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Eine kontroverse Diskussion begleitet die neueste Edition Shadowruns und mit ihr kommen viele Fragen: Sind die Veränderungen sinnvoll? Ist das noch das Shadowrun, das man gerne spielt? Fakt ist, dass jede Edition Neues bringt und bringen soll – wir haben uns das Grundregelwerk angeschaut und uns selbst eine Meinung gebildet.

So schnell ging es noch nie: Die englischen und deutschen Versionen der sechsten Edition des dystopischen Sci-Fi-Fantasy-Genrehybriden Shadowrun erschienen dieses Jahr nahezu zeitgleich. Glücklicherweise konnten die Errata für den deutschen Markt schon eingepflegt werden. Außerdem gibt es ein Kapitel über die deutschen Schatten. Nachdem wir uns bereits den Schnellstarter mit gemischten Ergebnissen angesehen haben, waren wir umso gespannter auf das Grundregelwerk.

Die Spielwelt

Der Beginn der Zeitlinie Shadowruns liegt im Jahre 2050. Eine nahe Zukunft, in der die Magie wiedererwacht ist und die dystopischen Ängste von nahezu allmächtigen Konzernen, Überwachung und einer gigantischen Arm-Reich-Schere wahr geworden sind. Jede neue Edition des Spiels ließ auch die Zeit im Spiel weiter vorrücken, so dass die sechste nun in den 2080ern angesetzt ist.

Die Welt von Shadowrun ist vielfältig und actionreich.
Die Welt von Shadowrun ist vielfältig und actionreich.

Verändert hat sich nicht viel, könnte man meinen, doch die Spielwelt von Shadowrun ist so vielfältig, dass selbst kleinste Veränderungen sich auswirken. Ein kurzer Überblick für jene, die Shadowrun nicht kennen, und eine Auffrischung für alte Hasen:

Die Magie ist inzwischen wieder ein Bestandteil der Welt. Dadurch, dass sie nicht mehr unterdrückt wird, gibt es Metamenschen wie Trolle, Orks und Elfen, aber auch Magieanwender verschiedenster Art. Und Drachen. Außerdem hat der Halleysche Komet zu weiteren Veränderungen verschiedener Metamenschen geführt, von Froschzungen zu noch verrückterem Zeug. Das ist noch nicht alles, aber soll an dieser Stelle genügen.

Des Weiteren gibt es auch Ghule, Vampire und allerlei andere fantastische Lebewesen, die auf verschiedenste Weise in die Spielwelt integriert sind. Diese Fantasy-Elemente werden in Shadowrun mit Sci-Fi gekreuzt und so sind modernste und futuristische Technologien auch Bestandteil der Spielwelt.

Cybergliedmaßen und Gentech gehören genauso dazu wie ein Internet 2.0 – die Matrix. Letztere ist inzwischen zwei Mal gecrasht und wiederaufgebaut worden. Es gibt eine komplexe Augmented Reality, dazu virtuelle Realität wie in unseren Träumen und sogar Matrixmagier (Technomancer). Natürlich gibt es auch Probleme mit all der Technik, wie KFS (Kognitives Fragmentiertensyndrom), bei der die Persönlichkeit eines Wirts durch eine KI überschrieben wird.

Spinrad #8.

Alte Staatenstrukturen sind aufgebrochen worden und neue sind entstanden. Zusätzlich bilden Konzerne eine einflussreichere Macht, als es Staaten könnten – besonders die „Großen Zehn“. Die Konzerne kooperieren, streiten und kämpfen je nach Lust und Laune gegeneinander. Jüngst wurde NeoNET durch Spinrad Global im elitären Kreis der Triple-A-Konzerne abgelöst.

In dieser Welt spielt man die namensgebenden Shadowrunner: Kriminelle, die von ihren Auftragsgebern (Johnsons oder im deutschen Raum auch Schmidts genannt) auf „Runs“ geschickt werden.

Die Regeln

Einfache Regeln hatte Shadowrun noch nie – das ist auch Teil des Reizes des Systems. Trotz zahlreicher Veränderungen können sich gerade Spieler der fünften Edition aber sehr schnell einfinden. Shadowrun nutzt ein Poolsystem, das bedeutet, es werden Würfelpools aus einem Attribut und der dazugehörigen Fertigkeit gebildet. Vier Spezialfälle verbinden zwei Attribute.

