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Im Marvel Monthly stellen wir euch wieder mal interessante Neuheiten vor: Rob Liefeld hat Jahre, nachdem er Deadpool und Cable schuf, eine neue Figur entwickelt: Major X. Daneben bekommt Captain Marvel einen Neustart spendiert und Der Tod von Daredevil verheißt wenig Gutes. Doch taugen die Comics?

Rob Liefeld ist bekannt für seine von Männlichkeit strotzenden und anatomisch nicht immer korrekten Zeichnungen, die prägend für Superhelden-Comics der 90er waren. Nun hat Marvel ihm noch einmal Vertrauen geschenkt und ihm ermöglicht, eine vollkommen eigene Geschichte zu erzählen. Bleibt die Frage, ob sein Stil noch in die moderne Zeit passt. Im Kontrast dazu wird versucht, Captain Marvel als eine Ikone des Feminismus zu präsentieren.

Da Superheldencomics mit weiblichen Hauptfiguren in Deutschland leider trotz guter Geschichten oftmals nach wenigen Ausgaben eingestampft werden, kann man nur hoffen, dass ihr Neustart stark vorlegt. Ähnliches gilt auch für Daredevil, bei dem niemand erklären kann, warum sich seine Comics hierzulande zu schlecht verkaufen. Panini gibt ihm noch einmal eine Chance und nennt den Band dazu gleich noch Der Tod von Daredevil. Da werden Erwartungen geschürt.

Es handelt sich um den Abschlussband des Runs von Charles Soule, der schon mit Der Tod von Wolverine einen großen Erfolg feierte. Es sollte niemanden überraschen, dass es in den USA danach (mit Chip Zdarsky als Autor) weitergeht. Ob das auch in Deutschland der Fall sein wird, hängt mit Sicherheit vom Erfolg dieses Bandes ab.

Captain Marvel #1 – Eine für alle, alle für eine

Carol Danvers hat vor kurzem eine Auszeit genommen. Nun ist sie zurück und hat zunächst mit einem Image-Problem zu kämpfen. Zu lange war sie nur im Weltall unterwegs. Auf der Erde kann sie in Sachen Popularität nicht mit beispielsweise Iron Man mithalten. Deshalb schlägt dieser ihr vor, sich eine Reporterin zur Seite zu stellen, die sie einen Tag lang begleitet. Natürlich kommt alles ein wenig anders als geplant, und die Reporterin wird vom Chauvinisten Nuclear Man entführt. Captain Marvel folgt ihm und landet an einem postapokalyptisch anmutenden Ort, an dem sich fast nur Frauen befinden. Darunter auch ihre beste Freundin Jessica Drew und die ehemalige Avengers-Academy-Schülerin Hazmat. Der einzige Mann ist ein junger Kerl namens Som, der nicht so leicht zu durchschauen ist.

Der Band beginnt klassisch. Die wichtigsten Punkte werden schnell etabliert: Carol ist Teil der Avengers und eine der stärksten. Ihre Beziehung mit James Rhodes wird aufgewärmt, und Spider-Woman wird als Freundin gezeigt, die sie auch kritisieren darf. Das abgeschiedene Szenario schafft es, die Serie zu starten, ohne zu viele Querverweise nötig zu machen. Und es wird unweigerlich das Thema Feminismus in den Mittelpunkt gestellt. Dabei beschränkt sich der Band auf einfache Fragen wie: Kann eine Frau mehr sein als eine Mutter? Mir ist der ganze Comic fast schon zu einfach konstruiert.

Kann man etwas falsch machen, wenn alles richtig läuft?

Auszug © Panini Comics
Auszug © Panini Comics

Der Band ist eine grundsolide Nummer. Es sollte keine Probleme machen mit diesem Band einzusteigen, denn im Laufe der Geschichte lernt man wirklich alles, was man über Carol Danvers zu wissen braucht. Selbst ihre Vergewaltigung und der Fähigkeitsraub durch Rogue werden thematisiert. Die Charaktere sind mit Ausnahme des Antagonisten allesamt sympathisch. Die Dynamik mit den Nebenfiguren funktioniert. Selbst die Wendungen schaffen es, die Spannung hochzuhalten.

Nach der Beurteilung des Covers war ich skeptisch, ob mir die Zeichnungen gefallen würden, aber sie sind von weitaus besserer Qualität, als der Einband vermuten lässt. Während das Cover von Amanda Conner und Paul Mounts meinen Geschmack nicht trifft, bin ich von der Arbeit von Carmen Carnero sehr angetan. Sie schafft es immer wieder, bei der Panelgestaltung zu überzeugen und genau das zu vermitteln, was für die Szene nötig ist. Dazu eine bunte, aber gelungene Kolorierung, die genau auf den Punkt ist. Ihr Stil ist gehobener Marvel-Standard, an dem es wenig auszusetzen gibt.

