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Milla Aygon und ihr Team suchen in Colony nach den Überresten der ersten Siedlungsversuche fremder Welten. Doch die Arbeit der Spezialist*innen ist nicht einfach, da auch Pirat*innen und Schmuggler*innen auf der Jagd nach den begehrten Siedlungsschiffen sind. Dazu kommen noch die Gefahren des Weltraums selbst, die bewältigt werden wollen.

Als eine charakterstarke Space-Opera in bester Tradition von The Expanse wird die Reihe Colony beschrieben, die seit Sommer 2020 bei Splitter verfügbar ist. Dabei setzt Autor Denis-Pierre Filippi auf ein vielversprechendes Szenario: Im 23. Jahrhundert beginnt die Menschheit die überfüllte Erde auf der Suche nach neuen Kolonien zu verlassen. Doch zu Beginn gibt es Probleme und eine Vielzahl der ersten Siedler*innen geht verloren. Im Laufe der Zeit gelingt mit Hilfe einer fortschrittlichen Alien-Zivilisation die Optimierung der Besiedlung neuer Welten.

Die ersten Siedlerschiffe und ihre schlafenden Besatzungsmitglieder sind inzwischen zu einer begehrten Beute geworden. Ein Konflikt zwischen Piratencrews, Extremist*innen, Schmugglerbanden und der Regierung entbrennt bei der Jagd auf die Relikte der Vergangenheit. Wir haben uns angeschaut, ob die ersten beiden Graphic Novels ebenso spannend wie die Prämisse sind.

Colony 1: Die Schiffbrüchigen des Alls

Milla Aygon und ihr Team gehören zu einer Eliteeinheit, deren Aufgabe die Bergung der verlorenen Siedlerschiffe ist. Während der Untersuchung eines ebensolchen gelingt es einen der im künstlichen Schlaf schlummernden Siedler zu wecken und erfolgreich aus seiner virtuellen Realität zu holen. Doch viel Zeit zur Freude bleibt nicht: Eine Piratenmannschaft ist ebenfalls auf die wertvolle Beute aufmerksam geworden und rückt dem Einsatzteam auf die Pelle.

Colony_01_lp_Seite_02Im Laufe der Handlung bekommen es Milla und ihre Leute nicht nur mit Weltraumräuber*innen zu tun. Die vergleichsweise unerfahrene Mannschaft muss den frisch geweckten Siedler Clarence an seine neue Realität gewöhnen. Darüber hinaus erleben sie aus erster Hand die Gefahren der frühen Kolonialisierung.

Der Spannungsbogen von Colony 1: Die Schiffbrüchigen des Alls überzeugt. Ihre gefährliche Aufgabe stellt Milla und die Crew stets vor neue Herausforderungen, sodass an keiner Stelle Langeweile aufkommt. Mein persönliches Highlight der Handlung ist der Abschnitt auf einem Planeten, auf dem die Erkundenden auf die Überreste einer frühen Kolonie stoßen. Das Mysterium um deren Schicksal zog in seinen Bann und die Auflösung gefiel.

Leider zeigen sich Schwächen ausgerechnet in dem Bereich, den Colony in der Vermarktung anpreist. Für eine charakterstarke Space-Opera müssten die Protagonist*innen deutlich interessanter sein. Inmitten all der Action und Erkundung gibt es wenig Zeit für Charaktermomente, sodass die Mitglieder von Millas Team und sie selbst blass bleiben. Selbst nach Ende der Lektüre der beiden ersten Bände fallen mir lediglich drei Namen der insgesamt acht Mitglieder spontan ein. Am meisten Tiefgang hat der gerettete Siedler Clarence aufgrund seiner Hintergrundgeschichte. Diese wird intensiv beleuchtet, da das Rettungsteam großes Interesse an den vergangenen Ereignissen hat.

Darüber hinaus zeigen sich Schwächen in der Vorstellung des Hintergrundszenarios. Abseits der Beschreibung zu Beginn des Artikels erfährt man kaum neue Information zum Universum von Colony. Hintergrundwissen zu den einzelnen Fraktionen, den Aliens und selbst der Organisation von Milla und Co. ist spärlich gesät. Selbstverständlich muss zu Beginn nicht eine gigantische Menge an Exposition geliefert werden. Doch wäre es schön gewesen, wenn man im Laufe der Handlung mehr über die Welt von Colony gelernt hätte.Colony_02_lp_Seite_01