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Mit diesem Pool an sechsseitigen Würfeln, der durch verschiedene Boni und Mali modifiziert werden kann, versucht man eine Anzahl an Erfolgen, das heißt eine Fünf oder Sechs, zu würfeln – entweder gegen einen Schwellenwert (einfache Probe), also eine gewisse Anzahl an Erfolgen, oder gegen einen Widersacher (vergleichende Probe), wobei der Charakter mit den meisten Erfolgen gewinnt. Patzer entstehen, wenn mehr als die Hälfte der Würfel eine Eins zeigen, kritische Patzer, wenn dabei auch noch keine Fünf oder Sechs liegt.

Handlungen, die nicht unter Zeitdruck oder im Kampf passieren, wie das Reparieren eines Autos, sind ausgedehnte Proben. Jeder Würfelwurf repräsentiert hierbei einen Zeitintervall, und die Anzahl der Würfe bis zum Erreichen des Schwellenwertes gibt dann die Zeit an, die es dauert, die Tätigkeit erfolgreich ausgeführt zu haben.

In Shadowrun-Regelwerken werden oft ausführliche und detaillierte Erklärungen genutzt. Das ist für Einsteiger manchmal schwierig, doch für das System unabdingbar. Das Shadowrun 6-Grundregelwerk ist hierbei nicht anders als seine Vorgänger. Aufgrund des Umfangs werden wir im Folgenden nur auf die Neuerungen bzw. Veränderungen der Regeln zur Vorgängerversion eingehen.

Edge

Das Motto der sechsten Edition „Riskier alles“ ist nicht nur eine leere Worthülse. Edge ist zu einer der wichtigsten Spielmechaniken geworden. War dieser Wert früher das Zünglein an der Waage oder ein Lebensretter, ist es in der sechsten Edition eine flexible Ressource mit umfangreichen Einsatzmöglichkeiten.

Ein Moment, in dem man Edge benötigt.

Bei jeder Probe kann man bis zu zwei Bonus-Edge erhalten und insgesamt sind sieben Edge anhäufbar, die dann für Edge-Boosts und Edge-Handlungen ausgegeben werden sollen.

Die Macht und das Konzept von Edge in dieser Version sind durchaus gewöhnungsbedürftig, doch wie bei vielen Änderungen müssen die tatsächlichen Auswirkungen in Spieltests ermittelt werden.

Limits, Matrixattribute und Kraftstufen

Gab es in der fünften Edition noch eine Begrenzung für die Anzahl der Erfolge, die sich aus den Charakterwerten errechnete oder durch den benutzten Ausrüstungsgegenstand bedingte, fallen diese Limits komplett weg. Selbst ein ungeübter Redner kann nun ein Dutzend Erfolge beim Überreden erzielen, wenn es sein Würfelpool hergibt.

Zauber*innen sind nicht weniger mächtig, doch spielen sich deutlich anders.

Diese Entscheidung kann gelobt und kritisiert werden. Ein herausragender Schütze wird nicht mehr durch eine Waffe mit niedrigem Limit eingeschränkt, was sicherlich viele freut. Gleichzeitig können aber grenzenlose und damit unberechenbare Ergebnisse erzielt werden. Wie genau sich das auswirkt, wird sich noch zeigen.

Durch das Wegfallen der Limits gibt es einige Änderungen an den Matrixattributen und auch daran, wie Rigger gespielt werden. Wie gut das funktioniert, wird sich zeigen, aber Fahrproben wirken im ersten Moment sehr schwierig.

Kraftstufen von Zaubern waren die Limits der Zaubererfolge und gleichzeitig Indikator für den Entzug. Auch diese Mechanik wurde entfernt. Alle Zauber haben einen festen Entzug, der durch eine Entzugswiderstandsprobe reduziert werden kann. Es ist aber jetzt möglich, Zauber mit einer Flächenwirkung auszustatten („Fläche vergrößern“) und den Schaden von Kampfzaubern durch „hochdrehen“ zu erhöhen. Beides steigert den Entzug.

Die Zauberregeln sind durch die Änderungen einfacher zu verstehen und niederschwelliger für Anfänger, was eine gute Sache ist. Alteingesessene Spieler werden die Flexibilität des alten Systems vermissen und gleichzeitig bemerken, dass es wesentlich schwieriger ist, sich selbst das Hirn zu grillen. Körperlichen Schaden gibt es durch Entzug erst, wenn nach der Entzugswiderstandsprobe mehr Schadenspunkte übrigbleiben, als das Magieattribut des Charakters beträgt.

