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Der Marvel Monthly steht dieses Mal im Zeichen starker Frauenfiguren. Black Widow lässt nach ihrer Rückkehr von den Toten ihrer Wut freien Lauf. Black Cat bekommt eine eigene Comicreihe und in X-Men: House of X & Powers of X #2 wird aus Moira MacTaggert die wichtigste Figur der kompletten Mutantengemeinde.

Auch wenn Marvel immer wieder tolle weibliche Charaktere entwirft, wie Jessica Jones oder Kamala Khan, haben es hierzulande Comics mit weiblichen Protagonisten grundsätzlich schwer. Panini versucht es jetzt mit Black Cat und Black Widow noch einmal. Black Cat bricht bei Doctor Strange und den Fantastic Four ein. Black Widow verschlägt es auf die von Kriminalität geprägte Insel Madripoor. Außerdem nimmt Hickmans Neuorientierung der X-Men eine Wendung, die niemand vorhergesehen hat: Moira MacTaggert wird per Retcon zu einer Mutantin. Und ihre Fähigkeit stellt alles bisher gezeigte in ein vollkommen neues Licht: Sie besitzt die Gabe der Reinkarnation. Und das aktuelle Marvel-Universum ist ihr zehntes Leben. Was das zu bedeuten hat, erfahrt ihr in unserer Rezension.

Black Cat #1: Auf Raubzug

Für viele ist Felicia Hardy aka Black Cat eine billige Kopie von Catwoman. Doch auch wenn sie an einem ähnlichen Punkt anfingen, haben sie sich doch in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Felicia war eine Zeitlang die Königin des Verbrechens in New York und durch ihre Fähigkeit, ihren Kontrahenten Pech zu bringen, ergeben sich immer ganz spannende Geschichten. Was wir bisher noch nicht wussten: Black Fox, ein alternder Dieb und Spider-Man-Gegner, war ihr Mentor. Dieser kehrt nun zurück und erteilt Felicia ein paar Aufträge: Zunächst soll sie ins Sanctum Sanctorum einbrechen, in der einige magische Überraschungen warten. Der nächste Auftrag führt sie in die Yancy Street, in der die Fantastic Four wohnen. Und auch hier kann durch allerlei technischen Schnickschnack einiges schief gehen.

Die Charaktere sind liebevoll entworfen. Black Cats Handlanger Boris (der Doktor) und Bruno geben ein tolles Duo ab und sind eine gute Ergänzung, die aus den erstem Auftauchen der Diebin wieder aufgegriffen wurden. Odessa Drake von der Diebesgilde ist eine interessante Antagonistin, die im Hintergrund die Fäden spinnt. Und Sonny Ocampo ist ein direkter Gegner, der aber eine gewisse sexuelle Spannung zur Titelheldin aufbaut. Keine dieser Figuren ist besonders originell, aber die Mischung funktioniert und gibt eine humorvollen Heist-Comic ab.

M(i)au

Während man sich beim Lesen darüber amüsieren kann, was bei so einem Heist alles schief gehen kann, schaut man als Leser auf Zeichnungen, bei denen auch einiges schief läuft. Die Gesichter sind oft zu steif, die Konturen zu wild, die Hintergründe zu einfach und die Farben sehr kontrastarm. Der Stil ist nicht hässlich, würde aber besser zu einem realistischen Drama passen als zu diesem humorvollen Raubzug voller Magie, Vampire und Außerirdischer. Die Cover gefallen mir hier schon besser, auch wenn hier der Fokus auf unrealistisch und unpraktisch große Brüste gelegt wird.

Ich hatte Spaß an der Geschichte und musste auch dann und wann laut loslachen. Es ist vor allem ein Band, der viele Anspielungen auf die alten Comics eingebaut hat. Wer diese Geschichten kennt, hat noch einmal ein wenig mehr Spaß an dieser Ausgabe. Aber auch ein Neuleser, der Freude an einem etwas abgedrehten Heist hat, wird hiermit etwas anfangen können. Man sollte aber keine zu hohen Erwartungen an den Band legen.