Die Zeichnungen und Kolorierung sind auf einem qualitativ guten Niveau, wobei besonders die Szenen im Weltall und die Landschaften überzeugen. Auch Feuergefechte, sei es zu Fuß oder im Schiff, gelingen dem künstlerischen Team. Überraschenderweise zeigen sich vereinzelt Schwächen, wenn zwei oder drei Personen miteinander interagieren. In einer Szene wird beispielsweise eine Soldatin gegen eine Wand geschleudert, jedoch wirkt das Ganze sehr wächsern. Solche Ausreißer hinsichtlich der Qualität sind jedoch selten.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Denis-Pierre Filippi
  • Zeichner*innen: Vincenzo Cucca, Fabio Marinacci
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Colony 2: Untergang

Colony_02_lp_Seite_03Im zweiten Band von Colony werden Milla und ihr Team zu Gefangenen auf einem fremden Planeten. Im Gefängnis beginnt der Anführer der fremden Kolonie die Crew nach ihrer Geschichte zu befragen. Im Gegenzug berichtet er von seinem eigenen Schicksal und wieso er und seine Leute diesen Planeten besiedelt haben, obwohl er sich kaum für menschliches Leben eignet. In Rückblenden berichten beide Seiten, was ihnen widerfahren ist.

Colony 2: Untergang weist die gleichen Stärken und Schwächen wie der Pilotband auf. Die Handlung an sich ist kurzweilig, wenngleich nicht so actionreich wie jene von Die Schiffbrüchigen des Alls. Der schrittweise Austausch von Informationen hält die Spannung aufrecht und weckt besonders an der Vergangenheit der „feindlichen“ Kolonie Interesse.

Auch im zweiten Band zeigen sich Mängel bei der Darstellung der Charaktere und der Welt von Colony. Die Protagonist*innen bleiben blass, wenngleich Ansätze zur Vertiefung der Persönlichkeiten des Teams zu erkennen sind. Diese beschränken sich allerdings auf wenige Panels und werden im Laufe des Bandes fix fallen gelassen. Ebenso erfährt man wenig über die übergreifenden Schauplätze von Colony, da sich die Handlung auf den Planeten der Kidnapper*innen fokussiert.Colony_02_lp_Seite_08

Erfreulicherweise konnten die wenigen visuellen Defizite des ersten Bandes beseitigt werden. Künstler Vincenzo Cucca und Kolorist Fabio Marinacci gelingen abermals einige beeindruckende Panels, besonders hinsichtlich der Etablierung von Schauplätzen. Eine Episode innerhalb der virtuellen Realität erlaubt zudem charmante Szenen in einem Pirat*innen-Setting. Das Highlight dieses Bandes ist das Design mechanischer Kreaturen, denen das Team auf seiner Mission begegnet.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Denis-Pierre Filippi
  • Zeichner*innen: Vincenzo Cucca, Fabio Marinacci
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Abschließendes Fazit

Colony gelingt es in beiden Bänden eine interessante Prämisse zu etablieren und kurzweilige Geschichten zu erzählen. Leider scheitert die Reihe am selbst gesetzten Anspruch, eine von den Charakteren getriebene Space-Opera zu sein. Hierfür sind die Protagonist*innen zu blass und handeln zu wenig aus eigenem Antrieb. Die Mission und die Arbeit stehen stets im Vordergrund und eigene Motivationen, Träume oder Traumata finden bei den meisten Teammitgliedern keinen Weg in die Handlung. Die Ausnahme hiervon ist Clarence, der als geretteter Siedler über das vielfältigste Charakterprofil verfügt.

Die beiden Einzelbände wirken dadurch wie (zugegeben unterhaltsame) Visualisierungen von Einsatzberichten des Teams. Durch die blassen Charaktere und spärlichen Informationen zum Schauplatz der Geschichten von Colony hat mir jedoch ein Motivator gefehlt. Eine übergreifende Rahmenhandlung ist nach zwei Bänden nicht erkennbar und die Charaktere wecken nicht genug Interesse, um eigenständig durch verschiedene Einzelgeschichten zu überzeugen.

Die visuelle Umsetzung ist auf einem guten Niveau, wobei im ersten Band eine kleine Anzahl an hölzern wirkenden Szenen hervorsticht. Davon abgesehen ist Colony schön anzusehen, besonders im Hinblick auf Landschafts- und Weltraumszenen.

Zusammenfassend ist Colony für mich eine Graphic-Novel-Reihe mit spannender Prämisse und kurzfristigem Unterhaltungsfaktor, deren eigene Oberflächlichkeit ihr leider im Wege steht. Markante Charakterentwicklungen und eine bessere Präsentation des faszinierenden Hintergrundes würden dem Science-Fiction-Epos helfen.

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Sabrina Plote

Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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