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Ein Namenloser Schrecken in Neuengland kann nur durch tapfere Seelen abgewendet werden. Doch wer wagt sich in biedere Kleinstädte und notdürftige Barackensiedlungen? Zwei Szenarien für das Horror-Rollenspiel Cthulhu versprechen erschütternde Begegnungen mit dem Unbekannten. Wir haben für euch einen Blick in die Anthologie gewagt.

Unter dem Titel Nameless Horrors erschien im Jahr 2015 beim englischsprachigen Cthulhu-Stammverlag Chaosium ein Sammelband mit sechs Szenarien. Diese begleiteten den Start der immer noch aktuellen 7. Edition des Horror-Rollenspiels und sollen nun auch auf Deutsch erscheinen. Den Anfang machen Ein Teil fiel auf felsigen Boden und Düstere Aussichten, die im Softcover-Band Namenloser Schrecken in Neuengland gemeinsam von Pegasus Spiele veröffentlicht wurden.

Ein Teil fiel auf felsigen Boden

Stowell ist eine typische amerikanische Kleinstadt im Neuengland der 1920er. Die Menschen, die dort leben, gehen ihrem eher unspektakulären Leben nach und ahnen nichts vom kosmischen Schrecken jenseits des Schleiers ihrer Wahrnehmung. Auch die vorgefertigten Spielfiguren beschäftigen sich eingangs mit kleinstädtischen Affären und Gerüchten. Allerdings schwelt Unheil unter der biederen Oberfläche – und im Spoilerkasten.

Achtung, Spoiler!

Einer der Bewohner von Stowell hat mit einem Teleskop der Marke Eigenbau einen bislang unbekannten Stern entdeckt und dabei intuitiv einen Einblick in verborgene Geheimnisse des Kosmos erhalten. Diesen Anblick hat er mit einigen Vertrauten geteilt, von denen allerdings nicht alle diese Erkenntnis gesunden Geistes überstanden haben.

Dass sich Menschen in Stowell immer wieder seltsam verhalten, wahnsinnig werden oder verschwinden, erregt irgendwann natürlich die Aufmerksamkeit der anderen Bewohner*innen und damit auch der Spielfiguren. Ihre Nachforschungen können das schleichende Übel schließlich abwenden, aber auch zu Gewaltexzessen führen, wenn sich der Kult schließlich offenbart.

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Die vorgefertigten Spielfiguren sind gut ins Setting eingebunden und verfügen über Beziehungen zu anderen Bewohner*innen der Kleinstadt. Dabei kann es sich um familiäre Bande oder auch einfache Bekanntschaften handeln. Durch diesen Kniff ist jeder der gut einem Dutzend NSC zumindest einer der Spielfiguren bekannt, was bei der Übersicht hilft.

Hinter biederen Fassaden lauert unaussprechlicher Schrecken.

Denn Ein Teil fiel auf felsigen Boden ist ein klassischer One-Shot, der bequem in einen längeren Spielabend oder zwei kürzere Termine passt. Viel Zeit, um Bindungen zu den NSC aufzubauen, ist also nicht, weswegen es praktisch ist, dass sie bereits vorgegeben sind. Charmant ist auch die Idee, diese NSC als Ersatz zu verwenden, sollte ein SC im Verlauf des Szenarios sterben.

Insgesamt ist das Szenario angenehm offen gestaltet. Nach der Einstiegssituation können die Spieler*innen Stowell frei erkunden und dabei in Nuancen das Finale beeinflussen. Wenn die Spielleitung ein Händchen zur Improvisation hat, kann jede Spielrunde also einen leicht anderen Ausgang nehmen.

Düstere Aussichten

Der Schauplatz dieses Szenarios hat nicht viel mit einer biederen Kleinstadt wie Stowell zu tun, auch wenn er in der gleichen Region liegt. Düstere Aussichten spielt kurz nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 in einer trostlosen Barackensiedlung. Hier finden jene ein Heim, die alles verloren haben und nun vor dem Nichts stehen.

