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Der heute rezensierte Achtung! Cthulhu Keeper’s Guide für FATE Core vervollständigt den bereits vorgestellten Investigator’s Guide und ist mit seinen über 250 Seiten rappelvoll mit irrsinnigen Informationen. Neben erweiterten Zeitschienen für die einzelnen Nationen bringt dieser Band auch eine Menge neuer Sonderregeln und den im Investigator’s Guide bewusst außen vorgelassenen Mythos mit ins Spiel. Sehen wir uns an, was uns Modiphius hier bietet.

Inhalt

Der Band beginnt mit der Zeitschiene vor und während des zweiten Weltkrieges, konzentriert sich dabei aber auf die unnatürlichen Ereignisse des Krieges und deren Drahtziehern. Diese Auflistung ist allerdings knochentrocken formuliert und hat eine durchaus einschläfernde Note. Anschließend werden das Dritte Reich und das Spielen eines deutschen Charakters näher beleuchtet. Wie im Investigator’s Guide für die anderen Nationen bereits abgedruckt, findet sich an dieser Stelle nochmals der Kriegsverlauf, dieses Mal aus deutscher Sicht. Aufgrund der „sensiblen Natur“ wurde darauf verzichtet, dieses Kapitel bereits in den Investigator’s Guide zu packen, die hier abgedruckten Informationen sind aber spoilerfrei und sollen Spielern deutscher Charaktere auch zur Verfügung stehen. Unverständlich ist mir, wieso man diese dann nicht gleich im für die Spieler gedachten Band untergebracht hat.

Hat man dieses langatmige Kapitel durchgestanden, belohnt das der Spielleiterband mit einem intensiven Überblick über das Setting. Die behandelten Themen werden mit jeder Seite ein bisschen düsterer. Während sich die ersten Seiten noch mit der Struktur und Aufstellung der Armeen der beteiligten Nationen und den beteiligten paramilitärischen Verbänden beschäftigen, widmet sich das nächste Kapitel bereits den unterschiedlichen Spionageabteilungen. Man hat sich hier viel Zeit und Mühe gegeben, zahlreiche Organisationen zu recherchieren, zu beschreiben und auch den historischen Kontext dabei nicht außer Acht zu lassen.

Mit dem Wissen gewappnet, wie der Krieg vor und hinter den Kulissen tobt, widmen wir uns dem nächsten Kapitel, in dem sich alles um geheime und okkulte Organisationen dreht. Achtung! Cthulhu bedient sich sowohl historischer Vorbilder wie dem Neutemplerorden in Deutschland oder der englischen Bruderschaft des inneren Lichts, als auch frei erfundener Geheimgesellschaften. Zu diesen zählen übrigens auch die Hauptakteure dieses Schattenkrieges, namentlich Section M und Majestic auf Seiten der Alliierten und der Kult der schwarzen Sonne und die Nachtwölfe für Nazi-Deutschland. Natürlich glänzen die Organisationen der Achsenmächte durch völlige Skrupellosigkeit und werden insgesamt als wichtigste Widersacher aufgebaut, die auch schlussendlich den meisten Raum in diesem Kapitel erhalten. Spannend ist hierbei die Vermischung tatsächlich belegbarer historischer Fakten, wie zum Beispiel dem Zusammenhang des Symbols der Schwarzen Sonne und der Wewelsburg, und den übernatürlichen Forschungen, die in dieser Welt dort stattgefunden haben. Dieses Kapitel ist zugleich das stärkste des gesamten Bandes, da es Historie und cthulhuoiden Horror sehr schön zu einem sehr stimmungsvollen Ganzen verbindet.

Natürlich darf auch ein Kapitel über Ausrüstung nicht fehlen. Als Einstieg werden Fortbewegungsmittel aller Art beschrieben. Neben durchschnittlichen Reisegeschwindigkeiten werden einige Sonderregeln für Fahrzeuge mit ins Spiel eingebracht. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine genauere Ausdifferenzierung der bronzenen FATE-Regel („Du kannst alles im Spiel wie einen Charakter behandeln“) für Fahrzeuge. Auch hier wird nicht mit Informationen gegeizt und dem Leser ein Überblick aller möglichen und unmöglichen Fortbewegungsmittel, egal ob zu Lande, auf oder unter Wasser oder in der Luft gewährt. Da es thematisch passt, wird an dieser Stelle gleich die typische Bewaffnung der deutschen Soldaten angeschlossen und auch ein Kapitel über besonders ungewöhnliche Gegenstände fehlt in dieser Auflistung nicht. Dies ist übrigens wieder ein Kapitel, das dem Investigator’s Guide nicht geschadet hätte. Abgesehen von den geheimen Entwicklungen der Schwarzen Sonne und den Nachtwölfen spricht nichts dafür, diese Informationen dem Spieler vorzuenthalten.