Angriffs- und Verteidigungswert

Der Gedanke eines schnelleren und einfacheren Kampfsystems zeigt sich am besten bei den neuen, abstrakten Angriffs- und Verteidigungswerten. Für jeden Angriff vergleicht man die beiden Werte und bestimmt damit, welcher Akteur einen Vorteil hat.

Waffen haben feste Angriffswerte für verschiedene Distanzen.

Der Angriffswert wird entweder errechnet (im waffenlosen Kampf besteht er aus Reaktion und Stärke) oder bei den Waffen direkt mitgeliefert. Fernkampfwaffen haben dann unterschiedliche Werte je nach Angriffsdistanz. Durchschlagskraft, Zielgenauigkeit und Rückstoßkompensation werden so zu einem einzelnen, abstrakten Wert. Auch Munitionsarten und andere Modifikationen verändern so nur Angriffswert und Schaden einer Waffe.

Der Verteidigungswert errechnet sich aus Konstitution, Schutzkleidung und Zusatzeffekten. Darunter fallen dann Magie, Bodytech oder auch Deckung. Unterscheiden sich beide Werte um vier oder mehr, erhält der im Vorteil befindliche Charakter einen Bonus-Edgepunkt. Für den Soak spielt Panzerung keine Rolle mehr.

Im ersten Moment klingt das nach einer einfachen Regelung, die den Kampf schneller macht und viel Rechnerei spart. Ich vermute eine Verschiebung der Rechnerei auf die abstrakten Werte und Edge, womit nichts gewonnen wäre. Ein Spieltest wird hier Gewissheit bringen.

Initiative und Handlungen

Statt komplexen und einfachen Handlungen gibt es nun Haupt- und Nebenhandlungen – andere Namen für mehr oder weniger das gleiche Konzept. Doch die Umsetzung hat sich geändert. Jeder Charakter hat eine Haupthandlung und eine Nebenhandlung plus eine weitere Nebenhandlung pro Initiativewürfel. Ab drei Initiativewürfel, also vier Nebenhandlungen, kann man auch zwei Haupthandlungen ausführen.

Haupthandlungen sind die großen Aktionen wie Angriffe oder generell Fertigkeitsproben. Nebenhandlungen sind interessanter geworden. So kann ein Charakter sich nicht im Kampf bewegen, ohne eine Handlung dafür auszugeben, und darf diese Handlung auch nur einmal ausführen. Das ist sehr ungewohnt.

Während des Kampfes ist jeder Spieler auch nur einmal an der Reihe, nicht mehrfach, wenn die Initiative entsprechend gut ist. Das erhöhte Handlungstempo wird durch die höhere Anzahl an Nebenhandlungen repräsentiert. Das vereinfacht den Kampf, da man nicht immer Initiativewerte abrechnen muss.

Fertigkeiten

Die Fertigkeiten im Überblick.

Fertigkeitsgruppen wurden entfernt. Es gibt nun 19 Fertigkeiten und Spezialisierungen. So kann man mit der Fertigkeit Feuerwaffen sowohl Gewehre als auch Pistolen und die meisten anderen Schusswaffen gleich gut bedienen. Mit einer Spezialisierung auf eine Waffenart gibt es dann zwei Bonuswürfel.

Neu ist hier die Expertise – diese Steigerung einer Spezialisierung erhöht den Bonus auf drei Würfel. Eine Vereinfachung und Änderung bei den Fertigkeiten ist sehr nützlich und absolut großartig. Die Trennung in Fertigkeitsgruppen und Fertigkeiten mit verschiedenen Erstellungspunkten und Steigerungsintervallen war einfach nur lästig.

Heilung

Einen verletzten Charakter zu heilen ist um einiges einfacher geworden. Die Reihenfolge der Anwendung verschiedener Heilungsvarianten spielt keine Rolle mehr. Kurz gesagt: Man kann erst magisch heilen und dann Erste Hilfe leisten.

