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Auf leisen Pfoten geht es in den Kampf gegen Monster, finstere Zauberei und Kulte dunkler Gottheiten. In Cats of Catthulhu schlüpfen Spielende in die Rollen ganz normaler Haus- und Straßenkatzen in einer Welt, die von Lovecrafts Cthulhu-Mythos inspiriert und doch etwas Eigenes ist – ein narratives Rollenspiel für Erwachsene oder Kinder.

„Es ist nicht tot, was ewig döst, und sich im Traum aus Schatten löst“ – diese einleitenden Worte am Anfang der deutschen Ausgabe von Cats of Catthulhu deuten auf zwei Arten an, mit was für einem Rollenspiel wir es hier zu tun haben: Zum einen meint das „ewig Dösende“ mit Sicherheit eine Katze, die gerne viel Zeit schlafend verbringt und, wie später noch klar wird, in dieser Welt auch gewisse Fähigkeiten hat, die mit Träumen zusammenhängen. Zum anderen ist der Satz ein verfremdetes Zitat aus H.P. Lovecrafts Kurzgeschichte Der Ruf des Cthulhu – und spiegelt damit wider, dass Spielwelt und Ambiente des Systems sich zwar deutlich an Lovecrafts cthulhoiden Welten bedienen, jedoch von dort aus ganz eigene Wege gehen, wie das bei Katzen so üblich ist.

Die Spielwelt

Die Spielwelt an sich ist, in ihrer physischen Form, erst einmal nichts anderes als unsere Welt. Eine Kampagne kann in der heutigen Zeit spielen oder auch einer anderen historischen Periode, in der Menschen und Katzen zusammenleben – also irgendwann in den letzten 9000 Jahren. Der Fantasie der Spielleitung – oder wie es hier heißt, des „Katzenbändigers“ (KB) – sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Eines muss allerdings stets im Hinterkopf behalten werden: Die SC – oder SK für „Spielerkatzen“ – sind ganz normale Katzen. Sie haben keine Daumen, können nicht mit Menschen sprechen, niemals lesen lernen (anders als beispielsweise in den Katzenvarianten anderer Cthulhu-Rollenspiele) und nur wenige sind in der Lage, verschlossene Türen zu öffnen. Ihre Intelligenz mag, als SC, zwar der von Menschen entsprechen, doch ihre Welt ist durch diese speziesspezifischen Eigenheiten beschränkt. Dies sollte vor allem in die Situationsbeschreibungen der SL einfließen. Katzen sind schließlich andere Dinge wichtig als Menschen.

Dies beschreibt schon der erste Band von Cats of Catthulhu, das Nekonomikon (abgeleitet von japanisch „neko“ für Katze) oder Buch der Katzen, vulgo: das Spielendenhandbuch. In diesem nur 54 Seiten langen Bändchen finden sich nicht nur alle Regeln zum Spiel und zur Charaktererschaffung, sowie ein Charakterbogen zum Rauskopieren. Sondern auch das Setting für ein Einstiegsabenteuer und eine Einführung in die Spielwelt, die es Neulingen fast ermöglicht, direkt loszuspielen.

Mit Katzengöttern ist nicht zu spaßen.
Mit Katzengöttern ist nicht zu spaßen.

Der zweite Band, Unaussprechliche Katzen, das SL-Handbuch, bietet wesentlich tiefer gehende Hintergrundinformationen zur Spielwelt, insbesondere zu ihren übernatürlichen Aspekten. Die Kreaturen dieser Welt folgen verschiedenen Tiergöttern, die Katzen zum Beispiel unter anderem der großen Muttergöttin Bastet. Doch es gibt auch Hunde-, Insekten- und Rattengötter, deren Kulte mitunter für gespielte Katzencharaktere gefährlich werden können. Wie viel Horror darin vorkommt, liegt im Geschmack und Ermessen der SL. Denn diese begegnen mitunter nicht nur gewöhnlichen Widersachern, wie etwa einem aggressiven Straßenköter, sondern auch Monstern, die aus der Geisterwelt herbeigerufen wurden, und anderen übernatürlichen Gefahren.

