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The Adventure Zone begeistert seit Jahren zahllose Podcast- und Comicliebhaber*innen. Das Verlagshaus Twogether Studios hat den Hype um die Pen-and-Paper-basierten Geschichten aufgegriffen und Anfang 2020 via Crowdfunding das Bureau of Balance Game finanziert. Wir haben uns das Brettspiel einmal angeschaut.

Mit The Adventure Zone (im Folgenden: TAZ) haben die Brüder Justin, Travis und Griffin McElroy gemeinsam mit Vater Clint einen der erfolgreichsten Podcasts im Pen-and-Paper-Bereich erschaffen. Die erste Kampagne – TAZ: Balance – basiert auf dem System Dungeons & Dragons 5th Edition und hat neben den 69 Podcast-Folgen und mehrerer Sonderepisoden auch eine Comicreihe hervorgebracht. Mit dem Bureau of Balance Game ist nun ein kooperatives Brettspiel mit narrativem Fokus hinzugekommen. Wem dieser missfällt, der findet vielleicht in unserer Vorstellungsrunde weiterer kooperativer Brettspiele eher ein Spiel, das zusagt.

Das Titelgebende Bureau of Balance ist ein Schauplatz in der Kampagne – eine geheime Organisation von tragender Bedeutung. Die drei Titelhelden werden Mitglieder dieser und begeben sich auf die Suche nach mysteriösen Relikten, um der Zerstörung ihrer Welt entgegenzusteuern. Das Brettspiel setzt in genau diesem Setting an. Spieler*innen werden als neue Rekrut*innen ebenfalls auf die Suche nach gefährlichen Relikten geschickt, welche es mächtigen Feinden abzuringen gilt.

Vorweg gilt also schon zu sagen: Das Spiel ist vorrangig für Fans der Show gedacht. Die Schauplätze und Items haben einen klaren Bezug zu der Geschichte – manche sind sogar Easter Eggs für anderen McElroy-Content.

In unserer Testrunde haben wir zu zweit gespielt. Hierfür mussten wir uns den Sonderregeln bedienen – mehr dazu weiter unten. Während ich die TAZ: Balance-Kampagne schon mehrfach von Anfang bis Ende angehört habe, wurde meine Mitbewohnerin beinahe ahnungslos in die Welt geschubst. Ihre Einschätzung des Spiels für Nicht-Kenner*innen des Podcasts lest ihr im Fazit.

Eines noch kurz vorab: Das Spiel ist nur auf Englisch erhältlich. Eine Übersetzung wird es auf Grund seiner Rolle als Merchandise-Produkt zu einem ebenfalls englischsprachigen Podcast vermutlich nicht geben.

Spielablauf

Klar deklariertes Ziel des Spiels ist es, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Ob das Relikt ergattert und der Bösewicht besiegt wird, wird im Regelwerk tatsächlich als zweitrangig betrachtet. Stattdessen wird betont, dass die Geschichte im Vordergrund stehen sollte – wer sind die Held*innen? Wie gelangen sie an ihr Ziel, oder warum erreichen sie dieses Ziel nicht?

Dass dieses Spiel an Dungeons & Dragons angelehnt ist, wird ebenfalls schnell klar. Spieler*innen wählen zu Beginn eine von fünf Klassen – Bard, Cleric, Fighter, Rogue oder Wizard. Gewürfelt wird mit dem mitgelieferten Spezial-W20; dieser enthält jeweils zwei Mal die Zahlen 1 bis 9, ein Symbol für kritisches Versagen sowie eines für sofortiges Gewinnen.

Obwohl die höchstmögliche Stärkeprobe im Spiel „nur“ eine 15 ist, musste natürlich trotzdem ein W20 her.

Während es keinen Dungeon Master gibt, sondern alle gemeinsam spielen, übernimmt ein*e Spielende*r die Rolle des Team Leaders. Dieser bereitet das Spiel vor, behält den Überblick über die Regeln und soll die Gruppe zum gemeinsamen Rollenspiel anleiten.

Die Spielanleitung kommt entweder in Form des beigelegten Heftes oder als Videoanleitung via QR-Code. Das Heft ist ausgiebig bebildert und relativ prägnant formuliert. Die Aktionsübersicht auf der letzten Seite des Regelbooklets hilft zudem dabei, während des Spiels den Überblick zu behalten.