Das Kapitel über den Spielaufbau folgt dafür wieder dem allgemeinen Kanon. Die Entwicklung der eigenen Spielwelt ist sehr kurz dargestellt. Beispielhaft werden unterschiedliche Aspekte vorgestellt, mit dem man den Schwerpunkt seines Spieles spezialisieren kann. Es ergibt auch Sinn, dass eine Spielgruppe, die eher an Spionage und deren Abwehr interessiert ist, sich über andere Aspekte freut, als die klassische Pulpgruppe, die am liebsten Nazis im Dutzend billiger vermöbeln möchte. Die weiteren Abweichungen zu FATE Core sind eher kosmetischer Natur. Zeitabhängige Regeln wie das Fortkommen der Charaktere durch Meilensteine, die Behandlung von Konsequenzen oder auch die Regeneration von Stress sind von der Zeit im Spiel und nicht mehr von den Abstraktionen von Spielsitzung und Szene abhängig.

Generell bemüht sich Achtung! Cthulhu auch mit den darauf folgenden Kriegsgebiet-Regeln, das Spiel tödlicher zu gestalten. Zusätzlich zu den eben beschriebenen erhöhten Heilungszeiten muss ein Charakter auch aktiv etwas für seine Genesung tun, bzw. tun lassen. Durch die Einführung von Scale (Maßstab) können ungleich stärkere Parteien für ihre Seite einen Bonus deklarieren, zum Beispiel, wenn ein ungeschützter Soldatentrupp gegen eine Bunkerstellung des Feindes anrennt oder ein Panzer auf einen einzelnen Schützen anlegt. Als letztes Mittel kann der Spielleiter auch die Aufgabe eines Konfliktes untersagen, wenn es sich um einen Kampf um Leben und Tod handeln soll. Dies sollte aber bereits vor Beginn des Konfliktes geschehen. Die meisten Sonderregeln sind im Kern Beispiele aus der Welt von Achtung! Cthulhu, um die Verwendung der FATE Core Regeln noch einmal zu verdeutlichen. Abschließend werden noch einige neue Regeln zum Thema Gifte und Sprengstoffe und deren Herstellung eingeführt.

Selbstverständlich dürfen bei einem Ableger der Cthulhu-Reihe die Regeln zur geistigen Gesundheit nicht fehlen. Diese stellen einen zentralen Bestandteil des Settings dar und haben daher ein eigenes Kapitel erhalten. Grundsätzlich erhält jeder Charakter drei Stufen der geistigen Gesundheit, die von „Geistig gesund“ bis hin zu „Verstört“ reichen. Rutscht ein Charakter noch weiter ab, ist er unrettbar verloren und damit nicht mehr spielbar. Regelmechanisch lösen bestimmte Situationen, sogenannte Trigger, eine spezielle Herausforderung aus, der der Charakter mit Willenskraft begegnen muss. Wird der Wurf vergeigt, erhält der Charakter einen Treffer in Höhe des Differenzbetrages auf die geistige Gesundheit. Darüber hinaus setzt jede Attacke die eigene Willenskraft um eine Stufe herunter und zwar so lange, bis der Charakter sich hinreichend regenerieren konnte (z.B. durch eine Nacht ungestörten Schlafes). Dadurch, dass man bis auf der letzten Stufe keine Aspekte zur Verbesserung des eigenen Wurfes einsetzen kann, rutscht der Charakter zu Beginn sehr stark in die Tiefen der geistigen Gesundheit. In den höheren Stufen hat der Charakter nur die Möglichkeit, den Verlust der geistigen Gesundheit durch Konsequenzen abzufangen. So gesehen ist die geistige Gesundheit also ein Stressbalken mit sehr speziellen Regeln.

Als letzte Sonderregel wird die MythosFähigkeit eingeführt. Diese ist ein Maß des unnatürlichen Wissens, dass sich ein Charakter angeeignet hat und hängt direkt mit seiner geistigen Gesundheit zusammen. Denn: Je niedriger die geistige Gesundheit, desto höher kann die Fähigkeit gesteigert werden. Alle Spielercharaktere beginnen das Spiel ohne diese Fähigkeit, haben aber die Möglichkeit, sie im Spiel zu erlernen. Mythos hat aber auch noch eine ganz praktische Anwendung: Es ist möglich, mithilfe dieser Fähigkeit vordefinierte Zauber zu wirken. Diese führen so gut wie immer zum weiteren Verlust der geistigen Gesundheit, erlauben aber eine einzigartige Beeinflussung der Spielwelt durch den Wirkenden. Eine Auflistung gängiger Artefakte und Bücher runden dieses Kapitel ab.