Das System ist dabei von Lovecrafts Alten Göttern eher nur inspiriert und übernimmt einige Namen mit kätzischen Wortspielen, so etwa Hastpurr und Der Große Catthulhu. Wie involviert diese Gottheiten in das Spiel sind, steht der Gruppe frei, zu gestalten. Es lassen sich auch sehr viele kleinere Abenteuer bestehen, die besser in das Leben einer Katze passen. Insofern erinnert das Spiel bisweilen ein wenig an Ratten!, ein System, in dem sich Spielende ebenfalls in die kleine Welt von pelzigen Vierbeinern hinein versetzen. Weiter vertieft werden soll der Detailgrad der Spielwelt Anfang 2023 mit einem weiteren Band, in dem Abenteuer und Szenarien beschrieben werden.

Die Regeln

Die wichtigste Regel von Cats of Catthulhu ist wohl: Katzen befassen sich nicht mit Mathematik! Soll heißen, es gibt keine Attribute, keine Würfelpools, nichts, das aufgerechnet wird. Das heißt zwar nicht, dass es keine Regeln gibt, sie sind allerdings eher Erzählkonventionen und Benimmregeln für den Spieltisch. Das System ist sehr narrativ. Das bedeutet auch, dass man es leicht für eine Gruppe von Kindern adaptieren kann.

Man kann sich bereits spezielle Katzenwürfel vorbestellen. Normale W6 tun es aber auch.
Man kann sich bereits spezielle Katzenwürfel vorbestellen. Normale W6 tun es aber auch.

Ein gewisses Zufallselement bleibt allerdings doch: Die Katzenwürfel. Sollte eine Situation von ungewissem Ausgang gespielt werden, müssen die Spielenden, die sich der Aufgabe annehmen, zwei W6 würfeln, die so genannten Katzenwürfel. Für Fans gibt es auch die Möglichkeit, spezielle Katzenwürfel im Cats of Catthulhu-Design zu erwerben. Jedes Ergebnis höher als zwei, also drei bis sechs zählt als Erfolg, eins und zwei als Fehlschlag. Für eine „einfache Herausforderung“ reicht ein Erfolg, um sie zu bestehen, bei einer „normalen Herausforderung“ bedeutet ein Erfolg, dass das Vorhaben teilweise und zwei Erfolge, dass es ganz gelungen ist. Bei einer „schwierigen Herausforderung“ sind zwei Erfolge notwendig. Allerdings ergibt sich aus der Würfelmechanik, dass der Vorteil deutlich bei den Spielenden liegt.

Dazu kommt, dass auch gegnerische Kreaturen so würfeln, dass drei bis sechs einen Erfolg für die spielenden Katzen und nur eins und zwei eine negative Konsequenz für sie bedeuten. Außerdem hat ein SC in einer Situation, für die er besonders geeignet ist – wenn er also „Die Richtige Katze Für Den Job (RKFDJ)“ ist, automatisch einen Erfolg. Das mag ein wenig die Spannung aus dem Spiel nehmen. Andererseits haben Katzen bekanntlich neun Leben und so erklärt sich, warum sie sich auch aus brenzligen Situationen immer wieder herauswinden können.

Charaktererschaffung: RKFDJ, e.V.

Wie schon unter „Regeln“ erwähnt, rechnen Katzen nicht. Der Charakterbogen besteht dementsprechend aus dem Namen der gespielten Katze, ihrer Rolle in der Gruppe und ihrem Hintergrund. Zwar gibt es keine Attribute wie Geschicklichkeit oder Stärke, die Rolle einer Katze sagt aber aus, welche Eigenschaft in ihr vorherrscht. Für die beiden genannten Attribute stehen der „Katzkrobat„, der sehr geschickt ist, stets zuerst handelt und am leichtesten schwierige Balanceakte ausführt, und der „Raufbold„, der in der Lage ist, selbst größere Beute zu erlegen oder sich im Kampf mit anderen Kreaturen zu behaupten.

Darüber hinaus gibt es noch den „Traumtiger„, der sich besser als alle anderen Katzen in der Traumwelt auskennt und Träume für nützliche Informationen interpretieren kann und den „Zweibeinologen„, der in der Lage ist, die merkwürdigen Verhaltensweisen der Menschen richtig zu deuten. Schließlich gibt es noch die „Samtpfote„, die mit ihrem natürlichen Charme und ihrem außergewöhnlich gut gepflegten Fell fast jedes Gegenüber bezirzen kann.

Mathematik ist unter der Würde einer Katze, deswegen hat der Charakterbogen auch keine Attribute.
Mathematik ist unter der Würde einer Katze, deswegen hat der Charakterbogen auch keine Attribute.

Die Rolle ist eine der wichtigsten Spielmechaniken, denn sie entscheidet meist darüber, wer aus der Spielgruppe die „Richtige Katze Für Den Job (RKFDJ)“ ist. Außer der Rolle kann dafür auch bisweilen der Hintergrund der SC-Katze entscheidend sein. Dieser setzt sich aus zwei weiteren Entscheidungen zusammen, nämlich, ob das gespielte Kätzchen eine Haus- oder Straßenkatze, und ob sie ein Mischling oder ein reinrassiger Stubentiger ist. Von dort ausgehend, kann der Hintergrund von den Spielenden nach Belieben ausgearbeitet werden.

In Ermangelung von Initiativewürfen oder Attributs- und Fertigkeitswerten wird mit der Regel der RKFDJ festgelegt, wer handelt und ob ein Unternehmen gelingt. Bei Würfelproben hat die RKFDJ automatisch einen Erfolg, außer in Ausnahmesituationen. Davon abgesehen, dass neologistische Abkürzungen wie „RKFDJ“ im Buch etwas zu häufig vorkommen, erscheint dieses System erst einmal sinnvoll.

Erscheinungsbild

Süße Stubentiger mit cthuloidem Touch bebildern das Regelwerk.
Süße Stubentiger mit cthuloidem Touch bebildern das Regelwerk.

Es geht in diesem Rollenspielsystem um Katzen. Entsprechend wird es niemanden wundern, dass die Illustrationen, die das Werk bebildern, außerordentlich niedlich sind, auch wenn sie bisweilen kätzische Tentakelmonster darstellen. Die meisten der Kunstwerke basieren auf Porträts der geliebten Haustiger von Kickstarter-Unterstützer*innen der Originalausgabe und sind cthuloid verfremdet worden. Das Layout ist stimmig und ansprechend, nicht übermäßig gruselig, aber dennoch mit einem gewissen Mythos-Touch gestaltet.

Beide Bände des Regelwerks sind Softcovers im Handtaschenformat, die gut in der Hand liegen und wertig gedruckt sind. Zusammenfassende Regeltabellen erleichtern die Übersichtlichkeit.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Yvis Nerd and Geek World
  • Autor*innen: Joel Sparks, Marco Reinartz
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 54, 140
  • ISBN: 978-3-948941-02-4
  • Preis: 12 EUR, 24 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Yvis Nerd and Geek World, idealo, DriveThruRPG

 

Fazit

Als Katzencharaktere in einer vom Cthulhu-Mythos inspirierten Welt – das gab es schon in Abwandlung älterer Cthulhu-Rollenspiele. Diese Variante bringt aber eine ganz neue Spielwelt ein – mit eigenen Göttern und Kulten sowie Charakteren, die tatsächlich das Leben normaler Hauskatzen führen. Das Regelsystem ist so narrativ wie nur vorstellbar – es gibt keine Attribute und Fertigkeiten, nur Rollen und Hintergründe, die eine Katze für eine bestimmte Aufgabe prädestinieren. Auch die Welt ist frei zu gestalten. Sie basiert auf der unseren, ist aber sonst nicht an zeitliche oder räumliche Grenzen gebunden. Wo immer Katzen sind, kann gespielt werden. Und wie wir wissen, kommen Katzen so gut wie überall hin.

Sowohl das Layout und das zauberhafte Artwork als auch die Spielwelt von Cats of Catthulhu sind ausgesprochen charmant und die narrativen Regeln sind leicht in einem Nachmittag so weit zu erlernen, dass man spontan ein kurzes Abenteuer leiten könnte. Das macht das System zu einem perfekten „Lückenfüller“ zwischen längeren Runden, oder für Spontanspiele außerhalb der Reihe. Etwas anstrengend ist der Schreibstil der deutschen Fassung, unter anderem aufgrund des Einsatzes vieler Abkürzungen neu erfundener Spielbegriffe. Dieses Problem fällt aber nicht weiter ins Gewicht.

Dieser Ersteindruck basiert auf der Lektüre von Band I und II des Regelwerks. Ein Spieltest folgt möglicherweise im Frühjahr 2023.

  • Sehr einfache Regeln
  • Narratives System
  • Niedliche Kätzchen
 

  • Etwas anstrengender Schreibstil
  • Kaum Gefahrenelemente

 

Artikelbilder: © Joel Sparks, Yvis Nerd And Geek World
Layout und Satz: Roger und Annika Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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