Es ist vor allem seichte Unterhaltung, die sich niemals die Mühe macht, eine komplexe Handlung zu entwerfen. Die etwas schwachen Bilder trüben dazu den Lesespaß ein wenig. Dennoch kann man einen Blick wagen, wenn man sich grundsätzlich von der Story angesprochen fühlt.

Die harten Fakten

  • Autor: Jed MacKay
  • Zeichner: Mike Dowling, Travel Foreman
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon, idealo

 

Black Widow – Dunkle Rache

Natalia „Natasha“ Romanova wurde vom bösen Steve Rogers getötet. Doch sie ist zurück von den Toten und genießt es, dass die Welt sie für verstorben hält. Der Band beginnt mitten in einem Aufeinandertreffen mit dem guten Steve Rogers und einem großen Kampfroboter. Nach dieser Begegnung entschließt sich Natalia, einen Ort aufzusuchen, in dem sie ihrer Wut freien Lauf lassen kann, da es genug Kriminelle gibt, die ihre Rache verdienen: Madripoor. Diese Insel ist eine zugespitzte Version von Singapur, die komplett von Korrupten und Kriminellen regiert wird. Dort kommt sie auf die Spur eines Entführer-Rings, der Kinder in einem Internet-Stream mit dem Namen „Spiel ohne Hemmungen“ misshandelt und die Regie über eine Folge an den Höchstbietenden versteigert. Bei dieser Organisation kennt Black Widow keine Gnade und gibt sich ganz ihrem Killer-Instinkt hin.

Die Story würde auch gut zu einem Punisher-Band passen. Sie ist brutal, hemmungslos und voller Action. Natasha arbeitet mit einem Hacker namens Ed und Tyger Tiger zusammen, um den Drahtziehern auf die Schliche zu kommen. Bei einer Gala des Verbrechens trifft sie auf Figuren wie den Taskmaster und Sabretooth. Der Comic ist tief im Marvel-Universum verwurzelt, ohne dass dieser Hintergrund zum Lesen erforderlich ist. Schön ist auch, wie sich Natasha als Patch verkleidet. Diese Rolle hat Wolverine einst gespielt, als er Madripoor unter seine Kontrolle gebracht hat.

Die Zeichnungen retten den Band

Der Comic behandelt eine einfache Rachestory, die anfangs nicht so recht weiß, wo sie hingehen soll. Erst später verdichtet sich diese auf das „Spiel ohne Hemmungen“. Die Hauptfigur und die Handlung lassen sich einfach leiten, ohne dass ein erkennbarer Verlauf entsteht. Hier hätte es ein paar zusätzliche kriminalistische Elemente benötigt. Erst am Ende gibt es einen Twist und die Zusammenhänge ergeben einen Sinn. Der Comic schafft es aber nicht, den Leser zum Miträtseln zu bewegen. Man gibt sich einfach den brutalen Actionszenen und rauschenden Gala-Veranstaltungen hin.

Die Tatsache, die diesen Comic aber dennoch lesenswert macht, sind die fantastischen Zeichnungen von Flaviano, der auch schon Power Man und Iron Fist seinen unverkennbaren Charme gegeben hat. Er schafft in seinen Bildern eine fantastische Dynamik und bindet den Leser. Das Tempo ist genau richtig für die Handlung. Charaktere und Hintergründe haben genau den richtigen Detailgrad. Nur die Gesichter wirken teilweise ein wenig verloren.

Auch wenn wenig von den Grausamkeiten gezeigt wird, die den Kindern angetan werden, besteht hier aber auch eine ausdrückliche Trigger-Warnung. Gewalt an Kindern ist kein Thema, das einfach auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Die brutale Reaktion von Black Widow darauf ist ebenfalls fragwürdig und man muss sich fragen, ob es wirklich eine sinnvolle Aussage ist, dass Gewalt dann gerechtfertigt ist, wenn sie sich gegen die richtigen Leute wendet. Das trifft auf viele Superhelden-Comics zu, hier kommt es durch die Zuspitzung aber besonders zum Tragen. Das Autorenduo ist bisher hauptsächlich mit Gorehorror-Filmen bekannt geworden.