Der Comic macht eigentlich nichts falsch – warum also keine Höchstwertung? Mir ist das alles viel zu rund. Es fehlt noch an Kanten und Ecken. Außer beim Konflikt mit Rogue hat mich dieser Band nicht wirklich überraschen können. Er schafft es, mein Interesse aufrechtzuhalten, doch bei einem Folgeband erhoffe ich mir mehr Mut. Ein Antagonist, der ein absoluter Sexist ist, mag für den Einstieg funktionieren, doch eine Figur wächst erst, wenn sie ihren eigenen Weg in Frage stellen muss.

Alles ist auf hohem Niveau, aber Steigerungspotenzial ist sowohl bei der Handlung als auch bei den Charakteren und den Zeichnungen vorhanden. Ein Quäntchen mehr Originalität, und ich würde eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.

Die harten Fakten

  • Autorin: Kelly Thompson
  • Zeichnerin: Carmen Carnero
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 15,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon

 

Major X – Zwischen den Zeiten

Als Cable damals per Zeitreise bei den X-Men auftauchte, brauchte es nicht lange, bis er die Ausbildung der New Mutants übernahm und diese zu einer militärischen Einsatztruppe mit dem Namen X-Force umformte. Nun taucht wieder ein seltsamer Zeitreisender auf (Major X) und erbittet die Hilfe der X-Men, um einen Ort namens X-Istence zu retten, der in seiner Zukunft ein Zufluchtsort für alle Mutanten geworden ist. Dieser ist in Gefahr geraten, da der X-Ential verschwunden ist. Mit Major X tauchen aber auch noch weitere Zeitreisende auf: M’koy, eine ergraute Variante von Beast, und Dreadpool, ein neuer Antagonist mit ungeklärter Hintergrundgeschichte, der für „die Administration“ arbeitet.

Wer bei dieser Beschreibung nicht einmal mit der Augenbraue zucken musste, gehört möglicherweise zur Zielgruppe dieses Comics. Ich habe nichts gegen absolut alberne Szenarien, wenn sie entweder mit einer gehörigen Portion Humor präsentiert werden oder aber eine Art von tiefer Poesie verbergen. Doch Liefeld ist in beidem nicht wirklich bewandert. Er präsentiert stattdessen hochgestochene Dialoge, die eine gewisse Epik vermitteln sollen. Ist in diesem Trash eine unterschwellige Ironie vorhanden, so blieb sie mir verborgen. Um wirklich lustig zu sein, fehlt es diesem Comic am richtigen Timing. Zu schnell wird alles wieder in Actionszenen aufgelöst.

Ein Comic wie aus den 90ern

Auszug © Panini Comics
Auszug © Panini Comics

Wer sich die undurchsichtige Geschichte von Cable anschaut, kann sich schon denken, dass Rob Liefeld nicht unbedingt für durchgehend logische Handlungen bekannt ist. Diese hier erfüllt immerhin den Zweck, dass man schnell von einer Szene mit großen Wummen und stählernen Körpern zur nächsten kommt. Selten habe ich einen Comic von dieser Dicke so schnell konsumieren können, ohne dass irgendwas hängengeblieben ist. Ich halte den Band für eine Portion Fast Food, die wenig Nährwert hat, aber in bestimmten Situationen eventuell das ist, was man gerade möchte.

Die Zeichnungen sind moderner als beispielsweise in den alten X-Force-Bänden. Gerade die Kolorierung macht vieles richtig. Es gibt aber auch immer mal wieder ungewöhnlich eckige Körper, und die Größenverhältnisse wechseln dauernd. Dafür, dass der Fokus aber klar auf Action liegt, ist diese ausgesprochen eintönig. Figuren springen aufeinander, prügeln sich und versuchen, einander zu erschießen. Das hat man alles schon vielfach gesehen und langweilt nur.

Es bleibt abschließend zu sagen, dass man das bekommt, was ich vorher befürchtet habe: einen Comic, der wie seine Hauptfigur aus der Zeit gefallen scheint. Wer auf den brachialen Stil der 90er steht, sollte sich einmal die Leseprobe anschauen. Wer dann noch mit Zeilen wie: „Jedes Atom unserer Welt strömt aus seiner Essenz. Doch er gibt sie selbstlos weiter, obwohl es schwer an ihm zehrt“, irgendetwas anfangen kann, der sollte vermutlich einen Blick riskieren. Alle anderen können das Geld sinnvoller investieren.

