllung macht gelungenes Spielleiten aus. Und sogar die besten Spielleiter*innen übertreiben es allzu oft in die eine oder andere Richtung.

Was kann man also tun, wenn die richtige Mischung nicht gelungen ist?

Möglichkeiten zur Frustbewältigung

Nachdem wir die einzelnen Ursachen für den Frust genauer bestimmt haben, geht es an die Behandlung desselben. Je nach dem eigentlichen Problem kann man den alten Grundsatz beherzigen:

Accept it, leave it or change it.

Ist ein Problem so nichtig, dass man darüber hinwegsehen kann, relevant genug, dass ein Disput lohnt, oder gravierend genug, dass eine einvernehmliche Lösung nicht absehbar ist? Zu Beginn jeder Problemlösung steht die ehrliche Selbsterkenntnis, wie man zu einem als Problem empfundenen Zustand steht. Schließlich wird niemand deine persönliche Lage besser kennen als du selbst. Wie stehst du zu dem in der Runde aufgetretenen Problem? Ist es dir überhaupt wichtig? Was macht der Frust mit dir? Je nach Schwere der Lage kann man dann entweder ignorieren, das Gespräch suchen oder das Kommunikationsende, also das Verlassen der Gruppe, anstreben. Keine Spielrunde der Welt ist es wert, seelisch daran zu leiden. Gleichzeitig kann man in gewissen Fällen auch die Konfrontation suchen, wenn es die Sache wert ist. Und ob es die Sache wert ist, kannst nur du selbst wissen.

Ist das alles?

Neben der Kommunikation mit deinen Mitspielenden ist es wichtig zu wissen, was du eigentlich von deiner Rollenspielrunde erwartest. Wie bereits zu Anfang postuliert, werden Spielleitungen es nur in den seltensten Spielrunden konkret darauf anlegen, ihre Spielenden zu Tode zu frustrieren. Und wenn sie es einmal übertreiben, sollte hoffentlich ein Gespräch zwischen mehr oder weniger Erwachsenen das Problem aus der Welt schaffen. Denkt daran, dass Frust manchmal zum Spielerlebnis dazu gehört. Nicht umsonst haben die meisten Held*innengeschichten, sei es im Buch, Film oder einem anderen Medium, einen Moment des Frustes, in welchem der*die Held*in scheinbar nicht weiter weiß und dann über sich hinaus wachsen kann. Wachst an euren Herausforderungen, als Gemeinschaft und als Individuen.

Und wenn zwischen euren Gruppenmitgliedern Frust auftritt, sprecht darüber. Das muss nicht noch am gleichen Abend sein, aber auch nicht zu lange hinausgezögert werden. Eure Nerven werden es euch danken. Und diese gemeinsame Bewältigung eines Problems ist eine tolle Gelegenheit, das beste Hobby der Welt zu etwas Tieferem zu machen – einer gemeinschaftlichen Überwindung eines Problems. Hier kann Pen-and-Paper nicht nur ein Spiel, sondern eine wertvolle Erfahrung abseits der Spielwerte der Charaktere und der Würfel werden.

 

Artikelbilder: depositphotos © wie gekennzeichnet
Titelbild: depositphotos © vadymvdrobot
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein