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Was für ein Marvel-Jahr! Black Panther war die Vorspeise, Infinity War der Hauptgang und jetzt bekommen wir zum Sommer noch einen winzigen Nachtisch. Der Kekskrümel, den die Ameisen wegtragen. Der Tropfen Eiscreme, an dem sich die Wespe labt. Ihr wisst schon. Ant-Man und Wasp kümmern sich um den Kleinkram!

Als wir zuletzt Scott Lang alias Ant-Man sahen, lieferte er sich auf dem Flughafen Leipzig einen Bürgerkrieg mit Tony Starks Team. Das war in Captain America: Civil War (2016), und so richtig konnte man seine Motivation nicht nachvollziehen. Warum entschied er sich, auf Caps Seite einzugreifen? Was hat er seitdem getan, nachdem er und die restlichen Renegaten aus dem Unterwassergefängnis „The Raft“ entkamen? Und gibt es eine Verbindung zu den Ereignissen in Infinity War? Marvels neuester Sommerblockbuster gibt Antworten darauf, aber nicht so detailliert, wie viele Fans es gerne hätten. Hier ist unsere Kritik, die nur geringe Spoiler zum Anfang des Films enthält.

Story

Ein paar Tage vor den Ereignissen von Infinity War: Alles scheint in bester Ordnung zu sein. Scott spielt mit Tochter Cassie in einem selbstgebauten Pappkartonlabyrinth, während sein Kumpel Luis, jetzt Chef einer Sicherheitsfirma, einen Sales Pitch für einen potenziellen Kunden vorbereitet. Doch als Scotts Fuß versehentlich durch den Gartenzaun bricht, wird ein Alarm ausgelöst, und FBI-Agenten stürmen sein Haus. Scott steht nämlich unter Hausarrest, und seine Fußfessel registriert sofort, wenn er das Grundstück verlässt.

Denn während Captain Americas restliches Team immer noch auf der Flucht ist, wurde Ant-Man geschnappt. Die Behörden legten ihm einen zweijährigen Hausarrest auf: Sollte er ihn brechen, wandert er für zwanzig Jahre ins Gefängnis. Wenn er ihn straffrei übersteht, ist er ein freier Mann. Die letzten drei Tage zuhause will Scott also gemütlich auf dem Sofa absitzen, doch es kommt natürlich anders, als er denkt.

Beim Baden sieht er eine Vision aus Hope van Dynes Kindheit, die er so nie erlebt haben kann. Verwirrt meldet er sich bei ihrem Vater, Dr. Hank Pym, und erzählt ihm die Geschichte. Kurz darauf findet sich Scott in Hopes Auto wieder. Die Pyms sind nämlich auch auf der Flucht, da sie die Pym-Partikel-Technologie entwickelt, aber nie die Sokovia Accords unterschrieben haben. Sie sind überzeugt, dass Hopes Mutter Janet, die vor dreißig Jahren bei einer Mission im subatomaren Quantum Realm verschwand, noch am Leben ist und Botschaften sendet. Scotts Vision stützt diese Theorie, und so machen sich die drei auf, um Janet zu retten.

Doch die Mission wird gleich von mehreren Störenfrieden bedroht: Der Gangster Sonny Burch will Dr. Pyms mobiles Labor stehlen, um es gewinnbringend zu verkaufen. Die mysteriöse Ghost kann seit einem Unfall durch feste Materie gehen und will ebenfalls Pyms Labor an sich reißen, um ihren Zustand zu heilen. Und der ambitionierte FBI-Agent Woo will nicht nur die Pyms verhaften, sondern auch Scott für die Verletzung des Hausarrests drankriegen. Wie gut, dass Hope jetzt ihren eigenen Anzug hat – mit Flügeln und Blastern!

Darsteller

Paul Rudd gibt wieder sein komödiantisches Talent zum Besten und hat auch die meisten Lacher auf seiner Seite. Trotz dreifacher Verpflichtung gegenüber dem Gesetz, seiner Familie und der Welt bleibt Scott die ganze Zeit cool und optimistisch, was im Zeitalter „düsterer“ Filmhandlungen eine erfrischende Abwechslung ist. Ebenfalls wieder mit von der Partie ist Michael Pena als Quasselstrippe Luis, der auch diesmal zum Leidwesen seiner Gesprächspartner jedes Thema bei Adam und Eva beginnt. Den Spagat zwischen sprücheklopfendem Ex-Knacki und respektablem Unternehmer nimmt man ihm und seinen Partnern Dave und Kurt ab – die drei sind nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern unterstützen Scott und die Pyms tatkräftig.

Michael Douglas und Evangeline Lilly haben etwas ernstere Rollen als Hank Pym und Hope van Dyne, doch auch sie sorgen für einige Lacher, wenn sie Scott vorführen. Der ist immerhin studierter Elektroingenieur und hat sich mit den Avengers geprügelt, doch oft steht er grandios verwirrt da, wenn Hope im Alleingang mehrere Schurken vermöbelt oder Dr. Pym unverständliches Technobabble von sich gibt. Pym ist auch in diesem Film wieder ein granteliges Genie, das schon früher Menschen zu seinem eigenen Nachteil verprellt hat. Diesmal wird ihm sein Egoismus fast zum Verhängnis, bis er unter Beweis stellt, dass er zu Mitgefühl und Kooperation fähig ist.

Hope hingegen darf endlich, endlich ihr eigenes Heldentum unter Beweis stellen und macht dies mit Bravour. Ihre Kampfszenen sind toll choreographiert, und die Digitaleffekte machen ihre Wasp-Fähigkeiten zu einem Augenschmaus. Außerhalb der Action zeigt Lilly eine beeindruckende schauspielerische Bandbreite. Hope tritt auf als brillante Wissenschaftlerin, Flüchtige vor dem Gesetz, die abgebrüht mit Kriminellen verhandelt, hoffnungsvolle Tochter und mutige Heldin. Und keine dieser Rollen widerspricht den anderen. Hier haben Drehbuchautoren und Schauspielerin ganze Arbeit geleistet, um eine starke Frauenfigur zu schaffen. Ant-Man and the Wasp ist der erste MCU-Film mit einer weiblichen Heldin im Titel und erfüllt die Erwartungen in dieser Hinsicht voll.

Etwas farblos bleibt bis zuletzt Walton Goggins als Sonny Burch. Das liegt nicht unbedingt an seinen Schauspielfähigkeiten, sondern daran, dass Burchs Persönlichkeit nicht viel tiefer geht als „skrupelloser Unternehmer“. Es wird nie ganz klar, woher er so viel über die Pyms weiß, wenn doch der paranoide Hank jahrzehntelang seine Technologie vor S.H.I.E.L.D. und Tony Stark geheim halten konnte. Doch Burch erfüllt seinen Zweck in der Story – ein Hindernis in dem irren Wettlauf, der in der Mitte des Films ein rasantes Tempo entwickelt.

Ganz hervorragend ist hingegen Hannah John-Kamen als Ghost, die sich gleich in ihrer ersten Szene explosiv nach vorne spielt. Bleibt sie anfangs noch ein unerklärliches Phantom, werden ihre Motive später für den Zuschauer erschreckend nachvollziehbar. So reiht sie sich mit den übrigen Bösewichten aus Phase 4 ein – auch Vulture, Killmonger und Thanos erlitten Verluste und sahen sich selbst eher als Helden ihrer eigenen Story. Ghost mag körperlich substanzlos sein, doch John-Kamen macht ihren Schmerz und ihre Wut greifbar.

Last but not least gibt auch Kinderstar Abby Ryder Fortson als Cassie Lang eine tolle Performance zum Besten. Als emotionale Stütze ihres Vaters steht sie wie schon im ersten Teil hinter seinen nicht immer legalen Heldentaten und schützt ihn vor übereifrigen Gesetzeshütern. Damit wirkt sie erwachsener als der chaotische Papa. Während viele Schauspieler in ihrem Alter sich auf „niedlich sein“ beschränken, schafft Fortson eine wirklich emotional berührende Darstellung.

Ach ja, Stan Lee ist natürlich auch wie immer dabei und wird von Scotts Eskapaden etwas in Mitleidenschaft gezogen. Ups!

