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Im Rahmen des diesjährigen Vorsatzes, jede Woche einen neuen originalen Film zu veröffentlichen, hat Netflix Space Sweepers herausgebracht. Bei dem südkoreanischen Film handelt es sich um einen actionreichen Science-Fiction-Film, der in einer dystopischen Zukunft spielt. Wir folgen einer Gruppe Weltraumarbeiter, die von einem besseren Leben träumen.

Netflix ist aktuell bemüht, sein eigenes Programm zu erweitern, indem es mehr Filme, die entweder für den Anbieter direkt produziert wurden oder zumindest ihre initiale Veröffentlichung auf Netflix feiern können, herausbringen. Anders als andere Streaming-Plattformen mit einem größeren originalen Programm, setzt Netflix dabei auch auf internationale Filme, anstatt nur auf englischsprachige Produktionen. Einer dieser Filme, der im Februar seine Premiere feiern durfte, war der südkoreanische Weltall-Western Space Sweepers, der gleichzeitig die Ehre hat, als erster Weltall-Film aus koreanischer Produktion zu gelten.

Der Film ist ein komplett originales Werk ohne eine Vorlage, auch wenn parallel zur Veröffentlichung ein Webcomic Spin-Off auf Webtoons gestartet ist.

Story

Wir schreiben das Jahr 2092. Die Erde ist beinahe unbewohnbar geworden. Die Natur ist zu großen Teilen zerstört und die meisten Menschen, die hier zurückgeblieben sind, leben in Slums. Diejenigen, die es sich leisten können, sind in den Weltraum geflohen. Hier leben Menschen opulent auf natürlich gestalteten Raumstationen mit blühender, sauberer Natur. Das ist jedoch nicht alles: UTS, die Firma, die für diese Weltraumrevolution verantwortlich ist, hat angekündigt, dass nun auch endlich der Mars soweit ist, dass er besiedelt werden kann. Dies ist einer Wunderpflanze zu verdanken, die große Mengen an Sauerstoff produzieren kann.

Diese Weltraumrevolution verursacht jedoch auch ihre Probleme: Zum einen wird nur Menschen, die von UTS ausgewählt werden, das Privileg zugestanden, auf einer der natürlich gestalteten Kolonien zu leben. Alle anderen leben entweder auf der verkommenen Erde oder in Weltraumslums. Zum anderen sorgt der rege Verkehr in den Weltraum für eine riesige Menge an Weltraumschrott, der den weiteren Verkehr gefährdet. Um Herr dieses Problems zu werden, bezahlt UTS sogenannte „Space Sweeper“, Aufräumarbeiter*innen, die für wenig Geld und unter Lebensgefahr ausrangierte Satelliten, abgefallene Raketenteile und auch komplett ausrangierte Raumfahrzeuge beseitigen. Auch die Crew der Victory gehört zu diesen Space Sweepers. Sie besteht aus Captain Jang, dem Piloten Tae-Ho, dem Mechaniker Tiger Park und dem Roboter Bubs. Dabei reicht das Geld, das sie verdienen, kaum, um die Reparaturen an ihrem Schiff zu bezahlen. Während einem ihrer Aufträge finden sie in einem vermeintlich verlassenen, ausrangierten Schiff ein Mädchen, das sich als der Roboter Dorothy herausstellt. Vor ihm haben die Medien bereits gewarnt, denn angeblich hat eine Terroristen-Organisation eine Bombe mit riesiger Zerstörungskraft in ihr installiert. Dabei ist für die Crew der Victory vor allem eins interessant: Die Terrorist*innen sind bereit, viel Geld zu zahlen, um Dorothy zurückzubekommen. Allerdings scheint auch UTS sehr hinter Dorothy her zu sein und nimmt die Crew so bald ins Visier…

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Es ist deutlich, dass die Drehbuchautor*innen großes Interesse daran haben, ihre Welt ausführlich darzustellen. Nicht unerhebliche Teile der Handlung werden darauf verwendet, den Zuschauer mit ihrem Universum vertraut zu machen. Beispielsweise wird aufgezeigt, wie die Menschen leben, wie der Unterschied zwischen UTS-Bürger*innen und Nicht-Bürger*innen ist und wie das System die Nicht-Bürger*innen diskriminiert. Tatsächlich ist die Armut, die das Leben der meisten Nicht-Bürger*innen prägt, ein zentraler Aspekt des Films. Dies sorgt dafür, dass der Film in einigen Aspekten trotz des Settings im Weltraum häufig an Cyberpunk erinnert. Im Essenziellen ist es die Geschichte von ein paar Unabhängigen, die sich mit dem großen, monopolistischen Konzern anlegen.

Ein negativer Effekt des ausgiebigen Weltenbaus ist leider, dass sich der Film am Anfang nur langsam an die Handlung herantastet. Es dauert eine ganze Weile, bis die Crew der Victory Dorothy gefunden hat, und noch eine längere Weile, bis die erste Übergabe mit der Terroristengruppe scheitert, und damit der zweite Akt erst richtig beginnt. Das sorgt dafür, dass sich der erste Akt sehr in die Länge zieht, was ein wenig schade ist, da der Film danach noch richtig spannend wird.

Ab dem zweiten Akt fährt der Film jedoch zu Höchstleistungen auf. Wir lernen nach und nach unsere Protagonist*innen besser kennen, während jede*r von ihnen seine Momente mit Dorothy bekommt. Gleichzeitig gerät die Crew nicht nur immer mehr ins Visier von UTS, sondern sieht sich auch zunehmend im Konflikt mit sich selbst: Auf der einen Seite winkt viel Geld, auf der anderen Seite baut jede*r von ihnen eine Verbindung zu Dorothy auf. Hinzu kommt, dass sie nicht einmal wissen, was die Terroristen mit Dorothy vorhaben. Hier schafft es der Film durch die Zeichnung der Figuren, wirklich charmant zu werden. Außerdem baut sich durch die ungeklärten Fragen endlich eine wirkliche Spannung auf.

Die Actionsequenzen nehmen letzten Endes im Verlauf des Films zu. Mit ihnen kommen verschiedene plötzliche Wendungen, die nicht unbedingt vorhersehbar sind. Dennoch lässt sich sagen, dass die meisten dieser Wendungen durchaus im Rahmen des Films Sinn ergeben und nachvollziehbar sind.

Figuren & Darsteller*innen

Auch wenn es sich bei dem Film um ein Ensemble-Cast handelt, so ist Tae-ho wohl die Figur, bei der man am ehesten von einem Hauptcharakter sprechen kann. Von der Crew der Victory ist er derjenige, dessen Hintergrund am meisten ausgearbeitet wurde und der die klarste Motivation für seine Handlungen hat. Entsprechend ist es gut, dass er sehr souverän von Song Joong-ki gespielt wird, der bereits auch in der Vergangenheit mit Regisseur Jo Sung-hee gearbeitet hat. Song bringt den Schmerz über den Verlust der Tochter, den Tae-ho mit sich herumträgt, sehr gut herüber, schafft es aber gleichzeitig auch, die fröhlicheren Szenen mit dem Charakter überzeugend zu spielen.

Auch Jin Seon-kyu ist überzeugend in seiner Rolle als Tiger Park. Er spielt den Charakter sehr herzlich, was definitiv zu dem passt, was der Film uns über den Charakter zeigt. Dies steht zwischenzeitlich allerdings ein wenig im Widerspruch zu dem Hintergrund, den wir durch eine Rückblende erfahren. Wie sich die Figur, die wir im Film sehen, aus der Figur, die in den Rückblenden dargestellt wurde, entwickelt hat, bleibt unklar.

Über Kim Tae-ri als Captain Jang gibt es leider im Vergleich relativ wenig zu sagen. Dies ist allerdings weniger dem Talent der Schauspielerin geschuldet, als der Tatsache, dass der Charakter im Vergleich zum Rest ihrer Crew relativ wenig zu tun hat. Wir erfahren nur wenig darüber, wer Captain Jang in der Gegenwart des Films ist, da sie als einzige Figur kaum Szenen hat, in denen sie mit Dorothy interagieren kann. Auch andere Informationen über Captain Jang erfahren wir nur durch Exposition, was sie eher blass erscheinen lässt.

Zum Roboter Bubs lässt sich schauspielerisch natürlich recht wenig sagen, da es sich bei ihr um einen kompletten CGI-Charakter handelt, der einzig in einer Szene gegen Ende von einer Schauspielerin gespielt wird. Zumindest aber lassen sich die Synchronsprecher loben, die die Figur sprechen, die da sie gerade in der englischen und koreanischen Version Bubs sehr sympathisch machen und dafür sorgen, dass sie zum Herz der Gruppe wird. Der Charakter ist besonders interessant, da weil es sich bei Bubs effektiv um eine trans* Frau handelt – ihr ausgesprochenes Ziel ist es, einen Frauenkörper zu erhalten.

Besonders herausgestellt sei noch einmal Park Ye-rin, die Dorothy spielt. Sie erbringt als Kinderdarstellerin nicht die gleiche schauspielerische Leistung wie ihre erwachsenen Kolleg*innen im Film, ist jedoch dennoch in vielen Szenen sehr überzeugend. Dabei spielt sie sowohl die unschuldige Seite der Figur, als auch einige der eher härteren Szenen sehr gut.

Zuletzt seit noch James Sullivan genannt, der von Richard Armitage gespielt wird und den Antagonisten des Films darstellt. Obwohl der Film im ersten Akt relativ viel Zeit mit der Figur verbringt, bleibt der Charakter in seiner Motivation letzten Endes doch relativ blass. Das kann auch Armitage nicht herausreißen, den wir aus deutlich besseren Rollen kennen. Leider bleibt es bei der Figur bei einem eher generischen Bösewicht.

Inszenierung

Was an der Inszenierung des Films in Anbetracht seines übersichtlichen Budgets von umgerechnet gerade einmal 21 Millionen USD wirklich beeindruckend ist, sind seine Effekte. Der Film bietet beeindruckende Actionsequenzen im Weltall und auch in anderen Bereichen kann der Film mit seinen Effekten punkten – allen Dingen voran natürlich mit Bubs, bei der es sich über weite Strecken des Films um einen kompletten CGI-Charakter handelt. Dennoch fügt sich Bubs visuell sehr gut in ihre Umgebung ein und es wird eine überzeugende Illusion geschaffen. Dies ist umso wichtiger, da Bubs das Herz der Truppe ist und damit als Charakter überzeugen muss.

Die eine Stelle, an der man das geringe Budget bei den Effekten bemerkt, ist das Finale. Hier passiert sehr viel komplett in CGI gerenderte Action auf einmal, was sich negativ auf die einzelnen Effekte auswirkt und dazu führt, dass diese weniger überzeugend wirken als im Rest des Films. Dies ist besonders ärgerlich, da insbesondere das Finale überzeugen sollte und an der ein oder anderen Stelle die Effekte der Immersion schaden.

Schön gestaltet sind die Sets und auch die Kostüme, die das Flair des Films unterstützen. Besonders zeigt die Kleidung der Crew der Victory auch die Armut auf, in der unsere vier Held*innen leben. Gerade bei Tae-ho wird immer wieder Aufmerksamkeit darauf gezogen, wie zerschlissen seine Kleidung ist und dass er sich nicht einmal ordentliche Schuhe leisten kann.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Tonmischung in der originalen südkoreanischen Fassung. Hier gehen die Tonspuren der Sprachaufnahme in einigen Szenen zwischen Musik und Hintergrundeffekten unter. Die synchronisierten Fassungen auf Englisch und Deutsch haben die Tonmischung souveräner gestaltet, so dass es hier leichter ist, den Dialog zu verstehen.

Über die Musik im Film lässt sich wenig sagen. Nur an wenigen Stellen hat der Soundtrack des Films Alleinstellungsmerkmale. Die meiste Zeit klingt er sehr generisch für die etwaigen Szenen, die er unterlegt. Das macht ihn nicht unbedingt schlecht, sorgt aber dafür, dass er nur selten herausstechen kann. Es gibt nur einige wenige Szenen, in der der Soundtrack über das, was man üblicherweise erwarten würde, hinauswächst. Dazu gehören die früheren Szenen, in denen wir die Crew der Victory bei der normalen Arbeit sehen. Leider aber hätte der Soundtrack an vielen Stellen mehr Flair vertragen können.

Dies ist besonders schade, da der Film ansonsten mit einer sehr eigenen und sehr überzeugenden Atmosphäre glänzen kann, die irgendwo zwischen Cyber- und Rustpunk liegt. Dahingehend hätte der Film von einem Soundtrack profitiert, der diese Atmosphäre besser unterstützt.

Erzählstil

Wie bereits angesprochen, ist das Pacing eine der größten Schwächen des Films. Ein zu langer erster Akt sorgt dafür, dass sich der Film am Anfang zieht und es schwer ist, sich in die Welt hineinzuversetzen. Dabei möchte dieser lange erste Akt wahrscheinlich das genaue Gegenteil erreichen, da er viel Zeit damit verbringt, Weltenbau zu betreiben. Leider gehen dabei stattdessen die Charaktere und der eigentliche Plot des Films unter. Sprich: Die Dinge, die für die meisten Zuschauer interessant sind, spielen hier vorerst eine nebensächliche Rolle.

Dankenswerterweise erholt sich der Film allerdings ab dem zweiten Akt davon und lenkt mehr Aufmerksamkeit auf die Charaktere. Schade ist dabei einzig, dass unsere vier Protagonist*innen unterschiedlich viel Aufmerksamkeit bekommen, was dafür sorgt, dass gerade Captain Jang als Charakter sehr blass bleibt.

Erzählt wird der Film größtenteils linear. Alle wichtigen Sequenzen ereignen sich nacheinander und bauen somit aufeinander auf. Nur zwischendrin gibt es einzelne Rückblicke auf die Vergangenheit der Figuren – vor allem zu Tea-hos Hintergrund. Diese sind allerdings gut eingewoben, so dass sie nie für Verwirrung sorgen und jederzeit klar ist, dass es sich um einen Rückblick handelt.

Es wäre außerdem wünschenswert gewesen, hätte der Film ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf UTS und den Chef der Firma gelenkt. Dieser hat zwar im ersten Akt sehr viel Screentime, doch diese wird kaum genutzt, um dem Zuschauer seine Motivation und Ziele näherzubringen. Dies sorgt dafür, dass einige Handlungen gerade im dritten Akt des Films nur bedingt nachvollziehbar sind. Eine etwas andere Aufteilung der Szenen hätte hier vielleicht helfen können.

Die harten Fakten:

  • Regie: Jo Sung-hee
  • Darsteller*innen: Song Joong-ki, Kim Tae-ri, Jin Seon-kyu, Yoo Hae-jin, Richard Armitage
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Koreanisch (Original), Deutsch/Englisch/Französisch/Türkisch
  • Format: Streaming
  • Preis: In Netflix enthalten
  • Bezugsquelle: Netflix

 

Fazit

Alles in allem ist Space Sweepers ein schöner und vor allem spannender Film. Die Geschichte bietet gut geschriebene Figuren und eine mitreißende Geschichte. Auch legt der Film einen großen Wert auf den Weltenbau und schafft eine schöne Atmosphäre. Dennoch hat der Film einige deutliche Schwächen. Leider ist das Pacing des Films nicht optimal geglückt: Der erste Akt ist deutlich zu lang und zieht sich daher. Ab dem zweiten Akt wird das Pacing jedoch besser und der Film profitiert von einigen charakterfokussierten Szenen, so dass die knapp zwei Stunden Laufzeit auch schnell umgehen.

Weniger überzeugen kann der Filmsoundtrack, der leider sehr generisch ist. Dabei ist die Musik nicht störend, könnte aber auf die Atmosphäre des Films besser angepasst sein. Es fehlt ein Alleinstellungsfaktor.

Positiv hervorzuheben sind die für das geringe Budget des Films sehr gut gelungenen Spezialeffekte, die es durchaus auch mit deutlich teureren Filmen aus den USA aufnehmen können. In diese, wie auch in das Set-Design, einige Mühe geflossen.

Am Ende bleibt es nur, Netflix für die Bestreibungen, mehr internationale Filme ins Programm aufzunehmen, zu loben. Mit Space Sweepers ist ihnen jedenfalls ein Glücksgriff gelungen. Wer Lust auf einen herzlichen Film mit einiger Weltraum-Action hat, sollte dem Film auf jeden Fall eine Chance geben.

  • Überzeugender Weltenbau
  • Durchdachte Charaktere
  • Spannende Story
 

  • Generische Musik
  • Zu langer erster Akt

Dieser Artikel wurde geschrieben von Alex Rump.
Artikelbilder: © Netflix

Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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