Stattdessen ist es an Zeitintervalle geknüpft, welche Heilungsvariante noch wirksam ist. Erste Hilfe kann nur eine Minute nach dem Ende eines Kampfes angewendet werden, ein Medkit kann innerhalb einer Stunde nach dem Kampf genutzt werden. Magie hat keine Zeitbegrenzung. Danach kann man immer noch natürlich genesen, wenn Schaden verbleibt: Das wirkt sehr konstruiert. Die Begründung, dass Erste Hilfe nicht mehr nach magischer Heilung genutzt werden kann, da ja alle Wunden geschlossen sind, schien wesentlich stimmiger.

Jede Heilung wird durch verringerte Essenz stark beeinflusst. Ein Lebewesen ohne Essenzverlust (also mit Essenz 6) hat die besten Chancen, geheilt zu werden, denn man erhält einen automatischen Erfolg. Je weniger Essenz das Ziel hat, desto schwieriger ist es, zu heilen.

Die Entscheidung, Heilung zu vereinfachen, ist bewusst gefällt worden, da es weniger Spaß mache, zu regenerieren, statt an Runs teilzunehmen. Tatsächlich ist damit aber ein wesentliches Spielelement angegriffen worden: die Gefahr, zu sterben. Ich stehe dem skeptisch gegenüber, auch wenn die Begründung plausibel ist.

Statuseffekte

Alle Statuseffekte finden sich in eine der übersichtlichen Tabellen.
Alle Statuseffekte finden sich in eine der übersichtlichen Tabellen.

Verschiedene Statuseffekte haben in Shadowrun 6 mehr an Bedeutung gewonnen. Das zeigt sich schon daran, dass er unterschiedliche Heilzauber gibt, mit denen Verätzungen, Erfrierungen oder Verbrennungen behandelt werden können. Auch Unsichtbarkeit ist jetzt ein Statuseffekt, der in der Liste auftaucht. Natürlich gab es besondere Schadensarten und Effekte auch schon vorher, aber jetzt haben sie an Bedeutung gewonnen. Dieses Detail ist interessant und bringt etwas mehr Tiefe ins Spiel.

Der Schicksalswürfel

Bei manchen Angriffen oder Aktionen wird ein Schicksalswürfel dem Würfelpool hinzugefügt. Dieser Würfel, der sich farblich absetzen soll, gibt bei einer Fünf oder Sechs drei Erfolge, zieht aber bei einer Eins alle Erfolge, die durch eine Fünf entstanden sind, ab. Eingesetzt wird dieser Würfel zum Beispiel beim Übertakten von Geräten, einem Sprühangriff oder dem Übersteuern von Bodytech. Damit soll die erhöhte Gefahr repräsentiert werden, die bei solchen Aktionen entsteht.

Charaktererschaffung

Die Charaktererstellung im Grundregelwerk wird mit Hilfe des Prioritätensystems vorgenommen. Andere Varianten, wie Sum-to-ten und Point-buy oder die Charaktermodulerstellung werden sicherlich in späteren Erscheinungen auftauchen.

Als erstes sucht man sich aus, welche Rolle der Charakter in einem Team aus professionellen Verbrechern erfüllen soll: Zauberschleuder oder Technikspezialist, Unterhändler oder Straßensamurai. Zusätzlich stellt man sich einige Fragen über die Vergangenheit, die Motivation und den moralischen Kompass des Charakters. Dann geht es an die Werte.

Das Prioritätensystem funktioniert so, dass es fünf Prioritäten von A bis E gibt, die auf die fünf Bereiche Metatyp, Attribute, Fertigkeiten, Magie oder Resonanz und Ressourcen verteilt werden. Je höher die Priorität, desto besser ist die Kategorie vertreten.

Schön zu sehen ist, dass auch mit den geringen Prioritäten alle Metatypen wählbar sind. Lediglich die Anpassungspunkte steigen. Die Entscheidung ist sicherlich eine schwierige gewesen, denn das alte System sollte auch bei der Charaktererstellung dafür sorgen, dass der große Anteil an Menschen repräsentativ in der Shadowrunnergemeinde vertreten ist. Tatsächlich sind Runner aber sowieso eine besondere Gruppe (Meta-)Menschen und mit der neuen Methode können sich Spieler*innen einfacher das aussuchen, was sie spielen wollen.