Auf den ersten Blick wirkten die Regeln etwas unvollkommen, da die spezifischen Regeln der Decks nur auf den dazugehörigen Karten erklärt werden. Auch waren uns zu Beginn einige Spielmaterialien unklar, wie zum Beispiel die Sondertoken. Für diese gibt die Spielanleitung nämlich nur her, dass sie eben „besonders“ sind. Erst im späteren Verlauf haben wir erkannt, dass die Spielmarken zur Visualisierung von Sonderfunktionen einiger Karten gedacht sind.

Vorbereitung

Haben alle eine Klasse ausgewählt, erstellt man über die Charakterbögen seine*n Held*in. Die Bögen haben neben dem Namen noch drei weitere vorab auszufüllende Felder, die Fragen zur Hintergrundgeschichte des Charakters beinhalten. Kreative Köpfe können sogar ein Charakterbild malen. Sollte die Inspiration einmal nicht wollen, stehen auf der Rückseite jedoch auch verschiedene vorgefertigte Antworten zur Auswahl. Diese Antworten fungieren als Hilfestellung für das Rollenspiel, haben aber keine mechanischen Auswirkungen.

Die Charakterbögen bestimmen die eigenen Statuswerte und unterstützen die eigene Narrative.

Schließlich bereitet der Team Leader auch die Mission vor: Es wird ein Gegner, ein Relikt sowie ein Schauplatz ausgesucht und die entsprechenden Kartenstapel auf dem Spielbrett platziert. In diese Decks wird außerdem eine der Surprise Cards unter die jeweils vierte Karte gelegt. Die Item-Karten aus dem Fantasy Kostco (Where all your dreams come true – got a deal for you!) werden als Stapel neben dem Spielbrett platziert.

Das Regelwerk empfiehlt verschiedene Deckkombinationen, was wir für den Einstieg sehr angenehm empfanden. Es gibt geeignete Kombinationen für das allererste Spiel sowie für ein besonders kurzlebiges oder langwährendes Spiel. Zudem wird der „Effekt“ jedes Decks in der Anleitung noch einmal erklärt. Man merkt an dieser Stelle, wie viel Mühe für ein kohärentes Spieldesign in dem Spiel steckt, sodass trotz seines modularen Charakters ein flüssiges Bespielen möglich ist. Das Ganze dem Zufall zu überlassen, vergrößert den Widerspielreiz noch, welcher durch die vielen nach der ersten Runde noch unbespielten Decks und Karten bereits im Vorfeld sehr hoch war.

Wir haben uns zu Beginn für die empfohlene Einstiegskombi „Lich, Staff & Cave“ entschieden. Welche Wahl man auch trifft – sind die Karten platziert, geht es auch schon los.

Rundenablauf

Reihum können Spielende in ihrer Runde eines der drei Decks bespielen. Die aufgedeckten Karten bestimmen dem Szenenaufbau: Wen müssen die Charaktere wo bekämpfen, und welche Besonderheit tritt hierbei auf? Der Team Leader leitet die Szene entsprechend narrativ ein.

Als erstes wird sich für eine der drei Herausforderungen entschieden – zum Beispiel für einen Kampf gegen den Goblin, der gerade auf dem Gegner-Deck oben liegt. Die Zahl auf der Karte bestimmt den Wert, den der*die Spieler*in erreichen oder übertreffen muss. Nun wird die eigene Stärke bestimmt. Diese setzt sich aus den eigenen Statuswerten auf dem Charakterbogen sowie eventuell vorhandenen Items zusammen. Die Herausforderungen haben unterschiedliche Kategorien – zum Beispiel Fallen oder Magie – welche die gewählten Klassen unterschiedlich gut bewältigen können. Hier ist also Teamplay gefragt: Wenn meine Mitstreiterin als Wizard gut gegen die aufgedeckte Magie-Herausforderung ist, widme ich mich als Rogue lieber der Falle auf einer anderen Karte.

Nebenbei wird fleißig erzählt: „Ich erforsche gerade die Höhle, da stellt sich mir ein frecher Goblin in den Weg! Ich fackele nicht lange und ziehe mein Schwert. Mit meinen Muckis habe ich einen klaren Vorteil gegenüber dem Monster – jetzt muss mir nur noch ein guter Treffer gelingen.“

Pro Runde muss jede*r Spieler*in sich einer der Herausforderungen stellen.

Bevor der W20 gewürfelt wird, kann ein*e andere*r Spielende*r mit seinem Assist-Token unterstützen: „Warte! Bevor du zuschlägst, rüste ich dich schnell mit einem Unterstützungszauber aus! Deine Muskeln schwellen noch mehr an als sowieso schon.“ Je nach Klasse hat dies unterschiedliche Effekte.

Der Würfel entscheidet schließlich den Wert, der zu der eigenen Stärke addiert wird. (Über-)Treffen beide Zahlen zusammengerechnet den Wert des Goblins, ist dieser besiegt und der*die Spieler*in erhält die Karte als Loot. Unterbietet man die Challenge, verliert das Team kostbare Gesundheit. Je nach Anzahl der Teammitglieder variiert, wie viel Gesundheit die Gruppe zum Start insgesamt bekommt. Individuelle Lebenspunkte gibt es nicht – man gewinnt oder verliert also nur gemeinsam.

In unserer Testrunde war der Beginn des Spiels sehr seicht – die Herausforderungen waren problemlos schaffbar. Dies haben wir zu Beginn als sehr positiv empfunden, um die Regeln zu verinnerlichen und die Geschichte ins Rollen zu bringen. Im späteren Verlauf mussten wir dagegen schon häufiger überlegen, wie wir weiter vorgehen. Bei einer zweiten Runde zu zweit könnte dies in Kombination mit fehlenden taktischen Herausforderungen (dazu unten mehr) jedoch schnell in anfängliche Langeweile umschlagen.

Kommt man mit seinen gewonnenen Karten über einen Loot-Wert von insgesamt 3, kann man am Ende seines Zuges die entsprechenden Karten im Fantasy Kostco (Where all your dreams come true …) gegen ein neues Item eintauschen. Einige Karten haben Sonderfunktionen, die jeweils auf der Karte selbst erklärt werden. Zum Beispiel gibt es Items, die nur einmal benutzt werden können. Die Beschreibungen der Item-Karten haben uns teilweise zum Lachweinen gebracht. Hier akkumuliert sich der einzigartige Humor von TAZ: Balance perfekt in nur wenigen Sätzen.

Surprise Cards stellen bekannte Charaktere aus der Geschichte dar und werden bei mehr als zwei Spielenden unter die Decks gemischt. Mal helfen die Karten bei bestimmten Herausforderungen, mal geben sie allgemeine Boni. Dadurch gewinnt das Spiel zusätzlich an Varianz und steigert den Nostalgie-Faktor für Fans der Show.

Die Spielkarten sind sehr liebevoll gestaltet und stecken voller Witz.

Ende des Spiels

Um das Spiel erfolgreich zu beenden, müssen das Relikt-Deck sowie eines der anderen beiden Decks erfolgreich durchgespielt sein, ohne dass die Gesundheit des Teams auf 0 reduziert wird. Nachdem die Mission beendet wird, sollte es noch eine kurze Abschlusssequenz geben: Wie feiern die Held*innen ihren Sieg? Was passiert, wenn sie scheitern – können andere Mitglieder des Bureau of Balance sie retten, oder sind sie verloren? Diese Entscheidung obliegt dem Team allein.

Sonderregeln für zwei (oder sechs) Spieler*innen

Um das Spiel zu zweit spielen zu können, gibt es Sonderregelungen. Die beiden Spieler*innen müssen aus den Klassen Rogue, Warrior oder Wizard wählen, und das Action-Token des Priesters wird zusätzlich für die Unterstützungsmechanik bereitgestellt. Auch die Surprise Cards bekommen in Konsequenz dessen eine Besonderheit – statt diese unter die Challenge-Decks zu legen, werden vier davon bereit gelegt und eine direkt auf aktiv gesetzt. Die beiden Spieler*innen können dann selbst entscheiden, welche Surprise Cards gewählt werden.

Wir haben auch zu zweit viel Spaß in unserer Testrunde gehabt, sehen aber auch, wo die Vorteile der empfohlenen Spieler*innenanzahl von 3 bis 5 liegen. Sind die Surprise Cards unter die Decks gelegt, wird das Spiel taktischer. Man braucht nur zwei Decks besiegen, um zu gewinnen – aber was, wenn die dritte Surprise Card einen dringend nötigen Bonus bringt? Zudem startet die Gruppe, je mehr Spielende es sind, mit weniger Lebenspunkten. Wir sind trotz einiger verlorener Würfelproben kaum ins Schwitzen gekommen, weil wir uns auf die Unterstützung des jeweils anderen verlassen konnten. Mit mehreren Spieler*innen verspricht das Spiel mehr Dynamik.