Das Bestiarium des Buches ist ein sehr ausführliches Kapitel und behandelt auch eine neue Charakterart, die Kreatur, die im Vergleich zu normalen Charakteren etwas härter im Nehmen und vielseitiger im Einsatz ist. An dieser Stelle erfolgt auch endlich ein Überblick darüber, was der Cthulhu Mythos überhaupt ist und welche dunklen Götter bekannt sind. Der Abschnitt beschreibt nach der Einführung der Kreatur einen ganzen Haufen dem Mythos zugehörigen Kroppzeugs. Abschließend werden die wichtigen Persönlichkeiten des zweiten Weltkrieges beschrieben und schlussendlich auch die „Leute auf der Straße“.

Abschließend folgt ein kurzes Kapitel mit Storyideen und eine kleine Referenz empfehlenswerter Bücher, Filme und Museen, diese doppelt sich aber mit der bereits erschienenen aus dem Investigator’s Guide.

Preis-/Leistungsverhältnis

Wow, ist das eine Menge Material! Dieser Band bietet einen umfassenden Überblick über den zweiten Weltkrieg und die Konflikte, die unter der Oberfläche schwelen. Der Originalpreis mit knapp 45 USD ist aber auch unter diesen Gesichtspunkten mehr als happig, vor allem nachdem auch der Investigator’s Guide mit noch einmal 30 USD zu Buche schlägt. Der reduzierte Preis von knapp 23 USD ist für das gelieferte Material aber vollkommen in Ordnung.

Erscheinungsbild

Achtung Cthulhu FATE Keepers GuideWie schon der Investigator‘s Guide, ist auch der dazu gehörige Spielleiterband optisch unheimlich stark. Das grundlegende Design einer Einsatzmappe mit handschriftlichen Ergänzungen wurde beibehalten. Die Lesbarkeit ist wie auch beim Schwesterband ausgezeichnet, einige Bildunterschriften trüben diesen Eindruck durch ihre verwaschene Optik ein wenig.

Leider teilt sich der Band aber auch die Schwächen mit seinem Pendant für die Spieler: Verweise sind durchgehend nicht verlinkt und auch das Inhaltsverzeichnis und der Index wurden nicht mit Links versorgt. Eine ärgerliche Schwäche, da gerade bei so großen PDF-Dateien das Blättern je nach verwendetem Endgerät quälend langsam ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Modiphius
  • Autor(en): Chris Birch, Dave Blewer, Alex Bund, Adam Crossingham, Lynne Hardy, Sarah Newton, Matthew Pook, Ryan Macklin
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 257
  • ISBN: –
  • Preis: 22,99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com (PDF)

 

Fazit

Ein sehr schöner Band für ein gut durchdachtes Setting! Die Pseudohistorik weiß zu gefallen und die einzelnen Fraktionen sind vor diesem historischen Kontext glaubhaft und überzeugend ausgearbeitet. Auch die Spannungsverhältnisse dieser Welt sind schön beschrieben und für den Leser nachvollziehbar. Obwohl die Spielercharaktere FATE-bedingt deutlich kompetenter daher kommen, können die Sonderregeln die wahrgenommene Gefahr für die Charaktere auf einem hohen Level halten und auch der persönliche Horror kommt aufgrund der Regelungen für die geistige Gesundheit nicht zu kurz.

Ärgerlich sind aber einige Designentscheidungen die Aufteilung des Materials betreffend. In einem Spielleiterband haben Spielerinformationen nichts zu suchen. Dennoch gibt es zahlreiche Abschnitte, die für die Spieler entweder interessant sind oder schlicht zum Spielen benötigt werden. Sämtliche Informationen über den Mythos aus dem Spielerteil zu verbannen mag zwar dem Setting selbst entsprechen, aber als Spieler sollte man zumindest die Regelmechanismen kennen, von der Möglichkeit, mit deutschen Charakteren eine komplett neue Facette des Spiels zu beleuchten, ganz zu schweigen.

Insgesamt hinterlässt der Band einen soliden Eindruck, allerdings ist die Regulierungswut gerade bei den Sonderregeln für Kriegsgerät für FATE eher untypisch. Durch die größere Kompetenz der Spielercharaktere könnten alte Cthulhu-Veteranen etwas von der Harmlosigkeit des Settings enttäuscht sein, Pulp-Freunde können aber getrost zugreifen.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Modiphius

 

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