Die harten Fakten

  • Autor: Rob Liefeld
  • Zeichner: Brent Peeples, Rob Liefeld, Whilce Portacio
  • Seitenanzahl: 172
  • Preis: 17,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon

 

Daredevil – Der Tod von Daredevil

Nachdem sich der großartige Daredevil-Run von Mark Waid nur schleppend verkaufte, veröffentlichte Panini vom nachfolgenden Run von Charles Soule bisher nur einen Band: So finster die Nacht. Mit dem Abschlussband gibt der Verlag dem Mann ohne Furcht jetzt noch eine Chance. Daredevil stellt ein Team zusammen, um dem Kingpin nachzuweisen, dass er bei der Wahl zum Bürgermeister betrogen hat. Mit dabei sind Cypher und Frank McGee, mit denen Daredevil schon bei der Jagd auf Wolverine zusammenarbeitete, sowie der blinde Inhuman Reader, der durch Lesen die Realität verändern kann. Kurz darauf taucht plötzlich Mike Murdock auf, der angebliche Zwillingsbruder von Matt, den dieser sich früher einmal als Zweitidentität überlegt hat. Von da an beginnt ein Spiel, bei dem nicht immer ganz klar ist, was nun real ist und was nicht.

Um es kurz zu machen: Der Comic ist ein gelungener Abschluss, der nicht mit Cameos geizt. Als es darum geht, dass der Kingpin Daredevil endgültig aus dem Weg räumen will, taucht ein Best-of der Daredevil-Schurken auf. Aber mit dem Vigil gibt es auch einen ganz neuen Gegner, dessen Identität erst am Ende enthüllt wird. Dieses Ende ist aber auch das, was vermutlich viele Leser enttäuschen wird. Der Band setzt auf Wendungen, die vorher Gesehenes in ein neues Licht tauchen. Diese Twists sind aber nicht unbedingt feinfühlig inszeniert und versuchen den Leser bewusst vor den Kopf zu stoßen. Wer damit leben kann, wird auch an dem Band seinen Spaß haben.

Tolle Tuschezeichnungen für eine Geschichte über einen Blinden

Auszug © Panini Comics
Auszug © Panini Comics

Die Tuschebilder von Phil Noto anzuschauen ist immer wieder ein Genuss. Sie sind einer der Gründe, warum Black Widow von Nathan Edmondson zu meinen beliebtesten Comics der letzten Dekade zählt. Und auch hier kann man in einige Bilder einfach nur versinken. Allein für diese Optik lohnt sich schon die Anschaffung des neuen Daredevil-Comics. Das Spiel von Farben und Formen ergibt einen ganz eigenen Look, der einen direkt in die Handlung zieht.

Als Leser bekommt man einen waschechten Thriller vorgesetzt. Jede Szene hat ihre Daseinsberechtigung und ist mit einer Spannung unterlegt, die nur schwer zu greifen ist. Der größte Kritikpunkt bleibt das Finale, das zwar stimmig ist, aber die Erwartung unterwandert, die ein Leser bekommt, wenn ihm ein Buch mit dem Titel Der Tod von Daredevil vorgesetzt wird. In gewisser Weise erinnert dies an die Twists von M. Night Shyamalan, die teilweise zu erzwungen wirken. Mir persönlich gefällt das Ende, es ist aber nicht mit Der Tod von Wolverine zu vergleichen, bei dem Soule es geschafft hat, einen runden Schlussstrich zu ziehen. Hier bleibt man als Leser fast ratlos zurück.

Man sagt, dass man bei Daredevil eigentlich nie etwas falsch machen kann. Einige der besten Comicautoren haben sich des Mannes ohne Furcht bereits angenommen und dabei fantastische Werke abgeliefert. Betrachtet man den Run von Charles Soule als Ganzes, so gehört er eher zu den schwächeren Daredevil-Werken. Im Vergleich mit aktuellen Runs anderer Comichelden aus dem Haus der Ideen ist der Run trotzdem immer noch einer der lesenswertesten. Dieser Abschlussband gehört zu den besten Büchern des Runs und ich freue mich, dass sich Panini entschieden hat, diesen zu veröffentlichen.

Zu gerne würde ich die Höchstwertung vergeben, aber da das Ende nicht für jeden funktioniert, bleibt es nur eine Empfehlung mit leichten Abstrichen im Abgang.

Die harten Fakten

  • Autor: Charles Soule
  • Zeichner: Phil Noto
  • Seitenanzahl: 172
  • Preis: 17,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini-Comics, Amazon

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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