Nach der Verteilung der Prioritäten werden Attributs- und Anpassungspunkte verteilt, wobei Anpassungspunkte für Magie, Resonanz, Edge und die besonderen Attribute des Metatyps ausgegeben werden können. Magie und Resonanz können natürlich nur gewählt werden, wenn der Charakter nicht mundan ist.

Danach wählt man seine Fertigkeiten und magie- oder resonanzrelevante Aspekte. Vor- und Nachteile bilden den Charakter und sind in Schritt drei wählbar. Im nächsten Schritt gibt es 50 Karma zur Individualisierung, welches auch in Ressourcen getauscht werden kann.

Höherwertige Ware ist in den 2080ern anscheinend einfacher zu beschaffen.

Im Folgenden werden die Ressourcen in Ausrüstung gesteckt, ein paar Connections gewählt und Wissensfertigkeiten bestimmt. Gerade bei der Ausrüstung ist wesentlich mehr zu bekommen als früher – sogar Deltaware ist für einen Startcharakter erreichbar! Zuletzt kommen noch ein paar Berechnungen und es kann losgehen.

Im Vergleich zur fünften Edition ist die Charaktererstellung erstaunlich abgespeckt. Statt neun Schritten und knapp 40 Seiten genügen sechs Schritte und ungefähr die Hälfte an Seiten. Dennoch muss man blättern, wenn es zu den Fertigkeiten kommt oder Zauber und Ausrüstung ausgesucht werden müssen. Das ist bei der Komplexität des Systems aber nur normal.

Die Charaktererstellung dauert je nach Wissensstand über die Spielwelt und darüber, was man spielen möchte, zwischen 15 Minuten und einer Stunde. Insgesamt verläuft alles aber zügiger und angenehmer als in Shadowrun 5. Wem das dennoch zu lange dauert, der wählt einen der Archetypen und legt direkt los.

Erscheinungsbild

Das neue Design ist heller und sehr ansprechend. Die zahlreichen Bilder sind oft actiongeladen und farbintensiv, was sich gut ergänzt. Es liest sich alles sehr gut und angenehm.

Eine einfache und übersichtliche Struktur erleichtert die Handhabung.

Gerade neue Spieler werden mit der Einleitung, dem Schattenslang-Wörterbuch, den Kurzgeschichten und der Weltbeschreibung gut in das Setting eingeführt. Das Inhaltsverzeichnis ist für Shadowrun klassisch strukturiert und wird durch einen Index ergänzt, der einem aber nur hilft, wenn man genau den richtigen Begriff parat hat. Querverweise bei ähnlichen Begriffen fehlen leider.

Die Überschriften sind logisch gewählt und man hat sich Mühe gegeben, durch die Struktur Übersicht zu schaffen. So stehen unter den Überschriften in auffälliger Farbe oft die wichtigen Informationen, die man sonst im Text suchen musste. Als Beispiel kann man hier die Kosten der Lebensstile oder Proben für Matrixhandlungen nennen.

Tabellen und Beispiele sind an vielen Orten zu finden und logisch platziert. Diese helfen oft über Verständnisprobleme hinweg und sind außerdem leicht zu finden. Besonders erfreulich sind die Tabellenseiten vor dem Index, die viel Herumblättern ersparen. Am Charakterbogen hat sich nicht sehr viel geändert.

Auf den Bildern gibt es viel zu entdecken.

Ein kleiner Teil zu den ADL bereitet einen Storybogen vor und es ist schön, dass es dieser nicht unwesentliche Aspekt der Spielwelt ins Grundregelwerk geschafft hat.

Insgesamt ist das Grundregelwerk der sechsten Edition ansprechender und einfach etwas hübscher als sein Vorgänger, der dunkler im Design war.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele GmbH
  • Autor(en): Tobias Hamelmann, Benjamin Plaga, Niklas Stratmann, Ralf Berszuck, et al.
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover/PDF
  • Seitenanzahl: 349
  • ISBN: 9783957892997
  • Preis: EUR 19,95
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (PDF), Pegasus Shop (Hardcover)

 

Bonus/Downloadcontent

Ein Geschwindigkeitsrechner steht online zur Verfügung. Er rechnet die Geschwindigkeit von Metern pro Kampfrunde in km/h und umgekehrt um.

Die Kooperation mit dem Genesis Charaktergenerator macht diesen in kostenfreier und als Deluxe-Version für Shadowrun 6 verfügbar.