Auch die vorgefertigten Spielfiguren zählen zu jenen Unglücklichen. Bei ihnen handelt es sich ausnahmslos um Menschen, die kurz vorher noch zur Oberschicht der Gesellschaft zählten und nun tief gefallen sind. Das Szenario macht nicht den Eindruck, als wäre dieser Kniff beabsichtigt gewesen, aber dennoch gewinnt es durch diese Konstellation an Reiz.

Achtung, Spoiler!

In der Barackensiedlung findet ein abscheulicher Kult die perfekten Opfer für seine Ambitionen. Mithilfe außerirdischer Technologie können die Mitglieder des Kultes die Lebenskraft anderer Menschen absaugen und dadurch ihre eigenen Fähigkeiten sowie ihr Glück steigern. Dadurch sind sie trotz der Wirtschaftskrise mächtig geblieben und suchen nun in den Baracken nach frischem Futter für ihre Rituale.

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Düstere Aussichten ist noch freier als Ein Teil fiel auf felsigen Boden gestaltet, erfordert dadurch aber auch mehr Vorarbeit vonseiten der Spielleitung. Da nur wenige Ereignisse vorgegeben sind, ist zudem Improvisationstalent gefragt. Das Finale zum Beispiel findet in dem Moment statt, den die Spielleitung für richtig erachtet.

Die Barackensiedlung ist keine detaillierte Sandbox, bietet aber viel Raum, um auch an mehreren Spielabenden für Unterhaltung zu sorgen. Sollte dafür jedoch kein Bedarf bestehen, kann Düstere Aussichten auch an einem Abend durchgespielt werden.

Erscheinungsbild

Namenloser Schrecken in Neuengland greift zur Illustration der Figuren und Schauplätze auf viele Schwarzweiß-Fotografien zurück, wie es auch bei den meisten anderen Cthulhu-Publikationen üblich ist. Ausnahmen sind wenige handgezeichnete Illustrationen, ein Stadtplan von Stockwell und eine Skizze der Barackensiedlung. Sehr hilfreich sind zwei Grafiken, die einen Überblick zu den verschiedenen Beziehungen der NSC untereinander und zu den Spielfiguren geben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autoren: Paul Fricker, Scott Dorward
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover / PDF
  • Seitenanzahl: 80
  • ISBN: 978-3-95789-323-9
  • Preis: 9,95 EUR (sowohl Softcover als auch PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, DriveThruRPG, Sphärenmeister, idealo

 

Fazit

Namenloser Schrecken in Neuengland beinhaltet mit Ein Teil fiel auf felsigen Boden und Düstere Aussichten zwei Szenarien, die gut als kurze One-Shots taugen, bei Bedarf aber auch von der Spielleitung ausgebaut werden können. Dank der vorgefertigten Charaktere, die bereits in die jeweiligen Settings eingebunden sind, sollten die Spieler*innen gut in die Szenarien reinfinden.

Großen Tiefgang sollten Rollenspieler*innen zwar nicht erwarten, erhalten mit diesem Band aber zwei interessante Szenarien, die sich gemütlich an ein bis zwei Abenden spielen lassen und ohne erschütternde Wendungen auskommen. Dabei bleiben die enthaltenen Geschichten nah an lovecraftschen Vorbildern, die allerdings bisher selten fürs Rollenspiel aufgearbeitet wurden.

Auch wenn die Darstellung der vielen Nebenpersonen in den knappen Handlungen eine Herausforderung an die Spielleitung darstellen kann, sind die Szenarien überschaubar und knackig. Einsteiger*innen ins System, aber auch erfahrene Cthulhu-Spieler*innen können bei diesem Preis unterm Strich nicht viel verkehrt machen.

 

Artikelbilder: © Pegasus Spiele, © 1000Words | depositphotos.com
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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