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Wir rezensieren den neuesten Lesestoff der Marvel-Comics: Captain Marvel übernimmt den Hammer von Ronan und wird selbst zur Anklägerin, Spider-Man Noir ist zurück und begibt sich auf eine Reise durch die Welt, die ihn auch nach Nazi-Deutschland führt und es gibt eine eigene Zauberschule, gegründet von Doctor Strange.

Bisher gab es keine Schule für junge Magiebegabte im Marvel-Universum. Zwar gab es Xaviers Schule für begabte Jugendliche, doch waren Mutanten immer ein Gleichnis für soziale Missstände. Nun gibt es diese Schule aus der Feder von Skottie Young, der auch bereits Deadpool geschrieben und Der Zauberer von Oz gezeichnet hat. Strange Academy ist eine neue Reihe, nach der vermutlich niemand gefragt hat, aber wir wollten natürlich wissen, ob es dennoch Spaß macht, schon wieder Jugendlichen dabei zuzusehen, wie sie ihre magischen Kräfte unter Kontrolle bekommen. Daneben gibt es wieder einmal einen Spider-Man Noir-Comic, dessen Titelfigur zurück aus dem Reich der Toten ist und es nun mit Nazis und einem sonderbaren Artefakt aufnehmen muss. Außerdem bekommt Captain Marvel eine neue Rolle als Anklägerin und muss die Zerstörung einer Welt aufklären. Dieser Band ist in die Rahmenhandlung des Empyre-Events eingebettet, funktioniert aber auch unabhängig davon.

Captain Marvel #4 – Die Anklägerin

Die Kräfte der Kree und Skrull haben sich vereint und Carol Danvers wird als Halb-Kree Teil dieser Allianz. Gleich ihr erster Auftrag führt sie in eine Welt, in der Skrull und Kree einst friedlich zusammenleben sollten. Doch diese Welt wurde zerstört und die Hauptverdächtige ist eine Kree-Soldatin: Lauri-Ell, die, wie der Zufall es will, dieselbe Mutter wie Carol hat. Somit macht sich unsere Heldin auf, die Unschuld ihrer Halbschwester zu beweisen. Derweil verschlägt es Lauri-Ell auf die Erde, wo sie versucht, für Chewie Katzenfutter zu bekommen.

Mit ihrer humorvollen Art schafft es Kelly Thompson, einen Comic zu schreiben, der wunderbar unterhält, ohne die*den Leser*in zu sehr herauszufordern. Anstelle des Mitfieberns bei einem Krimi sieht man Captain Marvel hauptsächlich dabei zu, wie sie zusammen mit ihren Freund*innen Hintern versohlt. So beginnt dieser Comic damit, wie sie mit Wolverine, Monica Rambeau, Spider-Woman und Ms Marvel zusammen als Team Marvels in einen Escape Room eingesperrt wird. Die Autorin hat erkannt, dass Carol am besten im Zwischenspiel mit anderen Figuren funktioniert und so ist dieser Band nur vordergründig ein Soloabenteuer.

Von den Nebenfiguren bekommt nur die neue Figur Lauri-Ell ein wenig Charakterisierung. Die bisher unbekannte Halbschwester funktioniert als selbstbewusste und starke Frau, die aber keinerlei Ahnung von den Gepflogenheiten der Erde hat. Ein stärkerer Fokus auf Figuren wie Hazmat wäre interessant gewesen, bei der man immer noch nicht ganz weiß, warum sie nun plötzlich mit Carol befreundet ist und immer wieder auftaucht. Ihre gemeinsame Zeit in der Postapokalypse war jedenfalls nicht sonderlich lang.

Der Band macht da weiter, wo die anderen Bände aufgehört haben

Wem die bisherigen Comics aus der aktuellen Reihe gefallen, wird auch hier bedenkenlos zugreifen können. Selbst wenn man vom Empyre nichts mitbekommen hat, kann man der Handlung ohne Schwierigkeiten folgen. Gleichzeitig wird der Band keine Person überzeugen können, welche die bisherige Reihe zu mutlos oder nicht originell genug findet. Carol legt sich mit der Obrigkeit an, aber tut auch nichts, das eine dauerhafte Konsequenz zu Folge hätte. Sie darf sich austoben und am Ende ist wieder alles beim Alten. Das ist dann doch sehr vorhersehbar.

Grafisch macht Cory Smith nichts falsch. Die verwüstete Welt sieht eindrucksvoll aus, die Charaktere haben alle eine ausdrucksstarke Mimik und die Actionszenen sind dynamisch inszeniert. Dabei ist alles im bewährten Marvel-Stil gehalten.

So hat man hier einen Comic, der jedem Marvel-Fan ein wenig Lesespaß bescheren kann, aber keine Person von der Reihe überzeugen kann, die es nicht bereits ist. Aber muss so ein Comic auch mehr sein? Es ist ein Band für Fans, der immer wieder einen guten Gag und eine liebgewonnene Nebenfigur bereithält, die dann und wann auftaucht, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Kelly Thompson
  • Zeichner*innen: Cory Smith, Francesco Manna
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 14 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Spider-Man Noir – Berlin bis Babylon

Spätestens seit Spider-Man: A New Universe sollte Spider-Man Noir auch der breiten Öffentlichkeit bekannt sein. Dieser Detektiv, der einem Film Noir der 40er Jahre entsprungen zu sein scheint, entstammt dem Noir-Universum, bei dem die bekannten Marvel-Helden in einem USA der 30er Jahre neu inszeniert wurden. Zuletzt sahen wir ihn in Spider-Verse: Spider-Zero, wo er gemeinsam mit Miles Morales versuchte, Nazis von einem Spinnen-Totem fernzuhalten. Nun ist er zurück in seiner eigenen Realität und untersucht dort den Mord an einer Frau aus dem Black-Cat-Club von Felicia Hardy.

Die Leiche hat einen seltsamen Klunker umklammert, der aus dem antiken Babylon zu stammen scheint, der die Form einer Zikade hat. Verschiedene Mächte scheinen sich für diesen Stein zu interessieren, unter anderem die Nazis. Also begibt sich der Detektiv Peter Parker auf die Reise nach Berlin, um dieser Spur zu folgen, die ihn später in die Ruinen des antiken Babylons führen wird. Die Geschichte hat Anklänge von Indiana Jones und erinnert stärker an einen Abenteuerfilm als an einen Krimi. Dazu passt auch Peters Humor, denn der Held dieser Geschichte ist nie um einen Spruch verlegen.

Leider passt auch das Ende besser zu einem Indiana-Jones-Film als zu einem Film Noir. Es werden übernatürliche Mächte geweckt und der Einfluss des Helden ist eher gering. So sehr ich Indiana Jones auch mag – das große Finale ist diesen Filmen auch selten geglückt.

Erwartet man Indiana Jones oder Der goldene Falke?

Das, was in diesem Band positiv überrascht, ist die Optik: In starken Grautönen gehalten, die mit wenigen Farbspritzern versetzt sind, stechen die Zeichnungen positiv aus dem Marvel-Allerlei heraus. Die Linienführung ist dynamisch, aber stets in geordneten Bahnen. So muss ein Noir-Comic aussehen. Doch auch dieser Stil erinnert mehr an Vorbilder wie Der goldene Falke oder Casablanca. Die Handlung selbst schreit eine bunte Farbvielfalt geradezu heraus; doch an den Actionszenen sieht man, dass dies nicht unbedingt ein Widerspruch sein muss.

Dennoch sollte die Erwartungshaltung klar sein: Hier geht es um eine Weltreise und mystische Artefakte sowie Nazis als Hauptgegner. Die einzelnen Handlungsorte sind recht belanglos. Unser Held reist von einem Ort zum anderen, ohne dass darin eine große Logik erkennbar ist. Dass er stets weiterkommt, hat eher mit Glück als seiner Begabung als Detektiv zu tun. Hier wäre mehr drin gewesen.

Im Großen und Ganzen lässt mich der Comic zwiegespalten zurück: Einerseits mag ich den Stil und das große Abenteuer, andererseits hätte ich mich auch über einen Noir-Krimi mit einer konsistenten Handlung gefreut. Denn hier ist leider das große Manko dieses Comics verortet: Die Handlung wirkt beliebig. All die Cameos von Noir-Versionen bekannter Figuren tauchen mehr oder weniger zufällig auf und die Handlungsorte werden lieblos abgehandelt. Für die richtige Zielgruppe mag dieser Band ein großer Spaß sein, mich hat er aber größtenteils kalt gelassen.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Margaret Stohl
  • Zeichner*in: Juan Ferreyra
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 15 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Strange Academy #1 – Schule der Magie

Emily Bright ist kein normales Mädchen: Sie kann seit ihrer Kindheit zaubern. Doch sie hat nie gelernt, mit dieser Fähigkeit umzugehen. Anstatt auf einen Brief aus Hogwarts zu warten (es gibt kein Hogwarts im Marvel-Universum), schreibt sie Doctor Strange selbst einen Brief und bittet um Hilfe. Daraufhin taucht Zelma Stanton auf, eine ehemalige Assistentin von Stephen Strange. Sie führt Emily an die neu gegründete Strange Academy, die mit Dutzenden von Schüler*innen startet und in einem uralten Gebäude in New Orleans untergebracht ist.

Die Protagonistin schließt direkt Freundschaft mit der jungen Halbfee Shaylee. Sie lernt auch andere Schüler*innen kennen, wie Doyle, den Sohn von Dormammu oder die beiden Jungs aus Asgard: Alvi und Iric. Zwischen Doyle und Iric beginnt direkt ein offener Konflikt, da sie auf ein Zimmer gesteckt werden und starke Vorurteile gegenüber dem jeweils anderen haben. Andere Schüler*innen wie Zoe haben ihre düsteren Geheimnisse. Unglücklicherweise hat ihre zugeteilte Raumnachbarin Despair (genannt Dessy), eine junge Dämonin, ein besonderes Händchen dafür, eben solche Geheimnisse aufzuspüren.

Die Charaktere sind wunderbar durchmischt und jede*r wird vermutlich ihren*seinen persönlichen Favoriten haben. Als Lehrer*innen kommen Doctor Voodoo als Schulleiter, Magik, Hellstorm und Scarlet Witch als Aushilfsdozent*innen sowie Stranges eigener Lehrmeister als Lehrkraft hinzu. Bei so viel Charaktereinführung bleibt trotz der beachtlichen Dicke des Bandes gar nicht mehr so viel Platz für zusätzliche Handlungsstränge. Vieles dreht sich um den Schulalltag und Probleme, die durch unbedarftes Zaubern entstanden sind.

Braucht Marvel eine Magieschule?

Ich muss sagen, anfangs war ich sehr skeptisch, ob so ein Band wirklich nötig ist. Mit Reihen wie Wolverine und die X-Men sind ähnliche Szenarien bereits wesentlich charmanter erzählt worden. Dazu wirkte Magie nie so präsent, dass an jeder Ecke junge Magiebegabte auftauchten. Doch hat mich der Band zunächst positiv überrascht. Die Zeichnungen von Humberto Ramos laden dazu ein, direkt in die Welt zu versinken. Sein New Orleans ist bunt und vielfältig, erfüllt von einem positiven Lebensgefühl und der Neugier auf eine größere Welt.

Aber letztendlich hat mich der Comic bei zu viel Young-Adult-Thematik wieder verloren. Ich muss mir eingestehen, dass ich nicht Teil der Zielgruppe dieser Reihe bin. Der Fokus wird auf einfachen Geschichten liegen, mit denen sich die Heranwachsenden identifizieren können. Dabei weiß der Band dem Thema nichts hinzuzufügen, das nicht bereits hundertfach erzählt wurde. Dazu ist die Magie im Marvel-Universum eine Superkraft, die sich meist in bunten Strahlen äußert, die aus den Fäusten der Zauber*innen hervorsprießen. Das hat wenig von der Magie, die beispielsweise ein Harry Potter versprüht.

Auch wenn ich glaube, dass der Comic sicher seine Zielgruppe findet, muss ich die Frage, ob ich eine Magieakademie brauche, mit „Nein“ beantworten. Zu uninspiriert wirken die Geschichten für mich und zu wenig fesseln mich die Charaktere. Diese werden zwar alle sehr charmant eingeführt; man hat aber das Gefühl, dass ihre erzählerische Tiefe bereits nach einem Band erschöpft ist.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Skottie Young
  • Zeichner*in: Humberto Ramos
  • Seitenanzahl: 156
  • Preis: 18 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit des Monats und Ausblick

Ein wirkliches Highlight sticht aus diesem Monat nicht hervor. Strange Academy scheint eine nette Neuerscheinung für eine Young-Adult-Zielgruppe zu sein, bleibt aber noch sehr flach. Spider-Man Noir spult seine Handlung etwas zu routiniert herunter, der Comic dürfte Fans von Indiana Jones aber dennoch gefallen. Captain Marvel ist von den drei besprochenen Bänden die klassischste Erscheinung und liefert wieder eine solide Leistung mit viel Humor und Action. Als großen Wurf würde ich den Band auf Grund der eigenen Mutlosigkeit aber auch nicht bezeichnen. So bleibt der Monat insgesamt nicht weiter in Erinnerung, auch wenn kein wirklicher Flop dabei war. Im nächsten Monat freue ich mich auf neue Comicserien mit Black Widow und Iron Man, die jeweils von spannenden Kreativteams initiiert werden. Sobald sie erschienen sind, werden wir darüber berichten.

 

Artikelbilder: © Marvel
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Lukas Heinen
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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