Fazit

Eine neue Edition ist immer mit Veränderungen verbunden und als „alter Hase“ neigt man gerne dazu, diese skeptisch zu sehen. Was mit den Neuerungen bewirkt werden sollte, ist klar: mehr Action, ein einfacherer Zugang und etwas mehr Streamlining.

Das Edge-System und die Vereinheitlichung von (Ausrüstungs-)Werten zu Angriffs- und Verteidigungswerten sind Dinge, die mehr als nur ungewohnt daherkommen. Abstrakte Werte treten an die Stelle von handfesten Berechnungen – eigentlich ein Bruch mit dem Konzept.

Nichtsdestotrotz bewerten wir Regelwerke nach den selbst gesetzten Zielen und können auch nicht alle Auswirkungen in einem kurzen Ersteindruck abschätzen. Es ist wunderbar, dass die Spielwelt in kurzen, aber passenden Passagen an die Leser*innen herangetragen wird und man so das bisher Geschehene aufholen kann.

Dass Mechaniken eingeführt wurden, um gerade das Zaubern einfacher zugänglich zu machen, ist ebenso gut wie die Verbesserung des Prioritätensystems mit mehr Auswahl- und Anpassungsmöglichkeiten.

Nicht zuletzt sieht das Grundregelwerk der sechsten Edition von Shadowrun einfach sehr gut aus, indem es hell, ansprechend und mit großartigen Illustrationen bestückt wurde. Auch die Struktur und Übersichtlichkeit hat man verbessern können.

Für knapp 20 Euro bekommt man ein schönes und für Shadowrun-Verhältnisse niederschwelliges Grundregelwerk mit einer sinnvollen Struktur, einer großen Portion Streamlining und Potenzial.

Der Ersteindruck basiert auf der ausgiebigen Lektüre des Grundregelwerkes, der Erstellung einiger Charaktere und der Testrunde des Starterpakets bei den Teilzeithelden. Im Verlauf der nächsten Wochen und Monate wird eine weitere Testrunde mit Hilfe des Grundregelwerks stattfinden, die ich diesmal leite. Auf dieser Grundlage wird ein ausgiebiger Spieltestbericht erscheinen.

mit Tendenz nach unten

 

Artikelbild: Pegasus Spiele, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

10 Kommentare

  1. Als Besitzer der englischen Version muss ich leider ein par Aussagen in dem Review mit einigen Unglauben betrachten. Gerade was zum Beispiel die Charakter Erschaffung angeht die Ausnutzung noch mehr Tür und Tor öffnet als es bei vorherigen Editionen der Fall war. (SR Veteranen dürften wahrscheinlich schon bei der Prioritäten Tabelle nervös werden). Oder die Regeln Heilung die in Kombination mit der quasi nicht mehr vorhanden Panzerung vercyberte Charaktere eigentlich unspielbar machen. Fairerweise basieren meine Beobachtungen auf den englischen Regeln. Kann durchaus sein das Pegasus da viel behoben hat.

    Mein persönlicher Eindruck ist: Finger weg.
    Die Edition ist nicht nur ziemlich schlecht sondern ich glaube auch basierend darauf wie mies sie im englischsprachigen Raum ankommt das sie entweder recht kurzlebig sein wird oder das es bald eine „revised“ oder 6.5 Version geben wird.

    Andererseits habt ihr natürlich völlig recht damit das man sich für 20 Euro hier wirklich sehr günstig seine eigenen Eindruck machen kann. An dem starken Preis den Pegasus da macht gibt es nicht zu mäkeln.

  2. Wir selber sind zum Beginn unserer Runde von SR5 auf SR6 umgestiegen. Ich finde die 6te Version deutlich zugänglicher als die 5te und genieße das Spiel (als Spieler) mehr als in der 5ten. Das mag daran liegen, dass ich mehr auf das RP achte, als auf die Werbung.
    Gerade die CharErstellung hat bei mir massivst gepunktet.
    DENNOCH:
    Das Edgeys ist wirklich etwas….nun ja anstrengend.

  3. Der Unterschied zwischen englischer und deutscher Version ist inkrementell. Hätte Pegasus viel (mehr) geändert wäre es nicht mehr Shadowrun 6, sondern Shadowrun: Pegasus macht was eigenes.