Damit ist Dunkle Rache ein Comic, der zwar hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, den fehlenden Krimi-Plot aber durch tolle Action-Sequenzen und eine emotionale Heldin wieder wett macht. Wer sich nicht von der erbarmungslosen Handlung einschüchtern lässt und sehen will, wie Black Widow ein paar Hintern versohlt, kann gerne zugreifen.

Die harten Fakten

  • Autorinnen: Jen Soska, Sylvia Soska
  • Zeichner: Flaviano
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 13,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon, idealo

 

X-Men: House of X & Powers of X #2

Der letzte Band schlug ein wie eine Bombe. Da kann Jonathan Hickman sich doch nun zurücklehnen und seinen X-Men-Neustart weiter beschreiben. Aber stattdessen zündet er eine weitere Explosion und enthüllt ein Geheimnis, das bisher nie erwähnt wurde: Moira MacTaggert ist eine Mutantin. Obwohl das bisherigen Setzungen widerspricht, verfestigt er diese Geschichte mit seiner verwobenen Erzählweise. Moira kennt eine mögliche Zukunft und hat diese Erkenntnis mit Charles Xavier geteilt. Denn sie hat ihr Leben bereits neun Mal durchlebt. Dieser Comic nimmt sich die Zeit, die Grundzüge dieser Leben zu durchleuchten.

Wer einmal Die vielen Leben des Harry August gelesen oder gehört hat (Hörbuch-Empfehlung!), weiß welche erzählerischen Möglichkeiten eine Person bietet, die ihr Leben immer wieder durchleben kann und gleichzeitig die Erinnerungen an ein früheres Leben beibehält. Wie stark die Auswirkungen ihres Handelns auf das Schicksal der Mutanten ist, übertrifft aber alles, was aus der offensichtlichen Vorlage übernommen wurde.

Der zweite Teil des Comics (mit den Kapiteln aus Powers of X) kommt an das geniale erste Kapitel nicht ganz heran. Hier fehlt die emotionale Bindung zu den futuristischen Figuren. Geschichten, welche die Zukunft beschreiben (selbst wenn sie 100 oder 1000 Jahre entfernt spielen), haben das Risiko, dass man das Interesse am Ausgang der Geschichte verliert, denn man hat das Gefühl, dass die Handlung bereits abgeschlossen ist. Doch auch hier hat sich Hickman einen guten Kniff einfallen lassen, den er ganz zum Ende des Bandes präsentiert. Hierdurch und durch die zusätzlichen Informationsseiten, schafft es der Comic, wieder zu fesseln und das Interesse zu wecken, diesen Band gleich ein zweites Mal durchzublättern.

Ein Kaleidoskop an Handlungsfäden

Alles was bei der ersten Ausgabe dieser Reihe erwähnt wurde, trifft auch hier wieder zu: Die Artworks sind atemberaubend, die Handlung ist fesselnd und die Änderungen im Kanon sind fragwürdig. Durch die hohe Qualität der Erzählung verzeiht man den Machern aber, dass sie mit der Kontinuität umgehen wie mit einem überwucherten Busch. Man muss bis zum Ende der Reihe warten, um beurteilen zu können, ob die neue Geschichte in sich geschlossen und sinnvoll ist. Noch existieren zu viele Fragezeichen und Unbekannte. Doch genau daraus zieht dieser Band auch seinen Reiz. Als Leser versucht man, alle Informationen in einen Zusammenhang zu setzen und die Lücken in seinem Kopf zu füllen.

Wer kein Interesse an komplexen Handlungen mit mehreren Zeit- und nun auch Realitätsebenen hat, sollte besser die Finger hiervon lassen. Wer sich aber gerade dafür interessiert, sollte sofort zugreifen.

Die auf vier Bände ausgelegte Reihe definiert das, was die Mutanten auszeichnet, von Grund auf neu. Die inzwischen angekündigte Heftreihe, die im Anschluss erscheinen soll, wird hier ihr Wurzelwerk fassen und die X-Men in ganz neuem Glanz erstrahlen lassen.

  • Die harten Fakten
  • Autor: Jonathan Hickman
  • Zeichner: Pepe Larraz, R. B. Silva
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 13,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon, idealo

 

Artikelbild: Panini Comics, Bearbeitet von Verena Bach
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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