Sollten sich sechs Personen am Tisch zusammenfinden, muss die sechste Person nicht zusehen. Die Spielanleitung empfiehlt, dass die- oder derjenige als Team Leader mehr wie ein klassischer Dungeon Master fungiert. Diese Person erzählt dann also die Rahmenhandlung der Runde und begleitet die Party auf ihrer Mission metaphorisch als „Brad from HR“.

Ausstattung

Das Spiel kommt in einer stabilen Box mit liebevollem Design. Optisch sind Box und Materialien außerordentlich ansprechend. Generell wirkt die Aufmachung stabil, aber standardmäßig. Tokens und Spielbrett sind aus dicker Pappe gefertigt. Das Einzige, was uns hier wirklich gestört hat, ist das rutschige Finish der Spielkarten. Da diese zu Beginn des Spiels auf dem Spielbrett gestapelt und während des Spiels mehrfach umdisponiert werden, wäre ein rutschfesteres Papier hier sehr viel angenehmer gewesen.

Das Spielcover.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Twogether Studios
  • Autor*innen: Keith Baker, Jenn Ellis
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 60-120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2, 3, 4, 5, (6)
  • Alter: 13+
  • Preis: 34,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Bonuscontent

Auf der Website des Spiels finden sich mehrere kurzweilige Videos, die den Einstieg erleichtern sollen. Zukünftig wird es dort auch Tipps für Team Leader sowie Optionen zum Online-Spielen geben. Publisher Twogether Studios hat außerdem – ganz nach dem Vorbild selbst – einen Spieldurchlauf auf Youtube hochgeladen.

Da ich das Spiel über die Kickstarter-Kampagne bezogen habe, war in meinem Paket außerdem noch ein Erweiterungspack an Karten dabei. Spieler*innen bekommen hier unter anderem einen neuen Bösewicht zu Gesicht – die „Gallery of Rogues“. Wer TAZ: Balance kennt, dem kommen diese Gegner (und sogar deren Reihenfolge) nur allzu bekannt vor.

Fazit

Im Anschluss an unser Testspiel habe ich meine Mitspielerin gefragt, wie gut sie ohne Insider-Wissen zurechtkam. Ihre Einschätzung: Das Spiel funktioniert trotzdem gut, so lange man gewillt ist, eine eigene Geschichte zu erzählen. Ihrer Meinung nach sollte aber mindestens eine Person am Spieltisch die Charaktere tiefergehend kennen, um obskure Referenzen zu erklären. Ein Goldfisch namens Steven, der in einer Kugel an einem Gürtel steckt? Das ergibt wenig Sinn, hat man die Episode nicht im Kopf, die hier referenziert wird.

Das Brettspiel fängt das absurde Chaos des Podcasts gut ein und ist darauf ausgelegt, sich gegenseitig zum Lachen zu bringen. Dies hat es für uns auf jeden Fall geschafft. Als langjährige Pen-and-Paper-Spielerinnen hatten wir zudem keinerlei Probleme mit dem narrativen Fokus des Spiels.

Auf diesen kommt es auch an. Durch den W20 kommt das Zufall-Element dazu. Bei einer Reihe schlechter Würfe scheitert man auch mal, auch wenn dies durch kooperative Entscheidungen deutlich verringert werden kann. Für Taktik-Begeisterte ist das Spiel trotzdem zu einfach gehalten. Hat man also keinen Spaß am gemeinsamen Erzählen, greift man hier definitiv daneben.

Am Ende des Tages ist das Bureau of Balance Game ein Merchandise-Produkt. Diese Aufgabe erfüllt es tadellos. Unsere Rekrut*innen „Strawberry“ und „XxDarknessxX“ konnten das Relikt bergen und aus der Höhle entkommen. Wir freuen uns darauf, das Spiel zukünftig mit Freund*innen zu spielen, um auch die Mehrspieler*innen-Mechaniken auszuprobieren. Denn für dieses Spiel gilt definitiv: Je mehr Mitstreitende uns begleiten, umso interessanter wird das Spiel. Und wer stattdessen einmal keine*n Held*in spielen möchte, der kann sich in unserem Artikel zum Thema Böses in Brettspielen inspirieren lassen.

  • Fans von TAZ kommen voll auf ihre Kosten
  • Der Fokus auf die Narrative überzeugt
  • Pen-and-Paper-Feeling in Brettspielform
 

  • Referenzen teilweise selbst für Kenner*innen sehr obskur
  • Die Sondermechanik für das Spiel zu zweit bietet leider nur wenige Herausforderungen

 

 

Artikelbild: © Twogether Studios
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Finja Gertulla
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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