    Ich habe 6 Oneshots geleitet und muss dir zustimmen, da wurde sehr viel verwurschtelt, was nicht nur Grognard „früher war alles besser!!“ ist, sondern (ansatzweise) objektiv gilt.

    Nur der Preis von 20€ ist zum reinschnuppern günstig genug, das stimmt.

    PS: Das ist schon die zweite Deutsche SR6 Rezension, die ich gelesen habe, die als Erfahrung „eine gespielte Runde“ angibt. Als ob man sicher behaupten kann, dass das für eine fundierte Meinung reicht …
    PPS: Schleichwerbung https://youtu.be/6SgGmjd0Qu8

    • Hallo Niduroki,

      man steht immer vor der Wahl: Eine ausgiebige Rezension veröffentlichen und dafür lange und viel spielen oder recht früh einen Ersteindruck vermitteln und dafür nicht so viel Zeit für den Test haben. Deshalb trennen wir klar in „Rezension“ und „Ersteindruck“ und geben auch an, worauf diese jeweils beruhen.

      Ich habe mich ausgiebig mit Shadowrun beschäftigt und auch ein Interview mit Tobias Hamelmann auf der SPIEL 2019 geführt. Zudem ist Shadowrun mein Haussystem. In einem Ersteindruck kann man dennoch nicht alles abdecken – besonders in der Kürze eines Artikels.

      Daher habe ich auch schon angefangen eine Runde zu planen, um dann an mehreren Abenden ausgiebig zu testen und, wie beschrieben, eine Rezension liefern zu können. Ich hoffe, du liest diese dann auch!

      Liebe Grüße
      Norbert

  4. Für mich ist es halt so das ich mich Frage wie lange es die Edition überhaupt als aktive Edition geben wird. Wenn Catalyst schon solche Probleme mit dem Grundregelwerk hat das eigentlich die längsten Entwicklungs- und Testzeiten beklommen haben sollte dann sehe ich schwarz bei den ersten Regelausbaubüchern.

    Es spricht schon Bände das zum Beispiel bei drivethrurpg mit Carbon 2185 und dem Cyberpunk Red Jumstart Kit zwei Spiele bei denen es um Cyberpunk geht in den Top 10 sind während Shadowrun 6E irgendwo bei 20 herum dümpelt. Selbst Eclipse Phase scheint sich momentan besser zu verkaufen. Und das während Shadowrun 6E im Moment sogar mit Rabatt versehen ist.

    Über die teilweise vernichtend ausfallenden Reviews will ich gar nicht reden. Man muss es erst mal schaffen auf drivethru nur drei Sterne zu kriegen….

  5. Unabhängig von den aktuellen Regeln sieht die gegenwärtige Edition einfach nicht mehr nach Shadowrun aus – zu hell, zu bunt, zu sehr wie Blizzards Overwatch. Das Spiel ist mit jeder weiteren Edition generischer und langweiliger geworden. Wo ist der Cyberpunk geblieben? Wo der Dreck? Die Gosse? Die große Frage, was Mensch und Maschine unterscheidet? Für mich persönlich ist das einfach nur noch flach und völlig gefühllos.

  6. Hallo allerseits,

    ich kenne nur SR 3.01 und SR 4.
    Nachdem ich den Ersteindruck gelesen habe, weiss ich nicht, ob ich mich für die 6te erwärmen kann.

    Den Waffenvergleich kenn ich aus DSA 3.. passte auch eher in die Fantasy Welt.
    Edge sollte das Zünglein an der Waage sein, und wohlüberlegt eingesetzt werden. Das liest sich jedoch nicht mehr so.. kann mich aber irren.

    Der Glückswürfel kommt sowohl bei Star Wars D6, wie auch bei Savage Worlds vor.
    Zwar nicht mit dem Impakt, zugegeben. Aber neu ist die Idee nicht.

    Was wurde denn aus den Testrunden und der Rezension @Redaktion ?!

    • Hallo Olaf,

      im Moment spielt die Testrunde der Redaktion noch. Der Artikel dazu kommt im Juli. Dort werden auch die Erfahrungen meiner privaten Runde einfließen, in der ich die „30 Nächte“-Kampagne leite.