Inszenierung

Nach dem schockierend melancholischen Ende von Avengers: Infinity War bietet uns Ant-Man and the Wasp wieder Action und Humor am laufenden Band. Ein locker-leichter Sommerfilm, der visuell mit rasanten Verfolgungsfahrten, witzigen Schrumpf- und Vergrößerungseffekten sowie gut integrierten CGI-Effekten herrliches Eyecandy auffährt. Besonders gelungen sind das „Flickern“ von Ghost und die bizarren Landschaften des Quantum Realm, die an die LSD-Trip-Dimensionen in Doctor Strange erinnern.

Die Ameisen spielen diesmal leider nur die zweite Geige und sehen daher etwas unpoliert aus. Vor allem Scotts „Vertreter“ wirkt leicht unrealistisch, doch das kann man in dem rasanten Tempo der Story verzeihen. Der Soundtrack stammt wieder aus der Feder von Christophe Beck, der das bekannte Ant-Man-Thema für das Team-Up mit Wasp neu aufbereitet. Auch hier ist die Musik wieder sehr eingängig und trifft genau den Ton zwischen verstohlener Einbrecher-Spannung und krachenden Prügelszenen.

Erzählstil

Ant-Man and the Wasp ist in erster Linie eine Geschichte über Familienbande. Kern der Story ist natürlich die Rettung der totgeglaubten Janet van Dyne, die seit Jahrzehnten schmerzlich vermisst wird. Dass diese zerbrochene Familie wiederhergestellt werden kann, ist eine hoffnungsvolle, fast märchenhafte Idee, die sozusagen als Gegenentwurf zu Thanos’ kaltem Utilitarismus präsentiert wird. Wer immer noch vom vorigen Film traumatisiert ist, bekommt hier etwas Balsam für die Seele.

Familie Lang hingegen war nach Teil 1 fast gekittet, sogar mit Paxton, dem neuen Freund von Ex-Frau Maggie, hatte Scott schon Frieden geschlossen. Nun droht seine Cap-Begeisterung ihn geradewegs zurück ins Gefängnis zu schicken. Hier geht es also mehr darum, wie ein eigentlich fürsorglicher Vater durch seine eigenen Charakterschwächen zum wiederholten Male sein privates Glück aufs Spiel setzt. In einem anderen Genre wäre das ein zutiefst tragischer Handlungsstrang, doch in dieser Superheldenkomödie löst Papa Scott alle Probleme durch unglaublich coole Schrumpf- und Wachstumstricks und flotte Sprüche. Moral: Auch komplexe Familienprobleme lassen sich einfacher lösen, wenn man lässig bleibt.

Apropos Thanos: Echte Marvel-Fans bleiben sowieso immer für die versteckten Szenen nach dem Film sitzen, doch diesmal sollte wirklich jeder auf die Post-Credits-Scene warten. Denn die Fantheorie-Mühlen laufen nach diesen Szenen bereits heiß …

Die harten Fakten:

  • Regie: Peyton Reed
  • Darsteller: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Pena, Hannah John-Kamen, Michael Douglas, Laurence Fishburne, Michelle Pfeiffer etc.
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Englisch
  • Format: 3D

 

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Fazit

Sommer, Sonne, Kinozeit und etwas Action-Spaß mit Ant-Man und Luis. Regisseur Peyton Reeds Formel, die bereits 2015 mit Teil 1 aufging, hat auch jetzt wieder für einen höchst unterhaltsamen Streifen gesorgt. Ant-Man and the Wasp ist zwar weder so bahnbrechend kulturell bedeutsam wie Black Panther noch so episch und schockierend wie Infinity War. Aber genau das muss er nach den beiden Vorgängerfilmen nicht sein. Hier wird einfach ein lockerer, cooler Flucht- und Einbrecherkrimi mit Science-Fiction-Elementen vermischt und mit einer Familienstory verwoben.

Emotional sehr befriedigend, es muss ja nicht immer schwermütiger Tiefgang sein! Ab und zu wird die Handlung ein wenig zu chaotisch, aber wer damit nicht klarkommt, sollte an diesem Genre gar nicht erst interessiert sein.

Artikelbilder: Mavel Studios, Bearbeitung: Roger Lewin
Der Besuch dieses Films geschah im Rahmen einer Pressevorführung.

 

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