      Zu deinen Eindrücken:
      Ich habe sehr lange SR5 geleitet und aktuell mache ich das immer noch. Oft laufen Shadowrun-Runden flüssiger, wenn es bereits einige Zusatzbücher gibt. „Feuer frei“ kommt diesen Monat dazu, dann sicherlich das Magiebuch, gefolgt von der Rigger- und Decker-Variante, evtl. unterbrochen von ein paar anderen Quellen- und Regelwerken. So zumindest eine typische Abfolge.

      Je nachdem, was eine Gruppe für Anforderungen an ein Regelsystem hat, würde ich zu einer anderen Edition raten. Die sechste Edition ist einfach noch nicht komplett. Optionale Regeln können einiges verändern. Dazu kommen Zauber, Ausrüstung, Vor- und Nachteile und so weiter. Uns sind einige Problemchen und Ungereimtheiten während des Spielens aufgefallen, die ich im Artikel erläutern werde.

      Die fünfte Edition fühlt sich für mich im Moment runder an. Mal sehen, ob zukünftige Ergänzungen das ändern werden, denn auch bei SR 5 gibt es Dinge, die man kritisch sehen kann. ;)

      Dass der Spielbericht etwas spät kommt, liegt nicht nur an Corona. Ich wollte mir ausgiebig Zeit geben, mit den beiden Runden testen zu können.

      Liebe Grüße
      Norbert

      • Ach das ist ne Ausrede. Eine Edition, die nicht schon allein mit dem Grundregelwerk spielbar ist, ist einfach nicht gut.

        SR4 und SR5 kann man ohne Probleme und rein mit den Grundprinzipien des Systems ohne Probleme spielen und leiten.
        Das 4er(anniversary) noch deutlich besser als das 5er.

        Und genau hier liegt auch nicht meine Kritik am 6er System.
        Man kann damit spielen. Jedoch sind viele Entscheidungen die ich treffe total belanglos oder so marginal, dass es kaum ins Gewicht fällt.
        Ich mein, was nützen mir zahlreiche Edge und Angriffswertverbesserungen, wenn dann doch alles limitiert ist.
        Dann bekomm ich vielleicht mal ne Würfelmanipulation…

        Und dann wurde dafür auch noch der Realismus des Spiels aufgegeben.
        Ich war ein absoluter Fan der Reihe und hab mich richtig auf SR6 gefreut.
        Ich neige nicht zur „Früher war alles Besser“ und „Neu ist Scheiße“ Fraktion. Ich habe die 5te, welche beim besten Willen weit davon entfernt war perfekt zu sein immer verteidigt, aber hier bei der 6ten fällt es mir einfach schwer.

        Wenn man dann auch noch mit Hintergrundinfos in Kontakt kommt, welche beschreiben, wie man mit den Testern und deren Meinung umgegangen ist, dann bekommt man auch noch Angst um die Zukunft seines Lieblingssystems.

        • Hallo Patrick,

          das kann man so sehen – ich aber nicht. Shadowrun ist sehr komplex und diese Komplexität benötigt Platz. Natürlich ist es komfortabel, wenn man ein System nur mit dem GRW spielen kann, aber oft erleichtern oder verbessern Zusatzbücher das Spielerlebnis. Das ist bei D&D genauso wie bei Shadowrun und allen komplexen Systemen. Je einfacher das System und die Spielwelt – was in keinster Weise wertend gemeint ist -, desto kompakter kann ein Regelwerk sein.

          Gerade Spieler*innen mit Vorwissen werden immer etwas vermissen, wenn sie nur das GRW haben. Das war aber immer so. Ich habe auch die dritte Edition ohne Erweiterungsbände nicht so gern gespielt wie mit Arsenal und Co.

          Die Riggerregeln aber z.B. sind stark reduziert im 6er GRW. Dadurch zeigen sich auch gerade Probleme im Spieltest.

          Den Realismus-Faktor sehe ich auch. Das stößt mir sauer auf. Da hoffe ich persönlich auf Nachjustierung. Realismus und Magie beißen sich zwar, aber ich weiß genau, was du ansprichst.

          Den Punkt mit der Belanglosigkeit verstehe ich bei deiner Aussage leider nicht ganz. Was ist belanglos? Was wird limitiert?
          Des Weiteren: Welche Hintergrundinfos meinst du denn genau? Reaktionen von Catalyst? Magst du das ausführen? :) Wenn es dir lieber ist, kannst du mich auch per Mail anschreiben.

          Liebe Grüße
          Norbert

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